Krishna – Buddha – Jesus - RPI
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Krishna – Buddha – Jesus - RPI
Reinhard Kirste Wunderbare Geburten: Krishna – Buddha – Jesus Sie sind bedeutend. Sie haben die Welt verändert. In den heiligen Texten erinnern sich Gläubige und weniger Gläubige, was diese drei Gestalten der Menschheitsgeschichte gebracht haben: Echte Menschlichkeit hat etwas Göttliches! Wenn das Göttliche menschlich erfahrbar wird, versagt das abstrakte Denken. Und man erzählt sich Geschichten. Obwohl die drei Wunder-Persönlichkeiten Jahrhunderte und tausende Kilometer teilweise voneinander entfernt zur Welt kamen, ähneln sich die Geburten von Krishna, von Buddha und von Jesus: Es sind Geburten, die die Nähe zum Göttlichen besonders stark symbolisieren und bis in die Ikonografie Verwandtschaft anzeigen. 1. Krishnas Geburt in der heiligen Nacht In den hinduistischen Traditionen erzählt man, dass sich der Gott Vishnu, der Bewahrer der Welt, immer dann neu erschafft, wenn auf der Welt Verbrechen und Ungerechtigkeiten zunehmen. und Durch seine Wunder-Energie Maya geht er dann in einen Mutterschoß ein und ein göttliches Kind wird geboren. Dieses Mal spielt die Geschichte in Nordindien, in der Königsstadt Mathura. Die Weisen sagten voraus, dass ein Mitglied aus der Königsfamilie, nämlich Vasudeva mit seiner zweiten Frau Devaki ein Gott gesegnetes Kind zeugen würde. Das ließ den brutal regierenden König Kamsa (auch Kansa) handeln, weil er seine Macht bedroht fühlte. Er warf beide ins Gefängnis, wo sie viele Jahre verbrachten. Devaki gebar in dieser Zeit acht Kinder, von denen Kamsa sechs ermordete. Als achtes Kind wurde Krishna geboren. Die Geburt Krishnas wird wunderbar geschildert: Als die Zeit erfüllt war, waren die Tugenden und das Gute nicht mehr aufzuhalten. Die Sterne rückten in die geeignete Konstellation und diese positive Stimmung wirkte sich auf die Erde aus. Die Vishnu-Priester hielten trotz des Verbotes von König Kamsa Zeremonien ab: Gleichzeitig ertönten vom oberen Planetensystem die Klänge von Kesselpauken, schöne Lieder und Gebete. Die Halbgötter und die großen Heiligen streuten in einer freudigen Stimmung Blumen vom Himmel herab, und dann zogen Wolken auf und ließen ein sehr sanftes Donnern ertönen, das sich wie das Rauschen des Ozeans anhörte. Und mitten in der Nacht erschien der Gott Vishnu selbst wie der Vollmond. Dieses sein göttliches Licht befindet sich gleichzeitig im innersten Herzen eines jeden. Vishnu strahlte aus dem Herzen der Schwangeren Devaki und gebar Krishna. Voll Entzücken betrachtete der Vater Vasudeva das neugeborene Kind, das wundervolle, lotosgleiche Augen hatte und in seinen vier Händen die vier Symbole Muschel, Rad, Keule und Lotos trug. Sein Name Krishna, der Dunkle, deutet darauf hin, dass sein Leib dunkel war wie die 1 blaue Lotosblume. 1 Die ausführliche Schilderung der Geburt im Srimad Bhagavatam, Zehnter Canto, übersetzt und kommentiert. von A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada (Hg.): Krshna. Die Quelle aller Freude. Band 1. Heidelberg u.a.: The Bhaktivedanta Book Trust 1987, S. 23–31. Vgl. http://www.govindagopala.ch/Krishnasgeburt.htm Mutter Yashoda (Devaki) und Krishna (Votivbild, Indien). Die Ikonografie dieses Bildes erinnert unmittelbar an Darstellungen, der Mutter Maria mit dem Jesusknaben auf dem Arm. Die Typik der Darstellungen des göttlichen Kindes auf dem Schoß der Mutter variiert in den Religionen üblicherweise mehrfach: Mutter und Kind blicken auf den Betrachter oder Mutter und Kind werden von der Seite oder halbseitig gezeigt. 