Ausgabe 3-2011
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Ausgabe 3-2011
GLOBAL VIEW 3 | 2011 Preis: 3,– Euro Unabhängiges Magazin der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) und des Akademischen Forums für Außenpolitik (AFA) http://www.globalview.at DVR: 0875538 Nr.3/2011; ISSN: 1992-9889 A New Era of Youth Protests VIEN N MOD A INTE R EL U NITE NATION (VIM D NATI AL ONS UN) UNO Sim 250 ulat Stud ions k onfe r DEBATTIERCLUB (DC) iere Nati nde au s 40 onen jähr lich im A ugu http st ://w ww.v imu n.or g Mittwoch Abend http://www.debat tierclub.org RH ET O RI K & VE RH AN DL UN G ST R A I N I N G S UN O - SI M UL A T I O N E N http: //ww g Ab end w.afa . at VIEW MAGAZIN GLOBAL kation glichkeit zur Publi Mög en em Th weltpolitischer Unabhängige d Informations- un rm tfo at spl on ssi sku Di http://www.global EX KU RS IO N EN & ST UD IE N RE I S E N ELLE TREF FEN Dien sta Rhetoriktrainings Lerne sicheres ugendes Auftreten, überze d Argumentieren un n de Re freies enz INFO RM VO RT RÄ G E view.at PU BL IK A TI O N E N Hochschulliga für die Vereinten Nationen AKADEMISCHES FORUM SOCIAL EVENTS FÜR AUSSENPOLITIK LE HR G Ä N G E (AFA) NESS BUSI ON CLUB I TIAT NEGO (BNC) f eine ere d keiten au s s e b g i Ver h fä ungs andl Englisch h r e V s Case ard Harv bend ag A t s r e Donn ns.at iatio t o g w.ne //ww http: INTERN ATION ALER C LUB Vo hochka rträge von rätigen aus Po Referen litik, W ten irtscha ft und Gesellsc haft Mittwo ch Mitt ag http://w ww.oeg avn.or g D NITE EL U D ) O C NA M LUB (VM VIEN C ONS NATI NOes U Das Akade mische For um für Au ist die übe ßenpolitik rparteilich (AFA) e Vereinigu für alle an n g in Ö te st r e n rreichs ationalen Jugendlich Fragen inte en, Studier ressierten enden und Jungakad emik ker/inn facebook.com/afa.vienna en ENT DVANCEM GLOBAL A ME PROGRAM ) P (GA ECONOMY CLUB (EC) Gespräche mit ichkeiten aus der nl rsö Pe em Wirtschaft in klein Rahmen Außeruniv ersitärer Lehrgang h zwischen saustausc g n ru h a rf E ern und ungsträg Entscheid en d Studieren Freitag Abend http://www.afa.at nd latio ates Simu herheitsr Sic nd tur u truk ennen S e i ed NO k Lern der U zen n l e g eren Re Konf u z en g rsion mitta Exku Nach g a t s Sam mc .at/v w.afa w w / / http: afa.at bend Montag A .oegavn.o http://www rg/gap © Impressum: Akademisches Forum für Außenpolitik - Wien, Hochschulliga für die Vereinten Nationen (AFA-WIEN); Hofburg/Stallburg, Reitschulg. 2/2. OG, A-1010 Wien, [email protected], ZVR: 015660788 Liebe Leserin! Lieber Leser! Die Jugend begehrt auf. Wie die jüngsten Protestbewegungen, vor allem im arabischen Raum, zeigen, wird der über Social Media, Blogs und andere kritische Websites organisierte Protest nun auf die Straßen getragen. Diesen besonderen Formen der Artikulation ist die vorliegende Ausgabe des GLOBAL VIEW gewidmet. Doch auch auf anderem Wege formiert sich Widerstand: Eine über das Internet vorbereitete und abschätzig als „Slacktivism“ bezeichnete Form des Aktivismus, etwa durch Online-Petitionen, findet regen Zulauf. Während dieser für die einen eine wertvolle Ergänzung zu herkömmlichen Protesten darstellt, ist er für die anderen ein Hemmschuh für soziales Engagement in der „realen“ Welt. Ein oft vernachlässigter Aspekt zeigt schließlich die Schattenseiten des Hypes um Social Media: Zensur und das Ausspionieren politischer Gegner stehen in vielen Ländern auf der Tagesordnung. Eine mögliche Abhilfe stellen dezentralisierte Netzwerke dar, deren Potential noch lange nicht ausgeschöpft zu sein scheint. Im Jahre 1953 waren die USA maßgeblich am Sturz des damaligen iranischen Ministerpräsidenten, Mohammad Mossadegh, beteiligt und untergruben dadurch erste Ansätze einer demokratischen Bewegung. Im Lichte dieser Vergangenheit können auch die Spannungen zwischen dem „Westen“ und dem Iran neu betrachtet werden. Die Weltwirtschaftskrise hat den Chancen einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer neuen Nährboden verschafft. Während sich Befürworter vor allem eine Einschränkung spekulativer Transaktionen erhoffen, sehen Kritiker auch langfristige Investitionen und einzelne Finanzplätze gefährdet. Generika sind für viele Menschen in Entwicklungsländern die einzige Möglichkeit, medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Der Interessenskonflikt zwischen Profitzielen der Pharmaindustrie und dem Bedarf an erschwinglichen Arzneimitteln ist dabei offenkundig. Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen Ihr GLOBAL VIEW - Team Die vorliegende Printausgabe beinhaltet ausgewählte Artikel und Berichte von jungen Journalisten und Experten. Sollten Sie Interesse daran haben, einen Artikel zu publizieren, senden Sie bitte ein E-Mail an [email protected]. Über Feedback auf jeglichem Wege freuen wir uns natürlich sehr! Impressum Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) und Akademisches Forum für Außenpolitik (AFA) Eigentümer und Verleger: Akademisches Forum für Außenpolitik – Österreich, Hochschulliga für die Vereinten Nationen (AFA) Büro: A – 1010 Wien, Johannesgasse 2/2/32 | Tel.: +43 /1/ 512 85 21 | http://www.globalview.at | [email protected] Chefredakteur: Michael Klampfl Layout: Thomas Böhler Lektorat: Elke Riedl Titelbild: Flickr / davidNallah Nicht gekennzeichnete Bilder: Redaktion oder Autor Druck: Aumayer Druck & Verlag Ges.m.b.H, A – 5222 Munderfing, Gewerbegebiet Nord 3, +43 /7744/ 20080, http://www.aumayer.co.at Offenlegung der Blattlinie gem. § 25 Abs. 4 Mediengesetz Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) und Akademisches Forum für Außenpolitik (AFA) Eigentümer und Verleger: Akademisches Forum für Außenpolitik – Österreich, Hochschulliga für die Vereinten Nationen (AFA) Sitz: A – 1010 Wien, Johannesgasse 2/2/32 Unternehmer: unabhängiger, eingetragener Verein (ZVR: 330335717); Vorstand vertreten durch Michael F. Pfeifer (Präsident) Das GLOBAL VIEW ist das unabhängige und überparteiliche Magazin der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) und des Akademischen Forums für Außenpolitik (AFA) und versteht sich als Informations- und Diskussionsplattform zu außen- und weltpolitischen Themen. Der Inhalt stellt die Meinung der jeweiligen Autoren dar. Auch wenn im Text aus Gründen der besseren Lesbarkeit weibliche Formen nicht explizit ausgeschrieben werden, beziehen sich alle personenbezogenen Formulierungen auf weibliche wie männliche Personen. GLOBAL VIEW 3/2011 Autoren LAURETTA KONRADI, MA, completed a bachelor in Journalism and Communication Science as well as recently a master in Political Science, specialising in International Relations and European Union. She visited summer school in Washington, D.C. Amongst her areas of specialisation are media and politics, government and governance, law and society and human rights. JAN PHILIPP PÖTER hat das Bachelorstudium der Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und Orientalistik an