Kapitel 1-6 - Fakultät für Mathematik
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Kapitel 1-6 - Fakultät für Mathematik
Skriptum zur Vorlesung LINEARE INTEGRALGLEICHUNGEN Sommersemester 2010 Prof. Dr. Andreas Kirsch Dipl.-Math. techn. Andreas Helfrich-Schkarbanenko Skriptum gemeinsam erstellt mit PD Dr. Frank Hettlich Karlsruher Institut für Technologie Fakultät für Mathematik Institut für Algebra und Geometrie 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung – Beispiele, Klassifizierung 2 Volterrasche Integralgleichungen 2.1 Normierte Räume . . . . . . . . . 2.2 Lineare, beschränkte Operatoren 2.3 Vervollständigung . . . . . . . . . 2.4 Existenz und Eindeutigkeit . . . 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 13 17 18 3 Fredholmsche Integralgleichungen 3.1 Lineare kompakte Operatoren . . . . . 3.2 Die Riesztheorie . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Fredholmtheorie . . . . . . . . . . 3.4 Spektraltheorie kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 24 29 34 42 4 Die Integralgleichungsmethode 4.1 Einfach- und Doppelschichtpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das Dirichlet Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 60 67 5 Faltungsintegralgleichungen 5.1 Die Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Faltungsgleichungen über R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Hilberttransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 72 81 86 6 Die 6.1 6.2 6.3 90 90 91 96 . . . . . . . . Radontransformation Einführung in die Computertomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umkehrformeln für die Radontransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Identifizierbarkeit bei eingeschränkten Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Literaturhinweise Im wesentlichen stützt sich die Vorlesung auf folgende Bücher: • H. Engel, Integralgleichungen, Springer, 1997 • H. Hochstadt, Integral Equations, Wiley, 1973 • W. Hackbusch, Integralgleichungen, Teubner, 1989 • K. Jörgens, Lineare Integraloperatoren, Teubner, 1971 • R. Kreß, Linear Integral equations, Springer, 1989 • McLean, Strongly Elliptic Systems and Boundary Integral Equations, Cambridge University Press, 1999 . Zum Nachschlagen der funktionalanalytischen Hilfsmittel ist meines Erachtens vor allem das vorletzte Buch geeignet. Aber auch jedes andere Lehrbuch zur linearen Funktionalanalysis kann verwendet werden. Die allgemeine Theorie zur Fouriertransformation findet sich im Buch Classical Fourier transforms, Springer, 1989, von K. Chandrasekan. 3 1 Einführung – Beispiele, Klassifizierung Neben den Differentialgleichungen bilden die Integralgleichungen die zweite wichtige Klasse von Problemstellungen in der reellen Analysis. Wobei, wie wir sehen werden, beide Gebiete eng miteinander verzahnt sind. Eine große Zahl von Modellen in den Anwendungen führen auf Integralgleichungen. Außerdem stehen die Integralgleichungen am Anfang der modernen Funktionalanalysis. Hoffentlich gelingt es mit dieser Vorlesung, ein wenig die Faszination und Eleganz der Integralgleichungen zu vermitteln. Beispiel 1.1 Ein bekanntes Beispiel aus dem Grundstudium, bei dem eine Integralgleichung genutzt wird, ist der Satz von Picard-Lindelöf. Sei eine stetige Funktion g : (Rd × [a, b]) → Rd und x0 ∈ Rd gegeben. Gesucht ist eine Lösung x ∈ C 1 ([a, b], Rd ) zum Anfangswertproblem ẋ(t) = g(x(t), t), t ∈ (a, b), x(a) = x0 . Integration der Differentialgleichung und Einsetzen des Anfangswertes führt auf die Integralgleichung Zt x(t) = x0 + g(x(s), s) ds , a ≤ t ≤ b . a Beachte: Aus x ∈ C([a, b], Rd ) und x Lösung der Integralgleichung folgt x ∈ C 1 ([a, b], Rd ), d.h. eine Lösung der Integralgleichung in den stetigen Funktionen ist eine differenzierbare Lösung des Anfangswertproblems. In diesem Sinne sind Integrlagleichung und Anfangswertproblem äquivalent. Allgemein bezeichnen wir eine Gleichung für eine Funktion x : G → Rm (bzw. Cm ) der Form Z λ(t) x(t) − f (x(s), t, s) ds = y(t) G als Integralgleichung, wobei G ⊂ Rd eine beschr¨’ankte offene Menge ist. An die Eigenschaften der Funktionen, λ : G → R, y : G → Rm , und f : Rm × G × G → Rm werden noch verschiedene Bedingungen zu stellen sein. Im Beispiel 1.1 ist G = [a, b] ⊂ R, λ(t) = 1, y(t) = x0 und ( g(x, s) , s ≤ t f (x, t, s) = 0, s > t. Bemerkung: Die in der Vorlesung betrachten Integrale sind im Lebesgueschen Sinn zu verstehen. Eine Einführung in die Lebesgue Theorie findet sich in den meisten Lehrbüchern zur Analysis etwa im Lehrbuch der Analysis 2 von H. Heuser. In vielen Fällen reicht aber auch das (uneigentliche) Riemnannintegral. Klassifizierungen (i) λ = 0 à Integralgleichung erster Art λ = 1 à Integralgleichung zweiter Art Wenn die Funktion λ Nullstellen besitzt, sind spezielle Betrachtungen auf Teilintervallen erforderlich. Diesen Fall werden wir in der Vorlesung nicht weiter behandeln können. 4 (ii) Wenn f (x, s, t) = k(t, s) x(s) gilt, heißt die Integralgleichung linear mit Kern k : G × G −→ R (die Integralgleichung ist linear bzgl. der Funktion x). Wir werden Hilfsmittel der Funktionalanalysis benutzen und fḧren daher die Operatornotation ein: Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds . G Dann ist A : X → Y auf noch festzulegenden Funktionsräumen X, Y ein linearer Operator, d.h. für x1 , x2 ∈ X und µ1 , µ2 ∈ R gilt A(µ1 x1 + µ2 x2 ) = µ1 Ax1 + µ2 Ax2 . (iii) Eine lineare Integralgleichung mit y(t) = 0 für t ∈ G heißt homogen. (iv) Die lineare Integralgleichung λx − Ax = y, also Z λ x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) , G heißt Fredholmsche Integralgleichung (1. bzw. 2. Art). Wir unterscheiden dabei drei Fälle: (a) Wenn k ∈ C(G × G) gilt, sprechen wir von einer Integralgleichung mit stetigem Kern. (b) Ist k ∈ C({(t, s) ∈ G × G : t 6= s}) und es existiert c > 0 und α ∈ [0, d) mit |k(t, s)| ≤ c |t − s|−α , t 6= s , so heißt die Integralgleichung schwach singulär. Beachte, dass das Integral in der Definition von Ax für x ∈ C(G)im klassischen Sinn (uneigentlich Riemann) existiert. (c) k ∈ C({(t, s) ∈ G × G : t 6= s}) heißt stark singulär, wenn das Integral nur in einem verallgemeinerten Sinn existiert, etwa als Cauchyscher Hauptwert. (v) Sei G = [a, b] ⊂ R und k : {(t, s) ∈ [a, b] × [a, b] : s < t} → R ein Kern, y : [a, b] → R und λ = 0 oder λ = 1. Dann heißt Zt λ x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ [a, b] , a lineare Volterrasche Integralgleichung (1. bzw. 2. Art). Bemerkung: Mit der Fortsetzung ( K(t, s) = k(t, s), s < t 0, s ≥ t, ist die Volterrasche Gleichung eine spezielle Fredholmsche Gleichung mit schwach singulärem Kern K (mit α = 0), wenn k stetig ist. 5 (vi) Weitere Unterscheidungen ergeben sich aus den Eigenschaften der Menge G ⊂ Rd . Statt einer offenen Menge im Rd können wir auch (relativ offene) Teilmengen von Mannigfaltigkeiten (Flächen oder Kurven) nehmen. Ein Beispiel für ein unbeschränktes Integrationsgebiet sind Faltungsintegralgleichungen, (siehe Kapitel 5) d.h. Z∞ λ x(t) − k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R. −∞ Beispiel 1.2 Die Radiosity-Gleichung zur Modellierung der Helligkeit in virtuellen“ Räumen: ” Ω Sei Ω die “Szenerie” (hier Ω ⊂ R2 ) und ∂Ω die Menge der Randpunkte. Das betrachtete Medium sei isotrop (kein Nebel) und wir nehmen an, dass die Gesetze der geometrischen Optik hinreichend genau erfüllt sind (keine Brechung). Außerdem gehen wir von undurchlässigen Rändern mit diffuser Abstrahlung aus (keine Spiegel). Wenn mit ϕ(x) die Gesamtstrahlungsdichte (Radiosity) in einem Punkt x ∈ ∂Ω bezeichnet R wird, so ist ϕ(x)d`x ein Maß für die Helligkeit bzw. die Energie im Abschnitt Γ ⊂ ∂Ω. Es gilt Γ ϕ(x) = + g(x) |{z} ρ(x) |{z} E(x) | {z } in x erzeug- Absorptions- eingestrahlte te Radiosity faktor (< 1) Radiosity wobei die eingestrahlte Radiosity aus Z 1 n(x)(y − x) n(y)(x − y) ϕ(y) E(x) = v(x, y) d` |x − y| |x − y| |x − y| 2 } | {z } | {z {z }| {z } ∂Ω | {z } | 1. 4. 3. 2. 5. mit Normale n an ∂Ω gegeben ist. Die einzelnen Terme haben folgende Bedeutung 1. Sichtbarkeit: ( v(x, y) = 1, für {x + t(y − x) : t ∈ (0, 1)} ⊂ Ω 0, sonst. 2. Abhängigkeit vom Abstrahlwinkel θ bei y dsy = cos θ d`y = 6 n(y)(x − y) d`y . |x − y| (1.1) 3. Abhängigkeit vom Einstrahlwinkel θ̃ bei x n(x)(y − x) d`x . |x − y| dsx = cos θ̃ d`x = 4. Abhängigkeit von der Entfernung |x − y| dsy dsx = |x − y| 1 (Strahlensätze). Dies bedeutet, dass die Leistung bei dsy sich mit dem Faktor 1 |x−y| auf dsx verteilt. 5. Lambert’sches Cosinusgesetz: Es muss die gerichtete Abstrahlungsdichte L(θ) in Richtung θ berücksichtigt werden. Wegen der Annahme einer diffusen Abstrahlung gilt L(θ) = L. Für die gesamte Radiosity folgt π π Z2 ϕ(y) = L(θ) cos θ dθ diffus = Z2 L − π2 cos θ dθ = 2L, also L = − π2 ϕ(y) . 2 Insgesamt erhalten wir eine Fredholmsche Integralgleichung 2. Art Z (n(x) · (y − x))(n(y) · (x − y)) ϕ(x) − ρ(x) v(x, y) ϕ(y) d` = g(x). 2|x − y|3 {z } Γ | =k(x,y) Beispiel 1.3 (Das Sturm’sche Randwertproblem) Sei x ∈ C 2 [0, 1] Lösung des Randwertproblems x00 (t) − q(t) x(t) = f (t) , x(0) = x(1) = 0 , wobei q, f ∈ C[0, 1] ist. Integration der Differentialgleichung liefert Zt 0 x (t) − Zt q(s) x(s) ds = 0 f (s) ds + α 0 (α ∈ R Integrationskonstante!) und nochmal s s Zt Z Zt Z x(t) − 1 · q(τ ) x(τ ) dτ ds = 1 · f (τ ) dτ ds + α t + β 0 0 0 (β ∈ R) . 0 Aus x(0) = 0 folgt β = 0. Nun integrieren wir partiell (die Stammfunktion von 1 ist s − t) und erhalten Zt Zt x(t) − (t − s) q(s) x(s) ds = (t − s) f (s) ds + α t . 0 0 Aus x(1) = 0 folgt Z1 α = − £ ¤ (1 − s) q(s) x(s) + f (s) ds . 0 7 Einsetzen ergibt Zt Zt x(t) − (t − s) q(s) x(s) ds = 0 Z1 (t − s) f (s) ds − 0 £ ¤ (1 − s) t q(s)x(s) + f (s) ds . (1.2) 0 Also erhalten wir Zt x(t) − £ Z1 ¤ (t − s) − (1 − s)t q(s) x(s) ds − t 0 Zt = (s − 1)t q(s) x(s) ds £ ¤ ((t − s) − (1 − s)t f (s) ds + Z1 t 0 Definieren wir den Kern (s − 1)t f (s) ds ( (t − 1)s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 , k(t, s) = (s − 1)t , 0 ≤ t ≤ s ≤ 1 , so folgt die Fredholmsche Integralgleichung 2. Art, Z1 x(t) − Z1 k(t, s) q(s) x(s) ds = 0 k(t, s) f (s) ds . 0 Ist andererseits x ∈ C[0, 1] Lösung der Integralgleichung, so ist x ∈ C 2 [0, 1] und löst das Randwertproblem (Übung!) Fazit: Das Sturmsche Randwertproblem ist äquivalent zur angegebenen Fredholmschen Integralgleichung. Bemerkung: Im Fall q = 0 können wir die Lösung des Randwertproblems direkt aus der Integralgleichung ablesen. Daher heißt der Kern k(t, s) Greensche Funktion“ zum Differen” d2 tialoperator dt 2 bei homogenen Randbedingungen. Fragestellungen bei linearen Integralgleichungen, λx(t) − R k(t, s) x(s) ds = y(t): G Regularität: Welche Funktionenräume X, Y sind passend und wie regulär sind Lösungen? Etwa scheint im Beispiel 1.3 der Raum X = C[0, 1] sinnvoll. Eindeutigkeit: Existiert zu y ∈ Y höchstens eine Lösung? Also impliziert (λI − A)x = 0, dass x = 0 gilt oder anders ausgedrückt, ist λI − A injektiv? Wenn nicht, was lässt sich über den Nullraum {x ∈ X : (λI − A)x = 0} aussagen? Existenz: Existiert zu jedem y ∈ Y eine Lösung der Integralgleichung? Also: Ist λI − A ” surjektiv?“ Wenn nicht, was läßt sich über das Bild {y ∈ Y : ∃x ∈ X mit (λI − A)x = y} aussagen? Stabilität: Hängt die Lösung stetig von den Daten also eine Funktion h ∈ C(R), ¡ ab? Existiert ¢ h ≥ 0, lim h(t) = 0, so dass kx1 − x2 kX ≤ h ky1 − y2 kY gilt für x1 , x2 ∈ X und y1 , y2 ∈ Y t→0 mit (λI − A)xj = yj , j = 1, 2? 8 2 Volterrasche Integralgleichungen Wir haben gesehen wie etwa Anfangswertprobleme zu linearen Differentialgleichungen auf lineare Volterrasche Integralgleichung 2. Art, also Zt x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ [a, b] , a mit Kern k : {(t, s) ⊂ [a, b] × [a, b] : s < t} → R (oder C) führen. Auch wenn dies spezielle Fredholmsche Integralgleichungen sind, widmen wir ihnen ein eigenes Kapitel. Ziel ist es, mit Methoden der Störungstheorie“, Existenz, Eindeutigkeit und Stabilität zu zeigen. Dazu ” brauchen wir einige Grundlagen der Funktionalanalysis. 2.1 Normierte Räume Definition 2.1 (Norm, normierter Raum) Sei X Vektorraum über R oder C. Eine Abbildung k · k : X → R heißt Norm, wenn folgende Eigenschaften gelten: (i) kxk ≥ 0 (positiv) (ii) (iii) kxk = 0 ⇐⇒ x = 0 (definit) kλxk = |λ| kxk (homogen) (iv) kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung) für x, y ∈ X, λ ∈ R (oder λ ∈ C). Ein Vektorraum (= linearer Raum) ausgestattet mit einer Norm (X, k · k) heißt normierter Raum. Beispiele 2.2 (normierte Räume) s (a) (Rd , | |), wobei etwa |x| = |x|2 = d P i=1 |xi |2 die euklidische Norm ist oder die Maximumsnorm |x| = |x|∞ = max |xi |. Wir bezeichnen Normen im Rn mit einfachen Strichen, d.h. | · |. (b) Sei Ω ⊂ i=1,...,n Rn offen und Dj der Differentialoperator Dj x = ∂ |j| u ∂tj11 . . . ∂tjnn zum Multiindex j = (j1 , . . . , jn ) ∈ Nn0 mit |j| = j1 + . . . + jn . Dann ist C k (Ω) = {u : Ω → R : Dj u stetig für |j| ≤ k} der Vektorraum der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen. Der Unterraum © ª X = u ∈ C k (Ω) : sup max |Dj u(t)| < ∞ t∈Ω |j|≤k ist ein normierter Raum mit der Norm kukk,∞ = max sup |Dj u(t)| . |j|≤k t∈Ω Notation: k · k0,∞ = k · k∞ . 9 (c) Sei G ⊂ Rn offen und beschränkt, α ∈ (0, 1]. Dann ist © ª C k,α (G) = u ∈ C k (G) : ∃c > 0 mit |Dj u(t) − Dj u(s)| ≤ c|t − s|α für alle t, s ∈ G |j| = k mit der Norm kukk,α = kukk,∞ + max sup |j|=k t6=s |Dj u(t) − Dj u(s)| |t − s|α der normierte Raum der k-mal hölderstetig differenzierbaren Funktionen. Im Fall α = 1 werden die Funktionen lipschitzstetig“ genannt. ” (d) G ⊂ Rd offen und beschränkt, p ∈ [1, ∞). Dann ist C(G) ein normierter Raum mit der Norm ÃZ !1 p |u(t)|p dt kukp = . G Die Dreiecksungleichung im Fall p = 2 folgt aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung |hx, yi| ≤ kxk kyk, x, y ∈ X , die in jedem normierten Raum mit Skalarprodukt (Prä-Hilbertraum s.u.) gilt, wobei k · k die p durch das Skalarprodukt h·, ·i induzierte Norm kxk = hx, yi bezeichnet. Beweis der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung: Es gilt 0 ≤ kx + λyk2 = hx, xi + λhx, yi + λhy, xi + |λ|2 hy, yi . 1. Fall y = 0: Dies sieht man direkt. 2. Fall y 6= 0: Setze λ = − hx,yi . Dann ist kyk2 0 ≤ kxk2 − |hx, yi|2 |hx, yi| |hx, yi|2 |hx, yi|2 2 2 − + kyk = kxk − kyk2 kyk2 kyk4 kyk2 und es folgt die Behauptung. 