Koavertrag Kinder

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Koavertrag Kinder
NRW Koalitionsvertrag 2012-2017 – Bereich Kinder & Familie
Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen
im Bereich Kinder und Familie
für den rot-grünen Koalitionsvertrag (2012 – 2017) für NRW
U3-Ausbau und bedarfsgerechte Betreuungsangebote (Zeilen 518 – 617)
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Das 400 Millionen Euro Ausbauprogramm 2010 bis 2013 bleibt unverändert.
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Wie bereits angekündigt, werden wir darüber hinaus schnellstmöglich den
Kommunen zusätzliche Mittel für den U3-Ausbau zur Verfügung stellen. Das
Land wird in einem ersten Schritt ca. 20% der Betriebskosten für U3-Kinder
übernehmen, die bisher von den Kommunen bezahlt wurden. Wir erwarten,
dass die dadurch frei werdenden Mittel für den U3-Ausbau bzw. für eine
kinder- und familienfreundliche Kommunalpolitik verwendet werden.
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Das Gesamtvolumen dieser Maßnahme beträgt 1,4 Milliarden Euro bis 2018.
Um die Mittel ausschütten zu können, ist ein Gesetzgebungsverfahren
notwendig, das wir schnellstmöglich einleiten werden. Noch in diesem Jahr
und Anfang 2013 sollen landesweit 260 Millionen Euro in die kommunalen
Kassen fließen.
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Wir verlangen außerdem vom Bund, sich an den tatsächlichen Kosten des U3Ausbaus zu beteiligen. Bisher sind die Leistungen des Bundes gedeckelt und
gehen von zu niedrigen Versorgungsquoten und Ausbaukosten aus.
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Zusätzlich wollen wir für mehr betriebliche Kinderbetreuungsangebote sorgen
und flexiblere Betreuungsangebote erproben.
Prävention und Kinderarmut (Zeilen 317 – 419)
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Im Koalitionsvertrag gibt es ein neues Kapitel, das sich dem Ausbau der
Prävention widmet. Wir wollen mehr in Vorbeugung investieren, statt hohe
soziale Folgekosten tragen zu müssen. Bekanntlich steigen in den Kommunen
die Kosten der Hilfen zur Erziehung massiv an. Die Kinderarmut verharrt auf
viel zu hohem Niveau, was ebenfalls finanziell die Kommunen und den Bund
belastet. Umso erstaunlicher ist es, dass der Bund so wenig gegen die
Bekämpfung der Kinderarmut tut.
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Der Weg aus der Kinderarmut führt über Arbeit und vor allem Bildung. An den
Kosten unserer Bildungseinrichtungen Schule (NRW Landesmittel ca. 15
Milliarden Euro) und Kita (Gesamtbetriebskosten etwa 4,5 Milliarden Euro) ist
der Bund nur mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag beim U3Ausbau beteiligt. Wir fordern ein deutlich höheres finanzielles Engagement des
Bundes.
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Das Bildungs– und Teilhabepaket geht an den benachteiligten Kindern und
Jugendlichen vorbei. Wir wollen daraufhin wirken, dass eine qualitativ
hochwertige und nachhaltige Infrastruktur aufgebaut wird, die Bildung und
Teilhabe von benachteiligten Kindern und Jugendlichen ermöglicht. Wir
können aber nicht mit Unterstützungsmaßnahmen für Kinder und Familien auf
den Bund warten. Daher wollen wir durch Verfahrensvereinfachungen
versuchen, dass möglichst viele Kinder vom Bildungs- und Teilhabepaket
profitieren.
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Ebenfalls über die Bundesebene wollen wir uns für eine Kindergrundsicherung
einsetzen. Die Kindergrundsicherung soll nach der grünen Konzeption über die
Abschaffung bzw. Änderungen anderer familienpolitischer Leistungen wie z.B.
dem Kinderfreibetrag, dem Kinderzuschlag oder dem Ehegattensplitting
finanziert werden.