1 In der Nacht von Krishnas Geburt geschah ein weiteres Wunder: Die Gefängniswachen verfielen in einen tiefen Schlaf. So gelang es dem jungen Vater Vasudeva, seinen kleinen Krishna zu einem Freund über den Fluss Yamuna in ein benachbartes Dorf zu bringen Dort wuchs Krishna bei Pflegeeltern auf, zusammen mit Vasudevas älterem Sohn Balarama, also einem Halbbruder Krishnas, denn Balarama stammte aus der Verbindung Vasudevas mit seiner ersten Ehefrau Rohini. Krishna blieb in der Hütte des Freundes vor Nachstellungen verschont, weil er bei seinen Pflegeeltern wie ein eigenes Kind aufwuchs. Als König Kamsa erfuhr, dass er von Vasudeva hintergangen worden weil er nicht mit Krishna, sondern mit dem Töchterchen seines Freundes ins Gefängnis zurückgekehrt war, wollte Kamsa das Kind gegen einen Felsen schmettern. Doch verwandelte sich dieses während des Wurfes noch in der Luft in die Göttin Devi, die Kamsa weissagte, dass er gegen Krishna verlieren würde. Daraufhin bereute der König seine Untaten. Leider hielt diese Reue nicht lange an, vielmehr flüsterten ihm Dämonen wiederum Böses ein, und er stellte Krishna weiterhin nach. Und weil König Kamsa Krishna nicht auffinden konnte, ließ er in seinem Zorn alle neugeborenen Jungen in der Umgebung, deren er habhaft werden konnte, töten. Krishna verbrachte jedoch versteckt unter Kuhhirten viele Tage. Als schließlich der junge Krishna mit seinem Halbbruder in die Königsresidenz Mathura kam, gab es einen öffentlichen Ringkampf zwischen den schwächlich wirkenden Kindern und dem König Kamsa, der am Schluss getötet wurde. Endlich waren nun wieder Recht und Gerechtigkeit die Pfeiler des 2 Königreiches. Mathura gilt seitdem als die Pilgerstätte der Krishna-Anhänger, und die Kuh wird als heiliges Tier verehrt. 2. Buddhas Geburt in den Gärten von Lumbini Der historische Buddha, Prinz Siddharta Gautama, stammte aus dem Geschlecht der Shakyas im Königreich Koshala (im heutigen Nepal); daher kommt sein Beiname Shakyamuni = der Weise aus dem Shakyageschlecht. Seine Geburt ist wie diejenigen von Krishna von Legenden umwoben. Ihre Typik erinnert in manchem an die Geburt Christi, und zwar sowohl im Matthäus- und Lukasevangelium, als auch in den apokryphen Schriften und später im Islam. Bei der Lektüre sollte darum besonders auf Parallelen geachtet werden, die zwar keine Übereinstimmung, aber doch Ähnlichkeiten aufweisen: Der Weg der Königin Maya, der Mutter von Siddharta, dem historischen Buddha, von der Residenz Kapilavastu, in ihr Elternhaus ins benachbarte Königreich und der Besuch Marias bei Elisabeth, die mit Johannes dem Täufer schwanger war. Die Geburt Siddhartas im Traum der Mutter Maya mit dem weißen Elefanten und die Jungfrauengeburt bei Matthäus 1 und Lukas 2. Tiere und Pflanzen verneigen sich und helfen bei der Geburt, z.B. durch Herabsenken ihrer Zweigen unmittelbar bei der Geburt (Buddha-Erzählung und Koran-Sure 19) Der weise Asita und der weise Simeon zeigen mit ihren Weissagungen kurz vor ihrem Tode auf die Welt verändernde Kraft der gerade geborenen Kinder (vgl. Lukas 2,25–40). Die (ewigen) Augen des Buddha (Nepal) Auch kunsthistorisch fallen ikonografische Ähnlichkeiten ins Auge: Die Art, wie eine wunderbare Geburt geschieht, nimmt symbolische Strukturen auf, die ohne große Mühe auch in anderen kulturellen Zusammenhängen verstanden werden. Wunderbare Geburten ermöglichen die Jungfrauengeburt ebenso darzustellen, wie auch das Heraustreten des (göttlich) besonderen Menschen aus dem Leib seiner Mutter. 2 aaO S. 34–36, 277–283, 262f 2 Die Geburt Siddhartha Gautamas: Königin Maya hält sich an einem Sal-Baum fest, während der Buddha aus ihrer rechten Hüfte austritt (2.