der Universität Wien absolviert. Durch sein Engagement im Akademischen Forum für Außenpolitik und seine Funktion als stv. Vorstandsvorsitzender für Wien bekommt er Einblicke in die Arbeit Internationaler Organisationen. Nach seinem Abschluss wird er sein Studium an der London School of Economics and Political Science fortsetzen. MARKUS SABADELLO has been working for several Silicon Valley start-ups which promote new visions on how personal data should be treated on the Internet. With an educational background in Computer Science and Peace & Conflict Studies, he is interested in both technology itself and its potential for change. Markus works on his own open-source software "Project Danube" which experiments, amongst others, with innovative social networking ideas. Mag. ALINA SCHMIDT, MA, studied Law at the University of Vienna and Consumer Affairs at Brunel University (London) and Universidad de Barcelona, where she specialised in Product and Service Safety. After her studies she completed an internship at the Product Safety Unit of the European Commission in Brussels. Currently she works on her PhD thesis concerning the European Citizens’ Initiative. Alina is fluent in German, Russian, English and Spanish. JOACHIM THALER studied Environment and Bio-resources Management in Vienna. After an internship at Greenpeace, he is currently volunteering for the Ludwig Boltzmann Institute of Human Rights. He is fascinated by civil society movements, especially in the fields of the environment and human rights, and is interested in how citizens’ desire for political change can be transformed into action. CHRISTOPH WIEDERKEHR studiert Rechts- und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Seinen Studienschwerpunkt zur Europäischen Union konnte er bereits an der University of Sussex (GB) vertiefen. Im kommenden Jahr studiert er International Relations an der Australian National University. Er ist Generalsekretär des AFA-Debattierclubs für ganz Österreich und Cheforganisator der ersten Meisterschaft im Deutschsprachigen Debattieren in Wien. Inhalt Foto: Flickr / Images_of_Money Chancen einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer – Artikel Seite 12. GLOBAL VIEW 3/2011 06 International 06 "Slacktivism" or New Tool for Political Change? Joachim Thaler 08 The "A-public" Youth Movement Going Public Lauretta Konradi 09 Oppression and Liberation with Social Networks Markus Sabadello 10 Demokratie im Iran – Ein Blick in die Geschichte Jan Philipp Pöter 12 Finanztransaktionssteuer in der EU Christoph Wiederkehr 14 Access to Medicine in the Developing World Alina Schmidt 15 ÖGAVN/AFA 15 20 Jahre über den Tellerrand AFA 6 International "Slacktivism" or New Tool for Political Change? Web-based activism platforms like Avaaz.org claim to herald a new era of global citizen empowerment for political change. Critics object that they might do more harm than good. What are their arguments? Text I Joachim Thaler n today’s "global village", the Internet has change and conflict to corruption and poverty. made it possible to distribute more information The organisation’s campaigns are orchestrated Online activism – ineffective and demobilising... to a larger number of people in less time than by a core team of some 50 full-time activists. But This belief, however, is controversial. Compar- ever before. This development has not spared it is the roughly 13 million registered "members" ing it with traditional forms of activism such as social and political movements: web-based activ- from 193 countries that make Avaaz a movement demonstrations or civil disobedience, critics hold ism platforms have emerged which aim at turn- of unprecedented size. that this kind of "clicktivism" is too weak to sig- ing large-scale public attention towards a cause However, the threshold to membership is low: nificantly influence political or corporate decision in order to transform it into pressure on decision All it takes to join Avaaz is signing a petition on making. But several of them go further than just makers. The impact of these communities, how- its website. From then on, members regularly denying the effectiveness of e-petitions. They ar- ever, is controversial: While proponents hail them receive campaign e-mails, each of which is dedi- gue that such online campaigns cause citizen dis- as a powerful new tool of bringing about change, cated to a specific cause and calls on members to engagement and are therefore actually counter- critics hold that they not only lack effectiveness, sign a petition directed at the responsible deci- productive to their very goals in the long term. but may even be harmful to citizen engagement. sion makers – be it political leaders or corporate This theory is based on the first assumption ac- executives. With a few clicks, the petition link cording to which online activism is less effective can be shared via Facebook and Twitter in order than its non-virtual counterpart. It argues that to mobilise further signatories – and thus, future potential or practising "offline activists" may be Today, the most prominent web-based activism Avaaz members. lured away from "real-world" engagement by platform is Avaaz.org. While a number of similar This shows that, like in the case of other web- Internet activism because the latter requires a platforms exist at national level, Avaaz addresses based activism communities, the e-petition lower level of time, commitment and risk. issues and online activists worldwide. Founded in stands at the heart of every Avaaz campaign. Its Consequently, they remain trapped in what has pejoratively been labelled as "slacktivism". Con- Avaaz.org 2007, it has set itself the confident goal of "clos- purpose is to channel global public attention to ing the gap between the world we have and the a cause in the critical moment when a decision sisting of the words "slack" and "activism", this world most people everywhere want." Following needs to be made. The movement is founded on term stands for "feel-good online activism" with- this broad mission, Avaaz – unlike most other so- the belief that in such a "moment of crisis and op- out any real impact, which serves a "lazy genera- cial movements and NGOs – does not focus on portunity", public pressure can tip the scales in tion" that wants to avoid the inconveniences of a single issue, but campaigns on many different favour of the community’s demands. real-life engagement. Wrongly assuming that by signing an e-petition they contribute to effective matters of public concern, ranging from climate "action" for a good cause, "slacktivists" have little An example of online activism, pejoratively labelled as "slacktivism", with this billboard calling for action online. or no incentive to engage in more challenging forms of activism with real impact, critics argue. Photo: Flickr / {Guerrilla Futures | Jason Tester} Alternatively, when online activists realise the ineffectiveness of their actions, opponents fear that the resulting frustration might even cause them to lose their faith in any kind of activism altogether – thus leading to their permanent demobilisation. ...or a complement to traditional activism? Proponents of online activism, on the other hand, reject the criticism that e-petitions cause citizen disengagement. They hold that online activism does not replace, but complements traditional forms of activism: people who have previously engaged in non-virtual, "high commitment" activism, they argue, are unlikely to settle for "low GLOBAL VIEW 3/2011 International 7 Photo: Wikimedia Commons / Greenpeace Finland commitment" activism like signing petitions. In fact, proponents say, "clicktivism" rather encourages high commitment activism, as it may serve as a "first step" into the world of activism which can awaken the desire to get more strongly involved. Mobilisation efforts In order to actively promote non-virtual activism beyond petition signatures, some Avaaz campaigns feature hands-on tools that allow its members to easily "go offline". For example, in its protest against the planned stoning of an Iranian woman for adultery, the organisation’s campaign e-mail provided not only the usual link to an epetition but also the telephone numbers of Iranian embassies, including an appeal to members to voice their protest by calling the embassy in Whether web-based activism is ineffective or a complement to conventional protests, like here in Copenhagen in 2009, is a rather controversial question. their country. During the Copenhagen climate summit, Avaaz week, ideas which are considered promising by alleged monopolisation of the British press by encouraged its members to stage local "vigils" the Avaaz core team are sent to random samples media mogul Rupert Murdoch – all of which was for a strong climate treaty and provided an online of 10,000 members, and only initiatives that find funded by donations from its members. With its tool facilitating their organisation: Vigils could be a strong response are extended to the wider com- combination of online and offline activism, Avaaz registered on a map, allowing other members to munity. claims to have played a crucial role in achieving Combining online and offline activism of an anti-corruption bill in Brazil to the creation find and join vigils in their vicinity. Vigil organisers were provided with instructions and information a number of successes, ranging from the passing material for the local media. After the event they could upload pictures of their vigils which were of a marine protection area in the Indian Ocean. Advocates of web-based activism platforms not used for a video that Avaaz showed to leaders at only deny the alleged substitution of traditional the summit. forms of activism with e-petitions, but also insist Participatory agenda-setting Global citizenship on the latter's effectiveness. They hold that even However, it is practically impossible to retrospec- though a single signature might be insignificant, tively determine the exact influence of campaigns hundreds of thousands of them can make all the like those of Avaaz on a certain political decision. difference in critical situations. However, they ac- Therefore, the debate about the merits of web- bilisation tools, Avaaz also offers another way of knowledge that e-petitions alone are not enough based activism platforms continues. Regardless of mobilising citizens beyond mere e-petition sign- to bring about change. That is why e-petitions its actual impact, however, a global online move- ing: Members can participate in determining the directed at Avaaz’ large member base are always ment like Avaaz is a reason for hope that world- issues on which the community focuses, both on embedded in a campaign strategy which draws wide solidarity and a consciousness of "global the strategic as well as the operational level: On heavily on traditional instruments of pressure citizenship" are increasingly gaining ground. << the strategic level, once a year all Avaaz members groups. Besides the use of such campaign-specific mo- are invited to participate in a poll that aims at de- For example, Avaaz has been supplying citizen termining the movement’s overall priorities for journalists with cameras during the Arab Spring, the coming year. launched a billboard campaign in Washington On the operational level, Avaaz members can D.C. demanding the closure of Guantanamo, and submit concrete campaign suggestions. Every commissioned legal expertise on how to stop the GLOBAL VIEW 3/2011 8 International The "A-public" Youth Movement Going Public For years, sociologists have criticised young people for not getting involved in politics. The reason they found was a lack of interest in politics. Ever since the outbreak of the Green Revolution in Iran or the Arab Spring, it is safe to say: Young people are alive and kicking. Text Lauretta Konradi he lack of involvement of young people in Photo: Wikimedia Commons / Hamed Saber T traditional political structures has often been regarded as equal with a disinterest in politics. These classical structures included, for instance, party association, elections, and public discussions in organized events. There, young people mainly caught attention through absence. As the events since 2009 show, this was due to the fact that they got involved in forms unseen publicly. Blogs and social media pages dedicated to a cause or small local charitable initiatives have become more frequent in the last years among young people. Politics were not being discussed in physical forums, but in digital ones ranging from private groups and pages in social media to blogs and fojust "a-public". The protests in Iran after the presidential elections of 2009 can be regarded as a forerunner to other protest movements in which social media played a crucial role. The rise of social media An enhancing role in other protests rums. The young were not a-political – they were way, they felt trapped under that glass ceiling that they had believed could be overcome. Before the A couple of years ago, movements understand- The Arab Spring following one year later used protests, they seemed to have lost trust and hope ing the importance of and working through so- the same methods – coordination and publica- for their future and in the political systems that cial media emerged quickly and unpredictably. tion of protests via the Internet, notably via social once aimed at guaranteeing their future. When the Obama campaign was launched in media. This movement, too, had started out in Conclusion 2008, effectively involving bottom-up structures real-life action (as, for example, the self-burning and promising change, young people were quick of a young man) and quickly