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Ein wichtiges Projekt wird das Gesetz zum präventiven Kinderschutz und
Frühen Hilfen sein. Es wird die verbindliche Zusammenarbeit der Kinder- und
Jugendhilfe mit den Bereichen Schule, Gesundheit, der Familienhilfe und
weiteren Akteuren regeln. Dabei wird es eine stärkere Konzentration der
Landesmaßnahmen/mittel auf sozial benachteiligte Stadtteile geben.
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Im Rahmen des Präventionsgesetzes soll auch die Umsetzung des
Bundeskinderschutzgesetzes laufen. Wesentlichste Punkte dabei sind die
Erweiterung des Hilfesystems um Familienhebammen und die Finanzierung
der Koordinierung Früher Hilfen auf kommunaler Ebene. Wir legen als Grüne
auch großen Wert darauf, die Strukturen in der Familienhilfe abzusichern und
seitens des Landes die Koordinierung des Kinderschutzes zu stärken.
Ein neues Kindergartengesetz für NRW
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Wir werden ein neues Kindergartengesetz für Nordrhein-Westfalen auf den
Weg bringen. Ziel ist es, Erziehung, Bildung und Betreuung zu stärken. Mir ist
dabei besonders wichtig, die Qualität in den Kitas über eine bessere
Personalausstattung zu erhöhen. An mehreren Stellen haben wir diesen
Grundsatz formuliert. Beim Gesetzgebungsverfahren gilt der Grundsatz
Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die gestärkte Beteiligung gerade von Elternund Beschäftigtenvertretungen wollen wir fortsetzen. Der frühestmögliche
Termin für das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes wäre der 1. August 2014.
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Die Formulierung aus dem Koalitionsvertrag von 2010, wonach wir
schrittweise eine Elternbeitragsfreiheit einführen werden, bleibt erhalten.
Allerdings ist Voraussetzung dafür auch die Finanzierbarkeit. Gegenwärtig ist
diese aus Grüner Sicht nicht gegeben. Darüber hinaus setzen wir als Grüne
andere Prioritäten vor allem im Bereich Qualität und der Schaffung
bedarfsgerechter Betreuungsangebote.
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Im Finanzierungssystem wird es Reformen geben, die im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens im Einzelnen geregelt werden. Es bleibt bei einem
pauschalierten System, der Förderung gemeinnütziger Träger und dem
Ausbau der Inklusion. Handlungsbedarfe sehen wir bei der Verbesserung der
Planungssicherheit der Träger, nicht zuletzt auch, um die hohe
Rücklagenentwicklung bei einigen Trägern differenziert begrenzen zu können.
Aus Grüner Sicht sollen diese Mittel im System bleiben und für Personal
eingesetzt werden.
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Weiterhin wollen wir eine bessere Unterstützung von Einrichtungen, die von
vielen Kindern aus sozial benachteiligten Milieus besucht werden. Der Ausbau
der Familienzentren soll entsprechend der Verteilung 2012 auf soziale
Brennpunkte konzentriert werden. Wir halten auch an der konzeptionellen
Weiterentwicklung fest, wobei es aus grüner Sicht hier vor allem um stärkere
Berücksichtigung der unterschiedlichen Sozialräume geht bezogen auf die
Angebotsstruktur.
Personalentwicklung in der Kindertagesbetreuung (Zeilen 542 – 577)
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Die Aussagen aus dem Koalitionsvertrag 2010 zur Notwendigkeit einer
besseren Personalausstattung und eines stärkeren Engagements des Landes
in der Aus- und Weiterbildung bleiben erhalten. Auch die Absichten eines
verstärkten Einsatzes von Fachkräften mit Hochschulabschluss und der
Gewinnung männlicher Fachkräfte wurden aus dem alten Koalitionsvertrag
übernommen.
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Beim Thema Fachkräftemangel ist zunächst festzustellen, dass die Zahl der
Schülerinnen und Schüler in den letzten 5 Jahren von 16.000 auf aktuell ca.