2 Im allgemeinen Fall p > 1 folgt die Dreiecksungleichung, indem wir in der Ungleichung Z Z kx + ykpp ≤ |x(t)| |x(t) + y(t)|p−1 dt + |y(t)| |x(t) + y(t)|p−1 dt G G die Integrale auf der rechten Seite abschätzen durch die Höldersche Ungleichung (verallgemeinerte Cauchy-Schwarz Ungleichung), ¯ ¯ ¯ ¯Z ¯ ¯ ¯ x(t) y(t) dt¯ ≤ kxkp kykq , ¯ ¯ ¯ ¯ G für p, q > 1 mit 1 p + 1 q = 1. Definition 2.3 (topologische Grundbegriffe in normierten Räumen) Sei X ein normierter Raum. (a) M ⊂ X heißt beschränkt, wenn c > 0 existiert mit kxk ≤ c für alle x ∈ M . Insbesondere ist (xn )n ⊂ X beschränkte Folge, wenn kxn k ≤ c für alle n ∈ N gilt. 10 (b) (xn )n ⊂ X heißt konvergent, wenn x ∈ X existiert, so dass es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N gibt mit kxn − xk ≤ ε für alle n ≥ N . Notation: lim xn = x oder xn → x, n → ∞. n→∞ (c) (xn )n ⊂ X heißt Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, so dass kxm − xn k ≤ ε für alle n, m ≥ N . (d) x ∈ X ist Häufungspunkt von (xn )n ⊂ X, wenn es eine Teilfolge (xn(k) )k ⊂ X gibt mit xn(k) → x, k → ∞. (e) M ⊂ X heißt offen, wenn zu jedem x ∈ M ein ε > 0 existiert, so dass © ª B(x, ε) := y ∈ X : kx − yk < ε ⊂ M . (f ) M ⊂ X heißt abgeschlossen, wenn X \ M offen ist. Eine wichtige Charakterisierung ist die Äquivalenz, dass M abgeschlossen ist genau dann, wenn für alle in X konvergenten Folgen (xn )n mit (xn )n ⊂ M die Grenzwerte in M liegen. (g) Sei M ⊂ X. Mo = © ª x ∈ M : ∃ ε > 0 mit B(x, ε) ⊂ M heißt das Innere von M (Menge der inneren Punkte). © ª M = x ∈ X : ∃ (xn )n ⊂ M mit lim xn = x n→∞ heißt der Abschluss von M . (h) M ⊂ X liegt dicht in X, wenn M = X ist. Dies bedeutet, dass sich ein x ∈ X beliebig genau durch Elemente aus M approximieren lässt. Definition 2.4 Zwei Normen, k·k1 und k·k2 , in einem normierten Raum X heißen äquivalent, wenn c1 > 0 und c2 > 0 existieren mit c1 kxk1 ≤ kxk2 ≤ c2 kxk1 für alle x ∈ X . Bemerkung: Äquivalente Normen auf X erzeugen dieselbe Topologie. Satz 2.5 Sei X endlich dimensionaler linearer Raum, dann sind alle Normen äquivalent. Beweis: Sei X endlich dimensional mit Dimension m. Dann gibt es eine Basis, X = span{ϕ1 , . . . , ϕm }. Somit lässt sich x ∈ X darstellen durch x = m X αj ϕj . j=1 Durch kxk∞ = |α|∞ = max |αj | ist eine Norm definiert (Übung!) j=1,...,m 11 (i) Sei nun k · k eine weitere Norm auf X. Dann folgt ° ° °m ° m n X X X ° ° kxk = ° αj ϕj ° |αj | kϕj k ≤ kϕj k max |αj | = c2 kxk∞ . ° ° ≤ j=1,...,m ° j=1 ° j=1 j=1 | {z } =:c2 (ii) Umgekehrt wir die Existenz von c1 > 0 zeigen mit kxk ≥ c1 kxk∞ für alle x ∈ X. © müssen ª n Sei M = α ∈ R : |α|∞ = 1 . Dann ist M abgeschlossene und beschränkte Menge in Rn . Die Funktion ° ° ° °X m ° ° ° αj ϕj ° f (α) = ° ° ° ° j=1 ist stetig auf Rn (nachprüfen mit 2. Dreiecksungleichung) und f (α) > 0 für alle α ∈ M . Also existiert c1 > 0 mit f (α) ≥ c1 für alle α ∈ M . P Sei nun x = m j=1 αj ϕj beliebig. Setze α̃j = αj /|α|∞ für j = 1, . . . , n. Dann ist α̃ ∈ M , also f (α̃) ≥ c1 , also ° ° °X ° ° m αj ° 1 1 ° c1 ≤ f (α̃) = ° ϕj ° kxk = kxk . = ° |α|∞ ° |α|∞ kxk∞ ° j=1 Dies beweist den Satz. 2 Beispiel 2.6 Betrachte (xn )n ⊂ C[0, 1] mit xn (t) = tn . ( 0, t ∈ [0, 1) , (1) (xn )n ist punktweise konvergent: xn (t) → 1, t = 1 , (2) Es gilt n m kxn − xm k∞ = max |t − t | = t∈[0,1] ³n´ n m−n n → ∞. ³ m 1− n´ → 1 m für m → ∞ und festes n. Also ist (xn )n keine Cauchy-Folge bzgl. k · k∞ und insbesondere nicht konvergent (d.h. nicht gleichmäßig konvergent (s. Analysis)). (3) Es ist aber Z1 kxn − 0k22 Z1 2 = t2n dt = |xn (t)| dt = 0 0 1 → 0, 2n + 1 n → ∞, d.h. (xn )n konvergiert bzgl. der L2 -Norm gegen x(t) = 0. Also sind diese beiden Normen in C[0, 1] nicht äquivalent . Definition 2.7 Ein normierter Raum X heißt vollständig oder Banachraum, wenn jede Cauchy-Folge in X konvergiert. Beispiele 2.8 (a) (Rn , | · |) ist bzgl. jeder Norm | · | vollständig. (b) (C(Ω), k · k∞ ) ist vollständig ( gleichmäßige Konvergenz“) ” (c) (C(Ω), k · k2 ) ist nicht vollständig ! (s. Übung) . 12 2.2 Lineare, beschränkte Operatoren Im Folgenden seien X, Y stets normierte Räume und A : X → Y ein linearer Operator (Homomorphismus), d.h. eine Abbildung mit A(λx + µy) = λAx + µAy, x, y ∈ X, λ, µ ∈ R. Definition 2.9 (a) A : X → Y heißt beschränkt, wenn ein c > 0 existiert mit kAxkY ≤ ckxkX für alle x ∈ X. (b) Die kleinste Konstante c mit dieser Eigenschaft heißt (zugeordnete) Norm von A, also kAk = sup x6=0 kAxkY . kxkX Lemma 2.10 Die Menge L(X, Y ) der linearen beschränkten Operatoren von X nach Y ist mit der Norm aus (2.9) ist ein normierter Raum. Zum Beweis sind die Normeigenschaften zu prüfen. Lemma 2.11¡ Sei¢ A ∈ L(X, Y ) und B ∈ L(Y, Z). Dann ist die Komposition BA : X → Z, also (BA)(x) = B Ax , x ∈ X, ein beschränkter linearer Operator mit kBAk ≤ kBk kAk . Beweis: Offensichtlich ist die Komposition linear. Die Beschränktheit ergibt sich aus der Abschätzung kBAxkZ ≤ kBk kAxkY ≤ kBk kAk kxkX . 2 Satz 2.12 Sei A : X → Y linear. Dann sind äquivalent: (a) A ist stetig in jedem x ∈ X, d.h. xn → x, n → ∞ impliziert Axn → Ax, n → ∞. (b) A ist stetig in x = 0 (c) A ist beschränkt. Beweis: (a) ⇒ (b)“ ist offensichtlich. ” (b) ⇒ (c)“: Wenn A stetig in x = 0 ist, existiert δ > 0, so dass aus kxk = kx − 0k ≤ δ folgt: ” kAx − 0k = kAxk ≤ 1. Somit gilt für beliebiges x ∈ X: ° ° ° 1° 1 ° δx ° kAxk = °A ° kxk ≤ kxk . δ ° kxk ° δ |{z} k k=δ Also ist A beschränkt mit kAk ≤ 1δ . (c) ⇒ (a)“ Sei (xn )n ⊂ X mit xn → x, n → ∞. Aus ” kAxn − Axk = kA(xn − x)k ≤ kAk kxn − xk → 0 , folgt lim Axn = Ax. Also ist A in x stetig. n → ∞, 2 n→∞ In Hinblick auf Integralgleichungen zeigen wir als ersten Schritt, dass die auftretenden Integraloperatoren beschränkt sind. 13 Satz 2.13 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, und sei k ∈ C(G × G). Dann ist der Integraloperator A : C(G) → C(G) mit Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , t ∈ G , G wohldefiniert, linear und beschränkt bzgl. k · k∞ , und es gilt Z kAk∞ = max |k(t, s)| ds . t∈G G Beweis: (i) Das Integral existiert, da G kompakt und k stetig ist. (ii) Ax ∈ C(G), da k stetig in t ist (s. Analysis). (iii) Offensichtlich ist A linear. (iv) Es gilt Z Z |k(t, s)| |x(s)| ds ≤ kxk∞ |(Ax)(t)| ≤ G |k(t, s)| ds . G R Also ist kAxk∞ ≤ kxk∞ max |k(t, s)| ds, d.h. A ist beschränkt und t∈G G Z |k(t, s)| ds . kAk∞ ≤ max t∈G G (v) Da G kompakt ist gibt es t0 ∈ G mit Z Z |k(t0 , s)| ds = max |k(t, s)| ds . t∈G G Definiere zu ε > 0 xε (s) := G k(t0 , s) , |k(t0 , s)| + ε s ∈ G. Dann ist kxε k∞ ≤ 1 und kAk∞ kAxε k∞ kAxk∞ = sup ≥ ≥ |(Axε )(t0 )| = kxε k∞ x6=0 kxk∞ Z Z £ ¤ |k(t0 , s)|2 − ε2 ≥ ds = |k(t0 , s)| − ε ds |k(t0 , s)| + ε G Z ZG = max |k(t, s)| ds − ε ds . t∈G G Z G |k(t0 , s)|2 ds |k(t0 , s)| + ε G Dies gilt für alle ε > 0. Also ist Z kAk∞ ≥ max t∈G und insgesamt folgt Gleichheit. |k(t, s)|ds , G 2 14 ¡ ¢ Satz 2.14 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C {(t, s) ∈ G × G : t 6= s} schwach singulär, d.h. |k(t, s)| ≤ c|t − s|−α für ein α ∈ [0, d). Dann gilt Satz 2.13 entsprechend. Beweis: Zunächst zeigen wir die Existenz des Integrals (uneigentlich, Riemann). Wähle R > 0 mit |t| ≤ R für alle t ∈ G. Für beliebiges (kleine) ² > 0 gilt, da |t − s| ≤ |t| + |s| ≤ 2R für t, s ∈ G: Z Z Z ¯ ¯ ¯ ¯ |k(t, s)| |x(s)|ds ≤ kxk∞ k(t, s) ds ≤ c kxk∞ |t − s|−α ds G\B(t,ε) G\B(t,ε) ε<|t−s|<2R Z2R = c kxk∞ ωd r−α rd−1 dr = c kxk∞ ωd ¤ 1 £ (2R)d−α − εd−α d−α ε ≤ c kxk∞ ωd (2R)d−α , d−α wobei Polarkoordinaten s = t + rφ̂ bzgl t gewählt wurden. ωd sei der Oberflächeninhalt der Einheitssphäre (z.B. ω2 = 2π, ω3 = 4π). Beachte, dass α < d vorausgesetzt werden muss. Also existiert das uneigentliche Integral (siehe z.B. Walter: Analysis II, Abschnitt 7.20), und der Operator darüberhinaus beschränkt. Es bleibt zu zeigen, dass Ax ∈ C(G) ist und kAk die angegebene Identität erfüllt. Dazu approximieren wir A durch Operatoren mit stetigem Kern. Definiere ψ ∈ C[0, ∞) durch t ∈ [0, 1] , 0, ψ(t) = (t − 1), t ∈ [1, 2] , 1, t > 2, und die Operatoren Z (An x)(t) = k(t, s) ψ(n|t − s|) x(s) ds , t ∈ G. G Nach Satz 2.13 (An hat stetigen Kern) ist An : C(G) → C(G) ein linearer beschränkter Operator mit Z kAn k = max |k(t, s)| ψ(n|t − s|) ds . t∈G Für alle t ∈ G folgt die Abschätzung Z |(An x)(t) − (Ax)(t)| ≤ kxk∞ G G £ ¤ |k(t, s)| 1 − ψ(n|t − s|) ds Z Z ≤ kxk∞ |k(t, s)| ds ≤ c kxk∞ 2 |t−s|≤ n 2 |t−s|≤ n 2 Zn = c ωd kxk∞ |t − s|−α ds r d−α−1 0 c ωd ds = d−α µ ¶d−α 2 kxk∞ . n Also konvergiert An x gleichmäßig gegen Ax, d.h. Ax ∈ C(G). Für die Operator-Norm folgt weiter µ ¶d−α k(An − A)xk∞ c ωd 2 kAn − Ak∞ = sup ≤ → 0, n → ∞, kxk d − α n ∞ x6=0 15 ¯ ¯ d.h. die Operatoren An konvergieren gegen A in der Operatornorm. Wegen ¯kAn k∞ − kAk∞ ¯ ≤ kAn − Ak∞ konvergiert kAn k∞ gegen kAk∞ . Auf der anderen Seite konvergiert Z kAn k∞ = max |k(t, s)| ψ(n|t − s|) ds t∈G gegen G Z max t∈G |k(t, s)| ds . G Dies ist z.B. mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz zu sehen. 2 Neben der k k∞ Topologie spielt die L2 -Topologie eine entscheidende Rolle bei der Behandlung von Integralgleichungen. Satz 2.15 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G). Dann ist der in den letzten beiden Sätzen¢ definierte Integraloperator A : C(G) → C(G) mit von ¡ ¡ ¢ ¡ Kern k beschränkt ¢ C(G), k · k2 nach C(G), k · k∞ und auch beschränkt von C(G), k · k2 in sich. Dieselbe Aussage gilt auch für schwach singuläre Kerne, falls die Ordnung α kleiner als d/2 ist: α < d2 . Beweis: Sei zunächst k stetig. Mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt für t ∈ G: ¯ ¯2 ¯Z ¯ Z Z ¯ ¯ 2 ¯ k(t, s) x(s) ds¯ ≤ |k(t, s)| ds |x(s)|2 ds ¯ ¯ ¯ ¯ G G G {z } | =kxk22 und daher ¯ ¯2 ¯Z ¯ Z ¯ ¯ 2 2 ¯ ¯ kAxk∞ = max ¯ k(t, s) x(s) ds¯ ≤ kxk2 max |k(t, s)|2 ds . t∈G ¯ t∈G ¯ G G ¢ ¡ ¢ ¡ Also ist A beschränkt C(G), k · k2 nach C(G), k · k∞ . Sei jetzt k schwach singulär und sei wieder G ⊂ B(0, R). Für s, t ∈ G ist |t − s| ≤ 2R (Dreiecksungleichung!), also Z Z c2 ωd 2 2 |k(t, s)| ds ≤ c |t − s|−2α ds = (2R)d−2α . d − 2α G |t−s|≤2R Dies gilt für alle t ∈ G, und wir können das Maximum bzgl. t nehmen. Also hat man auch in diesem Fall eine Abschätzung der Form kAxk2∞ ≤ ĉ kxk22 . Wegen der Abschätzung kzk22 ≤ gilt kAxk22 ≤ |G| kAxk2∞ ≤ |G| ĉ kxk22 , und |G| kzk2∞ (wobei |G| das Volumen¡ von G bedeute) ¢ daher ist A auch beschränkt von C(G), k · k2 in sich. 2 Lemma 2.16 Sei X ein normierter Raum und Y ein Banachraum. Dann ist L(X, Y ) ein Banachraum. Beweis: Sei (An ) ⊂ L(X, Y ) eine Cauchy-Folge und x ∈ X. Dann existiert zu jedem ε > 0 ein N ∈ N, so dass kAn x − Am xk ≤ kAn − Am k kxk ≤ εkxk , 16 n, m ≥ N . Also ist (An x)n ⊂ Y eine Cauchy-Folge und konvergiert somit für jedes x ∈ X. Wir können einen Operator A : X → Y durch Ax = lim An x n→∞ definieren und erhalten: (i) A ist offenbar linear. (ii) A ist beschränkt: Wähle N ∈ N mit kAn − Am k ≤ 1 für alle n, m ≥ N . Dann ist kAn k ≤ kAn − AN k + kAN k ≤ 1 + kAN k für alle n ≥ N . Also gilt kAxk ≤ kAx − An xk + kAn xk ≤ kAx − An xk + kAn k kxk ≤ kAx − An xk + (1 + kAN k) kxk . Für n → ∞ konvergiert der erste Term gegen Null, und wir erhalten kAxk ≤ (1 + kAN k) kxk, d.h. die Beschränktheit. (iii) Sei ε > 0 vorgegeben und kAn − Am k ≤ ε für n, m ≥ N . Für festes x ∈ X folgt für n ≤ m: k(An − A)xk ≤ k(An − Am )xk + kAm x − Axk ≤ εkxk + kAm x − Axk | {z } →0, m→∞ Also gilt k(An − A)xk ≤ εkxk für alle n ≥ N , d.h. kAn − Ak → 0, n → ∞. 2 Bemerkung: Insbesondere ist der Dualraum X ∗ = L(X, R) immer ein Banachraum, egal ob X selbst vollständig ist oder nicht. 2.3 Vervollständigung Der Raum C(G) ist bzgl. der euklidischen Norm k · k2 nicht vollständig. Da Vollständigkeit ein ganz wichtiger Begriff ist, benötigen wir den Begriff der Vervollständigung eines normierten Raumes. Satz 2.17 (Vervollständigungsprinzip) Zu jedem normierten Raum (X, k · k) gibt es einen Banachraum X̃ mit Norm k · k∼ , so dass X normisomorph zu einer dichten Teilmenge von X̃ ist. Der Raum X̃ ist eindeutig bestimmt bis auf Normisomorphien.1 Beweisskizze: Es gibt verschieden Arten, einen Raum X̃ zu konstruieren. Man kann den Raum von (Äquivalenzklassen von) Cauchyfolgen aus X nehmen. Wir machen es eleganter und be¡ ¢∗ trachten den Bidualraum X ∗∗ = X ∗ von X. Als Dualraum ist er nach der letzten Bemerkung vollständig. Wir definieren jetzt die Abbildung J : X → X ∗∗ durch (Jx)(`) = `(x) für alle ` ∈ X ∗ und x ∈ X . • J ist wohldefiniert, d.h. bildet X in X ∗∗ . Dazu müssen wir zeigen, dass Jx ein lineares und beschränktes Funktional auf X ∗ ist. Linearität ist klar, Beschränktheit folgt aus ¯ ¯ ¯ ¯ ¯(Jx)(`)¯ = ¯`(x)¯ ≤ k`kX ∗ kxk für alle ` ∈ X ∗ . Also ist Jx beschränkt und kJxkX ∗∗ ≤ kxk. 1 Zwei normierte Räume X, Y über K heißen genau dann normisomorph, wenn es eine lineare Isomorphie J : X → Y gibt mit kJxk = kxk für alle x ∈ X. Bei einer Normisomorphie bleiben alle für einen normierten Raum typische Eigenschaften (s. Werner: Funktionalanalysis, Kapitel I.2) erhalten. Deshalb kann man normisomorphe normierte Räume miteinander identifizieren. 17 • J ist offenbar auch linear. • Mit dem Satz von Hahn-Banach aus der Funktionalanalysis sieht man, dass J eine Normisometrie ist, d.h. dass Gleichheit kJxkX ∗∗ = kxk gilt: Zu festem x ∈ X existiert nämlich ˆ X ∗ = 1 und `(x) ˆ nach dem Satz von Hahn-Banach ein Funktional `ˆ ∈ X ∗ mit k`k = kxk. Daher ist `(x) ˆ kJxkX ∗∗ = sup ≥ `(x) = kxk . k`k X∗ `6=0 Jetzt können wir einfach X̃ als Abschluss des Wertebereichs von J in X ∗∗ definieren. X ist normisomorph zum Wertebereich von J und liegt dicht in seinem Abschluss. Damit ist die Konstruktion fertig. Auf den einfachen Beweis der Eindeutigkeit gehen wir nicht ein. 2 Wir fassen im folgenden den ursprünglichen Raum X immer als dichten Unterraum von X̃ auf, identifizieren X also mit seinem isometrischen Bild J(X) in X̃. Lineare und beschränkte Operatoren zwischen normierten Räumen können auf ihre Vervollständigungen fortgesetzt werden: Satz 2.18 Seien X, Y normierte Räume mit ihren Vervollständigungen X̃ ⊃ X und Ỹ ⊃ Y . Sei A ∈ L(X, Y ). Dann gibt es genau ein à ∈ L(X̃, Ỹ ) mit Ãx = Ax für alle x ∈ X und kÃk = kAk. Wir belassen den Beweis als Übung. Beispiel 2.19 Für eine offene beschränkte Menge G ⊂ Rd definieren“ wir den Raum L2 (G) ” als die Vervollständigung von C(G) bzgl. der euklidischen Norm k · k2 . Sei ferner G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) oder schwach singulär mit Index α > d2 (Achtung: nicht nur α < d!). Dann ist der Integraloperator A mit Kern k auch ein linearer beschränkter Operator vom Banachraum L2 (G) (ausgestattet mit der L2 −Norm) in den Raum C(G) (ausgestattet mit der ∞−Norm) und auch von L2 (G) in sich. Dies folgt direkt das aus dem Fortsetzungssatz und Satz 2.15. Insbesondere ist für stetige Kerne oder schwach singuläre Kerne mit α < d/2 das Bild Ax stetig für jedes x ∈ L2 (G). Diese Beobachtung wird später in Kapitel 3 wichtig sein. 2.4 Existenz und Eindeutigkeit Wir wollen nun Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen zu Volterraschen Gleichungen klären. Satz und Definition 2.20 (Störungslemma, Neumannsche Reihe) Sei X ein Banachraum und A ∈ L(X, X) mit 1 lim sup kAn k n < 1 . (2.3) n→∞ Dann ist (I − A) : X → X invertierbar, (I − A)−1 ∈ L(X, X), und (I − A)−1 ist Grenzwert der Neumannschen Reihe, d.h. (I − A)−1 = lim n→∞ n X Ak = k=0 ∞ X Ak . k=0 Daher besitzt die Gleichung x − Ax = y P k für jedes y ∈ X genau eine Lösung x ∈ X. Diese ist gegeben durch x = ∞ k=0 A y und hängt stetig von y ab. Definiert man rekursiv die Folge x0 = y und xn+1 = Axn + y für n = 0, 1, . . ., so konvergiert diese Folge gegen die Lösung x. 18 Beweis: Sei Sn = n P Ak . Wir zeigen, dass (Sn ) eine Cauchyfolge in L(X, X) ist. Betrachte k=0 kSm − Sn k ≤ m X kAk k , m > n. k=n+1 Nach dem Wurzelkriterium und (2.3) konvergiert die rechte Seite für n → ∞. Also ist (Sn ) eine Cauchyfolge in L(X, X) und somit konvergent mit Sn → S ∈ L(X, X) für n → ∞ nach Lemma 2.16. Weiter ist ) n n+1 X X (I − A)Sn = Ak − Ak = I − An+1 . Sn (I − A) k=0 k=1 Da aber wegen der Konvergenz der Neumannschen Reihe auch kAn k → 0, n → ∞, gilt, so folgt hieraus sofort (I − A)S = S(I − A) = I. Also ist S = (I − A)−1 ∈ L(X, X) und dann x = (I − A)−1 y mit dem stetigen Operator (IP − A)−1 . Definiert man schließlich xn := Sn y, so Pn k ist x0 = y und Axn + y = k=0 Ak+1 y + y = n+1 2 k=1 A y + y = xn+1 . Bemerkung 2.21 (a) Für A ∈ L(X, X) existiere N ∈ N mit kAN k < 1. Dann ist Satz 2.20 anwendbar, denn mit der Zerlegung (Division mit Rest) n = kN + r, wobei r ∈ {0, . . . , N − 1}, folgt 1 k 1 1 kAn k n ≤ kAN k N k+r kAr k kN +r → kAN k N , k → ∞ . 