found its way on the to join in. What was new about this was that he Internet, igniting even more national and interna- As the world has changed in these past years, so used Internet and social media like never before. tional action. too has the way young people are involved with Other politicians soon followed by opening up In both these cases, it was young people protest- politics: From a traditional way where rules were their own social media accounts, realising the ing and even fighting at the forefront for their pre-determined, they now changed to a self-de- power and reach these media have and under- rights. Similarly, in Austria, students organized termined way where they choose what and how. standing that times had changed. protests against racism among the Austrian popu- After lingering for a time in the private, the young But it was the year 2009 that first showed how lation. This protest was solely organized by using generation has changed in the 2000’s to again much politics and social media/Internet had Facebook, sending out invitations and encourag- becoming more publicly engaged in politics. We become intertwined for young people. When ing everyone to follow suit. have witnessed the youth movements’ potential Mahmoud Ahmadinejad was declared the win- The reasons for these protests are manifold, but and surely will see it unfold in the years to come. I ner in the Iranian elections, an unprecedented what catches attention is that many well-educat- guess the following saying proved to be more ap- campaign was launched (see picture). Nicknamed ed young protesters were crucial to these move- propriate than ever before: Today’s youth are the the "Twitter Revolution", social media were used ments. For years, young people have been told leaders of tomorrow. << by young Iranians to organize protests, share pic- that if they wanted a good job, they would have tures and videos, and to fight for their cause. An to go to college and get an education. Now that endless stream on Twitter provided live updates they had that education, it was more difficult to when traditional media had failed to keep pace. find a good job, be it in the United States or in Young people were not only leading a physical, Europe. In Egypt, young academics more often but also an information protest. end up in labourer jobs such as cab drivers. In a GLOBAL VIEW 3/2011 International 9 Oppression and Liberation with Social Networks Social networks have been described as having the potential to overcome authoritarian regimes, as well as to be abused for surveillance and censorship. Is decentralisation the next step? Text T Markus Sabadello he use of modern information and communi- which no single political or economic entity can Program on Liberation Technology, or by the Har- cation technologies by political movements is intercept and control the personal data and mes- vard Berkman Center for Internet & Society’s In- not new: In 1994, the Zapatista Army of National sages that travel through it. Attempts to realise ternet & Democracy project. Liberation in Chiapas, Mexico, pioneered the use this vision are made by a variety of technology of new media for political goals by communicat- projects, e.g. Diaspora, Tor, Lorea, Crabgrass, Se- Future perspectives ing its motivations and demands through a pub- cushare, Serval, Commotion, Freenet, or Global- lic network of supporters all around the world. Square. Despite being promising, these new technologi- In 2000, the Serbian Otpor! movement against One of the most promising initiatives is the cal developments also raise questions, for ex- the socialist regime of Slobodan Milosevic was FreedomBox which is a small electronic device ample whether they actually have the potential famous for having a website for recruitment and that can easily be set up at one’s home or office to become ubiquitous and easy enough for use political outreach even before it had an office. to provide encrypted communication and censor- by average persons, or whether their use will be And by now, the idea of using social networks ship circumvention functionality. The list of such limited to a small number of highly specialised ac- for political struggle has received mainstream at- projects is growing, as is public awareness of the tivists. Also, one might question if a communica- tention due to the role they played during events deficiencies of current highly centralised systems tion system that is completely free from govern- such as the 2009 Iranian Green Movement (see such as Google or Facebook. mental and corporate influence is actually a good picture on the left) or the 2011 Arab Spring. Political, financial and academic resources are thing. But it appears that the above-mentioned more and more devoted to creating alternatives, initiatives are more than just techno-utopianism Social networks and censorship for example by the New America Foundation – they are fuelled by a genuine desire against too which supports projects to build technology for strong authorities and for more decentralised After the initial hype of referring to such events a decentralised telecommunications system, by structures, both on the technological level and in as "Twitter Revolutions" or "Facebook Revolu- MIT’s Center for Civic Media which researches society itself. << tions", it is evident today that social networks are and invents "new technologies that support and not exactly omnipotent weapons for uprisings, foster civic media and political action", by the but rather tools that require special skills and University of Toronto’s Citizen Lab, by Stanford’s that can serve both sides of a conflict. While in Tunisia and Egypt, Facebook & Co greatly helped activists to organize their protests and to create sympathies, in other cases such as Iran or Libya Social networks can also be used to censor website content and to identify regime opponents. A possible answer to this threat is the decentralisation of communication networks. Photo: Own work the state institutions were highly successful at using social networks to their advantage, for example by censoring certain websites, or even by identifying and subsequently striking against their opponents. It is no secret that many governments today take measures to monitor and restrict the use of the Internet. Even in supposedly "free" democracies, concerns about the influence of states and large corporations over our online identities and personal data are on the rise. Decentralised social networking The instinctual response to such concerns is to move towards technologies that are more decentralised in nature than the ones we have today. The vision is one of a communication network in GLOBAL VIEW 3/2011 10 International Demokratie im Iran – Ein Blick in die Geschichte Im Zuge eines Gesprächs mit dem Botschafter der Islamischen Republik Iran bei der