19.500 gestiegen ist. Außerdem haben über 2.000 KinderpflegerInnen
inzwischen die Weiterbildung zur Erzieher/in absolviert. Das wieder steigende
Interesse am Erzieherberuf ist natürlich ausgesprochen erfreulich. Wir wollen
dennoch neue Wege gehen und zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um dem
Fachkräftemangel zu begegnen. Ich möchte mich besonders stark machen für
eine dualorientierte ErzieherInnenausbildung. Wir wollen mit Trägern und
Berufskollegs an einigen Modellstandorten eine stärker am dualen System
orientierte Ausbildung anbieten. Dazu gehören dann u.a. höhere Praxisanteile,
eine andere Organisation von Theorie und Praxis, Urlaub statt Schulferien und
nicht zuletzt eine Ausbildungsvergütung. Ich bin überzeugt davon, dass die
Ausbildung hierdurch erheblich attraktiver werden kann.
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Wir wollen auch verstärkt Mittel der Arbeitsmarktpolitik zur Gewinnung von
mehr Fachkräften einsetzen. Wir Grünen richten dabei das Augenmerk auf die
große Zahl ausgebildeter Fachkräfte, die nach der Ausbildung nie in den
Einrichtungen „angekommen“ sind. Schätzungen zufolge arbeiten fast 30%
der FachschulabsolventInnen anschließend nicht in der Kindertagesbetreuung.
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Die Weiterbildungsmöglichkeit von Kinderpfleger/in zu Erzieher/in wollen wir
erhalten, aber auch der weitere Einsatz von KinderpflegerInnen soll
gewährleistet werden. Ministerin Ute Schäfer hat auch zugesagt, zusätzlich zu
der betreffenden Aussage im Koalitionsvertrag den Trägern nochmal die
bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten zu verdeutlichen. Grundsätzlich
halten wir am Fachkräfteprinzip fest. Es kommt auf einen guten Mix der
unterschiedlichen Qualifikationen an und auf die Durchlässigkeit.
Inklusion in der Kita
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Seit 2009 ist die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung
für Deutschland verbindlich. Im Kita-Bereich hat die Integration von Kindern
mit Behinderung schon viel früher begonnen und kann daher mit einer Quote
von fast 80% eine Vorreiterrolle im Bildungssystem einnehmen. 2011 haben
wir bereits die finanziellen Rahmenbedingungen zur Förderung von Kindern
mit Behinderung in Regeleinrichtungen verbessert.
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Dennoch gilt es hier weitere Verbesserungen zu erreichen. Wir wollen ein
gutes erreichbares wohnortnahes Angebot schaffen und die unterschiedlichen
Fördermechanismen der beiden Landschaftsverbände harmonisieren. Wie in
den anderen Bildungsbereichen auch, wollen wir die Elternmitwirkung stärken.
Die erforderlichen heilpädagogischen Maßnahmen sollen in der Kita
vorgehalten werden. Es bedarf künftig noch stärkerer Abstimmungsprozesse
mit den Landschaftsverbänden, um landesweit die Inklusion umzusetzen.
Betreuungsgeld (Zeile 608 – 610 und 5484 - 5493)
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Wir lehnen das Betreuungsgeld nicht nur politisch ab. Wir wollen auch alles
tun, um es zu verhindern. Falls es nicht zu verhindern ist, wollen wir es nach
einer möglicherweise gewonnen Bundestagswahl abschaffen. Die Mittel wollen
wir für die Kitas einsetzen. Anders als im Bereich Schule, ist es dem Bund
grundsätzlich möglich, sich an der Kita-Finanzierung zu beteiligen.
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Sprachförderung (Zeile 644 – 653)
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Wir wollen weg von Delfin 4 und 5 und hin zu einem Beobachtungsverfahren
zur Sprachstandserhebung. Vor allem müssen jedoch die wissenschaftlichen
Erkenntnisse im Bereich der Sprachförderung stärker berücksichtigt werden.
Wir werden daher die Arbeit an einer Neukonzeption beginnen und umsetzen.
Kinderrechte (Zeile 690 – 700)
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Wir werden einen neuen Anlauf starten, um fraktionsübergreifend eine
Kinderkommission beim Landtag NRW einzurichten. Darüber hinaus wollen wir
uns auf Bundesebene dafür einsetzen, Kinderrechte ins Grundgesetz
aufzunehmen.