1 1 Dies gilt für alle r ∈ {0, . . . , N − 1}. Damit ist lim sup kAn k n ≤ kAN k N < 1. n→∞ 2 (b) Sei X ein Banachraum, A ∈ L(X, X) mit kAk < 1. Mit Satz 2.20 und Bemerkung (a) ist (I − A)−1 ∈ L(X, X) und 1 kI − Ak−1 ≤ , 1 − kAk denn aus der Konvergenz der N -Reihe und der Dreiecksungleichung folgt mit der geometrischen Reihe °∞ ° ∞ °X ° X 1 ° ° k(I − A)−1 k = ° . An ° ≤ kAkn = ° ° 1 − kAk n=0 n=0 Beispiel 2.22 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) mit Z max |k(t, s)|ds < 1 . t∈G G Die Fredholmsche Integralgleichung Z x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) G | {z } =:Ax(t) mit y ∈ C(G) besitzt genau eine Lösung x ∈ C(G). Denn aus Satz 2.13 folgt kAk∞ < 1, und Satz 2.20 liefert die Existenz der Inversen. Die Fixpunktiteration Z xn+1 (t) = y(t) + k(t, s) xn (s) ds , n = 0, 1, 2, . . . , G mit Startwert x0 = y konvergiert gegen die Lösung der Integralgleichung. 19 Im Fall von Volterra-Gleichungen können wir auf Voraussetzungen an die Norm des Integraloperators verzichten. Es ergibt sich der folgende allgemeine Existenzsatz mit dem Störungslemma. Satz 2.23 (Existenz und Eindeutigkeit zu Volterraschen Integralgleichungen 2. Art) Sei ∆ = {(t, s) ∈ [a, b] × [a, b] : s ≤ t} und k ∈ C(∆). Dann besitzt die Volterrasche Integralgleichung zweiter Art Zt x(t) − k(t, s)x(s)ds = y(t) , t ∈ [a, b] , a für jedes y ∈ C[a, b] eine eindeutig bestimmte Lösung x ∈ C[a, b], und diese kann mit der Fixpunktiteration berechnet werden. Beweis: Sei wieder (Ax)(t) = Rt k(t, s) x(s) ds. Mit der Fortsetzung k(t, s) = 0 für s > t folgt a aus der Beschränktheit des so fortgesetzten Kerns, dass k schwach singulär ist (mit α = 0). Wir setzen M = max |k(t, s)| . a≤s≤t≤b Also ist nach Satz 2.14 der Operator A : C[a, b] → C[a, b] beschränkt. Induktiv zeigen wir weiter, dass Mn (t − a)n kxk∞ für alle t ∈ [a, b], n ∈ N, x ∈ C[a, b] . |(An x)(t)| ≤ n! (i) Ind.-Anf., n = 0: Dies ist trivial ii) Ind.-Schritt, n → n + 1: Zt n+1 |(A x)(t)| ≤ ¯ ¯ |k(t, s)| ¯(An x)(s)¯ ds a Zt ≤ M a M n+1 Mn (s − a)n kxk∞ ds = kxk∞ (t − a)n+1 . n! n + 1! Es folgt Mn (b − a)n → 0 , n → ∞ . n! Insbesondere existiert N ∈ N mit kAN k < 1. Also ist das Störungslemma 2.20 (siehe Bemerkung 2.21) anwendbar. 2 kAn k ≤ Folgerung 2.24 Sei k ∈ C(∆), k(t, t) 6= 0 für t ∈ [a, b] und sche Integralgleichung 1. Art ∂k ∂t ∈ C(∆), so besitzt die Volterra- Zt k(t, s) x(s) ds = y(t) − y(a) , t ∈ [a, b] , a für jedes y ∈ C 1 [a, b] genau eine Lösung x ∈ C[a, b]. Beweis: Differentiation der Integralgleichung liefert Zt k(t, t) x(t) + a ∂k (t, s) x(s) ds = y 0 (t) . ∂t 20 Nach Division durch k(t, t) erhalten wir eine Integralgleichung 2. Art. Diese ist nach Satz 2.23 eindeutig lösbar mit Lösung x̂ ∈ C[a, b]. Also gilt nach Integration Ax̂(t) = y(t) + c, und aus Ax̂(a) = 0 = y(a) + c folgt c = −y(a). 2 Bemerkungen: • Beachte, dass für y ∈ C 1 [a, b] im Allgemeinen nur x ∈ C[a, b] gilt. • Wenn ∂k ∂s ∈ C(∆), so könnten wir z(t) = Rt x(s) ds definieren und erhalten durch partielle a Integration Zt Zt 0 y(t) − y(0) = k(t, s) z (s) ds = k(t, t)z(t) − a a ∂k (t, s) z(s) ds . ∂s Nun existiert für y ∈ C[a, b] nach Satz 2.23 genau eine Lösung z ∈ C[a, b] dieser neuen Integralgleichung 2. Art. I.A. ist z aber nicht differenzierbar, so dass wir eine Lösung“ x ” der Integralgleichung 1. Art nur in dem abgeschwächten Sinne bekommen, dass x ∈ L1 (a, b) ist mit der Stammfunktion“ z ∈ C[a, b], d.h. ” Zt x(s) ds . z(t) = a Satz 2.25 Sei k : ∆ → R (oder C) schwach singulär, d.h. k ist stetig auf ∆◦ und es existieren c > 0 und α ∈ [0, 1) mit |k(t, s)| ≤ c|t − s|−α für a ≤ s < t ≤ b. Dann hat die Volterrasche Integralgleichung 2. Art Zt x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(z) , a ≤ t ≤ b, a für jedes y ∈ C[a, b] genau eine Lösung x ∈ C[a, b]. Beweis: o.B.d.A. sei a = 0 (sonst Variablentransformation τ = t − a). Rt Für den Integraloperator Ax(t) = k(t, s) x(s) ds zeigen wir induktiv (analog zu 2.22) kAN k∞ < 0 1, so dass das Störungslemma anwendbar ist. Zunächst betrachten wir den Fall n = 1: Zt (t − s)−α |x(s)| ds ≤ c kxk∞ |Ax(t)| ≤ 0 21 1 1−α t . 1−α Nun sei n = 2: Zt 2 |A x(t)| ≤ (t − s)−α |Ax(s)| ds c 0 ≤ s s̃ = t = 1 c2 kxk∞ 1−α Zt (t − s)−α s(1−α) ds 0 2 kxk∞ 2(1−α) c 1−α Z1 (1 − s̃)−α s̃(1−α) ds̃ t |0 {z } 1.EulerIntegral Für das erste Euler Integral gilt Z1 (1 − s̃)δ−1 s̃β−1 ds̃ = 0 Γ(δ)Γ(β) Γ(δ + β) mit der Gammafunktion Γ, die z.B. durch Z∞ tz−1 e−t dt (Euler Def.) Γ(z) = 0 gegeben ist. (Zur Erinnerung Γ(n) = (n − 1)!). Also folgt |A2 x(t)| ≤ c2 kxk∞ 1 2(1−α) Γ(1 − α)Γ(2 − α) t 1−α Γ(2(1 − α) + 1) (wobei δ = 1 − α, β = 2 − α zu setzen ist). Mit δ = 1 − α und β = 1 ergibt sich Γ(1 − α) = Γ(2 − α) Z1 (1 − s̃)−α ds̃ = 0 1 . 1−α Setzen wir diese Identität ein, so folgt |A2 x(t)| ≤ c2 kxk∞ t2(1−α) (Γ(1 − α))2 . Γ(2(1 − α) + 1) Diese Überlegungen liefern uns einen Induktionsanfang und wir zeigen induktiv, dass |An x(t)| ≤ kxk∞ cn tn(1−α) 22 (Γ(1 − α))n Γ(n(1 − α) + 1) gilt. Für den Induktionsschritt ergibt sich Zt n+1 |A x(t)| ≤ (t − s)−α |An t(s)| ds c 0 n+1 ≤ c s s̃ = t = n+1 c (Γ(1 − α))n kxk∞ Γ(n(1 − α) + 1) Zt (t − s)−α sn(1−α) ds 0 (Γ(1 − α))n (n+1)(1−α) kxk∞ t Γ(n(1 − α) + 1) Z1 (1 − s̃)−α s̃n(1−α) ds̃ 0 = (Γ(1 − α))n Γ(1 − α)Γ(n(1 − α) + 1) (n+1)(1−α) t cn+1 kxk∞ Γ(n(1 − α) + 1) Γ((n + 1)(1 − α) + 1) = kxk∞ cn+1 Euler Int. (Γ(1 − α))n+1 t(n+1)(1−α) . Γ((n + 1)(1 − α) + 1) wenn wir das Eulersche Integral mit β = n(1 − α) + 1 und δ = (1 − α) einsetzen. Mit der Stirlingschen Formel, r Γ(z) = µ µ ¶¶ 2π ³ z ´z 1 , 1+O z e z z → ∞, ergibt sich die Abschätzung |An x(t)| ≤ kxk∞ cn tn(1−α) (Γ(1 − α))n Γ(n(1 − α) + 1) = kxk∞ cn tn(1−α) (Γ(1 − α))n p µ µ ¶¶ n(1 − α) + 1 en(1−α)+1 1 √ × 1+O → 0, n(1 − α) + 1 (n(1 − α) + 1)n(1−α)+1 2π Insbesondere existiert ein N ∈ N mit kAN k < 1. 23 n → ∞. 2 3 Fredholmsche Integralgleichungen Ziel: Gesucht sind Bedingungen, unter denen eine Fredholmsche Integralgleichung Z x(t) − k(t, s)x(s) ds = (I − A)x(t) = y(t) , t ∈ G , G lösbar ist. Es sei im Folgenden stets G ⊂ Rd als offen und beschränkt und k als stetig oder schwach singulär vorausgesetzt. Bemerkung: Wenn kAk < 1 ist, so können wir das Störungslemma anwenden (s.o.) und es gilt die eindeutige Lösbarkeit. Hier wollen wir aber ohne diese stark einschränkende Bedingung auskommen. Entscheidend ist die Glättungseigenschaft“ des Operators A. ” 3.1 Lineare kompakte Operatoren Definition 3.1 Eine Teilmenge M ⊂ X eines normierten Raums X heißt kompakt, wenn jede Folge (xn ) ⊂ M mindestens einen Häufungspunkt in M besitzt, d.h. jede Folge besitzt eine konvergente Teilfolge. M ⊂ X heißt relativ kompakt, wenn M kompakt ist. Lemma 3.2 M ⊂ X kompakt impliziert, dass M abgeschlossen und beschränkt ist. Beweis: 1. Sei (xn ) ⊂ M mit xn → x ∈ X, n → ∞. Dann ist x einziger Häufungspunkt und somit x ∈ M (kompakt). Also ist M abgeschlossen. 2. Angenommen M wäre unbeschränkt. Dann existiert eine Folge (xn ) ⊂ M mit kxn k ≥ n, n ∈ N. Sei nun x ∈ M ein Häufungspunkt von (xn ), d.h. die Folge enthält eine konvergente Teilfolge (xnj )j . Diese Teilfolge ist als konvergente Teilfolge beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit kxnj k ≤ c für alle j. Dies widerspricht der Konstruktion von xn , denn kxnj k ≥ nj für alle j. 2 Bemerkung: Im Rn liefert der Satz von Bolzano-Weierstraß, dass auch die Umkehrung des Lemmas gilt. Dies ist in unendlich dimensionalen Räumen nicht mehr richtig. Dazu zunächst folgendes wichtige Lemma. Lemma 3.3 (Lemma von Riesz) Sei X normierter Raum, U ⊂ X abgeschlossener Unterraum mit U 6= X. Dann existiert zu jedem ρ ∈ (0, 1) ein x ∈ X mit kxk = 1 und kx − uk ≥ ρ für alle u ∈ U . Beweis: Es gibt x̃ ∈ X \ U und d := inf kx̃ − uk > 0 (denn sonst gäbe es eine Folge x̃n → x̃, u∈U n → ∞ mit x̃n ∈ U und, da U abgeschlossen ist, würde x̃ ∈ U folgen). Wähle nun v ∈ U mit d ≤ kx̃ − vk ≤ d ρ und setze x = x̃ − v . kx̃ − vk Dann folgt kxk = 1 und für u ∈ U gilt kx − uk = 1 d kx̃ − v + kx̃ − vku k ≥ ≥ ρ. | {z } kx̃ − vk kx̃ − vk ∈U 2 24 Satz 3.4 Die abgeschlossene Einheitskugel B[0, 1] = {x ∈ X : kxk ≤ 1} ⊂ X ist genau dann kompakt, wenn X endlich dimensional ist. Beweis: ⇐“ Dies ist der Satz von Bolzano-Weierstraß, der im Rn gilt und damit in jedem ” endlich dimensionalen Raum (da dieser norm-isomorph zum Rn ist). ⇒“ Sei X unendlich dimensional. Wähle x1 ∈ X mit kx1 k = 1 und setze U1 = span{x1 } = ª ”© λx1 : λ ∈ R . Nach dem Lemma 3.3 von Riesz existiert x2 ∈ X mit kx2 k = 1 und kx2 − uk ≥ 21 ©P2 ª für alle u ∈ U1 . Setze U2 = span{x1 , x2 } = j=1 λj xj : λj ∈ R und wähle nach dem Lemma von Riesz ein x3 ∈ X mit kx3 k = 1 und kx3 − uk ≥ 21 für alle u ∈ U2 . So können wir weiter fortfahren und rekursiv eine Folge (xn ) konstruieren mit den Eigenschaften kxn k = 1 und kxn+1 − uk ≥ 12 für alle u ∈©P Un . Der endlich dimensionale Unterraum Un ist dabei definiert als ª n Un = span{x1 , . . . , xn } = λ x : λ ∈ R . Insbesondere ist kxn+1 − xm k ≥ 12 für alle j j=1 j j m ≤ n. Daher kann (xn )n ⊂ B[0, 1] keine konvergente Teilfolge enthalten. 2 Bemerkung: Wichtige Kompaktheitskriterien (siehe Literatur), die wir im folgenden aber nicht anwenden werden, sind: (a) Satz von Arzela-Ascoli Sei G ⊂ Rd kompakt. M ⊂ C(G, k · k∞ ) ist relativ kompakt genau dann, wenn M beschränkt und gleichgradig stetig ist (d.h. zu jedem ε > 0 existiert δ > 0, so dass die Abschätzung |x(t) − x(s)| ≤ ε gilt für alle t, s ∈ G mit für |t − s| ≤ δ und für alle x ∈ M ). (b) Satz von Kolmogoroff Sei G ⊂ Rn offen und beschränkt. M ⊂ Lp (G), 1 ≤ p < ∞, ist relativ kompakt genau dann, wenn M beschränkt ist und zu jedem ² > 0 ein δ > 0 existiert mit Z |x(t + h) − x(t)|p dt ≤ ² G für alle |h| ≤ δ und für alle x ∈ M . Definition 3.5 Seien X, Y normierte Räume. Ein linearer Operator A : X → Y heißt kompakt, wenn jede beschränkte Menge M ⊂ X in eine relativ kompakte Menge A(M ) abgebildet wird. Satz 3.6 (a) Wenn A : X → Y kompakt ist, so ist A beschränkt. (b) A : X → Y ist genau dann kompakt, wenn die Bildfolge (Axn )n ⊂ Y jeder beschränkten Folge (xn )n ⊂ X eine konvergente Teilfolge besitzt. (c) Seien A ∈ L(X, Y ), B ∈ L(Y, Z) und A oder B sei kompakt. Dann ist BA ∈ L(X, Z) kompakt. (d) Sei A ∈ L(X, Y ) und A(X) ⊂ Y sei endlich dimensional. Dann ist A kompakt. Beweis: (a) Da A kompakt ist und jede relativ kompakte Menge beschränkt ist, so gilt insbesondere, dass A beschränkte Mengen in beschränkte Mengen abbildet. Daher ist das Bild der Einheitskugel beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit kAxk ≤ c für alle x mit kxk ≤ 1. Sei 1 x ∈ X\{0} beliebig. Dann ist x/kxk ∈ B[0, 1], also kxk kAxk ≤ c, und dies beweist die Beschränktheit. 25 (b) ⇒“ Sei (xn )n ⊂ X beschränkt. Dann ist (Axn )n∈N ⊂ Y relativ kompakt. Also besitzt ” (Axn ) eine konvergente Teilfolge. ⇐“ Sei M ⊂ X beschränkt und (yn ) eine Folge in A(M ), d.h. es gibt xn ∈ M mit ” Axn = yn . Da die Folge (xn ) ⊂ X beschränkt ist, folgt die Existenz einer konvergenten Teilfolge von (yn ) = (Axn ) ⊂ Y . Somit ist A(M ) kompakt. (c) Sei etwa A kompakt und (xn )n∈N ⊂ X beschränkt. Wegen der Kompaktheit existiert eine Teilfolge (xnj ), so dass Axnj → y ∈ Y für j → ∞. Wir erhalten BAxnj → By, j → ∞, da B beschränkt - also stetig - ist. Somit besitzt (BAxn ) eine konvergente Teilfolge. Der Fall, dass B kompakt ist, lässt sich analog zeigen. (d) Sei M beschränkt. Dann ist A(M ) ⊂ A(X) beschränkt, und nach dem Satz von Bolzano Weierstraß ist A(M ) kompakt. 2 Lemma 3.7 Die Identität I : X → X ist genau dann kompakt, wenn X endlich dimensional ist. Beweis: ⇒“: Wenn I kompakt ist, so folgt, dass I(B(0, 1)) = B(0, 1) relativ kompakt ist. Nach ” Satz 3.4 ist X endlich dimensional. ⇐“: Dies ist direkt Teil (d) von Satz 3.6. 2 ” Bezeichnung: K(X, Y ) = {A ∈ L(X, Y ) : A kompakt}. Offensichtlich ist K(X, Y ) linearer Unterraum von L(X, Y ). Satz 3.8 Sei X normierter Raum, Y Banachraum (!) und (An )n ⊂ K(X, Y ) mit An → A ∈ L(X, Y ), n → ∞. Dann ist A kompakt. Also ist K(X, Y ) abgeschlossener Unterraum von L(X, Y ). Beweis: Sei (xn ) ⊂ X beschränkt mit kxn k ≤ M für n ∈ N. Da A1 kompakt ist, gibt es eine Teilfolge (xn1,k ) ⊂ (xn ) mit A1 xn1,k → y1 ∈ Y , k → ∞. Da A2 kompakt ist, existiert weiterhin eine Teilfolge (xn2,k ) ⊂ (xn1,k ) , k→∞ mit A2 xn2,k −→ y2 ∈ Y . Sukzessive erhalten wir Teilfolgen (xnj,k ) ⊂ (xnj−1,k ) ⊂ · · · ⊂ (xn ) mit Ai xnj,k → yi , k → ∞ , für alle j ≥ i. Definiere nun die Diagonalfolge x̃k = xnk,k für k ∈ N. Wir zeigen, dass (Ax̃k ) eine Cauchyfolge ist. Zunächst schätzen wir ab: kAx̃k − Ax̃` k ≤ k(A − Aj )(x̃k − x̃` )k + kAj (x̃k − x̃` )k ≤ kA − Aj k kx̃k − x̃` k + kAj (x̃k − x̃` )k . ε Zu ε > 0 wähle j ∈ N, so¡dass kA ¢ − Aj k ≤ 4M ist. Halte dieses j fest. Wegen der Konvergenz Aj x̃k → yj , k → ∞, ist Aj x̃k k insbesondere eine Cauchy-Folge, und wir können weiter ein N ∈ N wählen mit ε kAj (x̃k − x̃` )k ≤ für k, ` ≥ N . 2 26 gilt. Wir erhalten ε ε 2M + = ε für k, ` ≥ N , 4M 2 kAx̃k − Ax̃` k ≤ d.h. (Ax̃k ) ⊂ Y ist eine Cauchy-Folge und somit konvergent (beachte, dass Y ein Banachraum ist!). Also ist A kompakt. 2 d Satz und k ∈ C(G × G). Dann ist der Integraloperator ¡ 3.9 Sei G ¢⊂ R ¡ offen und beschränkt ¢ A : C(G), k · k∞ → C(G), k · k∞ , definiert durch Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , t ∈ G , G kompakt. Beweis: Es gibt mehrere Möglichkeiten, dies zu beweisen, etwa mit dem Satz von Arcela-Ascoli. Wir werden A durch endlich dimensionale Operatoren approximieren. Aus Satz 3.6(d) und 3.8 folgt dann Kompaktheit von A. Zu gegebenem n ∈ N wählen wir endlich viele abgeschlossene Quader Qj , j = 1, . . . , N mit S o o Durchmessern dj ≤ n1 , so dass G ⊂ N j=1 Qj und Qj ∩ Qk = ∅ für j 6= k. Definiere Dj = G ∩ Qj und setze J = {j : Dj 6= ∅}. Wähle weiter zu jedem j ∈ J ein sj ∈ Dj für j = 1, . . . , N und setze Z Z X (An x)(t) = k(t, sj ) x(s) ds = kn (t, s) x(s) ds j∈J Dj G für t ∈ G und x ∈ C(G) mit stückweise konstantem Kern kn (t, s) = k(t, sj ) für s ∈ Dj . Es gilt An x ∈ span {k(·, sj ) : j ∈ J}, d.h. das Bild An (C(G)) ist endlich dimensional. Außerdem folgt aus Z Z X |(An x)(t)| ≤ |kn (t, s)| |x(s)| ds ≤ kxk∞ |kn (t, sj )| ds, (3.1) j∈J G Dj die Abschätzung kAn xk∞ ≤ max t∈G X Z ds kxk∞ ≤ kkk∞ |G| kxk∞ . |kn (t, sj )| j∈J Dj Also ist An beschränkt. Nach Satz 3.6(d) ist An kompakt. Weiter gilt Z |An x(t) − Ax(t)| ≤ kxk∞ |kn (t, s) − k(t, s)| ds (3.2) G = kxk∞ XZ j∈J D |k(t, sj ) − k(t, s)| ds . j Sei nun ε > 0 vorgegeben. Da k gleichmäßig stetig auf G × G ist, existiert n0 ∈ N, so dass |k(t, σ) − k(t, s)| ≤ ε für alle t, s, σ ∈ G mit |σ − s| ≤ 1 . n0 Also folgt mit (3.2) für alle n ≥ n0 |(An x)(t) − (Ax)(t)| ≤ ε |G| kxk∞ , d.h. An → A, n → ∞ in der Operatornorm. Mit Satz 3.8 folgt, dass auch A kompakt ist. 27 2 ¡ ¢ Satz 3.10 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C {(s, t) ∈ G × G : s 6= t} ein schwach singulärer Kern, d.h. es existiert α ∈ [0, d) und c >¡0 mit |k(t, s)|¢ ≤ c|t − s|−α für t 6= s. Dann ist der Integraloperator A mit Kern k kompakt von C(G), k · k∞ in sich. Beweis: Im Beweis zu 2.14 ist schon eine Folge An von Integraloperatoren mit stetigem Kern konstruiert worden mit An → A, n → ∞. Nach Satz 3.9 sind die Operatoren An kompakt. Also ist auch der Grenzwert A kompakt (Satz 3.8). 