IAEA und den Vereinten Nationen in Wien, Herrn Dr. Ali Asghar Soltanieh, über den aktuellen Konflikt zwischen dem Iran und vielen westlichen Staaten wurde klar, dass die Lage komplexer ist, als sie in vielen Medien dargestellt wird. Es ging um Geschichte, um Glauben und um Stolz. Dieses Gespräch war Anlass für mich, in die Geschichte des Iran einzutauchen und nach den Ursprüngen dieses Konflikts zu suchen. Text Jan Philipp Pöter er Iran hat ein angespanntes Verhältnis zum ter miserablen Bedingungen wurden iranische Westen, welches sich nicht zuletzt durch die Arbeiter in Abadan, am Persischen Golf gelegen, vielschichtige Geschichte erklären lässt. Dabei ist einquartiert und für die Förderung des Öls un- der Mangel an Demokratie oft Bestandteil eines ter der APOC eingesetzt. Diese Zustände wurden Erklärungsversuches, wenn es um eine Bewer- durch Reza Schah und auch seinen Nachfolger, tung der Situation im Iran und eine entsprech- Sohn Mohammad Reza Schah (siehe Abbildung), ende Lösung in Form eines Eingreifens geht. geduldet, da die Umsätze aus dem Ölgeschäft Die (fast) beispiellose globale Medienkampagne, trotz der schlechten Verträge die wichtigste Ein- die den Iran täglich ins Rampenlicht stellt, zeich- nahmequelle iranischer Wirtschaft darstellten. Foto: Wikimedia Commons D net ein klares Bild: Der islamische Staat unter extremistischer Führung greife nach der Atombo- Neue Entwicklungen unter M. Mossadegh mbe und der „Westen“ habe dies zu verhindern. Dazu ein Herrscher, der sein Volk unterdrücke Erst mit der demokratischen und anti-autoritären und an demokratischem Verständnis zweifeln Entwicklung im Iran um Mohammad Mossadegh lasse. Dabei werden oft Fakten ausgeklammert in den 1940er und 50er Jahren wurden die Ver- und die Geschichte der Beziehungen zwischen träge zwischen dem Schah und der APOC, mit- dem Iran und dem „Westen“ vernachlässigt. Vor tlerweile in Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) allem die Begründung eines möglichen Eingreif- umbenannt, die zum größten Teil in britischem ens im Iran, der bis heute nicht gegen Völkerrecht Besitz war, in Frage gestellt. Getragen von einer in Bezug auf mögliche militärische Aspekte des breiten Mehrheit in der Bevölkerung, wurde Mo- US-Präsident Dwight D. Eisenhower (links) mit Mohammad Reza Schah, hier auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1959. (legitimen) Atomprogrammes verstößt, beruht hammad Mossadegh 1951 vom iranischen Parla- oft auf moralischen Grundpfeilern, welche ein ment zum Premierminister gewählt und forderte schlossen die meisten ölimportierenden Staaten westliches Demokratieverständnis einschließen. die Verstaatlichung der AIOC. Die Unfähigkeit der unter dem Druck Großbritanniens ein Embargo britischen Regierung allerdings, durch Verhand- auf Ölimporte aus dem Iran und setzten damit lungen zu einem angemessenen Übereinkommen das Land und Mossadeghs Politik unter enormen und einer neuen Aufteilung der Gewinne, wie es Druck. Die Anglo-Persian Oil Company Man muss viele Jahrzehnte in der Zeit zurückrei- z.B. in Saudi-Arabien (ARAMCO) der Fall war, zu sen, um das Verhältnis zwischen dem Iran, De- kommen, führte zur Verstaatlichung der Raffin- mokratie und dem „Westen“ zu verstehen. Schon erie von Abadan, der größten der Welt. zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Bezie- Das nationalistische und antikoloniale Verstän- hungen zwischen dem Iran und dem „Westen“ dnis Mossadeghs stieß auf breite Resonanz in USA, zwischen den Briten und der Regierung auf eine harte Probe gestellt. Die Gründung der der iranischen Bevölkerung. Mossadegh stellte Mossadeghs zu vermitteln. Die Vereinigten Staaten genossen bis dahin einen guten Ruf im Iran Die USA schalten sich ein Unter Präsident Harry S. Truman versuchten die Anglo-Persian Oil Company (APOC) stellte den Be- den Grundsatz iranischer Souveränität über die ginn einer langen und komplexen Beziehung des drohenden Konsequenzen, inklusive der mas- und Mossadegh reiste u.a. auf Einladung des Prä- Westens mit dem Iran und seinen inneren Ange- siven wirtschaftlichen Rezession des Landes nach sidenten in die USA, wo er auch vor der UNO als legenheiten dar, welche die erste demokratische der Verstaatlichung der Raffinerien. einer der ersten gegen Kolonialisierung und Un- Bewegung des Iran untergraben sollte und bis Die Briten stellten nahezu das gesamte leitende terdrückung durch den Westen sprach. heute Relevanz hat. Personal der Raffinerien und es gab faktisch keine Als sich die Krise weder durch Vermittlung der Die APOC, eine Explorationsunternehmung ira- iranischen Ingenieure, die die Raffinerien hätten Vereinigten Staaten noch durch den internatio- nischen Öls in britischen Händen, sollte in den betreiben können. Auch die gesamte Infrastruk- nalen Druck des Ölembargos lösen ließ und die Regierung in den USA wechselte, sahen sich die ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zur tur, einschließlich der Öltanker, war in britischer wichtigsten Säule britischer Außenwirtschaft und Hand. Dies führte 1953 nach Verstaatlichung USA und Großbritannien zu anderen Maßnahmen seine größte Einnahmequelle werden. Iranisches der Raffinerien zu erheblichen Einbußen in der gezwungen. Unter der nachfolgenden, deutlich Öl wurde vom persischen Herrscher Reza Schah iranischen Wirtschaft, die trotz der schlechten anti-kommunistischen Regierung Eisenhowers unter einer Konzession vergeben, die real ca. 3 Verträge auf das Geld aus den Ölverkäufen an- änderte sich die amerikanische Position deu- Prozent der Gewinne der APOC ausmachte. Un- gewiesen war. Sofort nach der Verstaatlichung be- tlich. Den Briten gelang es, die Ängste der neuen GLOBAL VIEW 3/2011 International 11 amerikanischen Regierung vor einer russischen Die Folgen des Coups Besetzung des Iran deutlich zu verstärken. Im Iran war die Lage angespannt und durch die Dieser dem Westen wohlgesonnene Herrscher ausbleibenden Einnahmen aus den Ölverkäufen einigte sich mit der AIOC und das iranische Öl sah sich Mossadegh mit Unruhen im eigenen floss wieder. Das iranische Volk, das erst Jahre Land konfrontiert. Zusätzlich ließ Mossadegh, der später von der amerikanischen Beteiligung und Überzeugung einer freien Gesellschaft inklusive der geheimen Operation Ajax erfahren sollte, än- einer diversifizierten politischen Kultur folgend, derte seine Sicht auf die USA dadurch schlagartig. einen Ableger der Kommunistischen Partei zu, Experten sehen die Geiselnahme an der ameri- die allerdings nie eine relevante Rolle in der irani- kanischen Botschaft im November 1979 als di- schen Politik übernehmen konnte. Nach Einschät- rekte Folge der Operation Ajax und den damit zung der Amerikaner, vor allem der Gebrüder verbundenen Sturz der ersten wirklichen de- Dulles, die beste Kontakte nach Großbritannien mokratischen Entwicklung des Iran und der Re- pflegten und hohe Positionen in der