-3. Jh., Gandhara-Kultur) (aus Wikipedia: Siddharta Gautama – http://de.wikipedia.org/wiki/Siddharta_Gautama) Die Geburt des historischen Buddha wird mehrfach dargestellt, z.B. auf einem tibetischen Thangka (18. Jh., Original im Musée Guimet, Paris). Sie zeigt im oberen Teil, wie ein weißer Elefant in den Schoß der Königin Maya eingeht und in der Mitte – ebenso wie im obigen Relief –, dass sich Königin Maya an einem Sal-Baum festhält, während der Buddha aus ihrer rechten Hüfte austritt. In: Heinz Bechert / Richard Gombrich (Hg.): Die Welt des Buddhismus. München: C.H. Beck 1984, S. 20 Die Geburt des Prinzen Siddharta – nacherzählt als Wunder-Geburt Buddhas, die nicht viele buddhistische Vorkenntnisse voraussetzt, 3 findet man in dem Buch von Jonathan Landaw und Janet Brooke: „Prinz Siddharta": 500 Jahre etwa bevor Jesus geboren wurde, geschah in einem kleinen nordindischen Königreich Außergewöhnliches, das die ganze Welt verändern sollte. „Königin Maya, die Gemahlin des gütigen Königs Shuddhodana, fiel in einen tiefen Schlaf und hatte einen wundersamen Traum. Es träumte ihr, dass vom Himmel ein weißes Licht auf sie herableuchte, in dessen Strahlen ein herrlicher Elefant erschien. Dieser war von reinstem Weiß und hatte sechs gewaltige Stoßzähne. Näher und näher kam der Elefant, bis er schließlich mit dem Körper der Königin verschmolz. Da erwachte diese und wurde von einer Seligkeit erfüllt, die sie nie zuvor gefühlt hatte. Sie eilte zum König, und gemeinsam befragten sie die Weisen am Hofe, wie dieser so seltsame, wunderbare Traum wohl zu deuten sei. «O Majestät», gaben die Weisen zur Antwort, «dieses ist wahrhaftig ein einzigartiger Traum. Und er besagt, dass die Königin einem Sohn das Leben schenken wird, welcher dereinst zu großem Ansehen gelangen wird. Nicht nur Ihr allein seid glücklich zu preisen, der ganzen Welt wird es zum Segen sein, dass die Königin dieses Kind gebären wird». König und Königin waren hochbeglückt über diese Botschaft. Vor allem der König freute sich, hatte er sich doch schon lange einen Sohn gewünscht, der einstmals an seiner Statt das Reich regieren 3 Hier in Auszügen: Jonatham Landaw (Erzählung) / Janet Brooke (Illustrationen): Prinz Siddharta. Übersetzung aus dem Englischen von Rüdiger Majora. Jägerndorf: Diamant-Verlag 1992, 3. Aufl., S. 4-14. Mehr zum Leben des historischen Buddha: http://www.univie.ac.at/rel_jap/ikon/anm_shakabiografie.htm Bezug auf die buddhistischen Quellen (Lalitavistara: http://www.ibiblio.org/radha/rpub007.htm), ferner: Julius Dutoit: Das Leben des Buddha. Eine Zusammenstellung alter Berichte aus den kanonischen Schriften der südlichen Buddhisten (Leipzig 1906). Nachdruck. Capelle a.d. Yssel: Oskar Schloß 1995, S. 1–14 und: Paul Dahlke (Übers.): Buddha. Auswahl aus dem Palikanon, hier Mahapadana-Suttanta (Die große Lehrrede über Legenden). Wiesbaden: Fourier 1994, 2. Aufl., S. 91–93 3 sollte. Und nunmehr schien es so, als solle sein Wunsch in Erfüllung gehen. Zu jener Zeit wollte es der Brauch, dass eine Frau in ihr Elternhaus zurückkehrte, wenn ihre Niederkunft bevorstand. Und daher verließ Königin Maya, als der Zeitpunkt der Geburt herangerückt war, mit einem Gefolge von Dienerinnen und Freundinnen den königlichen Palast und trat die Reise an zum Hause ihrer Kindheit. Man war noch nicht sehr weit gelangt, als die Königin bat, man möge anhalten und eine Rast einlegen; denn sie fühlte, dass sie in Kürze niederkommen werde. Man hatte die prächtigen Gärten von Lumbini erreicht, und die Königin schritt hinein, um Ausschau zu halten nach einem Ort, an dem sie gebären könnte. Und es wird erzählt, dass sogar Tiere und Pflanzen irgendwie ahnten, dass ein ungewöhnliches Kind geboren werden sollte, und ihre Hilfe darbrachten. So beugte ein großer Baum einen seiner Äste hernieder, den die Königin mit der rechten Hand ergriff. Indem sie sich daran festhielt, gebar sie in aufrechter Haltung einen Sohn. Die Dienerinnen wiegten das Neugeborene in den Armen und verwunderten sich sehr über dessen Schönheit und den Frieden, der von ihm ausging. Friede und Glück durchströmten in jenem Augenblick das ganze Land. Die Menschen dachten nicht mehr an ihre Kümmernisse, beendeten allen Zwist und waren voller Liebe und Freundschaft füreinander … Überall im Reiche bemerkten die Weisen die Zeichen des Friedens und der Freude, und in großer Aufregung sagten sie zueinander: «Eine wunderbare Verheißung ist uns geworden. Seht doch nur, all diese erstaunlichen Zeichen! Es ist