2 d Satz 3.11 £ Sei ¢ G ⊂ R offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) oder k¡ schwach singulär ¢ d ¡mit α ∈ 0, 2¢ . Dann ist der Integraloperator A mit Kern k kompakt von C(G), k · k2 nach C(G), k · k∞ . Beweis: (a) Sei zunächst k ∈ C(G × G). Wir ersetzen die Abschätzung (3.1) im Beweis von Satz 3.9 durch Z Z X |(An x)(t)|2 ≤ |kn (t, s)|2 ds kxk22 = kxk22 |kn (t, sj )|2 ds , j∈J G Dj wobei wir die Cauchy-Schwarzsche Uneichung benutzt haben. Analog gehen wir in (3.2) vor. (b) Wir approximieren A wie in 2.14 durch Operatoren mit stetigem Kern. Sei also t ∈ [0, 1] , 0 , ψ(t) = t − 1 , t ∈ [1, 2] , 1, t > 2, R und (An x)(t) = G k(t, s) ψ(n|t − s|) x(s) ds. Nach Teil (a) ist An kompakt, der er einen stetigen Kern besitzt. Weiter gilt |(An x)(t) − (Ax)(t)|2 2 Z ≤ |k(t − s)| [ψ(n|t − s|) − 1] x(s) ds G Z |k(t, s)|2 |ψ(n|t − s|) − 1|2 ds kxk22 ≤ G Z |s − t|−2α ds kxk22 ≤ c 2 |s−t|≤ n Z2/n = c ωd r−2α rd−1 dr kxk22 = c 0 ωd d − 2α µ ¶d−2α 2 kxk22 n ωd bezeichnet hier den Inhalt der Einheitssphäre. Dies gilt für alle t ∈ G und x ∈ C(G). Also folgt s µ ¶d−2α 2 ωd −→ 0 , n → ∞, kAn − Ak ≤ c d − 2α n d.h. An → A in der zugehörigen Operatornorm, und nach Satz 3.8 ist A kompakt. 28 2 Bemerkung: Insbesondere folgt, dass ¡ ¢ ¡ ¢ A : C(G), k · k2 → C(G), k · k2 ¡ ¢ ¡ ¢ kompakt ist, da die Einbettung“ C(G), k · k2 ,→ C(G), k · k2 beschränkt ist, d.h. ” p kxk2 ≤ |G| kxk∞ , x ∈ C(G) . ¡ ¢ k · k∞ ist also stärker als k · k2 . Beachte, dass C(G), k.k2 kein Banachraum ist. Der Satz 3.8 kann also nicht direkt angewendet werden. Nun verwenden wir dieses Resultat um Kompaktheit der Integraloperatoren in L2 (G) zu zeigen. Lemma 3.12 Seien X, Y normierte Räume, X̃, Ỹ die zugehörigen Vervollständigungen, A ∈ K(X, Y ) und à : X̃ → Ỹ die Fortsetzung von A nach Satz ??. Dann ist auch à : X̃ → Ỹ kompakt. Beweis: Ohne Einschränkung fassen wir wieder X, Y als Teilmengen von X̃ bzw. Ỹ auf. Sei (x̃n ) ⊂ X̃ beschränkt. Zu jedem n existiert xn ∈ X mit kx̃n − xn kX̃ ≤ n1 . Insbesondere ist die Folge (xn ) beschränkt. Also besitzt (Axn ) ⊂ Y eine konvergente Teilfolge, etwa Axnj → z ∈ Y , j → ∞. Es ergibt sich kÃx̃nj − zk ≤ kÃ(x̃nj − xnj )k + kÃxnj − zk ≤ 1 kÃk + kAxnj − zk → 0 , nj j → ∞, und somit ist auch à kompakt. 2 Damit erhalten wir: Satz 3.13 Der Integraloperator A : L2 (G) → L2 (G), definiert durch Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , G £ ¢ mit stetigem oder schwach singulärem Kern (wobei α ∈ 0, d2 sein muss) ist kompakt. 3.2 Die Riesztheorie Wir betrachten nun allgemeine Fredholmgleichungen d.h. lineare Gleichungen (I − A)x = y mit kompaktem Operator A. Im folgenden sei X stets ein normierter Raum und L := I − A mit Identität I : X → X und linearem, kompaktem Operator A : X → X. Satz 3.14 (1. Rieszscher Satz) Der Nullraum N (L) := {x ∈ X : Lx = 0} ist endlich dimensional. 29 Beweis: Da L stetig ist, folgt, dass N (L) abgeschlossener Unterraum von X ist. Weiter gilt A|N (L) = IN (L) , da (I − A)x = 0 für alle x ∈ N (L). Also ist I kompakt auf N (L) und somit N (L) endlich dimensional nach Lemma 3.7. 2 Für den nächsten Satz brauchen wir ein Ergebnis aus der Approximationstheorie. Lemma 3.15 Sei X normierter Raum und U ⊂ X endlich dimensionaler Unterraum. Dann existiert zu x ∈ X eine beste Approximation û ∈ U an x, d.h. kx − ûk ≤ kx − uk für alle u ∈ U. Beweis: Sei ρ = inf kx − uk und (un )n ⊂ U eine Minimalfolge“, d.h. kx − un k → ρ, n → ∞. ” u∈U (Dies folgt aus der Definition vom Infimum.) Da kun k ≤ kxk + kx − un k beschränkt ist, existiert eine konvergente Teilfolge unk → û ∈ U . Also ist ρ ≤ kx − ûk ≤ kx − un k + kun − ûk → ρ, n → ∞, d.h. kx − ûk = ρ. 2 Bemerkung: û ist im Allgemeinen nicht eindeutig. Sei etwa X = (R2 , | · |∞ ), x = (0, 1)> und U = R × {0}. Dann sind alle Punkte û = (t, 0) mit t ∈ [−1, 1] optimal. Satz 3.16 (2. Rieszscher Satz) Das Bild L(X) = {Lx ∈ X : x ∈ X} ⊂ X ist ein abgeschlossener Unterraum. Beweis: Offensichtlich ist L(X) ⊂ X ein Unterraum vom X. Sei y ∈ L(X), d.h. es gibt eine Folge (xn )n ∈ X mit xn − Axn = Lxn → y für n → ∞. Sei nun un ∈ N (L) eine beste Approximation an xn in N (L) (existiert nach Satz 3.14 und Satz 3.15), d.h. kxn − un k ≤ kxn − uk für alle u ∈ N (L) . Wir zeigen gleich, dass (xn −un )n ⊂ X beschränkt ist. Denn dann existiert zu (A(xn −un ))n ⊂ X eine konvergente Teilfolge (da A kompakt ist!) etwa A(xnj − unj ) −→ z ∈ X , j → ∞. Und weiter gilt (xnj − unj ) − A(xnj − unj ) = Lxnj −→ y , | {z } j → ∞. →z Also konvergiert (xnj − unj ) → y + z =: x ∈ X, j → ∞, und wir erhalten x − Ax = y, d.h. y ∈ L(X). Es bleibt also zu zeigen, dass xn − un beschränkt ist. Angenommen dies gilt nicht. Dann existiert eine Teilfolge mit kxnj − unj k → ∞, j → ∞. Setze vj = Dann ist kvj k = 1 und Lvj = 1 kxnj −unj k xnj − unj . kxnj − unj k Lxnj −→ 0, j → ∞, d.h. | {z } →y Lvj = vj − Avj −→ 0 , 30 j → ∞. (3.3) Da A kompakt ist, existiert eine konvergente Teilfolge von (Avj )j . Sei also (Avjk )k konvergent. Somit konvergiert auch (vjk ) (siehe Gleichung (3.3)). Setze nun v = lim vjk . Dann gilt kvk = 1 k→∞ und v − Av = 0, d.h. v ∈ N (L). Weiter ist aber kvj − vk = kxnj ° ° 1 °xn − un − kxn − un kv ° j j j j − unj k | {z } ∈N (L) ≥ kxnj − unj k = 1 kxnj − unj k (da unj beste Approximation!) im Widerspruch zu vjk → v für k → ∞. 2 Satz 3.17 (3. Rieszscher Satz) Zu L = I − A existiert eine eindeutig bestimmte Zahl r ∈ N (Rieszsche Zahl) mit {0} = N (L0 ) $ N (L) $ N (L2 ) $ · · · $ N (Lr ) = N (Lr+1 ) = · · · und X = L0 (X) % L(X) % L2 (X) % · · · % Lr (X) = Lr+1 (X) = · · · Außerdem ist X = N (Lr ) ⊕ Lr (X) . Beweis: Wir zeigen (i) Ln hat die Form Ln = I − An mit kompaktem Operator An . (ii) Die Kette der Nullräume bricht bei einem (kleinsten) r ∈ N ab. (iii) Die Kette der Bildräume bricht bei einem (kleinsten) s ∈ N ab. (iv) r = s. (v) Zu x ∈ X existiert u ∈ N (Lr ) und v ∈ Lr (X) mit x = u + v und es gilt N (Lr ) ∩ Lr (X) = {0}. zu i) Induktion nach n: Der Fall n = 1 ist offensichtlich. Weiter gilt Ln+1 = (I − A)Ln = (I − A)(I − An ) = I − (A + An − AAn ). | {z } =:An+1 kompakt Also sind die ersten beiden Rieszschen Sätze anwendbar, d.h. N (Ln ) ist endlich dimensional und Ln (X) ist abgeschlossen. zu ii) Offensichtlich ist N (Ln ) ⊂ N (Ln+1 ) für alle n ∈ N0 . Wir nehmen an, dass die Inklusionskette nicht abbricht, d.h. das überall die strikte Inklusion vorliegt. Da N (Ln ) abgeschlossener Unterraum des normierten Raums N (Ln+1 ) ist (nach Satz 3.14) sogar endlich dimensionaler) können wir das Lemma 3.3 von Riesz anwenden. Also existiert xn ∈ N (Ln+1 ) mit kxn k = 1 und kxn − uk ≥ 1 2 für alle u ∈ N (Ln ) . Die Folge (xn ) ist beschränkt. Für m < n gilt Axn − Axm = xn − (xm + Lxn − Lxm ) . | {z } =:z∈X 31 Also ist Ln z = Ln xm + Ln+1 xn − Ln+1 xm = Ln−m−1 Lm+1 xm + Ln+1 xn − Ln−m Lm+1 xm = 0 , | {z } | {z } | {z } =0 =0 =0 und es folgt z ∈ N (Ln ). Somit gilt kAxn − Axm k = kxn − zk ≥ 12 nach der Definition von xn . Dies gilt für alle m < n. Damit besitzt (Axn )n keine konvergente Teilfolge, obwohl kxn k = 1 beschränkt ist, im Widerspruch zur Kompaktheit von A. Also bricht die Kette ab. Setze r = min{n ∈ N : N (Ln ) = N (Ln+1 )}. Wir haben zu zeigen, dass es dann bei der Gleichheit bleibt. Sei n > r und x ∈ N (Ln ). Dann ist Lr+1 (Ln−r−1 x) = 0, also Ln−r−1 x ∈ N (Lr+1 ) = N (Lr ). Also ist Ln−1 x = 0, und wir haben die Gleichheit N (Ln ) = N (Ln−1 ) gezeigt für jedes n > r. zu iii) Offensichtlich gilt stets Ln+1 (X) ⊂ Ln (X). Annahme: Alle Inklusionen sind strikt. Nach dem 2. Rieszschen Satz (3.15) ist Ln+1 (X) ein echter abgeschlossener Unterraum von Ln (X). Somit existiert xn ∈ Ln (X) mit kxn k = 1 und kxn − uk ≥ 1 2 für alle u ∈ Ln+1 (X) . Für n < m gilt wieder Axn − Axm = xn − (xm + Lxn − Lxm ) , | {z } =z wobei z ∈ Ln+1 (X) ist. Also folgt kAxn − Axm k = kxn − zk ≥ 1 2 für alle m > n , und die Folge (Axn )m kann keine konvergente Teilfolge besitzen. Dies ist wiederum ein Widerspruch zur Kompaktheit von A. Setze nun s = min{n ∈ N : Ln (X) = Ln+1 (X)} < ∞. Für n > s haben wir die Gleichheit Ln (X) = Ln+1 (X) zu zeigen und dafür nur die Inklusion ⊂“. Sei y = Ln x ∈ Ln (X). Wegen ” Ls (X) = Ls+1 (X) gibt es z mit Ls x = Ls+1 z. Daher ist y = Ln−s (Ls x) = Ln−s (Ls+1 z) = Ln+1 z ∈ Ln+1 (X). zu iv) Wir konstruieren einen Widerspruch aus den Annahmen r > s oder r < s. Angenommen es gelte r > s. Wir zeigen N (Lr ) ⊂ N (Lr−1 ), und das wäre ein Widerspruch zur Minimalität von r. Sei also x ∈ N (Lr ). Dann ist Lr−1 x ∈ Lr−1 (X) = Lr (X) (da s < r), d.h. es existiert z ∈ X mit Lr z = Lr−1 x. Wir erhalten Lr+1 z = Lr x = 0, d.h. z ∈ N (Lr+1 ) = N (Lr ). Also ist Lr−1 x = Lr z = 0, d.h. x ∈ N (Lr−1 ). Dies impliziert N (Lr ) = N (Lr−1 ), ein Widerspruch dazu, dass r minimal ist. Nun nehmen wir an, dass s > r ist. Analog zeigen wir Ls−1 (X) ⊂ Ls (X), was ein Widerspruch zur Minimalität von s wäre. Sei y = Ls−1 x ∈ Ls−1 (X). Dann ist Ly = Ls x ∈ Ls (X) = Ls+1 (X). Also existiert z ∈ X mit Ly = Ls+1 z, und wir erhalten Ls (x − Lz) = 0, d.h. x − Lz ∈ N (Ls ) = N (Ls−1 ) (da s > r). Also ist Ls−1 (x − Lz) = 0 und daher y = Ls−1 x = Ls z ∈ Ls (X). Damit ist Ls−1 (X) ⊂ Ls (X) im Widerspruch zur Minimalität von s. zu v) (a) Sei y ∈ Lr (X) ∩ N (Lr ). Dann gibt es ein x ∈ X mit y = Lr x und Lr y = L2r x = 0. Also ist x ∈ N (L2r ) = N (Lr ) und somit y = Lr x = 0, d.h. N (Lr ) ∩ Lr (X) = {0}. (b) Sei x ∈ X. Dann ist Lr x ∈ Lr (X) = L2r (X), d.h. es gibt ein x̃ ∈ X mit Lr x = L2r x̃. Mit der Definition z = Lr x̃ folgt die Zerlegung x = (x − z) + z mit den Eigenschaften z ∈ Lr (X) sowie Lr (x − z) = Lr x − L2r x̃ = 0, d.h. x − z ∈ N (Lr ). 2 32 Satz 3.18 Sei X normierter Raum, A : X → X kompakter, linear Operator und I −A : X → X injektiv oder surjektiv. Dann ist (I − A) bijektiv, und (I − A)−1 ist beschränkt. Also ist mit dem Operator I − A ein Normisomorphismus“gegeben. ” Beweis: Sei L = I − A injektiv. Aus Satz 3.17 folgt N (L1 ) = {0} = N (L0 ). Also ist r = 0 und damit X = L(X), d.h. L ist surjektiv. Genauso folgt aus der Surjektivität, dass X = L0 (X) = L(X), d.h. ebenfalls r = 0 und daher die Injektivität. Es bleibt noch zu zeigen, dass (I − A)−1 beschränkt ist. Dazu nehmen wir an, dass (I − A)−1 nicht beschränkt ist. Dann gibt es eine Folge (yn )n ⊂ X mit kyn k = 1 und kL−1 yn k → ∞ für n → ∞. Setze xn = L−1 yn und zn = kxxnn k . Dann gilt kzn k = 1 und (I − A)zn = Lzn = yn −→ 0 , kxn k n → ∞. Da A kompakt ist, existiert eine konvergente Teilfolge von (Azn ). Aus der Zerlegung znj = (I − A)znj + Aznj und der Konvergenz von (I − A)znj = Lznj (gegen 0) und (Aznj ) folgt Konvergenz von (znj ), d.h. znj → z, j → ∞ für ein z ∈ X mit kzk = 1 sowie z − Az = 0. Wir erhalten einen Widerspruch zur Injektivität von I − A. 2 Folgerung 3.19 Sei G ⊂ Rd kompakt, k stetiger oder schwach singulärer Kern und die Integralgleichung Z x(t) − k(t, s) x(s) ds = 0 , t ∈ G , G besitze nur die triviale Lösung x = 0. Dann ist die Fredholmsche Integralgleichung 2. Art Z x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ G , G (a) für jedes y ∈ C(G) eindeutig lösbar in C(G), (b) für jedes y ∈ L2 (G) eindeutig lösbar in L2 (G), wenn im Falle eines schwach singulären Kerns α ∈ [0, d2 ) vorausgesetzt ist. Beweis: Dies folgt direkt aus Satz 3.18 und Satz 3.11 mit X = C(G) bzw. X = L2 (G) und dem Integraloperator A : X → X mit Kern k. 2 Bemerkung: (a) Der Satz 3.18 bleibt richtig für Operatoren L der Form L = T − A : X → X, −1 wenn T beschränkt invertierbar und A kompakt ist, denn L = T − A = T (I − T | {z A} ) . kompakt (b) Die Aussage, dass die Inverse von I − A beschränkt ist, liefert für die Lösungen x, x̃ der Integralgleichungen zu y, ỹ die Abschätzung kx − x̃k∞ = k(I − A)−1 (y − ỹ)k∞ ≤ k(I − A)−1 k ky − ỹk∞ . Dies bedeutet, dass die Lösung der Integralgleichung stabil“ gegenüber kleinen“ Störungen ” ” der rechten Seite ist. Dies bed eutet, dass x stetig von y abhängt“. ” 33 3.3 Die Fredholmtheorie Ziel: Wir wollen den Fall, dass (I −A)x = 0 nichttriviale Lösungen besitzt, genauer untersuchen. Beispiel 3.20 Als einführendes Beispiel betrachten wir das lineare Gleichungssystem Lx = y mit L ∈ Rm×n und fragen uns, für welche y ∈ Rm dieses Gleichungssystem lösbar ist. Mit dem Dimensionssatz zeigen wir: Lx = y ist genau dann lösbar, wenn y senkrecht auf dem Kern N (L> ) von L> steht. Dies bedeutet, dass die folgende Gleichheit gilt: ¡ ¢⊥ L(Rn ) = N (L> ) . Die Inklusion ⊂“ ist einfach: Sei y = Lx ∈ L(X) und z ∈ N (L> ). Dann ist y > z = (Lx)> z = ” x> (L> z) = 0, und dies beweist die Inklusion. Wir betrachten jetzt die Dimension: ¡ ¢⊥ £ ¤ dim N (L> ) = m − dim N (L> ) = m − m−dim L> (Rm ) = dim L> (Rm ) = dim L(Rn ) , da die Ränge von L und L> gleich sind. Also ist die Dimension des Unterraums L(Rn ) gleich ¡ ¢⊥ der Dimension des ihn enthaltenden Raums N (L> ) . Daher müssen beide Räume gleich sein. Um allgemein eine solche Charakterisierung zu erzielen, braucht man ofenbar so etwas wie ein Skalarprodukt. Definition 3.21 Seien X, Y lineare Räume über K = R oder K = C. (a) Eine Abbildung h·, ·i : X × Y → K heißt Bilinearform, wenn gilt: hα1 x1 + α2 x2 , yi = α1 hx1 , yi + α2 hx2 , yi und hx, α1 y1 + α2 y2 i = α1 hx, y1 i + α2 hx, y2 i für α1 , α2 ∈ K, x, x1 , x2 ∈ X, y, y1 , y2 ∈ Y . Wir sprechen von einer Sesquilinearform, wenn in der zweiten Gleichung anstelle von α1 , α2 die konjugiert komplexen Faktoren α1 , α2 auftreten. Ein Unterschied besteht nur bei Räumen über C. Das Skalarprodukt ist die wichtigste Sesquilinearform. Wir beschränken uns im folgenden auf Bilinearformen, auch wenn für Räume über C. Die folgenden Betrachtungen gelten aber völlig analog auch für Sesquilinearformen. (b) Eine Bilinearform heißt nicht entartet, wenn sowohl zu jedem x ∈ X \ {0} ein y ∈ Y existiert mit hx, yi 6= 0 als auch zu jedem y ∈ Y \ {0} ein x ∈ X existiert mit hx, yi 6= 0, d.h. die Abbildungen hx, ·i bzw. h·, yi sind keine Nullabbildungen. (c) Ein Tripel (X, Y, h·, ·i) heißt Dualsystem, wenn h·, ·i eine nicht entartete Bilinearform auf X × Y ist. Beispiel 3.22 (a) Sei X ein Prä-Hilbertraum“ (d.h. auch euklidischer Vektorraum). Dann ” ist stets ein Dualsystem (X, X, h·, ·i ) durch das Skalarprodukt gegeben, d.h. eine Bilinearform h·, ·i : X × X → R mit den Eigenschaften i) hx + y, zi = hx, zi + hy, zi ii) hαx, yi = αhx, yi iii) hx, yi = hy, xi iv) hx, xi ≥ 0 ∀x ∈ X v) hx, xi = 0 impliziert x = 0 34 (additiv) (homogen) (symmetrisch) (positiv) (definit) (Ein vollständiger Prä-Hilbertraum heißt Hilbertraum, das werden wir später noch benutzen.) Die Definitheit impliziert, dass das Skalarprodukt nicht entartet ist. (b) Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt. Sei X = Y = C(G, K) der Raum der K−wertigen stetigen Funktionen mit der nicht entarteten Bilinearform Z x(s) y(s) ds . hx, yi = G Dies ist ein Dualsystem. Im Fall K = C ist h·, ·i nicht das Skalarprodukt! (c) Sei X normierter Raum über K und Y = X ∗ = L(X, K) sein Dualraum und hx, f i = f (x) die kanonische Dualitätsabbildung“. Dann ist (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit einer Bilinearform. ” Zu zeigen bleibt, dass diese Bilinearform nicht entartet ist. • Sei f ∈ X ∗ mit f 6= 0. Das bedeutet genau, dass es x ∈ X gibt mit f (x) 6= 0. • Sei x ∈ X mit x 6= 0. Nach einem Satz von Hahn-Banach gibt es ein Funktional f ∈ X ∗ mit f (x) = kxk. Also ist f (x) 6= 0. Definition 3.23 Seien (X1 , Y1 ) und (X2 , Y2 ) zwei Dualsysteme. Zwei Operatoren T ∈ L(X1 , X2 ) und S ∈ L(Y2 , Y1 ) heißen dual oder adjungierte Operatoren zueinander, wenn für alle x ∈ X1 , y ∈ Y2 gilt hT x, yi2 = hx, Syi1 . Lemma 3.24 Zu einem Operator T ∈ L(X1 , X2 ) existiert höchstens ein adjungierter Operator S ∈ L(Y2 , Y1 ). Beweis: Seien S1 , S2 : Y2 → Y1 beide adjungiert zu T . Dann ist hx, (S1 − S2 )yi = hT x − T x, yi = 0 für alle x ∈ X1 und y ∈ Y2 . Also gilt (S1 − S2 )y = 0 für alle y ∈ Y2 . Da die Bilinearform nicht entartet ist, folgt S1 − S2 = 0. 