US-ameri- gion. Denn die Missionsgebäude der USA in Te- kanischen Außenpolitik bekleideten, bestand im heran waren auch 1953 Dreh- und Angelpunkt Iran die Gefahr einer kommunistischen Invasion, der anglo-amerikanischen Operation Ajax, die die es zu verhindern galt. zum Sturz der ersten iranischen demokratischen Bewegung führte und welche bis dahin in dieser Operation Ajax Region der Erde beispiellos war. Mit Hilfe der Briten, aber maßgeblich unter Tiefes Misstrauen amerikanischer Regie, initiierten die Amerikaner die Operation Ajax, die den Sturz Mossadeghs Das Vertrauen des Iran in den Westen und vor al- zum Ziel hatte. Die Amerikaner versprachen sich lem in die USA nahm, ausgehend von diesem Er- durch die Machtübernahme von Mohammad eignis, dramatisch ab. Mossadegh ist noch heute Reza Shah, der im Zuge der Krise um die Versta- eine der wichtigsten Figuren für viele Menschen atlichung 1953 ins Exil gehen musste, ein starkes, im Iran und Symbol des Antiimperialismus. autoritatives Vorgehen im Staate und eine gem- Die USA hingegen, die nach dem Erfolg der Operation Ajax durch geheime Operationen an den Die Briten hatten die Wiederbelebung der Ge- Stürzen verschiedenster Herrscher, vornehmlich schäfte der AIOC, später British Petroleum Com- in Latein- und Südamerika, beteiligt waren, er- pany (BP), im Blick und stachelten die Amerikaner weckten tiefes Misstrauen im Iran und in anderen dahingehend an. Regionen der Erde. Der Stolz und die Abneigung Nachdem Mossadegh, eine Gefahr ahnend, die gegenüber der überheblichen Haltung des West- britischen Gesandten aus dem Land auswies ens im aktuellen Konflikt müssen also auch im Li- und die britischen Botschaften schließen ließ, chte dieser Entwicklungen gesehen werden. Denn war es also an den USA, die Briten zu unter- es waren die USA, welche die erste wirkliche de- stützen. 1953 hatte Operation Ajax nach einem mokratische Bewegung des Iran untergruben und fehlgeschlagenen Militärputsch durch öffentli- die Langzeitfolgen dieses Verrates im iranischen che Stimmungsmache und Unterstützung sowie Volk zu Gunsten der britisch-amerikanischen Bewaffnung der Opposition Mossadeghs Erfolg. Beziehungen unterschätzt haben. << Foto: Wikimedia Commons inderte Gefahr eines kommunistischen Überfalls. Der Coup war perfekt, Mossadegh wurde unter Hausarrest gestellt, Fazlollah Zahedi wurde neuer Premierminister und Mohammad Reza Schah kehrte in den Iran zurück. Iranische Soldaten vor dem Parlamentsgebäude in Teheran, welches 1953 Schauplatz des erfolgreichen Umsturzes war. GLOBAL VIEW 3/2011 12 International Finanztransaktionssteuer in der EU Im Zuge der Wirtschaftskrise wird der Ruf nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte immer lauter. Eine mögliche Option ist eine Finanztransaktionssteuer, die der EU auch zusätzliche Einnahmen verschaffen soll. Text or Ausbruch der Währungs- und Finanzkrise Foto: Wikimedia Commons / gren V Christoph Wiederkehr war die Idee einer Finanztransaktionssteuer vorwiegend bei globalisierungskritischen Organisationen wie ATTAC vorzufinden und wurde von Seiten der Wirtschaft und auch der Politik vehement abgelehnt. Ursprünglich stammt das Konzept einer Abgabe auf Börsengeschäfte wie Derivate, Fonds, Anleihen, Wertpapiere, Devisen und Aktien vom amerikanischen Nobelpreisträger James Tobin (daher auch „Tobin Tax“ genannt), der die Steuer 1972 erstmals vorschlug. Diese sollte spekulative Finanztransaktionen eindämmen und damit den Wechselkursen jener Währungen, die nach dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse (Bretton Wood) einer starken Volatilität ausgesetzt waren, wieder mehr Stabilität verleihen. Kurzfristige Geschäfte, die durch Währungs- Im Falle der Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer befürchtet London den Abfluss von Kapital. Im Bild der Sitz der London Stock Exchange am Paternoster Square. schwankungen Gewinne erzielen, sollten erschwert werden. Langfristige Investitionen und und 0,01 Prozent für Derivate. Die geschätzten notwendige Auch die Europäische Kommission setzt sich mit- Handelsgeschäfte Einnahmen von 50 Milliarden Euro sollen laut tlerweile uneingeschränkt für die Einführung der würden aufgrund der relativ niedrigen Steuer Vorschlag der Europäischen Kommission direkt in Finanztransaktionssteuer ein und legte bereits dagegen kaum betroffen sein. das EU-Budget fließen. Gemeinsam mit anderen einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vor Ganz ähnlich stellen sich die Gründe einer Maßnahmen könnte der Anteil der Eigenmittel (SEK(2011) 1102). internationale möglichen Einführung auch heute dar. Die ex- am EU-Budget von derzeit 25 auf gut 60 Prozent plosionsartige Zunahme an Finanztransaktionen im Jahr 2020 steigen, womit die nationalen Haus- in den letzten Jahrzehnten führte zu einer im- halte deutlich entlastet werden könnten. mer größeren Kluft zwischen finanz- und real- Auch wenn die Stimmen für eine derartige Steuer Kritikpunkte an einer Einführung Insbesondere aus Kreisen der Finanzindustrie wirtschaftlichen Transaktionen. Global werden stetig zunehmen, ist eine Einführung noch lange wird an dem Vorschlag der Kommission vehe- mittlerweile siebzig Mal mehr Finanztransak- nicht gewiss. Insbesondere Widerstände aus der mente Kritik geübt. Als Hauptkritikpunkt an der tionen als realwirtschaftliche Geschäfte getätigt. Wirtschaft und einigen Nationalstaaten lassen an Einführung dieser Steuer wird zumeist ange- Diese zumeist sehr kurzfristigen, spekulativen einer gesamteuropäischen Umsetzung erhebliche führt, dass nicht nur Spekulationen, sondern Transaktionen haben einen enormen Einfluss Zweifel aufkommen. Allen voran lehnt Großbri- auch langfristige Investitionen verteuert würden. auf die Kurse, insbesondere an den Devisen- und tannien eine EU-weite Finanztransaktionssteuer Aus wirtschaftlicher Perspektive könnte eine Rohstoffmärkten. Eine Finanztransaktionssteuer ab, da es keine Steuerkompetenzen an die Eu- Verteuerung von Investitionen auch negative soll diesem Trend entgegenwirken und außerdem ropäische Union abgeben möchte. Außerdem Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben. zusätzliche Steuergelder einbringen. werden Kapitalabflüsse vom Finanzplatz London Außerdem bestehe die Gefahr, dass durch einen Chancen der Umsetzung (siehe Abbildung) befürchtet. zu starken Rückgang der Investitionen die Li- Die offiziellen Vertreter der Europäischen Union quidität der Devisenmärkte sinkt. Durch die nur dagegen treten mittlerweile erstaunlich ein- geringe Steuer würden jedoch – laut umfassen- Erst die gravierenden Erfahrungen mit der heitlich und konsequent für diese Steuer ein. Im den Untersuchungen u.a. vom Wifo – eine Ver- Wirtschaftskrise konnten dazu führen, dass die Europäischen Parlament existiert eine deutliche teuerung von Investitionen und ein Rückgang der Besteuerung von Finanztransaktionen ernsthaft Mehrheit für die Einführung