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Wir werden außerdem prüfen, wie wir ein unabhängiges
Beschwerdemanagement in der Kinder- und Jugendhilfe (Ombudsstellen)
unterstützen können (Zeile 5622 – 5624).
Familienpolitik (Zeile 5442 – 5555)
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Der Bereich der Familienpolitik ist weit umfangreicher geworden, da es ein
neues Kapitel zu familienpolitischen Leistungen gibt. Die Debatte um das
Betreuungsgeld wird mehr und mehr zu einer Grundsatzdiskussion darüber,
welche finanziellen Instrumente der Familien- und Kinderförderung notwendig
und sinnvoll sind. Dabei haben die Bundesländer über den Bundesrat eine
wichtige Rolle. Auf Bundesebene tagt seit Jahren eine Kommission nach der
anderen, die die ca.200 Milliarden familienpolitischer Leistungen auf den
Prüfstand stellt. Das Ergebnis soll nun 2013 kommen, direkt nach der
Bundestagswahl!
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Wir fordern eine gerechtere (auch geschlechtergerechte) Verteilung der Mittel,
z.B. beim Elterngeld. Vor allem jedoch wollen wir Kinder und Familien durch
eine bessere Infrastruktur bei unseren Bildungseinrichtungen unterstützen,
gerade bei den Kitas.
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Notwendig sind darüber hinaus bessere gesetzliche Rahmenbedingungen zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf, z.B. im Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Dabei geht es uns darum einen größeren Einfluss von Eltern auf die
Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen haben, wie Arbeitszeit, Arbeitsort
oder ein Rückkehrrecht auf Vollzeitstellen. Das gebührenfreie Angebot der
Familienbildung „Elternstart NRW“, das 2012 für Mütter und Väter von Kindern
bis zu einem Jahr eingeführt wurde, wollen wir fortführen.
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Teilhabe, Beteiligung und Transparenz (z.B. Zeilen 5626 f, 680 f, u.a.)
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Die Menschen, die über die politischen Zukunftsfragen unseres Landes
entscheiden, sind bekanntlich die Wählerinnen und Wähler. Der
Altersdurchschnitt der Bevölkerung steigt seit vielen Jahren, der prozentuale
Anteil älterer Wahlberechtigter steigt, der Anteil jüngerer Wahlberechtigter
sinkt. Junge Menschen haben nach unserer Ansicht mit 16 Jahren eine
absolut ausreichende Reife, um an Wahlen teilzunehmen. Die Perspektive
gerade junger Menschen mit einem langen Lebenshorizont wollen wir damit
wieder stärker gewichten.
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Auch die bereits gestärkte Beteiligung der Elternverbände z.B. bei
Gesetzesinitiativen wollen wir beibehalten und in den Einrichtungen,
Jugendamtsbezirken, bei den Landschaftsverbänden und in heilpädagogischen
Einrichtungen verbessern.
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Noch stärker wollen wir auch mit Eltern mit Migrationshintergrund
kooperieren, um gemeinsam am erfolgreichen Bildungserwerb für ihre Kinder
zu arbeiten.
Weitere Maßnahmen in anderen Teilen des Koalitionsvertrags
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Jede kreisfreie Stadt und jeder Kreis erhält künftig ein kommunales
Integrationszentrum, das sich in erster Linie mit dem Integration durch
Bildung beschäftigen wird.
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Das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ wird überprüft und gegebenenfalls
durch eine musikalische Früherziehung ersetzt.
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Die sinkenden Schülerzahlen sollen nicht zu Einsparungen von Lehrkräften,
sondern vor allem zum Ausbau von Ganztagsschulen, der Inklusion und für
kleinere Klassen genutzt werden.
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Die Kinder- und Jugendförderplan wird ebenfalls ungekürzt bei 100 Millionen
Euro jährlich fortgeschrieben.
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u.v.a.m.
Insgesamt ist es rot-grünes Kernanliegen, dass jedes Kind die gleichen
Chancen unabhängig von seiner Herkunft hat. Dies ist weder eine
politische Phrase, noch eine bloße Haushaltsstrategie, sondern das Recht
jedes einzelnen Kindes!
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