der Anfang des vierten Monats, und der Mond beginnt sich zu runden. Ohne Frage ist dies ein außergewöhnlicher Tag!» Die Königin aber, die nicht ahnte, dass in jenem Augenblick das ganze Königreich teilhatte an ihrer Freude, nahm das Neugeborene auf den Arm und kehrte zum Palast des Königs zurück … Überströmend vor Freude hieß König Shuddhodana Gemahlin und Sohn willkommen. Glänzende Feste wurden abgehalten, und überall wehten farbenprächtige Fahnen. Glückseligkeit und Friede herrschten ringsumher. Angesichts solch hoher Freude beschlossen die Eltern, dem Prinzen den Namen Siddhartha zu geben, der bedeutet Quelle alles Guten. Neue Weissagungen über das Kind wurden verkündet. «O König", sprachen die Weisen, „die Zeichen stehen außerordentlich günstig. Euer Sohn wird Euch an Größe noch übertreffen!" Diese Prophezeiung erfüllte den König mit Stolz. „Wenn die Weisen sich nicht irren", so dachte er bei sich, „dann wird mein Sohn, Prinz Siddhartha, eines Tages vielleicht Herrscher sein nicht nur über mein kleines Reich, sondern über die ganze Welt! Welch' ein Ruhm für mich und meine Familie!» Viele Menschen kamen in den Tagen nach der Geburt in den Palast, um das Neugeborene zu sehen. Einer unter diesen Besuchern war ein alter Mann mit dem Namen Asita. Er lebte als Einsiedler fernab in den Wäldern und galt als heilig. Sehr erstaunt waren daher König und Königin dass dieser Asita seine Heimat im Walde verlassen hatte und bei Hof erschienen war. «Eine große Ehre ist es für uns, dass Ihr uns einen Besuch macht, o heiliger Lehrer", sprachen sie voller Hochachtung. „Seid so freundlich und nennt uns den Zweck Euerer Reise …»“ Der weise Asita berichtete nun ebenfalls von den wunderbaren Zeichen, die ihm eindeutig klarmachten, dass mit dem Königssohn ein „Raddreher“ geboren sei, das heißt, dass mit Siddharta ein neues Zeitalter beginnen würde. Asita war zu Tränen gerührt. Das beunruhigte den König, als er Asita weinen sah. Der aber schaute die Eltern liebevoll an und tröstete sie, weil er nur aus großer Freude weinen würde. Und er sagte fast so etwas, wie später der weise Simeon, als er den kleinen Jesus auf dem Arm hatte: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben den Heiland gesehen, ein Licht, um die Völker zu erleuchten (Lk 2, 29–32a) Dieses Licht sehe ich bereits, wie es von den Fingern des Kindes ausströmt. Wenn Euer Sohn sich entschließt, bei Euch zu bleiben und König zu werden, so wird er der größte König aller Zeiten sein. Sollte er sich aber entschließen, ein Herrscher zu werden, dann wird seine Zukunft noch bedeutender sein! Er wird ein großer Lehrer werden, der allen Menschen zeigt, wie man mit Liebe und Frieden im Herzen leben kann. Weil er das Leiden in der Welt erkannt hat, wird er den königlichen Palast verlassen und einen Weg finden, der zur Überwindung des Leidens führt. Alle, die von ihm lernen wollen, wird er den Weg dieser Wahrheit zeigen.“ Wir wissen aus den Erzählungen, dass der König Shuddhodana seinen Sohn unbedingt zu seinem Nachfolger machen wollte und Sorge hatte, dass Siddharta auf jegliche politische Macht verzichten würde und damit der geweissagte Raddreher werden würde. Darum hütete er ihn wie seinen Augapfel, hielt alles Böse von ihm fern und konnte doch nicht verhindern, dass Siddharta als junger Mann mit Krankheit, Alter, Tod und mit einem weisen Bettelmönch, einem Kastenlosen, in Berührung kam. 4 3. Jesu Geburt Die Geburt Jesu im Christentum: Nazareth oder Bethlehem Die Ikonografie von Jesu Geburt durch Maria ist offensichtlich durch die ägyptische Isis- und HorusTradition geprägt worden. Auch romanische Madonnen zeigen, dass das Kind direkt vor der Mutter auf dem Schoß sitzt. Erst im späteren Mittelalter hat Maria den Jesusknaben auf dem Arm. Nur Matthäus und Lukas erzählen die Geburtsgeschichte Jesu als Jungfrauengeburt. Sie betonen damit, dass Jesus einen göttlichen Bezug hat („Vom göttlichen Vater