2 Bemerkung: – Wir bezeichnen den adjungierten Operator zu T – wenn er existiert – mit T ∗ . Weiter gilt dann (T ∗ )∗ = T . – Mit dem Rieszschen Darstellungssatz lässt sich in reellen Hilberträumen zeigen, das stets ein adjungierter Operator bzgl. des Skalarprodukts existiert. Beispiel 3.25 (a) Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k stetig oder schwach singulär und Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , t ∈ G , x ∈ C(G) . G In Bezug auf das Dualsystem (C(G), C(G), h·, ·i) mit Z hx, yi = x(s) y(s) ds G 35 ist der adjungierte Operator A∗ durch Z ∗ (A y)(t) = k(s, t) y(s) ds , t ∈ G , y ∈ C(G) , G gegeben (Vertauschung der Integrationsreihenfolge). (b) Sei A : C[0, 1] → C[0, 1] durch (Ax)(t) = x(0) definiert ( Punktauswertung“). Dann ist A ” R1 kompakt, besitzt aber keinen adjungierten Operator bzgl. hx, yi = x(s) y(s) ds. 0 Denn wäre S ∈ L(C[0, 1], C[0, 1]) adjungiert zu A, so würde gelten Z1 Z1 x(0) y(t) dt = Z1 (Ax)(t) y(t) dt = 0 x(t) (Sy)(t) dt 0 für alle x, y ∈ C[0, 1] . 0 Wir halten y fest, setzen z = Sy und wählen x(t) = t z(t). Dann erhalten wir wegen x(0) = 0 R1 die Gleichung t z(t)2 dt = 0, also z = 0. Dies gilt für alle y. Daher ist S die Nullabbildung. 0 Dies kann aber nicht sein. 2 Lemma 3.26 Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem und {x1 , . . . , xn } ⊂ X linear unabhängig. Dann existieren {y1 , . . . , yn } ⊂ Y mit der Eigenschaft hxi , yj i = δij , i, j = 1, . . . , n . Beweis: Wir benutzen vollständige Induktion nach n: n = 1: Da h·, ·i nicht entartet ist, existiert zu x1 ∈ X \ {0} ein y1 mit hx1 , y1 i = 1. n à n + 1: Sei die Behauptung für alle n-elementigen Teilmengen von X richtig und sei {x1 , . . . , xn+1 } ⊂ X linear unabhängig. Zu festem m ∈ {1, . . . , n + 1} betrachte die n-elementige Teilmenge {x1 , . . . , xn+1 } \ {xm }. Nach Induktionsvoraussetzung existiert (m) yj ∈ Y , j = 1, . . . , n + 1, j 6= m, mit (m) ® xi , yj = δij für i, j ∈ {1, . . . , n + 1} \ {m}. Da {x1 , . . . , xn+1 } linear unabhängig ist, gilt xm − n+1 X (m) ® xm , yk xk 6= 0 . k=1 k6=m Also gibt es ein zm ∈ Y mit αm := n+1 D E X (m) xm − hxm , yk ixk , zm 6= 0 . k=1 k6=m Setze nun ym = 1 zm − αm n+1 X (m) hxk , zm i yk ∈ Y. k=1 k6=m 36 Es folgt n+1 E D X 1 (m) hxm , zm i − xm , hx , z i y m k k αm hxm , ym i = k=1 k6=m = 1 αm * xm − n+1 X + (m) hxm , yk i xk , zm = 1, k=1 k6=m und für j 6= m: hxj , ym i = n+1 X 1 (m) hxk , zm i − hxk , zm i hxk , yk i = 0. αm | {z } k=1 k6=m = δjk Also gilt für die so konstruierte Menge {y1 , . . . , yn+1 } die behauptete Beziehung hxi , yj i = δij für alle i, j = 1, . . . , n + 1. 2 Bemerkung: Die Aussage im Lemma ist symmetrisch, d.h. zu linear unabhängigen {y1 , . . . , yn } ⊂ Y existiert eine entsprechende n-elementige Menge {x1 , . . . , xn } ⊂ X. Satz 3.27 (1. Fredholm’scher Satz) Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem, X, Y normierte Räume und A : X → X, A∗ : Y → Y lineare, kompakte, zueinander adjungierte Operatoren. Dann haben die Nullräume N (I − A) und N (I − A∗ ) dieselbe endliche Dimension. Beweis: Nach dem 1. Riesz’schen Satz sind die Nullräume endlich dimensional. Setze m = dim N (I − A) und n = dim N (I − A∗ ) . Wegen der Symmetrie reicht es, m ≥ n zu zeigen. Wir führen einen Widerspruchsbeweis und nehmen m < n an. 1. Fall m = 0: Dann ist n > 0, und wir können eine Basis Sei {y1∗ , . . . , yn∗ } ⊂ N (I − A∗ ) wählen sowie eine dazu duale Vektoren“ {x∗1 , . . . , x∗n } ⊂ X nach Lemma 3.26 (genauer: nach ” der diesem Lemma folgenden Bemerkung). Da m = 0 ist, ist I − A invertierbar (Satz 3.18). Also existiert zu x∗1 ein x ∈ X mit (I − A)x = x∗1 , und es gilt 1 = hx∗1 , y1∗ i = h(I − A)x, y1∗ i = hx, (I − A∗ )y1∗ i = 0 . Aus diesem Widerspruch folgt, dass auch n = 0 sein muss. 2. Fall m > 0: (Beachte: I − A ist nun nicht invertierbar.) Sei {x1 , . . . , xm } ⊂ N (I − A) eine Basis und wiederum {y1∗ , . . . , yn∗ } ⊂ N (I − A∗ ) Basis. Nach Lemma 3.26 existieren zugehörige duale Vektoren“ {y1 , . . . , ym } ⊂ Y und {x∗1 , . . . , x∗n } mit ” hxi , yj i = δij , i, j = 1, . . . , m und hx∗i , yj∗ i = δij , 37 i, j = 1, . . . , n. Definiere den linearen Projektionsoperator P : X → N (Lr ) ⊂ X zur Zerlegung X = N (Lr ) ⊕ Lr (X) mit Rieszscher Zahl r zu L = I − A (3. Rieszscher Satz). Dann ist P kompakt (siehe Übung). Weiter sei T : X → X durch m X Tx = hx, yi i x∗i , x∈X, i=1 gegeben. Es folgt T (X) ⊂ span {x∗1 , . . . , x∗m }, d.h die Einschränkung T |N (Lr ) von T auf N (Lr ) ist ein linearer Operator von einem endlich dimensionalen Raum in einen endlich dimensionalen Raum. Lineare Operatoren zwischen endlich dimensionalen Räumen sind immer beschränkt (!), also ist T P : X → span {x∗1 , . . . , x∗m } ⊂ X kompakt. Wir zeigen nun, dass I − A + T P : X → X bijektiv ist. Wegen der Rieszschen Theorie genügt es, die Injektivität zu beweisen: Sei x ∈ X mit (I − A + T P )x = 0. Dann ist (I − A)x = −T P x . (3.4) Also ist 0 = hx, (I − A∗ )yj∗ i = h(I − A)x, yj∗ i = −hT P x, yj∗ i = − m X hP x, yi i hx∗i , yj∗ i = −hP x, yj i . i=1 Damit gilt TPx = m X i=1 und aus (3.4) ergibt sich x ∈ N (I − A) ⊂ Px = x = hP x, yi ix∗i = 0 , | {z } = 0 N (Lr ). m X Es folgt αi xi für αi ∈ R i=1 und 0 = hP x, yj i = m X αi hxi , yj i = αj für j = 1, . . . , m . i=1 Also ist x = 0 und somit I − A + T P invertierbar. Insbesondere muss zu x∗m+1 ein x ∈ X existieren mit (I − A + T P )x = x∗m+1 . Es folgt wieder der Widerspruch ∗ ∗ ∗ ∗ 1 = hx∗m+1 , ym+1 i = h(I − A + T P )x, ym+1 i = h(I − A)x, ym+1 i = hx, (I − A∗ )ym+1 i = 0, ∗ i = 0. da T P x ∈ span{x∗1 , . . . , x∗m } ist, also hT P x, ym+1 Also erhalten wir n = m . 2 Satz 3.28 (2. Fredholmscher Satz) Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit normierten Räumen X, Y und A ∈ L(X, X), A∗ ∈ L(Y, Y ) seien kompakt und zueinander adjungiert. Dann gilt (I − A)(X) = ¡ ¢⊥ © ª N (I − A∗ ) = x ∈ X : hx, yi = 0 ∀y ∈ N (I − A∗ ) (I − A∗ )(Y ) = ¡ ¢⊥ © ª N (I − A) = y ∈ Y : hx, yi = 0 ∀x ∈ N (I − A) . und 38 Beweis: Wegen der Symmetrie genügt es, die erste Identität zu zeigen. ⊂“ Sei z ∈ (I − A)(X), d.h. z = (I − A)x für ein x ∈ X. Sei ferner y ∈ N (I − A∗ ). Dann ist ” hz, yi = h(I − A)x, yi = hx, (I − A∗ )yi = 0 . ¡ ¢⊥ Also ist z ∈ N (I − A∗ ) . ¡ ¢⊥ ⊇“ Sei z ∈ X mit z ∈ N (I − A∗ ) . Nach dem 1. Fredholmschen Satz gilt m = dim(I − A) = ” dim N (I − A∗ ). 1. Fall: m = 0. Dann ist I − A injektiv, also mit der Riesztheorie beschränkt invertierbar. Somit gibt es ein x ∈ X mit z = (I − A)x und daher z ∈ (I − A)(X). 2. Fall: m > 0. Seien T, P die in Beweis zu Satz 3.27 definierten Operatoren. Dann gilt wie im letzten Beweis, dass I −A+T P bijektiv ist. Also existiert x ∈ X mit (I −A+T P )x = z. Es bleibt zu zeigen, dass T P x = 0 ist. Es gilt 0 = hz, yj∗ i = h(I − A + T P )x, yj∗ i m X = hP x, yi i hx∗i , yj∗ i + h(I − A)x, yj∗ i | {z } i=1 = δij = hP x, yj i + hx, (I − A∗ )yj∗ i = hP x, yj i für j = 1, . . . , m . | {z } = 0 Also folgt T P x = m P hP x, yi ix∗i = 0. 2 i=1 Folgerung 3.29 (Die Fredholmsche Alternative) Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit normierten Räumen X, Y und A ∈ L(X, X) und A∗ ∈ L(Y, Y ) zueinander adjungierte kompakte Operatoren. Dann gilt genau eine der folgenden Alternativen (A) oder (B): (A) Die Gleichungen x − Ax = u und y − A∗ y = v (3.5) besitzen für jede rechte Seite u ∈ X bzw. v ∈ Y genau eine Lösung x ∈ X bzw. y ∈ Y . (B) Die Lösungsmengen der homogenen Gleichungen x − Ax = 0 und y − A∗ y = 0 haben die gleiche endliche Dimension. Die inhomogenen Gleichungen (3.5) besitzen genau für solche rechten Seiten u ∈ X bzw. v ∈ Y eine Lösung, für die gilt: hu, yi = 0 für alle y ∈ N (I − A∗ ) bzw. hx, vi = 0 für alle x ∈ N (I − A) . 39 Bemerkung: Im Spezialfall des kanonischen Dualsystems, d.h. X normierter Raum, Y = X ∗ = L(X, R) Dualraum und Bilinearform hx, f i = f (x) für x ∈ X , f ∈ X∗ , beinhaltet die allgemeine Fredholmtheorie die sogenannte Schaudertheorie, die z.B. bei partiellen Differentialgleichungen Existenzaussagen liefert. Die Fredholmschen Resultate zu linearen Integralgleichungen (z.B. im Raum der stetigen Funktionen) sind aber durch die Schaudertheorie nicht erreichbar. Wir formulieren die Fredholmsche Alternative nun für Integralgleichungen. Satz 3.30 Sei G ⊂ Rα offen und beschränkt, k ein stetiger oder schwach singulärer Kern. Dann gilt genau einer der beiden folgenden Fälle: (A) Die Integralgleichungen Z x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) Z und x̃(t) − G k(s, t) x̃(s) ds = ỹ(t) (3.6) G besitzen je für y ∈ C(G) bzw. ỹ ∈ C(G) eine eindeutige Lösung x ∈ C(G) bzw. x̃ ∈ C(G). (B) Die homogenen Integralgleichungen Z x(t) − k(t, s) x(s) ds = 0 (3.7) k(s, t) x(s) ds = 0 (3.8) G Z x̃(t) − G besitzen dieselbe endliche Anzahl an stetigen linear unabhängigen Lösungen, und die inhomogenen Integralgleichungen (3.6) sind genau dann lösbar, wenn für y ∈ C(G) die Gleichung Z y(t) ψ(t) dt = 0 G für alle ψ gilt, die die homogene Integralgleichung (3.8) lösen, und wenn für ỹ ∈ C(G) Z ỹ(t) φ dt = 0 G ist für alle φ, die die homogene Integralgleichung (3.7) lösen. Beispiel 3.31 (Sturmsches Randwertproblem) In Beispiel 1.3 und einer Aufgabe hatten wir gesehen, dass das Randwertproblem x00 (t) − q(t)x(t) = f (t) , x(0) = x(1) = 0 , (3.9) mit q, f ∈ C[0, 1] äquivalent zur Fredholmschen Integralgleichung Z1 x(t) − Z1 q(s) k(t, s) x(s) ds = 0 k(t, s) f (s) ds , 0 40 t ∈ [0, 1] , (3.10) mit ( (t − 1) s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 , k(t, s) = (s − 1) t , 0 ≤ t < s ≤ 1 , ist. Für q = 0 folgt insbesondere, dass die Funktion Z1 x(t) = k(t, s) f (s) ds , t ∈ [0, 1] , 0 die (eindeutig bestimmte) Lösung ist von x00 = f in [0, 1] und x(0) = x(1) = 0. 1. Behauptung: Sei q ≥ 0 auf [0, 1]. Dann besitzt die Integralgleichung (3.10) und damit das Randwertproblem für jedes f ∈ C[0, 1] genau eine Lösung in C[0, 1]. Beweis: Da die Integralgleichung eine Fredholmgleichung ist, genügt es, die Eindeutigkeit“ zu ” zeigen. Sei also x ∈ C[0, 1] Lösung der homogenen Integralgleichung Z1 x(t) − k(t, s) q(s) x(s) ds = 0 . 0 Dann ist x ∈ C 2 [0, 1] und löst das Randwertproblem x00 (t) − q(t)x(t) = 0 , x(0) = x(1) = 0 . Multiplikation der Differentialgleichung mit x(t) und Integration liefert Z1 £ 00 ¤ x (t) x(t) − q(t) x(t)2 dt = 0 . 0 Mit partieller Integration erhalten wir Z1 − £ ¤ x0 (t)2 + q(t) x(t)2 dt = 0 0 wegen der Randbedingung x(0 = x(1) = 0. Also ist das Integral Null. Da der Integrand nichtnegativ ist (da q ≥ 0 ist), muss er verschwinden, d.h. x0 (t)2 + q(t) x(t)2 auf [0, 1] und daher insbesondere x0 (t) = 0 auf [0, 1]. Also ist x konstant, und aus x(0) = x(1) = 0 folgt x(t) = 0 für t ∈ [0, 1]. Also besitzt die homogene Integralgleichung nur die triviale Lösung. Damit ist (I − A) injektiv und nach der Fredholmschen Alternative (Riesztheorie genügt!) beschränkt invertierbar. Wir haben damit gezeigt, dass das Randwertproblem eindeutig lösbar ist und die Lösung stetig von f ∈ C[0, 1] abhängt. Bemerkung: Am Beispiel des Randwertproblems x00 + π 2 x = 0 in [0, 1], x(0) = x(1) = 0, das durch x(t) = sin(πt) gelöst wird, erkennen wir, dass man ohne die Vorzeichenbedingung an q i.A. keine Eindeutigkeit erhält. 2. Behauptung: Sei jetzt q ∈ C[0, 1] beliebig. Wir wenden jetzt Rauf die Integralgleichung (3.10) 1 im Dualsystem X = Y = C[0, 1] mit der Bilinearform hx, yi = 0 x(t)y(t) dt die Fredholmsche Alternative an und zeigen: Das Randwertproblem ist genau für die f ∈ C[0, 1] lösbar, die die Bedingung Z1 f (t) z(t) dt = 0 0 41 erfüllen für alle Lösungen z ∈ C[0, 1] des homogenen Randwertproblems z 00 − qz = 0 , z(0) = z(1) = 0 . (3.11) Beweis: Wir haben die Frage der Existenz von Lösungen von (3.10) zu untersuchen. Der Kern der Integralgleichung ist gegeben durch k̃(t, s) = q(s) k(t, s). Daher hat der adjungierte Integraloperator den Kern k̃(s, t) = q(t) k(s, t). Der Lösungsraum der homogenen Gleichung w−A∗ w = 0 besteht also aus den Lösungen der Gleichung (da k(s, t) = k(t, s)) Z1 w(t) − q(t) k(t, s) w(s) ds = 0 . (3.12) 0 Sei zuerst f senkrecht auf den Lösungen z von (3.11). Wir haben zu zeigen, dass die rechte Seite von (3.10) senkrecht steht auf den Lösungen w von (3.12). Sei also w eine Lösung von (3.12) und setze Z1 z(t) = k(t, s) w(s) ds , t ∈ [0, 1] . 0 Dann ist w = q z, und z ist die eindeutig bestimmte Lösung von z 00 = w,Rz(0) = z(1) = 0. Also 1 löst z das Problem z 00 − qz = 0 in [0, 1] und z(0) = z(1) = 0. Daher ist 0 z(t)f (t) dt = 0 und daher nach Einsetzen von z: Z1 Z1 Z1 Z1 k(t, s) f (t) dt w(s) ds , 0 = k(t, s) w(s) f (t) ds dt = 0 0 0 0 was zu zeigen war. Sei umgekehrt das Randwertproblem (3.9) lösbar und z Lösung von (3.11). Wir können wieder über die Integralgleichungen gehen oder aber einfacher mit partieller Integration schließen: Z1 Z1 f (t) z(t) dt = 0 3.4 £ 00 ¤ x (t) − q(t) x(t) z(t) dt = 0 Z1 £ ¤ x(t) z 00 (t) − q(t) z(t) dt = 0 . 0 Spektraltheorie kompakter Operatoren Ziel dieses Abschnitts ist, eine genauere Charakterisierung des Bildraums eines kompakten Operators herzuleiten. Dazu ist der Begriff des Eigenwerts entscheidend. Definition 3.32 (Eigenwert, Spektrum) Sei X normierter Raum über K = R oder C, A ∈ L(X, X). Die Menge ρ(A) = {λ ∈ K : λI − A beschränkt invertierbar} heißt Resolventenmenge. Das Komplement σ(A) = K \ ρ(A) heißt das Spektrum von A und die Zahl r(A) = sup{|λ| : λ ∈ σ(A)} ist der Spektralradius. Die Werte λ ∈ σ(A), für die λI − A nicht injektiv ist, heißen Eigenwerte, die Unterräume N (λI − A) Eigenräume, und Elemente u ∈ N (λI − A) sind die zugehörigen Eigenelemente (Eigenvektoren oder Eigenfunktionen). 