einer Finanztrans- Liquidität im Rahmen gehalten werden. angedacht wird. Aktuell in Diskussion ist eine aktionssteuer. Insbesondere der Wirtschaftsaus- Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die gesamteuropäische Steuer ab 2014 von 0,1 schuss des Europäischen Parlaments drängt seit Möglichkeit der Steuerhinterziehung. Da jedoch Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen Jahren zu schnellerem Handeln in dieser Frage. diese Gefahr bei jeder Steuer besteht, ist dies GLOBAL VIEW 3/2011 International 13 per se noch kein Argument für deren Nichtein- Verfügung gestellt haben, soll der Finanzsektor gestärkt werden. Zudem könnte eine einheitli- führung. Außerdem ist die Gefahr einer Steuer- nun höher besteuert werden, zumal die Besteuer- che Festlegung auf EU-Ebene eine wichtige Rolle hinterziehung im großen Stil nach Ansicht der ung von Gewinnen aus kurzfristigen Spekula- dabei spielen, die gegenwärtige Zersplitterung tionen im Vergleich zur Besteuerung auf andere des Binnenmarktes zu verringern. Nationalsta- Befürworter zu relativieren. Es würde zwar Möglichkeiten einer Umgehung dieser Steuer Wirtschaftszweige sehr gering ist. atliche Regelungen zur Finanztransaktionssteuer auch auf Seiten der Banken geben, jedoch sei fra- Zweitens würde eine Finanztransaktionssteuer würden dagegen die steuerliche Unübersichtlich- glich, ob die prozentuell niedrige Steuer wirklich die Attraktivität kurzfristiger und hochspekula- keit des europäischen Binnenmarktes weiter er- dazu führen würde, dass Banken risikoreiche Sch- tiver Investitionen senken. Finanzinstitute mit höhen und die Mitgliedsländer unter verstärkten steuerlichen Konkurrenzkampf stellen. lupflöcher ausnützen. Das angedachte Prinzip der großem Geldvermögen können innerhalb von Ansässigkeit, d.h. der Besteuerung in dem Mit- Minuten hohe Gewinne erwirtschaften. Eine gliedsstaat, in dem der Finanzakteur ansässig ist, auch nur geringe Besteuerung von Transaktionen würde eine Umgehung erheblich erschweren. würde derartig kurzfristige Spekulationen weni- Gegen eine Einführung der Steuer in der EU wird ger lukrativ machen. Außerdem würde ein Anreiz Auch wenn eine baldige EU-weite Einführung zudem häufig angeführt, dass eine Umsetzung geschaffen werden, wieder in längerfristige Werte einer Finanztransaktionssteuer noch sehr un- nur weltweit sinnvoll sei. Auf globaler Ebene zu investieren. Eine Finanztransaktionssteuer wahrscheinlich erscheint, ist zu hoffen, dass mit- erscheint dies jedoch sehr unwahrscheinlich. könnte somit einen Beitrag zur Regulierung der telfristig ein Kompromiss der europäischen Sta- Überlegungen zu einer weltweiten Transaktions- Märkte leisten. aten zu erzielen sein wird. Die Einführung wäre steuer wurden international erstmals 1995 vom Ein weiteres wichtiges Argument für die Finanz- ein wichtiger Schritt im Integrationsprozess der UNO-Entwicklungshilfeprogramm (UNDP) ange- transaktionssteuer ist der Zugewinn an politisch- Europäischen Union. Die nächsten Jahre werden stellt. Nach heftigen Protesten der USA und der em Spielraum, den die Europäische Union durch zeigen, ob die Europäische Union bereit für einen Drohung der Aussetzung von deren Mitgliedsbei- eigene Einnahmen erlangen würde. Einerseits solchen weiteren Integrationsschub ist, oder ob trägen wurden die Konzepte jedoch wieder ver- wäre die finanzielle Abhängigkeit von den Mit- einzelstaatliche Interessen diesem höheren Ziel worfen und auch beim G-20-Gipfel in Toronto im gliedsländern geringer, andererseits würde die entgegenstehen. << Juli 2010 endgültig abgelehnt. Stellung gegenüber den Akteuren des Marktes Zukunftsaussichten Nach Meinung vieler Befürworter bestünde auch die Möglichkeit, die Steuer in nur einigen Ländern einzuführen. Als Beispiel wird häufig die in Es geht ums liebe Geld: Befürworter einer Finanztransaktionssteuer führen etwa ins Feld, dass die Gefahr hochspekulativer Investitionen erheblich gemindert werden könnte. Foto: Flickr / Images_of_Money London geltende „Stamp Duty Reserve Tax“ angeführt, die einige inländische Finanztransaktionen besteuert und zu keinem Kapitalabfluss geführt hat. Eine Transaktionssteuer sollte jedoch zumindest in den wichtigsten Finanzzentren einer Zeitzone (z.B. London, Berlin und Paris) umgesetzt werden, um effektiv zu sein und den europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden. Positive Effekte der Steuer Laut Befürwortern würde die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer zu zahlreichen positiven Effekten führen. Zunächst ist es eine Frage des Gerechtigkeitsempfindens, dass Finanzinvestoren angemessen an den Kosten der jüngsten Krise beteiligt werden. Nachdem viele europäische Staaten hohe Haftungen für Finanzinstitute eingegangen sind und sogar Kapital zur GLOBAL VIEW 3/2011 14 International Access to Medicine in the Developing World The Millennium Development Goal 8 pursues the achievement of universal access to affordable and essential drugs in developing countries by 2015. Generic drugs seem to be a solution, but regulating the production bears problems. Text mproving access to medicine is fundamental to Photo: Wikimedia Commons / Alcibiades I Alina Schmidt providing people in need with full and effective treatment and reducing the spread of diseases in the developing world. The lack of access can have many reasons, but unaffordability of drugs is the most common one in poor countries. The governments of developing countries are often only able to afford older generations of drugs that have gone "off-patent" and are therefore more cheaply available in the form of "generic" copies, but which are much less effective than the newer drugs. For example, in the treatment of AIDS, which is a major human problem and has severe economic impacts in many developing countries, the available first-line drugs are often connected with toxic side effects and rapidly become ineffective as the disease builds resistance. The newer secondline drugs that are needed to continue treatment Generic drugs often provide the only available yet less effective medication for people in developing countries. Profit interests of the pharmaceutical industry play an important role. are up to six times more expensive. As a consequence, patients are denied essential treatment lawful production of drugs that are still subject to or fall into poverty by attempting to buy the new patent. Although it reduced piracy, TRIPS caused medicines out of their own pocket. huge price disparities between older and new- Patent pool – best way forward? A subsequent response to this challenge is the generation medicine, exacerbated the access UNITAID facility that was launched to purchase Pharmaceutical interests vs. human rights? gap between people in wealthy and developing drugs to treat HIV/AIDS, Malaria and Tubercu- countries, and raised moral issues regarding the losis, and which