gezeugt“), aber ganz menschlich zur Welt kommt – im Stall von Bethlehem bzw. nach der kirchlichen Tradition in einer Höhle, die in ihrer Symbolik wiederum an den Mutterschoß erinnert Vgl. zu Konvergenzen von Ikonografie und Mythologie: http://de.wikipedia.org/wiki/Isis_(Ägyptische_Mythologie) Pietro Cavallini (13. Jh.): Anbetung der Könige. Mosaik in Santa Maria in Trastevere, der ältesten Marienkirche Roms (aus: Wikipedia: Anbetung der Könige – http://de.wikipedia.org/wiki/ Anbetung_der_K%C3%B6nige) Die Göttin Isis mit dem Horusknaben auf ihrem Schoß (Original) 5 Kathedrale von St. Dié (Lothringen): Gotische Maria mit Kind Diese insgesamt sehr bekannte Geburtsgeschichte Jesu im Matthäus- und Lukas-Evangelium wird nun im Folgenden aus der Perspektive von Quirinius, des römischen Gouverneurs in Syrien Palästina zur Zeit Jesu von Schülern (der Sekundarstufe II) neu erzählt. Im Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema „Weihnachten“ haben sie historisch Wahrscheinliches und Elemente christlichen Heilsverständnisses zur Einschätzung der Geburt Jesu in einen fiktiven Magazinbericht nach SPIEGEL-Manier eingebracht. Dabei wird Bethlehem als Geburtsort Jesu historisch in Zweifel gezogen und Nazareth als sein „richtiger“ Geburtsort angegeben. Theologisch lässt sich sagen, dass Jesus zwei Geburtsorte hat: Der Ort des Glaubens und der auf das Judentum bezogenen Heils- und Davidstradition ist Bethlehem und damit bedeutender als sein historischer Geburtsort im Norden 4 Galiläas, die kleine, unbedeutende Stadt Nazareth. Die Schüler ließen nun die Besonderheiten der Provinz hinter sich und wählten als „Verlagssitz“ des fiktiven Politmagazins eine der antiken Metropolen (hier. Antiochien) und behielten „natürlich“ die römische Zeitzählung bei. Die Originaltexte Galater 4,4-7, Luk 2,1-21 und Matthäus 1,18-25 können in der Bibel zum Vergleich bei der Textbesprechung herangezogen werden. Aus der populär-wissenschaftlichen Zeitschrift: IMAGO UNIVERSITATIS 11. Jahrgang 834 a.u.c. (= 81 n. Ch.), Antiochien, Papyrus 51 Der religionswissenschaftlichen Redaktion unserer Zeitschrift sind die gesammelten Berichte eines gewissen Lukas in griechischer Sprache zugegangen. Besondere Aufmerksamkeit fanden bei unserem aus Nordgaliläa 4 Vgl. Reinhard Kirste: Über den Umgang mit Weihnachten in der Sekundarstufe I. Iserlohner Con-Texte Nr. 2 (ICT 2). Iserlohn 1988, S. 9–19 unter Einbeziehung von Paulus und außerbiblischen Dokumenten zur Geschichtlichkeit Jesu. 6 stammenden Mitarbeiter Cäcilius Sceptio die Schilderungen der Geburt eines Weltenheilandes mit Namen Jesus. Nun war es vor ca. 80-90 Jahren keineswegs ungewöhnlich, dass die Menschheit auf die große Welterlösung wartete. Augustus hatte sein Weltreich abgesichert, Vergil schreibt von einem göttlichen Kinde und die Mythen der Ägypter sind voll von Erzählungen dieser Art und erfreuen sich auch heute noch bei einem großen Teil der Bevölkerung im gesamten Römischen Reich großer Beliebtheit. Aufgrund der uns vorliegenden Texte (wir haben auch noch die Überlieferung eines nicht weiter bekannten Matthäus herangezogen, siehe Bibeltext) scheinen uns jedoch einige Aussagen sehr zweifelhaft. Als unstrittig hat sich allerdings aufgrund der eingesehenen Geburtsregister der Stadt Nazareth erwiesen, dass dieser Jesus zur Zeit des Augustus geboren wurde, und dass Quirinius zu jener Zeit Gouverneur der Provinz Syrien war. In Bethlehem konnte jedoch das städtische Steueramt keine Angaben über einen Jesus von Nazareth, bzw. dessen Eltern Maria und Josef machen. Hier muss wohl eine Verwechslung von Nazareth mit Bethlehem vorliegen, die allerdings wegen der Größe der Entfernung zwischen beiden Städten etwas ungewöhnlich ist. Unser schon erwähnter Mitarbeiter Cäcilius Sceptio, der selbst mehrfach in Nazareth war, hat jedoch glaubwürdige Zeugen gefunden, die ihm versicherten, in Nazareth hätte vor vielen Jahren ein Zimmermann