42 Bemerkung: Beachte, dass für Matrizen A ∈ Rn×n (d.h. X endlich dimensional) das Spektrum und die Menge der Eigenwerte identisch sind. Dies ist in beliebigen normierten Räumen im allgemeinen nicht mehr richtig. Satz 3.33 Sei X normierter Raum2 mit dim X = ∞ und A : X → X ein kompakter, linearer Operator. Dann gilt: (a) 0 ∈ σ(A) und σ(A) \ {0} besteht aus höchstens abzählbar vielen Eigenwerten. (b) Die Eigenwerte können sich nur in 0 häufen. (c) Die Dimension von Eigenräumen zu Eigenwerten λ 6= 0 ist endlich und wird als die Vielfachheit von λ bezeichnet. Beweis: Angenommen 0 ∈ ρ(A). Dann ist A beschränkt invertierbar. Aber dann ist I = AA−1 kompakt im Widerspruch zur unendlichen Dimension von X. Also ist 0 ∈ σ(A). Sei nun λ 6= 0. 1. Fall: λI − A injektiv. Mit der Riesztheorie ist λI − A beschränkt invertierbar, d.h. λ ∈ ρ(A). 2. Fall: L = λI − A ist nicht injektiv, d.h. λ ∈ σ(A). Weiter folgt aus dem 1. Rieszschen Satz, dass der Eigenraum N (λI − A) endlich dimensional ist. Alle weiteren Aussagen zeigen wir nun, indem wir beweisen, dass zu jedem R > 0 höchstens endlich viele Eigenwerte λ ∈ R mit |λ| > R existieren. Angenommen es existiert eine Folge (λn ) mit λn 6= λm für n 6= m und λn ≥ R. Seien xn zugehörige Eigenvektoren. Wir zeigen induktiv: Behauptung: {x1 , . . . , xN } sind linear unabhängig für jedes N ∈ N. Induktionsanfang, N = 2: Angenommen x1 = αx2 . Dann gilt λ1 α x2 = λ1 x1 = Ax1 = αAx2 = αλ2 x2 , d.h. (λ1 − λ2 )αx2 = 0. Also ist α = 0 im Widerspruch zu x1 6= 0. Somit sind x1 , x2 linear unabhängig. n P Induktionsschritt: Sei o.B.d.A. xn+1 = αj xj . Dann gilt j=1 λn+1 n X αj xj = λn+1 xn+1 = Axn+1 = j=1 bzw. n X αj λj xj j=1 n X (λn+1 − λj ) αj xj = 0 . j=1 Es folgt αj = 0 im Widerspruch zur Annahme. Daher sind die Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten linear unabhängig. Setze nun Un = span {x1 , . . . , xn }. Es gilt Un−1 $ Un . Nach dem Lemma von Riesz existiert somit zn ∈ Un mit kzn k = 1 und 1 kzn − xk ≥ für alle x ∈ Un−1 . 2 n P Sei zn = ρj xj . Dann ist j=1 (λn I − A)zn = n−1 X (λn − λj ) ρj xj ∈ Un−1 . j=1 2 Wir beschränken uns wieder auf reelle Räume. Die Aussagen gelten aber auch für normierte Räume über C. 43 Für m < n folgt Azn − Azm = λn zn − (λn zn − Azn + Azm ) . | {z } =: v ∈ Un−1 Also ist ° ° ° ° 1 R 1 ° kAzn − Azm k = |λn | ° °zn − λn v ° ≥ 2 |λn | ≥ 2 , und daher besitzt (Azn ) keine konvergente Teilfolge im Widerspruch zur Kompaktheit von A. 2 Erinnerung: Ein normierter Raum X mit einem Skalarprodukt h·, ·i : X × X → R heißt PräHilbertraum. Wir fassen ab jetzt Prä-Hilberträume zusammen mit ihrem Skalarprodukt als Dualsysteme (X, h·, ·i) auf. Das in der Vorlesung wichtigste Beispiel ist der Prä-Hilbertraum X = C(G) der stetigen reellR wertigen Funktionen auf G mit dem Skalarprodukt hx, yi = hx, yiL2 = x(t) y(t) dt. In einem G Prä-Hilberraum gilt stets die Cauchy Schwarzschen Ungleichung (Beweis siehe Beispiel 2.2) ¯ ¯ ¯hx, yi¯ ≤ kxk kyk für alle x, y ∈ X . Definition 3.34 Sei X Prä-Hilbertraum. A ∈ L(X, X) heißt selbstadjungiert, wenn der adjungierte Operator A∗ zu A existiert und A∗ = A ist, d.h. wenn gilt hAx, yi = hx, Ayi für alle x, y ∈ X . Beispiel: Der lineare Integraloperator A mit Z (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , t ∈ G, G und symmetrischem Kern, d.h. k(t, s) = k(s, t) für t, s ∈ G, ist selbstadjungiert bzgl. h·, ·iL2 . Dies sieht man durch Vertauschung der Integrationsreihenfolge. Satz 3.35 Sei X Prä-Hilbertraum, A : X → X kompakter, selbstadjungierter, linearer Operator. Dann gilt: (i) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal, d.h. hx, yi = 0 für x Eigenvektor zum Eigenwert λ und y Eigenvektor zum Eigenwert µ mit λ 6= µ. (ii) kAk oder −kAk ist Eigenwert. (iii) Der Spektralradius ist gegeben durch r(A) = max{|λ| : λ EW zu A} = max x6=0 Bemerkung: hAx,xi kxk2 |hAx, xi| = kAk kxk2 heißt Rayleigh-Quotient. Beweis: i) Sei x Eigenvektor zum Eigenwert λ und y Eigenvektor zum Eigenwert µ. Aus λ hx, yi = hAx, yi = hx, Ayi = µ hx, yi folgt (λ − µ) hx, yi = 0. Für verschiedene reele Eigenwerte λ 6= µ ergibt sich hx, yi = 0. 44 Zu ii) und iii): Setze ρ = sup x6=0 |hAx, xi| = sup |hAx, xi| . kxk2 kxk=1 Dann gilt mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung: ρ ≤ sup x6=0 kAxk kxk kAxk = sup = kAk . 2 kxk x6=0 kxk Weiter folgt für beliebiges x ∈ X und δ > 0, wenn man x̃ = δx sowie ỹ = 1δ Ax setzt,: 4kAxk2 = 2 hAx̃, ỹi + 2 hỹ, Ax̃i = 2 hAx̃, ỹi + 2 hAỹ, x̃i = hA(x̃ + ỹ), x̃ + ỹi − hA(x̃ − ỹ), x̃ − ỹi ¯ ¯ ® ® ≤ ¯hA(x̃ + ỹ), x̃ + ỹ | + ¯hA(x̃ − ỹ), x̃ − ỹ | ¡ ¢ ≤ ρ kx̃ + ỹk2 + kx̃ − ỹk2 ¡ ¢ = 2 ρ kx̃k2 + kỹk2 (Parallelogrammgleichung) Sei jetzt x mit Ax 6= 0 und ähle speziell δ 2 = kAxk kxk . Dann lautet die letzte Ungleichung: kAxk2 ≤ ρ kxk kAxk , bzw. kAxk ≤ ρ kxk, und diese gilt auch für die x mit Ax = 0. Also ist kAk ≤ ρ. Zusammen erhalten wir ρ = kAk. Sei λmax Eigenwert mit |λmax | = r(A) (nach Satz 3.33 existiert λmax ) und xmax zugehöriger Eigenvektor. Es folgt |hAxmax , xmax i| r(A) = |λmax | = ≤ ρ. kxmax k2 Es bleibt noch zu zeigen, dass das Supremum ρ angenommen wird und dass ρ ≤ r(A) gilt. Sei ¡ dazu (x ¢ n ) ⊂ X eine Folge mit kxn k = 1 und |hAxn , xn i| → ρ, n → ∞. Da die Folge hAxn , xn i beschränkt ist, existiert eine Teilfolge xnj mit hAxnj , xnj i −→ σρ , j → ∞, mit σ ∈ {−1, +1} . Es folgt kAxnj − σρ xnj k2 = kAxnj k2 + ρ2 − 2σρ hAxnj , xnj i j→∞ ≤ kAk2 + ρ2 − 2σρhAxnj , xnj i −→ 0 . Da A kompakt ist, gibt es weiterhin zu (Axnj ) eine konvergente Teilfolge Axn` → x̃ ∈ X, ` → ∞. Also gilt σρ xn` −→ x̃ ∈ X , ` → ∞ , und hieraus kx̃k = ρ > 0, bzw. xn` −→ 1 x̃ := x 6= 0 , σρ und wir erhalten Ax − σρx = 0. Somit ist x ∈ X Eigenvektor zum Eigenwert σρ mit kxk = 1, und es gilt |hAx, xi| = ρ ≤ r(A). Damit ist der Beweis schließlich beendet. 2 Definition 3.36 Ein vollständiger Prä-Hilbertraum heißt Hilbertraum. 45 Beispiele: a) Rn mit hx, yi = n P i=1 xi yi b) L2 (G) mit hx, yiL2 = R ist ein Hilbertraum. x(t) y(t) dt ist ein Hilbertraum. G c) Der Sobolevraum X = H 1 (a, b) = © ª Rt x ∈ L2 (a, b) : ∃α ∈ C und x0 ∈ L2 (a, b) mit x(t) = α + x0 (s) ds f.ü. a ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt hx, yiH 1 = (x, y)2 + (x0 , y 0 )2 . x0 heißt verallgemeinerte Ableitung von x. Definition 3.37 und Lemma: Sei X Prä-Hilbertraum und M ⊂ X. Der abgeschlossene Unterraum © ª M ⊥ := x ∈ X : hx, vi = 0 ∀v ∈ M ⊂ X heißt orthogonales Komplement von M . Es gilt M ⊂ (M ⊥ )⊥ , und aus M1 ⊂ M2 folgt M2⊥ ⊂ M1⊥ . Beweis: (i) M ⊥ ist offensichtlich ein Unterraum. (ii) M ⊥ ist abgeschlossen, da hx, yi stetig in x ist (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung). (iii) x ∈ M impliziert hx, vi = 0 für alle v ∈ M ⊥ . Also ist M ⊂ (M ⊥ )⊥ . (iv) Sei x ∈ M2⊥ . Dann gilt hx, vi = 0 für alle v ∈ M2 . Es folgt hx, vi = 0 für alle v ∈ M1 , d.h. x ∈ M1⊥ . 2 Satz 3.38 (Projektionssatz): Sei U ⊂ X abgeschlossener Unterraum eines Hilbertraums X. Dann gilt X = U ⊕ U⊥ , d.h. jedes Element x ∈ X lässt sich eindeutig zerlegen in x = û + v̂ mit û ∈ U , v̂ ∈ U ⊥ . û heißt orthogonale Projektion von x auf U . Das Element û ∈ U ist die eindeutig bestimmte beste Approximation an x, d.h. kx − ûk ≤ kx − uk für alle u ∈ U . Bemerkung: Die Abbildung P : X → U mit P x = û definiert einen Projektionsoperator, d.h. P2 = P. Beweis: (i) U ∩ U ⊥ = {0}, da h·, ·i definit ist. (ii) Sei x ∈ X beliebig. Wir zeigen zunächst die Existenz einer besten Approximation in U , dass es ein û ∈ U gibt mit kx − ûk = β := inf kx − uk. u∈U 46 Sei (un ) ⊂ U eine Minimalfolge“, d.h. kx − un k → β, n → ∞. Aus der Parallelogrammgleichung ” folgt ¡ ¢ 2 kx − un k2 + kx − um k2 = k(x − un ) + (x − um )k2 + k(x − un ) − (x − um )k2 ° °2 ° ° 1 2 ° = 4 °x − (un + um )° ° + kun − um k , 2 und weiter 2 kun − um k ° °2 ° ° ¡ ¢ 1 2 2 ° = 2 kx − un k + kx − um k − 4 °x − (un + um )° ° 2 ¡ ¢ ≤ 2 kx − un k2 + kx − um k2 − 4 β 2 −→ 0 , für n, m → ∞, d.h. (un ) ⊂ U ist eine Cauchy-Folge. Also konvergiert un → û ∈ U und wir erhalten kx − ûk = β. (iii) Zu zeigen ist schließlich noch (x − û) ∈ U ⊥ . Für u ∈ U gilt kx − uk2 − kx − ûk2 = hx, xi − hx, ui − hu, xi + hu, ui − hx, xi + hx, ûi + hû, xi − hû, ûi = ku − ûk2 + hx, û − ui + hû − u, xi + hu, ûi + hû, ui − 2 hû, ûi , also 0 ≤ kx − uk2 − kx − ûk2 = ku − ûk2 + 2 hx − û, û − ui . (3.13) Sei nun v ∈ U beliebig und setze u = û ± εv ∈ U , ε > 0. Dann folgt aus der Abschätzung (3.13) nach Division durch ε ε kvk2 ∓ 2 hx − û, vi ≥ 0 für alle ε > 0. Also ist hx − û, vi = 0, d.h. x − û ∈ U ⊥ . (iv) Zu zeigen bleibt noch die Eindeutigkeit von û. Sei ũ ∈ U eine weitere beste Approximation, d.h. kx − ũk = β. Mit (3.13) erhalten wir ∈U 2 2 0 = kx − ũk − kx − ûk z }| { = kũ − ûk + 2 hx − û, û − ũi . | {z } 2 =0 Also ist ũ = û. 2 Satz 3.39 (Spektralsatz für kompakte, selbstadjungierte Operatoren in Hilberträumen) Sei X Hilbertraum, A : X → X linear, kompakt und selbstadjungiert mit A 6= 0. Dann gilt: i) Es gibt mindestens einen und höchstens abzählbar unendlich viele Eigenwerte von A. ii) Die Eigenräume zu Eigenwerten λ 6= 0 sind endlich dimensional und orthogonal zueinander. iii) N (A) steht senkrecht auf allen Eigenräumen zu Eigenwerten λ 6= 0. iv) Die Eigenwerte besitzen höchstens den Wert λ = 0 als Häufungspunkt. 47 v) Seien die λj 6= 0 geordnet gemäß |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, wobei die Eigenwerte entsprechend ihrer Vielfachheit aufgelistet sind, und xn zugehörige orthonormierte Eigenvektoren sind. Dann gibt es zu jedem x ∈ X genau ein x0 ∈ N (A) mit x = x0 + ∞ X hx, xn i xn und Ax = n=1 ∞ X λn hx, xn i xn , n=1 wobei x0 die orthogonale Projektion von x auf N (A) ist. Bemerkungen: a) Die Reihen in v) sind endliche Summen, wenn es nur endlich viele Eigenwerte gibt. b) Die Konvergenz der Reihen ist bzgl. der Hilbertraumraumnorm in X zu verstehen. c) Ist A injektiv, so gilt X = span {x1 , x2 , . . .} (d.h. ein vollständiges Orthonormalsystem, siehe unten). Insbesondere existieren unendlich viele Eigenwerte, wenn X unendlichdimensional ist. d) Definiert man für λ ∈ R den abgeschlossenen Unterraum Eλ = N (λI − A) und bezeichnet man mit Pλ : X → Eλ die orthogonale Projektion auf den Eigenraum, so ist für λ ∈ σ(A) \ {0}: X hx, xj i xj Pλ x = j:λj =λ der Projektor von X auf Eλ . Die Aussage v) lässt sich schreiben als X X X Pλ x und Ax = λj Pλj x = x = P0 x + Pλj x = j j λ∈σ(A) X λ Pλ x . λ∈σ(A) Ähnlichen Aussagen lassen sich auch bei selbstadjungierten, aber nicht kompakten (sogar unbeschränkten) Operatoren machen, wie sie in der Quantenmechanik auftauchen. Beweis: i) – iv) folgen aus Satz 3.33 und Satz 3.35. Es seien {x1 , . . . , xN } orthonormierte Eigenelemente zu den Eigenwerten λj . Betrachte yN = N P x− hx, xn i xn . Dann gilt n=1 kyN k2 = D x− N N E X X hx, xk ixk , x − hx, xk ixk k=1 k=1 = hx, xi − 2 N X k=1 = kxk2 − N X N X N X |hx, xk i| + hx, xk i hx, xj i hxk , xj i | {z } k=1 j=1 =δkj |hx, xk i|2 . k=1 Wir nehmen jetzt an, dass es unendliche viele Eigenwerte gibt. Dann erhalten wir aus der letzten Abschätzung kyN k ≤ kxk für N ∈ N und die Besselsche Ungleichung ∞ X |hx, xk i|2 ≤ kxk2 . k=1 48 µ ∞ P Insbesondere konvergiert die Reihe für N > M durch, so erhält man n=1 |hx, xn kyN − yM k 2 i|2 ¶ . Führt man die Argumentation für yN − yM N X ≤ |hx, xn i|2 n=M +1 und die rechte Seite konvergiert gegen Null für N, M → ∞. Daher ist (yN )N eine Cauchy-Folge in X und daher konvergent, yN → x0 ∈ X, und es gilt x = x0 + ∞ X hx, xk i xk . k=1 Gibt es nur endlich viele Eigenwerte, so gilt dies Gleichung analog für x0 = yN . Es bleibt noch zu zeigen, dass Ax0 = 0 gilt und dass x0 die orthogonale Projektion von x auf N (A) ist. Setze Un = {x1 , . . . , xn }⊥ und An = A|Un . Nach Definition ist yn ∈ Un , denn hyn , xj i = hx, xj i − n X hx, xk i hxk , xj i = 0 , | {z } k=1 j = 1, . . . , n . δkj Weiter bildet An den Raum Un in sich ab, denn hAx, xj i = hx, Axj i = λj hx, xj i = 0 , j = 1, . . . , n , für x ∈ Un . Also können wir An auffassen als kompakten selbstadjungierten Operator von Un in sich. Die Eigenwerte von An sind offenbar λj , j ≥ n + 1. Nach Satz 3.35 gilt: kAn k = r(An ) = |λn+1 | → 0 , n → ∞, (wenn es unendlich viele Eigenwerte gibt). Also folgt kAyn k = kAn yn k ≤ kAn k kyn k ≤ |λn+1 | kxk → 0 , n → ∞. Aus der Stetigkeit von A folgt dann Ax0 = lim Ayn = 0. n→∞ Schließlich erhalten wir für y ∈ N (A) hx − x0 , yi = lim n→∞ N DX E hx, xn ixn , y n=1 = lim n→∞ N X hx, xn i hxn , yi = 0 . | {z } n=1 =0 2 Wir wenden diesen Satz jetzt auf Integraloperatoren n. Satz 3.40 (Spektralsatz für Integraloperatoren) Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k 6= 0 stetiger oder schwach singulärer Kern mit α < k sei symmetrisch, d.h. k(t, s) = k(s, t). Dann gilt d 2 und (i) Es gibt endlich oder abzählbar unendlich viele Eigenwerte λj . Für die zugehörigen Eigenfunktionen xj , d.h. Lösungen xj ∈ L2 (G) zu Z λj xj (t) − k(t, s) xj (s) ds = 0 , t ∈ G , G gilt hxi , xj iL2 = 0 für λi 6= λj , und sogar xj ∈ C(G) für die Eigenfunktionen mit λj 6= 0. 49 (ii) λ 6= 0 ist entweder einer der Eigenwerte λj oder die Integralgleichung Z λ x(t) − k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ G , G besitzt für jedes y ∈ L2 (G) genau eine Lösung x ∈ L2 (G). (iii) Es seien die Eigenwerte λ 6= 0 gemäß ihrer Vielfachheit aufgeführt und durchnummeriert, |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, mit zugehörigen, orthonormalen Eigenfunktionen xj . Dann gilt für x ∈ L2 (G) und der entsprechenden orthogonalen Projektion x0 ∈ N (A) ⊂ L2 (G) die Darstellung ∞ X x = x0 + hx, xn iL2 xn n=1 (Konvergenz im L2 -Sinne!) und Ax = ∞ X λn hx, xn iL2 xn , n=1 wobei die letzte Reihe sogar gleichmäßig konvergiert. Der Beweis folgt direkt aus dem Spektralsatz, wobei die Regularität xj ∈ C(G) schon in Beispiel 2.19 gezeigt wurde. Es bleibt dann nur noch die P gleichmäßige Konvergenz der Reihe für Ax zu zeigen. Definiere dazu die Partialsumme zN = N n=1 hx, xn iL2 xn . Dann konvergiert kx − zN kL2 gegen Null, und es ist wegen Axn = λn xn : ° ° N ° ° X ° ° λn hx, xn iL2 xn ° = kAx − AzN k∞ ≤ kAkL2 →C kx − zN kL2 , °Ax − ° ° n=1 ∞ ¢ ¡ da der Operator nach Beispiel 2.19 beschränkt ist von L2 (G) nach C(G), k · k∞ . 2 Satz 3.41 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k 6= 0 stetiger oder schwach singulärer Kern mit α < d2 und k sei wieder symmetrisch. Es seien die Eigenwerte λ 6= 0 gemäß ihrer Vielfachheit aufgeführt und durchnummeriert, |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, mit zugehörigen, orthonormalen Eigenfunktionen xj . Dann besitzt der Kern k die Entwicklung (Eigenentwicklung des Kerns) k(t, s) = ∞ X λn xn (t) xn (s) , n=1 wobei die Konvergenz der Reihe zu verstehen ist im Sinne ¯2 Z ¯¯ N ¯ X ¯ ¯ λn xn (t) xn (s)¯ dt → 0 , max ¯k(t, s) − ¯ ¯ s∈G G N → ∞. n=1 Beweis: Sei s ∈ G fest. Dann ist k(·, s) ∈ L2 (G) (weshalb?). Also gilt die Fourierentwicklung (Spektralsatz 3.39) ∞ X ® s k(·, s) = x0 + k(·, s), xn L2 xn n=1 50 in L2 (G). Wir berechnen ® k(·, s), xn L2 = Z Z k(t, s) xn (t) dt = G k(s, t) xn (t) dt = λn xn (s) , (3.14) G und wir erhalten für jedes s ∈ G die Identität xs0 k(·, s) = + ∞ X λn xn (s) xn . n=1 Weiter gilt kxs0 k2 = kxs0 k2 + ∞ X =0 z }| { ® λn xn (s) hxn , xs0 i = k(·, s), xs0 L2 n=1 Z Z k(t, s) xs0 (t) dt = k(s, t) xs0 (t) dt = (Axs0 )(s) = 0 . = G G Also folgt ° °2 N ° ° X ° ° ρN (s) := °k(·, s) − λn xn (s) xn ° ° ° 2 n=1 L ¯2 Z ¯¯ N ¯ X ¯ ¯ = λn xn (s) xn (t)¯ dt → 0 , ¯k(t, s) − ¯ ¯ n → ∞, n=1 G punktweise für alle s ∈ G. Weiter gilt mit (3.14) ρN (s) = kk(·, s)k22 + = kk(·, s)k22 − N X n=1 N X λ2n |xn (s)|2 + N X λ2n |xn (s)|2 − 2 n=1 N X λ2n |xn (s)|2 n=1 λ2n |xn (s)|2 . (3.15) n=1 Also ist ρn (s) monoton fallend für jedes s ∈ G. Der Satz von Dini (kennen Sie den?) impliziert gleichmäßige Konvergenz ρN → 0, N → ∞. Insbesondere folgt kρN k∞ → 0 für N → ∞. 