has a "patent pool" that allows In order to improve this situation it is essential balance between pharmaceutical industry profits various patented medicines to be produced ge- to find a common ground between the need for and the health of billions of people. nerically at lower cost for poorer countries. The pharmaceutical companies to recoup the cost of their research, development and licensing ac- success of this approach has been helped by the Voluntary and compulsory licensing tivities and the need from the developing world many large pharmaceutical companies that have agreed to participate in the pool, but there is still for access to affordable medication. History has TRIPS attempts to address this issue with two more work to be done to achieve universal access consistently shown that the price of drugs falls possibilities for developing countries to create to medicine. << sharply when generic competitors enter the mar- generic drugs: Firstly, "voluntary licensing" allows ket, and at the same time, the availability of drugs national governments to request a production increases. However, these generic competitors license from a patent holder in case of a public are only able to provide such low prices because health emergency. Of course, this depends on the they do not have expenses for drug discovery and "goodwill" of the patent holder and achieving an efficacy trials. Yet, without such expenses, no new agreement can be time-consuming, which lowers drugs would ever be developed. its effectiveness. Secondly, a government can issue a "compulsory The TRIPS agreement and its impact license" for limited-scale generic production if a patent owner abuses his rights by, for example, This tension was highlighted when the Agree- offering a product at a too high price. Although ment on Trade-Related Aspects of Intellectual this can be helpful, it cannot address the issue of Property Rights (TRIPS) was implemented. TRIPS large-scale production which is required for the enforced patent rights, sharply curtailing the un- supply of cheap drugs. GLOBAL VIEW 3/2011 ÖGAVN / AFA 15 20 Jahre über den Tellerrand Das Akademische Forum für Außenpolitik (AFA) hat sich vor mehr als 20 Jahren die Aufgabe gestellt, über den Tellerrand zu blicken, sich vor allem mit politischen Fragen auseinanderzusetzen, über die Welt nachzudenken und zu versuchen, sie besser zu verstehen. Text AFA D ass die Welt keine Scheibe und demnach schaft für die Vereinten Nationen (ÖGAVN), als des UNO-Sicherheitsrates und anderer UNO-Gre- nicht flach ist, wissen wir mittlerweile. Mitglied der Bundes-Jugendvertretung oder als mien nachgespielt werden. Ziel der Simulation Dass aber alle Fragen, egal ob politisch oder Teil des vom AFA mitbegründeten internationalen ist es, sich in die Rolle einer Staatenvertreterin wirtschaftlich oder auch solche des privaten Leb- Dachverbands „United Nations Youth Associa- bzw. eines Staatenvertreters zu versetzen und ens, mehr als zwei Dimensionen haben und nicht tions Network (UNYANET)“, soll hierbei die Enge zu erkennen, wie diplomatische Verhandlungen immer mit Ja oder Nein, Yin oder Yang, schwarz eines traditionellen lokalen Marktplatzes über- ablaufen, um somit die Arbeit der Vereinten Na- oder weiß beantwortet werden sollten, geht oft winden. tionen besser verstehen zu können. Nebenbei werden Kenntnisse in Rhetorik, Argumentation- in der Hektik des alltäglichen Gesprächs oder der oft notwendigen Kurzdarstellung in den Medien Angebot in ganz Österreich stechnik und internationaler Politik trainiert. Die VIMUN wurde vom AFA im Jahr 1995 als Teil des verloren. Bei vielen der zwischen 300 und 400 jährlichen Programms der Österreichischen Bundesregier- Aktivitäten und Treffen steht mehr und mehr auch ung zum 50-Jahr-Jubiläum der Vereinten Na- der gemeinsame Erwerb von Kenntnissen, Wissen tionen eingeführt. Seither treffen sich alljährlich Das überparteiliche AFA bietet die entsprechende und Erfahrungen im Mittelpunkt, die nicht immer an die 250 Studierende aus aller Welt in der Wie- Eigene Gedanken statt Schablonen Plattform für die junge Generation, sich ohne All- an Universitäten vermittelt werden können. Das ner UNO-City, um an gemeinsamen Resolutionen tagshektik Gedanken zu machen, die über die AFA bietet in mehreren Städten ein zum Teil bre- zu arbeiten. vorgefertigten Argumentationskarten der poli- ites Angebot an ganz unterschiedlichen Projekten Im Mittelpunkt auch der VIMUN steht jedoch tischen Parteien oder die Sprachregelungen der und Aktivitäten, die allesamt auf ehrenamtlicher nicht die Resolution selbst, sondern die Mission Diplomatie hinausgehen. Basis von den aktiven Mitgliedern vor Ort vorbe- des AFA, die seit 20 Jahren gilt: Der Versuch, über Die Lust, über ein bestimmtes Thema nachzuden- reitet werden. den Tellerrand zu blicken, die Welt besser zu ver- Internationaler Abschluss kennen zu lernen! << stehen und andere Kulturen und Denkweisen ken und das Bedürfnis, darüber zu diskutieren, brauchen aber in der Regel einen Anlass. Daher organisiert das AFA eine Reihe von Veranstaltungen bzw. Projekten, die oft als Initialzündung di- Der Höhepunkt des alljährlichen AFA-Programms enen, um sich untereinander auszutauschen bzw. ist und bleibt jedoch die Vienna International sich Meinungen zu bilden. Model United Nations (VIMUN). Weltweit finden Dem ursprünglichen Charakter eines Forums ent- mehrere tausend sogenannte „Model United Na- sprechend, können im AFA die unterschiedlich- tions (MUNs)“ statt, in denen die Verhandlungen sten Ideen für Projekte verwirklicht werden. Durch die Initiative der Mitglieder entstand über die Jahre das heutige Programm, das von Vorträ- Rhetorik- und Verhandlungstrainings, Lehrgänge, Foto: AFA gen mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über Simulationen der UNO, Jährlich im August treffen sich Studierende aus aller Welt in der Wiener UNO-City, um im Rahmen der VIMUN diplomatische Verhandlungen zu simulieren. Exkursionen und Studienreisen bis hin zu Publikationen (wie das GLOBAL VIEW) reicht. Forum oder Marktplatz Das AFA fungiert hierbei als ein Marktplatz, der entsprechende Tische und Nischen bereitstellt, um die Projekte bestmöglich zu präsentieren und um sicherzustellen, dass für alle interessierten Jugendlichen entsprechende Angebote dabei sind. Die nationale und internationale Vernetzung des AFA, sei es als unabhängige Jugend- und Studierendenorganisation der Österreichischen GesellGLOBAL VIEW 3/2011 Accredited in the US and Austria Information Evenings 16 Feb. and 29 Mar. 2012 Information & Registration: www.webster.ac.at Bachelor • Master • MBA Art/Visual Culture Business and Management International Relations Media Communications Psychology The American University with a Global Perspective Webster University Vienna - Private University Berchtoldgasse 1, 1220 Vienna, Austria +43 1 269 92 93-0 www.webster.ac.at