Josef mit seiner Ehefrau Mirjam (= Maria) gelebt; sie hätten auch mehrere Kinder gehabt. Die Nachfahren leben zum Teil noch dort. Als einen besonderen Erfolg unserer Nachforschungen werten wir es jedoch, dass die Schaf- und Ziegenherden in der Umgebung Bethlehems immer noch von denselben Familien gehütet werden, deren Vorfahren diese seltsamen Engel-Erscheinungen gehabt haben sollen, von denen Lukas berichtet. Cäcilius hat mit ihnen ausführliche Interviews gemacht und alle Unterlagen an das Psychologische Institut der Universität Damaskus geschickt.1 Nach Auskunft von Prof. Dr. Yussuf al-Hakim2 handelt es sich bei den Erlebnissen der Hirten eindeutig um Übermüdungserscheinungen aufgrund vieler Nachtwachen, die durch die wilden Tiere bedingt sind, die in jener Gegend eine ernsthafte Gefahr für die Kleinviehherden darstellen. Man muss das von den Hirten Berichtete deswegen als Vision mit halluzinatorischem Charakter ansehen. Im übrigen wird die Vermutung geäußert, dass die Einflüsse einiger Partisanengruppen und deren Friedensvorstellungen von den Hirten übernommen wurden und in ihre Visionen eingegangen sind. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass Jesus zwar geboren wurde, es aber offensichtlich im Interesse bestimmter Kreise liegt, seine Geburt religiös und politisch aufzuwerten. Es handelt sich wahrscheinlich um die von den Juden abgespaltene Gruppe der Christen, die auch behaupten, Jesus sei auferstanden. Und so halten wir fest: Höchstwahrscheinlich ist Jesus in seinem Leben nie in Bethlehem gewesen. Leserinformation 1. Die Universität Jerusalem existiert seit der Zerstörung der Stadt im Jahre 823 a.u.c. (= 70 n. Chr.) durch Titus, den Feldherrn des Kaisers Vespasian, nicht mehr. Faktisch liegt die Stadt nach 11 Jahren noch genauso in Trümmern. Dadurch sind vielleicht wertvolle Unterlagen des dortigen Psychologischen Instituts nicht mehr verfügbar bzw. verloren gegangen. 2. al-Hakim (arabisch = Arzt, Gelehrter Weiser) war bis kurz vor der Zerstörung Jerusalems Dozent an der Jerusalemer Universität und wurde im Jahre 822 a.u.c. ( = 69 n.Chr.) zum Professor für Psychologie und Parapsychologie an der Universität Damaskus ernannt. Jesu Geburt im Islam unter der Palme Erzählung im Koran Die muslimische Tradition nimmt Elemente aus der Geburt Christi auf, die auch mit gewissen Abweichungen in den apokryphen Kindheitsevangelien zu finden sind, so u.a. im Protevangelium des 5 Jakobus, aber auch im Pseudo-Matthäusevangelium. Schließlich ist im Islam die wunderbare Geburt des Propheten Jesus = Isa ausgesprochen wichtig. Es sei dahingestellt, ob die nicht in den Kanon aufgenommenen Evangelien einen gewissen Einfluss auf die koranische Geburtserzählung Jesu (Sure 19,16–32) genommen haben: „Erwähne in der Schrift Maryam, als sie sich vor ihrer Familie an einen östlichen Ort zurückzog. Sie verbarg sich hinter einem Vorhang. Wir sandten unseren Geist, der ihr als wohlgestalteter Mensch erschien. Sie sagte: «Ich suche Schutz vor dir bei Gott, wenn du gottesfürchtig bist.» Er sagte: «Ich 5 Vgl. die Kindheitsevangelien bei Wilhelm-Schneemelcher (Hg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. I. Band: Evangelien. Tübingen: Mohr 1987, 5. Auflage (Hennecke-Schneemelcher), S. 330ff, 367ff. 7 bin doch nur ein Bote deines Herrn, um dir einen reinen Sohn zu schenken.» Sie antwortete: «Wie soll ich denn einen Sohn bekommen, wo ich noch nie mit einem Mann intim geworden bin? Ich bin doch keine Hure!» Er sagte: «Es ist so. Dein Herr spricht: «Das ist mir ein Leichtes. Wir machen ihn zu einem Zeichen unserer Barmherzigkeit für die Menschen. Das ist eine beschlossene Sache!» Sie wurde daraufhin schwanger und zog sich mit dem ungeborenen Kind an einen fernen Ort zurück. Als die Wehen einsetzten, sagte sie, während sie sich an den Stamm einer Palme lehnte: «Ich wünschte, ich wäre tot und völlig in Vergessenheit geraten!» Da rief er ihr von