2 Bemerkung: (a) Wenn in Satz 3.41 k ∈ C(G×G) symmetrisch ist und alle Eigenwerte des Integraloperators nicht negativ sind (d.h. A ist positiv“im funktionalanalytischen Sinn dass hx, Axi ≥ 0 für ” alle x ∈ X), so gilt die Eigenentwicklung des Kerns sogar gleichmäßig in s, t ∈ G (Satz von Mercer, siehe Literatur). (b) Unter den Voraussetzungen des Satzes gilt Z Z |k(t, s)|2 dt ds = ∞ X n=1 G G (Man integriere die Gleichung (3.15).) 51 λ2n . Eigenfunktionen eines injektiven, kompakten, selbstadjungierten Operator bilden das wichtigste Beispiel eines vollständigen Orthonormalsystems. Definition 3.42 Ein Hilbertraum X heißt separabel, wenn es eine abzählbare, dichte Teilmenge M ⊂ X gibt. Beispiele: Die Hilberträume Cn und L2 (G) sind separabel. Wähle etwa M als die Menge der Vektoren mit rationalen Koeffizienten bzw. die Polynome mit rationalen Koeffizienten. Definition 3.43 Eine abzählbare Menge von Elementen M = {x1 , x2 , . . .} ⊂ X eines Hilbertraums heißt Orthonormalsystem (ONS), wenn hxk , xj i = δkj und kxj k = 1 für alle j, k ∈ N . M heißt vollständig, wenn M maximal ist, d.h. ist M̃ ein weiteres ONS und M ⊂ M̃ , so muss M = M̃ sein. Bemerkung: • Mit dem Zornschen Lemma lässt sich zeigen, dass jeder separable Hilbertraum ein vollständiges ONS besitzt (siehe Literatur). • Zur Erinnerung: Mit dem Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahren lässt sich ein abzählbares System linear unabhängiger Vektoren in ein ONS überführen. Satz 3.44 (Abstrakte Fourierentwicklung) Sei X ein separabler Hilbertraum und {x1 , x2 , . . .} ein ONS. Dann gilt a) Jede endliche Teilmenge {xi1 , . . . , xin }, n ∈ N, ist linear unabhängig. b) Es gilt die Besselsche Ungleichung (einschließlich der Konvergenz) ∞ X |hx, xn i|2 ≤ kxk2 für alle x ∈ X . n=1 hx, xk i heißen die Fourierkoeffizienten von x bzgl. des ONS. c) Äquivalent sind folgende Aussagen: i) Das ONS ist vollständig. ii) span {x1 , x2 , . . .} ⊂ X ist dicht in X. iii) Für jedes x ∈ X gilt die Fourierentwicklung x = ∞ X hx, xn i xn , n=1 wobei die Konvergenz der Reihe im Sinne der Konvergenz der Partialsummen im Hilbertraum X zu verstehen ist. iv) Für jedes x ∈ X gilt die Parzevalsche Gleichung ∞ X |hx, xn i|2 = kxk2 . n=1 52 Beweis: n P a) Sei αj xij = 0. Multiplikation mit xik liefert für jedes k = 1, . . . , n: j=1 0 = n X j=1 αj hxij , xik i = αk . | {z } = δjk b) Sei n ∈ N und αj ∈ C für j ∈ N. Dann gilt °2 ° ° ° n n n X X X ° ° 2 °x − αj xj ° αj αk hxj , xk i − 2 αj hx, xj i ° = kxk + ° | {z } ° ° j=1 j=1 j,k=1 = δjk 2 = kxk + n X n X £ ¤ 2 2 |αj | − 2 αj hx, xj i + |hx, xj i| − |hx, xj i|2 j=1 = kxk2 − n X j=1 |hx, xj i|2 + n X |αj − hx, xj i|2 . (3.16) ° °2 ° ° n X ° ° ° = ° x − α hx, α ix j j j° . ° ° ° j=1 (3.17) j=1 j=1 Mit αj = hx, xj i folgt kxk2 − n X |hx, xj i|2 j=1 Dies impliziert n P j=1 |hx, xj i|2 ≤ kxk2 für beliebiges n ∈ N. Also ist die Reihe konvergent, und es gilt die Besselsche Ungleichung. c) Sei U = span {x1 , x2 , . . .}. Die Ausage ii) bedeutet genau U = X. Nach dem Projektionssatz 3.38 gilt zunächst X = U ⊕ U ⊥ . i) ⇒ ii)“: Angenommen U 6= X. Dann gibt es ein x ∈ U ⊥ mit kxk = 1 im Widerspruch ” dazu, dass {x1 , x2 , . . .} maximales ONS ist, denn dann ist {x, x1 , x2 , . . .} ebenfalls ein ONS. ii) ⇒ i) “: Sei {x, x1 , x2 , . . .} ein ONS, das {x1 , x2 , . . .} enthält. Dann gilt x ⊥ span{x1 , x2 , . . .}, ” d.h. x ∈ U ⊥ . Also ist U ⊥ 6= {0} bzw. U 6= X, ein Wiederspruch zu ii). iii) ⇒ ii) “: Wenn die Fourierentwicklung für jedes x ∈ X gilt, ist span {x1 , x2 , . . .} ” offensichtlich dicht in X, denn jedes x ∈ X kann ja (durch Abschneiden der Fourierreihe) beliebig gut duch Elemente in span {x1 , x2 , . . .} approximiert werden. ii) ⇒ iii) “: Sei span {x1 , x2 , . . .} = X und x ∈ X beliebig. Wegen ii) existiert zu jedem ” ε > 0 ein N ∈ N und Zahlen αj ∈ C, j = 1, . . . , N , mit ° ° ° ° N X ° ° ° ≤ ε. °x − α x j j ° ° ° ° j=1 Aus (3.16) und (3.17) folgt insbesondere °2 ° °2 ° ° ° ° ° N n X X ° ° ° ° 2 ° °x − αj xj ° hx, xj ixj ° ° ≤ ε ° ≤ °x − ° ° ° ° ° j=1 j=1 53 für n ≥ N (setze αj = 0 für j > N ). Also konvergiert die Fourierreihe. iii) ⇔ iv)“: Aus (3.17) ergibt sich ” ° °2 ° ° ∞ ∞ X X ° ° 2 °x − ° hx, xj ixj ° = kxk − |hx, xj i|2 ° ° ° j=1 j=1 d.h. die Äquivalenz zwischen Fourierentwicklung (iii) und der Parzevalschen Gleichung (iv). 2 Beispiel 3.45 (klassische Fourierentwicklung) (i) Die Legendrepolynome r dk Pk (t) = γk k (1 − t2 )k dt mit γk = 2k + 1 1 , 2 k! 2k k = 0, 1, 2, . . . , bilden ein vollständiges ONS in L2 (−1, 1). Dies ergibt sich aus dem Weierstraßscher Approximationssatz, der Dichtheit von C([−1, 1]) in L2 (−1, 1) und dem Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren für die Monome fk (t) = tk . (ii) Das folgende Beispiel ist sehr wichtig, gehört aber genau genommen nicht hierher, weil es einen komplexen Hilbertraum betrifft. Sei xk (t) = √12π eikt , k ∈ Z. Dann bildet {. . . , x−1 , x0 , x1 , x2 , . . .} ein vollständiges ONS in L2 (0, 2π) der komplexwertigen Funktionen. Dies folgt aus dem Weierstraßscher Approximationssatz für trigonometrische Polynome und der Dichtheit von {x ∈ C([0, 2π]) : x 2π − periodisch} ⊂ L2 (0, 2π). Die Fourierentwicklung (iv) lautet: x(t) = ∞ X ikt αk e mit αk k=−∞ 1 = 2π Z2π x(s) e−iks ds , 0 wobei die Reihe im L2 -Sinn konvergiert, d.h. ¯2 Z2π ¯¯ N ¯ X ¯ ¯ αk eikt ¯ dt −→ 0 , ¯x(t) − ¯ ¯ 0 für M, N → ∞ . k=−M Natürlich kann man auch die reelle Fourierentwicklung nehmen, man setze x0 (t) = und x2j (t) = √1 π sin(jt) sowie x2j−1 (t) = √1 π √1 2π cos(jt) für j ≥ 1. Fazit: • Der Spektralsatz besagt, dass jeder kompakte, selbstadjungierte Integraloperator A eine Zerlegung der Form L2 (G) = N (A) ⊕ span {x1 , x2 , . . .} = N (A) ⊕ A(X) besitzt, wobei x1 , x2 , . . . die Eigenvektoren von A sind. Insbesondere lässt sich stets aus den Eigenvektoren eines injektiven selbstadjungierten Integraloperators ein vollständiges ONS des L2 (G) bilden. 54 • Der Abschluss des Bildraums A(X) eines kompakten selbstadjungierten Operators A in einem Hilbertraum X ist stets separabel. • Für den Bildraum eines selbstadjungierten, kompakten Integraloperators A £: L2¤(G) → L2 (G) mit symmetrischen und stetigem oder schwach singulärem Kern (α ∈ 0, d2 ) und den zugehörigen orthonormierten Eigenfunktionen xn ∈ C(G) ergibt sich folgende notwendige Bedingung: Jedes y ∈ A(L2 (G)) besitzt die Entwicklung y(t) = ∞ X hy, xn iL2 xn (t) n=1 (gleichmäßige Konvergenz). Dies ergibt sich aus der Existenz von x ∈ L2 (G) mit y = Ax und Satz 3.40; denn es ist y = Ax = ∞ X λn hx, xn iL2 xn = n=1 ∞ X hx, Axn iL2 xn = n=1 ∞ X hAx, xn iL2 xn = n=1 ∞ X hy, xn iL2 xn . n=1 Beispiel 3.46 (Sturm-Liouvillesches Eigenwertproblem) Seien q, r ∈ C[0, 1] mit r(t) > 0, q(t) ≥ 0 für alle t ∈ [0, 1]. Dann lässt sich dazu folgendes Eigenwertproblem formulieren: Bestimme λ ∈ C und eine Lösung x ∈ C 2 [0, 1] mit x 6= 0 von x00 (t) − q(t) x(t) = −λ r(t) x(t) in [0, 1] und x(0) = x(1) = 0 . (EW-P) Bemerkung: q = 0, r = 1 ist das klassische Modell der schwingenden Saite“ mit den bekannten ” Eigenwerten λn = n2 π 2 , n ∈ N und Eigenfunktionen xn (t) = sin(nπt). Aus Beispiel 1.3 und einer Aufgabe wissen wir, dass das Randwertproblem (EW-P) äquivalent ist zu der Integralgleichung Z1 x(t) − Z1 k(t, s) q(s) x(s) ds = −λ 0 mit dem Kern k(t, s) r(s) x(s) ds , t ∈ [0, 1] , 0 ( (t − 1)s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 , k(t, s) = (s − 1)t , 0 ≤ t < s ≤ 1 . Setze Aq x = A(qx) mit dem Integraloperator Z1 (Ax)(t) = k(t, s) x(s) ds , t ∈ [0, 1] . 0 Dann hat die Integralgleichung die Form x−Aq x = −λ A(rx). Die Operatoren A, Aq : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) sind kompakt nach Satz 3.13. Wir zeigen, dass I − Aq : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) beschränkt invertierbar ist. Wegen des 3. Rieszschen Satzes müssen wir nur die Injektivität zeigen. Sei also x ∈ L2 (0, 1) mit x − Aq x = 0, d.h. x = A(qx). Nach Satz 3.11 bildet A die L2 −Funktionen auf stetige Funktionen ab3 . Daher ist x ∈ C[0, 1] und löst die Integralgleichung x − A(qx) = 0 in [0, 1]. Im Beispiel 3.31 haben wir gezeigt (beachte die Voraussetzung q ≥ 0!), dass dies nur ` ´ ` ´ Genaugenommen besagt dieser, dass A den Raum C(G), k·k2 nach C(G), k·k∞ abbildet. Diesen Operator können wir aber fortsetzen und erhalten so die Aussage. 3 55 für x = 0 möglich ist. Also ist I − Aq : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) beschränkt invertierbar, und die Integralgleichung äquivalent zu x = −λ (I − Aq )−1 A(rx) = λ T x , wobei wir T x = −(I − Aq )−1 A(rx) für x ∈ L2 (0, 1) gesetzt haben. Somit ist das Eigenwertproblem äquivalent zu 1 x = Tx, λ da λ = 0 sicher kein Eigenwert ist. Also ist λ 6= 0 genau dann ein Eigenwert von (EW-P), wenn µ = λ1 6= 0 Eigenwert des kompakten selbstadjungierten Operators T : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) ist. Wir haben aber noch nicht gezeigt, dass 0 kein Eigenwert on T ist. Wir müssen dazu zeigen, dass T injektiv ist: Sei also x ∈ L2 (0, 1) mit T x = 0. Aus der Definition von T folgt, dass A(rx) = 0. Wir beutzen jetzt ohne Beweis, dass die Funktion rx ∈ L2 (0, 1) durch eine Folge von Funktionen zn ∈ C 2 [0, 1] mit zn (0) = zn (1) = 0 approximiert werden kann, d.h. kzn − rxkL2 → 0. Wir setzen nun yn := zn00 und wissen dann aus der Äquivalenz der Integralgleichung mit dem Randwertproblem (für q = 0), dass zn = Ayn . Dann ist 0 = hA(rx), yn iL2 = hrx, Ayn iL2 = hrx, zn iL2 → krxk2L2 . Daher ist rx = 0 und auch x = 0. Also ist T injektiv. Durch Vertauschung der Integrationsreihenfolge sieht man wieder, dass A∗q = qA (also A∗q x = qAx). Wegen der Fredholmschen Alternative ist auch I − A∗q beschränkt invertierbar. Wir zeigen jetzt (I − Aq )−1 A = A (I − A∗q )−1 . Dies ist (Anwendung von rechts und links mit (I −A∗q ) bzw. (I −Aq )) äquivalent zu A (I − A∗q ), d.h. Aq A = A A∗q , und dies ist gerade A(qAx) = A(qAx) für alle x. (I −Aq ) A = Wir führen nun ein neues Skalarprodukt im L2 (0, 1) ein durch hx, yir = hx, ryiL2 für x, y ∈ L2 (0, 1). Dies ist wohldefiniert, da r ∈ C[0, 1] strikt positiv ist (nachprüfen!). Außerdem liefert das neue Skalarprodukt eine zur gewöhnlichen Norm äquivalente Norm, denn mit m− = min0≤t≤1 r(t) und m+ = max0≤t≤1 r(t) ist m− hx, xiL2 ≤ hx, xir ≤ m+ hx, xiL2 für alle x ∈ L2 (0, 1) . Wir zeigen, dass T selbstadjungiert ist bzgl. h·, ·ir . hT x, yir = −h(I − Aq )−1 A(rx), yriL2 = −hA(rx), (I − A∗q )−1 (ry)iL2 = −hrx, A (I − A∗q )−1 (ry)iL2 = −hrx, (I − Aq )−1 A(ry)iL2 = hrx, T yiL2 = hx, T yir . Also ist T ist selbstadjungiert bzgl. h·, ·ir . Nun wenden wir den Spektralsatz auf T an und erhalten (fast): (a) Zum Eigenwertproblem (EW-P) existieren Eigenwerte 0 < λ1 < λ2 < . . . mit λn → ∞, n → ∞ mit zugehörigen Eigenfunktionen xn ∈ C 2 [0, 1]. (b) Alle Eigenwerte haben Vielfachheit 1, d.h. der Lösungsraum von (EW-P) für λ = λn ist 1-dimensional. 56 (c) Die Funktionen {xn : n ∈ N} bilden ein vollständiges ONS im Raum L2 (0, 1) bzgl. des Skalarprodukts Z1 hx, yir = x(t) y(t) r(t) dt . 0 Beweis: (a) und (c) Seien µn die Eigenwerte von T mit zugehörigen bzgl. h·, ·ir orthonormierten Eigenfunktionen xn . Der Spektralsatz besagt, dass jedes x die Darstellung hat: ∞ X x = hx, xn ir xn . n=1 Insbesondere müssen es natürlich unendlich viele Eigenwerte sein (sonst wäre L2 (0, 1) ja endlich dimensional) und konvergieren gegen Null. Die Glattheit von xn folgt aus der Äquivalenz mit dem Randwertproblem (siehe Beispiel 3.31). Wir zeigen noch die Positivität der Eigenfunktionen λn = 1/µn . Dann müssen sie gegen unendlich streben, und (a) wäre gezeigt. Sei λ ∈ R ein Eigenwert von (EW-P) mit zugehöriger reellwertiger Eigenfunktion x ∈ C 2 [0, 1]. Dann ist x und Lösung von x00 − q x = −λ r x , x(0) = x(1) = 0 . Wir folgern Z1 Z1 00 − x (t) x(t) dt + 0 Z1 2 r(t) x(t)2 dt q(t) x(t) dt = λ 0 0 und mit partieller Integration Z1 Z1 0 x (t) dt + |0 {z > 0 } Z1 2 2 x(t)2 dt , q(t) x(t) dt = λ |0 {z ≥ 0 } |0 {z } > 0 d.h. λ > 0. (b) Sei λ 6= 0 Eigenwert und x, y ∈ C 2 [0, 1] zugehörige reellwertige Eigenfunktion. Dann ist x0 (0) 6= 0 und y 0 (0) 6= 0 (Eindeutigkeit des Anfangswertproblems, Satz von Picard-Lindelöf). Also existieren α, β ∈ R\{0} mit αx0 (0) + βy 0 (0) = 0. Setze z = αx + βy. Dann löst z das Anfangswertproblem z 00 − q z + λ r z = 0 mit z(0) = z 0 (0) = 0 . Also ergibt sich αx + βy = z = 0, d.h. x, y sind linear abhängig. 57 4 Die Integralgleichungsmethode Neben der Variationsmethode ist die Integralgleichungsmethode, d.h. die Umformulierung eines Randwertproblems zu einer partiellen Differentialgleichung in eine Integralgleichung, eines der wichtigen Konzepte zur Behandlung partieller Differentialgleichungen. Die Integralgleichung ermöglicht dann sowohl Existenzaussagen (über die Fredholmtheorie) als auch effiziente numerische Verfahren. Als Beispiel für dieses Vorgehen wählen wir das Dirichletsche Randwertproblem zur Laplacegleichung im R2 . Im Folgenden sei stets Ω ⊆ R2 eine offene beschränkte Menge mit C 2 −glattem Rand ∂Ω und f ∈ C(∂Ω). Wir wollen hier nicht allgemein definieren, was ein C 2 −glatter Rand ist, sondern uns auf den Fall beschränken, dass der Rand eine globale, reguläre und periodische (mit Periode L > 0) Parametrisierung hat der Form x = γ(t) für t ∈ R mit γ̇(t) 6= 0 für alle t ∈ R und γ(t) = γ(s) nur für t − s ∈ L · Z. Zu diesen Daten ist u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) gesucht mit ∆u = ∂2u ∂2u + = 0 ∂x21 ∂x22 in Ω , und u = f auf ∂Ω . Dies ist die klassische Frage der Potentialtheorie. Bemerkung: a) Übliche Notationen für den Laplaceoperator sind ∆u = div(∇u) = (∇2 )u. b) In Polarkoordionaten gilt 1 ∂ ∆u(r, ϕ) = r ∂r µ ¶ ∂u 1 ∂2u r + 2 . ∂r r ∂ϕ2 c) Verallgemeinerungen (andere Differentialgleichungen, andere Randbedingungen, Ω ⊆ Rd mit d > 2, ∂Ω weniger regulär, Ω unbeschränkt) sind in vielen Fällen möglich, erfordern aber häufig analytischen Aufwand im Detail (siehe Literatur zur Potentialtheorie, zu partiellen Differentialgleichungen, etc.) Bemerkung 4.1 Die differentialgeometrischen Voraussetzungen an Ω garantieren insbesondere a) die Existenz des Normalenvektors an ∂Ω. In unserem Spezialfall ist der nach außen gerichtete Einheitsnormalenvektor durch µ 0 ¶ ¡ ¢ 1 γ2 (t) ν(t) = ν γ(t) = ± |γ̇(t)| −γ10 (t) gegeben, wobei das Vorzeichen entsprechend der Orientierung von γ zu wählen ist. Wir setzen eine positive Orientierung der Parametrisierung voraus (das Gebiet liegt also immer links von uns, wenn wir in aufsteigender Zeit t die Parametrisierung durchlaufen). Dann müssen wir das Pluszeichen nehmen, um den äußeren Normalenvektor zu erhalten. 