unten zu: «Sei nicht traurig. Dein Herr hat unter dir einen kleinen Fluss fließen lassen. Schüttle den Stamm der Palme zu dir hin. Dann lässt er reife Datteln auf dich fallen. Iss, trink und sei fröhlich! Immer wenn du einen Menschen siehst, sage ihm: «Ich habe dem Herrn das Fasten versprochen. Darum werde ich heute mit keinem Menschen sprechen.» Sie trug Isa und kam mit ihm zu ihrem Volk. Sie sagten: «Maryam, du hast etwas Ungeheuerliches getan! Du Schwester Haruns, dein Vater war weder ein schlechter Mensch, noch war deine Mutter eine Hure.» Da zeigte sie auf Isa, und sie sagten: «Wie sollen wir mit jemandem sprechen, der als Kind noch in der Wiege liegt?» Isa sagte: «Ich bin der Diener Gottes. Er hat mir die Schrift gegeben und hat mich zum Propheten gemacht. Er hat mich überall, wo ich bin, gesegnet. Er hat mich für mein ganzes Leben beauftragt, zu beten und Geld zu spenden - außerdem will er, dass ich gütig zu 6 meiner Mutter bin, und er hat mich nicht roh und gewalttätig gemacht.»“ Maria am Stamm der Palme (nach einer persischen Miniatur des 16. Jh.s) Cover des Buches von Karl-Josef-Kuschel: Weihnachten und der Koran. Düsseldorf: Patmos 2008 Rezension unter: http://blog.rpi-virtuell.net/index.php?op=ViewArticle&articleId=1130&blogId=371 6 Der Koran für Kinder und Erwachsene. Übersetzt und erläutert von Lamya Kaddor und Rabeya Müller. München: C.H. Beck 2008, S. 173, 175 8 Interreligiöse Folgerungen und gemeinsame Bezugspunkte 7 Paul Schwarzenau weist daraufhin, dass das „göttliche Kind“ im Sinne C.G. Jungs ein Archetyp ist 8 und dass der Archetyp des göttlichen Kindes eine Wandlung der Persönlichkeit signalisiert. Auch wenn Krishnas Geburt noch stärker als Siddharta Gautama und Jesus von Nazareth in den Bereich der Mythologie gehört, finden wir als ersten gemeinsamen Bezugspunkt in allen drei Geburtsgeschichten verwandte mythische Elemente, die in die Erzählungen hineinspielen. Gewissermaßen berührt bei allen Dreien der Himmel die Erde. Auch das Bedrohungselement findet sich bei Krishna und bei Jesus: sowohl König Kamsa wie König Herodes lassen in der Legende Kinder umbringen, weil sie dem jeweiligen Herrscher gefährlich werden könnten. Bei Krishna fühlt man sich zugleich an David erinnert, der im Zweikampf den Riesen Goliath besiegt, während Krishna zusammen mit seinem älteren Bruder den gefährlichen Kamsa bezwingt. Für alle drei Geschichten folgt daraus als zweiter gemeinsamer Bezugpunkt, dass hier unter den Bedingungen von Mythos, Heiligenlegende und Historie der Zusammenhang mit dem göttlichen Heil thematisiert wird. Selbst bei Krishna wird ein geografischer und historischer Anhalt eingebracht, während diese Bezüge bei Buddha und Jesus im Blick auf die weltgeschichtliche Bedeutung der beiden stark hervortreten. Verkürzt gesagt: Es geht um die Neugeburt des Göttlichen bzw. einer anderen als der alltäglichen Wirklichkeit, die sich in einem Menschen realisiert. So schreibt Paul Schwarzenau: „Wie der Mensch in seinem Kinde ein zweites, neues, jüngeres Exemplar seiner selbst erblickt, so konstelliert sich im Archetyp die Wieder- und Neugeburt bzw. die Geburt von oben, die höhere Persönlichkeit oder das Selbst. Im Selbst aber vereinigen sich die Gegensätze, der weibliche Seelenanteil wird mit dem männlichen ausgeglichen und versöhnt. Anima und Animus werden gleichgewichtig. Der Mensch nähert sich der Ganzheit der Persönlichkeit, die Existenz rundet sich aus. Das Bild der Mutter mit dem Kinde erhält unter diesem Aspekt einen anderen Sinn, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft, es kündet die hereinbrechende Heilszeit an: "Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft kommt auf seine Schulter, und er wird genannt: Wunderrat, starker Gott, Ewigvater, Friedefürst" (Jesaja 9,6). Ein Friedensreich der Gerechtigkeit wird im Zeichen dieses Archetyps hereinbrechen, in dem die Gegensätze ausgeglichen sind, was zugleich ja auch die Einzelnen voraussetzt, die sich zur höheren Persönlichkeit der Wiedergeborenen wandeln lassen. Den messianischen Erwartungen der Bibel, die im Zeichen des göttlichen Kindes stehen, entspricht im Buddhismus die doppelte Erwartung eines Cakravartin (Raddreher), der als Heilskaiser oder als Buddha die Welt zum Heil führt … Die Kinder erinnern uns an unsere eigenen unverwirklichten Möglichkeiten, sie erinnern uns daran, dass wir auf höherer Ebene auf unseren Anfang 9 zurückkommen sollen, «werden wie die Kinder»" (Matthäus 18,3). " Aus den parallelen Anklängen in den Geburtsgeschichten von Krishna, Buddha und Jesus wird eine unmittelbare Nähe zu den von Paul Schwarzenau beschriebenen Grund-Erfahrungen deutlich: Heil entsteht durch Neugeburt, durch die Möglichkeit, von Kind auf (wieder) anzufangen. Dies eröffnet die Möglichkeit interreligiösen Lernens durch ein Erzählen, das diese Intentionen in den Erzählvorgang selbst einbezieht. So werden die Gemeinsamkeiten stärker betont als die Differenzen. Auf diese Weise erschließt sich auch die Möglichkeit, die „heiligen Nächte“ und wunderbaren Geburten in den 7 C.G.Jung und K. Kerényi, Einführung in das Wesen der Mythologie, Hildesheim 1982, 2. Aufl (Nachdruck). C.G. Jung, Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen, GW 9/1,Olten: Walter, 3. Aufl. 1978, S. 231 Vgl. das Kapitel "Die Wasser des Nichtseins" in Heinrich Zimmer: Indische Mythen und Symbole. Vishnu, Shiva und das Rad der Wiedergeburten. DG 33. Köln: Diederichs 1986, 3. Aufl. 8 Paul Schwarzenau: Das göttliche Kind, der Mythos vom Neubeginn. Reihe Symbole. Stuttgart: Kreuz 1988, 2. Aufl. Vgl. ders.: Das göttliche Kind, Berichtigung eines Missverständnisses aus religionspsychologischer und religionswissenschaftlicher Sicht, in: Welt-Theologie. Interreligiöse Horizonte Bd. 3 (IH 3). Köln u.a.: Böhlau 1998, S. 124–132 --- Neuere Veröffentlichung, mehr erzählend, unter Bezugnahme auch auf Jesus im Koran: Renate Günther: der Mythos vom göttlichen Kind. Jesus – Krishna – Buddha. Düsseldorf: Patmos 2007 9 Paul Schwarzenau: Heilige Geburt und göttliches Kind, in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau: Gespiegelte Wahrheit. Biblische Geschichten und Kontexte anderer Religionen. Iserlohner Con-Texte Nr. 18 (ICT 18). Iserlohn 2003, S. 69, vgl. Jolande Jacobi, Die Psychologie von C.G. Jung, Eine Einführung in das Gesamtwerk, Olten: Walther, 8. Aufl. 1978, S. 231f. 9 verschiedenen Religionen in ihrer gemeinsamen Heilsintention zu erkennen. Die Himmlisches und Irdisches verbindenden Erzählungen dieser drei Gestalten in vier Religionen sind dann als Signale des Heils und der Erlösung zu werten, die offensichtlich von allen so ausgehen, dass Menschen verwandelt werden und in der Hoffnung auf das „Reich des Friedens“ gestärkt ihren Alltag leben. Gerade der sich als kindlicher Gott am Anfang zeigende Krishna lebt erstaunlicherweise als ganz normaler Junge weiter und hat viele Ähnlichkeiten mit Jesus, von dem die apokryphen KindheitsEvangelien erzählen oder dem 12jährigen Jesus, der im Tempel einfach bei den Schriftgelehrten zurückblieb, während seine Eltern sich die größten Sorgen um ihn machten (Lukas 2, 42-51). Wer sich also auf die Menschwerdung des göttlichen Geheimnisses einlässt, sei dieses hinduistisch, buddhistisch, islamisch oder christlich geprägt, erfährt, dass Gott den Menschen unendlich nahe ist, näher als seine Halsschlagader (Koran, Sure 50,16). Deutsch überarbeitete und mit Bildern versehene Fassung eines Beitrages, der nur in der niederländischen Übersetzung des Buches erschien: Die Bibel interreligiös gelesen (Bautz-Verlag 2006), und zwar unter dem Titel: De tolerante Bijbel. Nederlandse vertaling: Henk Fonteyn. Kampen (NL): Kok 2009, S. 194-206: Wonderbarijjke geboorteverhalen: Krishna, Booeddha, Jezus. Relpäd/Wunder-Geburten 21.03.09, bearbeitet 01.11.10 Vorfassung für „Bibel interreligiös (NL) 10