58 b) Es gilt der Gaußsche Satz, d.h. für Vektorfelder V ∈ C 1 (Ω) ∩ C(Ω) ist Z Z div V dx = V · ν ds Ω ∂Ω und somit auch die Greenschen Formeln Z Z ∂v (u∆v + ∇u · ∇v) dx = u ds ∂ν Ω ∂Ω für u ∈ C 1 (Ω) ∩ C(Ω) und v ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) mit der Normalableitung V = u∇v im Gaußschen Satz) und ¸ Z Z · ∂v ∂u (u∆v − v∆u) dx = u −v ds ∂ν ∂ν Ω ∂u ∂ν := ∇u · ν (setze ∂Ω für u, v ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω). Lemma 4.2 Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet mit obigen Voraussetzungen. Dann existieren Konstanten 0 < c− < c+ und c > 0 mit ¯ ¯ c− |t − s| ≤ ¯γ(t) − γ(s)¯ ≤ c+ |t − s| |ν(y) · (x − y)| ≤ c |x − y|2 und für alle t, s mit |t − s| ≤ L , 2 |ν(x) − ν(y)| ≤ c |x − y| für alle x, y ∈ ∂Ω. Beweis: Sei γ ∈ C 2 (R) eine (positiv orientierte) Parametrisierung. Es sei x = γ(t) und y = γ(s). Wir können t ∈ [0, L] anehmen, da wir andernfalls t und s durch t + nL und s + nL für ein geeignetes n ∈ Z ersetzen können. Alle Abschätzungen werden in gleicher Weise bewiesen. Wir definieren die kompakte Menge M ⊂ R2 durch © ª M = (t, s) ∈ [0, L] × [−L/2, 3L/2] : |t − s| ≤ L/2 . Für die ersten Abschätzungen definieren wir die Funktion ¯ ¯ ¯γ(t) − γ(s)¯2 f1 (t, s) = , t, s ∈ M , t 6= s . (t − s)2 Man zeigt mit der Regel von l’Hospital, dass f1 stetig fortsetzbar auf ganz M ist und f1 (s, s) = |γ̇(s)|2 > 0. Wir überlassen dies dem Leser, da ein ähnliches Argument gleich für eine weitere Funktion f2 durchgeführt wird. Damit ist f1 auf der kompakten Menge M stetig und positiv und daher existieren Minimum und Maximum, was die Existenz von c− und c+ beweist. Für die zweite Abschätzung definieren wir ¡ ¢ ¡ ¢ ν γ(s) · γ(s) − γ(t) ν(y) · (y − x) f2 (t, s) = = |y − x|2 |γ(s) − γ(t)|2 £ ¤ £ ¤ 0 γ2 (s) γ1 (t) − γ1 (s) − γ10 (s) γ2 (t) − γ2 (s) , t, s ∈ M , t 6= s . = |γ̇(s)| |γ(s) − γ(t)|2 Wir halten s fest und wollen den Limes t → s mit der Regel von l’Hospital berechnen. Sei der Nenner N (t), der Zähler Z(t). Dann ist Z 0 (t) = γ20 (s)γ10 (t) − γ10 (s) γ20 (t) , 59 £ ¤ also Z 0 (s) = 0. Genauso ist N 0 (t) = 2 γ(t) − γ(s) · γ̇(t), also auch N 0 (s) = 0. Schließlich ist Z 00 (t) = γ20 (s)γ100 (t) − γ10 (s) γ200 (t) , ¯ ¯2 also Z 00 (s) = γ20 (s)γ100 (s) − γ10 (s) γ200 (s) sowie analog N 00 (s) = 2¯γ̇(s)¯ > 0. Daher ist auch f2 stetig fortsetzbar auf M und daher beschränkt. Die letzte Abschätzung verbleibt als Übung. 2 4.1 Einfach- und Doppelschichtpotential Definition 4.3 Eine Funktion u ∈ C 2 (Ω), die der Laplacegleichung ∆u = 0 in Ω genügt, heißt harmonisch. Beispiel 4.4 a) Aus einem Separationsansatz u(x) = v(x1 )w(x2 ) erhalten wir w00 (x2 ) v 00 (x1 ) = − = c v(x1 ) w(x2 ) v 00 (x1 )w(x2 ) + v(x1 )w00 (x2 ) = 0 , bzw. mit einer Konstanten c ∈ R. Für c > 0 folgt √ c x1 √ c x1 , √ √ w(x) = γ cos( c x2 ) + δ sin( c x2 ) , v(x1 ) = α e d.h. u(x) = e± + β e− √ c x1 und u(x) = e± √ cos c x2 , √ c x1 √ sin c x2 sind harmonisch und beliebige Linearkombinationen dieser Funktionen entsprechend. Außerdem können wir die Rollen von x1 und x2 vertauschen (Fall c < 0). b) Sei f : Ω ⊆ C → C holomorph und setze u(x1 , x2 ) = f (x1 + ix2 ). Es sind <(u) und Im(u) harmonisch, denn es gelten die Cauchy-Riemann Gleichungen ∂<(u) ∂ Im(u) = , ∂x1 ∂x2 ∂<(u) ∂ Im(u) = − . ∂x2 ∂x1 Unter anderem sind mit f (z) = z n = rn einϕ die Funktionen <u(r, ϕ) = rn cos nϕ o harmonisch . Im u(r, ϕ) = rn sin nϕ Für f (z) = ln z folgt, dass <u(r, ϕ) = ln r = ln |x| harmonisch ist in R2 \ {0} . c) Im R3 ist die harmonische Funktion u(x) = 1 , |x| x 6= 0 , ein wichtiges Beispiel (das Newtonsche Potential). Separationsansätze z.B. in kartesischen oder Kugelkoordinaten führen auf weitere Lösungen (Kugelfunktionen, etc.) 60 Definition 4.5 Die Funktion Φ : R2 × R2 → C heißt Grundlösung (Fundamentallösung ) zum Laplaceoperator, wenn i) Φ ∈ C 2 (R2 \{(x, y) : x = y}), ii) ∆y Φ(x, ·) = 0, in R2 \ {x} für jedes x ∈ R2 , 1 ln |x − y| + ϕ(x, y), wobei ϕ ∈ C 2 (R2 × R2 ) harmonisch in x und in y ist. iii) Φ(x, y) = − 2π Besonders wichtig ist der Fall ϕ = 0, d.h. Φ(x, y) = − 1 ln |x − y| , 2π x, y ∈ R2 , x 6= y . Bemerkung: (a) Ist Ω ⊂ R2 ein Gebiet, so heißt die Grundlösung mit der Eigenschaft Φ(x, y) = 0 für y ∈ ∂Ω und x 6= y Greensche Funktion. (b) Die Grundlösungen Φ : Rd × Rd → R zu d ≥ 3 und ∆u = 0 sind gegeben durch φ(x, y) = 1 |x − y|2−d + ϕ(x, y) , (d − 2)wd wobei wd die Fläche der Einheitssphäre im Rd bezeichne. Satz 4.6 (Greenscher Darstellungssatz) Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C 1 und äußerer Einheitsnormale ν und sei u ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) harmonisch. Dann gilt mit jeder Grundlösung Φ die Darstellung x ∈ Ω, ¶ Z µ u(x) , ∂u(y) ∂Φ(x, y) 1 Φ(x, y) − u(y) ds(y) = 2 u(x) , x ∈ ∂Ω , ∂ν ∂ν(y) ∂Ω 0, x∈ / Ω. Beweis: a) Sei x ∈ R2 \Ω. Dann sind u, Φ(x, · ) ∈ C 2 (Ω)∩C 1 (Ω) harmonisch und mit der 2. Greenschen Formel folgt ¶ Z µ Z ∂u(y) ∂φ(x, y) Φ(x, y) − u(y) ds(y) = Φ(x, y) ∆u(y) − u(y) ∆y Φ(x, y) dy = 0 . ∂ν ∂ν(y) Ω ∂Ω 1 c) Sei x ∈ Ω. Ohne Einschränkung können wir Φ(x, y) = − 2π ln |x − y| verwenden, da ϕ(x, y) harmonisch ist (siehe Teil a)). Wähle ε > 0 mit B(x, ε) ⊆ Ω. Aus der 2. Greenschen Formel in Ω \ B(x, ε) folgt Z £ ¤ 0 = Φ(x, y) ∆u(y) − u(y) ∆y Φ(x, y) dy Ω\B(x,ε) ¶ Z µ ∂Φ(x, y) ∂u(y) − u(y) ds(y) = Φ(x, y) ∂ν ∂ν(y) ∂Ω µ ¶ Z ∂u(y) ∂Φ(x, y) Φ(x, y) − − u(y) ds(y) . ∂ν ∂ν(y) |x−y|=ε 61 Also gilt wegen ν(y) = (y − x)/ε für |y − x| = ε: ¶ Z µ ∂u(y) ∂Φ(x, y) Φ(x, y) − u(y) ds(y) ∂ν ∂ν(y) ∂Ω Z £ ¤ 1 = Φ(x, y) ∇u(y) · (y − x) − u(y) (y − x) · ∇y Φ(x, y) ds(y) . ε |x−y|=ε Für den ersten Term folgt ¯ ¯ ¯1 Z ¯ ¯ ¯ Φ(x, y) (y − x) · ∇u(y) ds(y)¯ ≤ c ¯ ¯ε ¯ |x−y|=ε Z |Φ(x, y)| ds(y) |x−y|=ε c = − 2π Z ln |x − y| ds(y) |x−y|=ε c = − (ln ε) 2π² → 0 , ε → 0 , 2π da wegen u ∈ C 1 (Ω) der Gradient durch eine Konstante c > 0 beschränkt ist. Weiter berechnen wir 1 y−x ∇y Φ(x, y) = − für x 6= y . 2π |x − y|2 Daher gilt mit dem Mittelwertsatz Z 1 u(y)(y − x) · ∇y Φ(x, y) ds(y) ε |x−y|=ε = Z 1 − 2πε u(y) |x−y|=ε = = |x − y|2 ds(y) |x − y|2 | {z } =1 µ ¶¶ Z2π µ 1 cos ϕ − u x+ε dϕ 2π sin ϕ − 1 2π 0 Z2π · |0 µ µ ¶¶ ¸ cos ϕ u x+ε − u(x) dϕ sin ϕ {z } − u(x) → 0, ε→0 −→ −u(x) , ε → 0. b) Dieser Teil geht genauso. Für einen Punkt x ∈ ∂Ω wende man die Greensche Formel wie eben an im ©Gebiet Ω \ B(x, ε). Der ª Rand dieses Gebiets besteht jetzt aus ∂Ω \ B(x, ε) und der Menge y ∈ Ω : |y − x| = ε , die bis auf Größenordnung ε2 ein Halbkreis um x mit Radius ε ist. Dies bringt gegenüber x ∈ Ω den Faktor 1/2. Wir führen den Beweis nicht weiter aus. 2 Bemerkung: Insbesondere folgt, dass harmonische Funktionen in C ∞ (Ω) sind, da dies für 1 Φ(x, y) = 2π ln |x − y| mit x ∈ R2 \ ∂Ω und y ∈ ∂Ω gilt. 62 Definition 4.7 Sei Ω ⊆ R2 offen, beschränkt mit ∂Ω ∈ C 2 und ν äußer Normalenvektor an 1 ∂Ω. Die durch die Grundlösung Φ(x, y) = − 2π ln |x − y| und eine Dichte ϕ ∈ C(∂Ω) definierten Funktionen Z u(x) = Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) , x ∈ R2 \ ∂Ω , und ∂Ω Z ∂Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) , ∂ν(y) v(x) = x ∈ R2 \ ∂Ω , ∂Ω heißen Einfach- und Doppelschichtpotential. Bemerkung: 2 2 2 2 • Da Φ(·, y) und ∂Φ(·,y) ∂ν(y) harmonisch sind in R \ ∂Ω, sind u, v ∈ C (Ω) bzw. C (R \ Ω) harmonische Funktionen (Differentiation und Integration vertauschen!) • Der Darstellungssatz besagt, dass jede harmonische Funktion in Ω als Kombination eines Einfach- und eines Doppelschichtpotentials gegeben ist. Satz 4.8 Sei ∂Ω ∈ C 1 und k : ∂Ω × ∂Ω → R stetig oder schwach singulär, d.h. es gebe c > 0 und α ∈ [0, 1) mit |k(x, y)| ≤ c|x−y|−α für alle x, y ∈ ∂Ω, x 6= y. Dann ist A : C(∂Ω) → C(∂Ω), definiert durch Z (Au)(x) = k(x, y) u(y) ds(y) , x ∈ ∂Ω , ∂Ω wohldefiniert und kompakt (bzgl. k · k∞ ). Beweis: Wir können den Beweis zu Satz 3.9 auf das Kurvenintegral übertragen. Wir wählen aber einen anderen Weg und wenden den Satz von Arcela-Ascoli an. Grundlage für alle Abschätzungen ist das folgende Lemma. Lemma 4.9 Sei α ∈ [0, 1). Dann existiert ĉ > 0 mit Z ds(y) φ(ρ) := sup ≤ ĉ ρ1−α |y − x|α x∈∂Ω für alle ρ > 0 . |y−x|≤ρ Insbesondere existiert das Integral als uneigentliches Riemannintegral. Beweis: Sei γ : R → R2 eine Parametrisierung des Randes, x = γ(t) und ε < ρ gegeben. Dann gilt für ε ≤ |y − x| ≤ ρ und y = γ(s) (wobei s so, dass |t − s| ≤ L/2) folgende Abschätzung aus Lemma 4.2: ¯ ¯ 1 ¯¯ 1 ¯¯ ρ ε ≤ γ(s) − γ(t)¯ ≤ |t − s| ≤ γ(s) − γ(t)¯ ≤ . c+ c+ c− c− Daher ist Z ds(y) |y − x|α ¯ ¯ ¯γ̇(s)¯ Z ≤ ε≤|y−x|≤ρ ε/c+ ≤|t−s|≤ρ/c− ≤ ≤ 2 kγ̇k∞ cα− ρ/c Z − ε/c+ 2 kγ̇k∞ (1 − α) cα− 63 ¡ ¢α ds c− |t − s| ¯ρ/c ds 2 kγ̇k∞ = s1−α ¯ε/c+− α α s (1 − α) c− µ ρ c− ¶1−α . Dies gilt für alle ε > 0. Daher existiert das Integral für jedes ρ > 0, und man erhält die gewünschte Abschätzung. 2 Jetzt können wir einen neuen ©Beweis von Satz ª4.8 angeben. Wir zeigen mit dem Satz von Arcela-Ascoli, dass die Menge Au : kuk∞ ≤ 1 relativ kompakt ist. Dazu müssen wir die Beschränktheit und gleichgradige Stetigkeit zeigen. Die Beschränktheit folgt aus Z ¯ ¯ ds(y) ¯(Au)(x)¯ ≤ c kuk∞ ≤ c φ(R) | {z } ∂Ω |y − x|α ≤ 1 mit der Funktion φ von Lemma 4.9 und R so groß, dass |y − x| ≤ R für x, y ∈ ∂Ω. Zu zeigen bleibt die gleichgradige Stetigkeit. Sei ε > 0 gegeben. Für zunächst beliebiges ρ > 0 spalte man auf: Z ¯ ¯ ¯ ¯ ¯(Au)(x1 ) − (Au)(x2 )¯ ≤ kuk∞ ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) | {z } ≤ 1 ∂Ω Z ¯ ¯ ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) + ≤ |x1 −y|≤ρ Z ¯ ¯ ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) . |x1 −y|≥ρ Wir bestimmen zunächst ρ so, dass der erste Term kleiner als ε/2 ist. Das geht so: Wegen der schwachen Singularität ist ¸ · Z Z ¯ ¯ 1 1 ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) ≤ c + ds(y) |x1 − y|α |x2 − y|α |x1 −y|≤ρ |x1 −y|≤ρ Z ≤ c |x1 −y|≤ρ ds(y) + c |x1 − y|α Z |x2 −y|≤2ρ ds(y) |x2 − y|α ≤ c φ(ρ) + c φ(2ρ) , falls |x1 − x2 | ≤ ρ. Ist nämlich |x1 − y| ≤ ρ, so ist |x2 − y| ≤ |x2 − x1 | + |x1 − y| ≤ 2ρ. Wir wählen also ρ > 0 so klein, dass c φ(ρ) + c φ(2ρ) ≤ ε/2 und halten ρ fest. Jetzt betrachten wir das Integral über |y −x1 | ≥ ρ. Haben wir solch ein y und ist |x1©−x2 | ≤ ρ/2, so ist |y −x ¯ Menge M = (x,¯ y) : |x− ª 2 | ≥ |y −x1 |−|x1 −x2 | ≥ ρ−ρ/2 = ρ/2. Auf der kompakten ε y| ≥ ρ/2 ist k gleichmäßig stetig. Also existiert ein δ ≤ ρ/2 so, dass ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ≤ 2 |∂Ω| für alle (x1 , y), (x2 , y) ∈ M mit |x1 − x2 | ≤ δ. Für x1 , x2 ∈ ∂Ω mit |x1 − x2 | ≤ δ ist also Z Z ¯ ¯ ε ε ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) ≤ ≤ . 2 |∂Ω| |x1 −y|≥ρ 2 |x1 −y|≥ρ ¯ ¯ Zusammen ist also ¯(Au)(x1 ) − (Au)(x2 )¯ ≤ ε für x1 , x2 ∈ ∂Ω mit |x1 − x2 | ≤ δ. Dies beweist die gleichgradige Stetigkeit und beendet den Beweis. 2 Definition und Satz 4.10 Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet, ∂Ω ∈ C 2 und ν der äußere Normaleneinheitsvekor an ∂Ω. Dann sind die Operatoren S, K : C(∂Ω) −→ C(∂Ω) 64 mit Z (Sϕ)(x) = Φ(x, y)ϕ(y) ds(y) , x ∈ ∂Ω , ∂Ω Z (Kϕ)(x) = ∂Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) , ∂ν(y) x ∈ ∂Ω , ∂Ω wohldefinierte, kompakte Operatoren (bzgl. k · k∞ ). 1 Beweis: Da etwa | ln t| ≤ 2 t−1/4 für t ∈ (0, 1) gilt, ist Φ(x, y) = − 2π ln |x−y| schwach singulärer Kern. Also folgt die Aussage für S direkt aus Satz 4.8. Für die Normalableitung gilt nach Lemma 4.2 (beachte ∂Ω ∈ C 2 !) ¯ ¯ ¯ ∂Φ(x, y) ¯ c |(x − y) · ν(y)| ¯ ¯ ≤ . ¯ ∂ν(y) ¯ ≤ 2 2π|x − y| 2π Also ist auch der Kern 2 ∂Φ(x,y) ∂ν(y) schwach singulär und Satz 4.8 liefert wiederum die Behauptung. 1 Bemerkung: Beachte, dass für Φ(x, y) = − 2π ln |x − y| der Operator S selbstadjungiert ist bzgl. h·, ·iL2 . Der adjungierte Operator zu K ist durch den kompakten Operator Z ∂Φ(x, y) 0 ϕ(y) ds(y) , x ∈ ∂Ω , (K ϕ)(x) = ∂ν(x) ∂Ω gegeben. Der Zusammenhang dieser Randintegraloperatoren mit dem Einfach- bzw. Doppelschichtpotential ist die entscheidende Grundlage für die Integralgleichungsmethode. Satz 4.11 (Sprungbeziehungen) Seien u, v die in Definition 4.7 definierten Potentiale und S, K die in Satz 4.10 definierten Randintegraloperatoren. Dann gilt: (i) u ist stetig fortsetzbar zu u ∈ C(R2 ) mit u(x) = (Sϕ)(x) für x ∈ ∂Ω . (ii) v|Ω ist stetig fortsetzbar zu v ∈ C(Ω), und v|R2 \Ω ist stetig fortsetzbar zu v ∈ C(R2 \ Ω) mit ¯ 1 v(x)¯± = ± ϕ(x) + (Kϕ)(x) , x ∈ ∂Ω , 2 wobei ¯ ¯ lim v(y) , v(x)¯− = y→x v(x)¯+ = y→x lim v(y) . y∈Ω y∈R2 \Ω (iii) Die Normalableitung zu u auf ∂Ω existiert im Sinne, dass ¯ £ ¡ ¢¤ ∂u(x) ¯¯ := lim ν(x) · ∇u x ± εν(x) ¯ ε→0 ∂ν ± ε>0 gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω konvergiert und es gilt ¯ 1 ∂u(x) ¯¯ = ∓ ϕ(x) + (K 0 ϕ)(x) . ¯ ∂ν ± 2 65 (iv) Für die Ableitung von v gilt · ¸ ¡ ¢ ¡ ¢ lim ν(x) · ∇v x + εν(x) − ν(x) · ∇v x − εν(x) = 0 ε→0 ε>0 gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω. Für den Beweis verweisen wir auf Colton/Kress: Integral Equations Methods in Scattering ” Theory“. 2 Wir benötigen noch das Verhalten der Potentiale für |x| → ∞. Satz 4.12 Ω ⊆ R2 wie oben, u, v Einfach- und Doppelschichtpotential mit Dichte ϕ ∈ C(∂Ω). Dann gilt für |x| → ∞ (i) 1 u(x) = − ln |x| 2π µ Z ϕ(y) ds(y) + O 1 |x| ¶ µ und ∇u(x) = O 1 |x| ¶ , ∂Ω (ii) µ v(x) = O 1 |x| ¶ µ und ∇v(x) = O 1 |x|2 ¶ gleichmäßig bzgl. x/|x|. Beweis: Sei |x| > R := max |y| und y ∈ ∂Ω. Wir benutzen die Ungleichung ln(1 + t) ≤ t für alle y∈Ω t ≥ 0. 1. Fall: |x − y| > |x|. Dann ist ¶ µ ¶ µ ¯ ¯ ¯ln |x − y| − ln |x|¯ = ln |x − y| − ln |x| = ln 1 + |x − y| − |x| ≤ ln 1 + |y| |x| |x| |y| R ≤ ≤ . |x| |x| 2. Fall: |x − y| < |x|. Dann ist ¶ µ ¶ µ ¯ ¯ ¯ln |x − y| − ln |x|¯ = ln |x| − ln |x − y| = ln 1 + |x| − |x − y| ≤ ln 1 + |y| |x − y| |x − y| |y| 2R ≤ ≤ |x − y| |x| für |x| ≥ 2R, da dann |x − y| ≥ |x| − |y| ≥ |x| − R ≥ 12 |x|. Also ist Z Z Z £ ¤ 1 1 u(x) = Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) = − ln |x − y| − ln |x| ϕ(y) ds(y) − ln |x| ϕ(y) ds(y) 2π 2π ∂Ω ∂Ω ∂Ω µ ¶ Z 1 1 = − ln |x| ϕ(y) ds(y) + O . 2π |x| ∂Ω Die anderen Abschätzungen ergeben sich aus ¯ ¯ ¯ ¯ ¯∇x Φ(x, y)¯ = ¯∇y Φ(x, y)¯ = und 1 ∇x 2π µ ν(y) · (x − y) |x − y|2 ¶ 1 = 2π µ 1 1 = O 2π |x − y| µ 1 |x| ¶ ¶ µ ¶ 1 ν(y) · (x − y) 1 ν(y) + 2 (x − y) = O . |x − y|2 |x − y|4 |x|2 2 66 4.2 Das Dirichlet Problem Gegeben sei ein beschränktes Gebiet Ω ⊆ R2 mit ∂Ω ∈ C 2 , so dass R2 \ Ω zusammenhängend ist. Sei ferner f ∈ C(∂Ω). Gesucht ist u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) mit ∆u = 0 in Ω, u=f auf ∂Ω (DP) Wir suchen eine Lösung in Form eines Doppelschichtpotentials. Satz 4.13 Das Doppelschichtpotential Z ∂Φ(x, y) u(x) = ϕ(y) ds(y) , ∂ν(y) x ∈ Ω, ∂Ω ist genau dann Lösung zu (DP), wenn die Dichte ϕ ∈ C(∂Ω) die Fredholmsche Integralgleichung zweiter Art 1 Kϕ − ϕ = f auf ∂Ω 2 löst. Der Beweis folgt aus Definition 4.7 und Satz 4.11. 2 Also folgt die Existenz einer Lösung u zu (DP) wegen der Fredholmschen Alternative, wenn wir zeigen können, dass die homogene Integralgleichung nur die Lösung ϕ = 0 besitzt. Idee 4.14 Sei ϕ ∈ C(∂Ω) Lösung von Kϕ − 1 ϕ = 0. 2 Zu ϕ definiere das Doppelschichtpotential Z ∂Φ(x, y) u(x) = ϕ(y) ds(y) , ∂ν(y) x∈ / ∂Ω . ∂Ω Dann gilt nach Definition 4.7 und Satz 4.11, dass u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) das homogene innere Dirichlet Problem ∆u = 0 in Ω und u = 0 auf ∂Ω löst. (i) Können wir nun zeigen, dass das homogene innere Dirchlet Problem nur durch u = 0 gelöst wird, so folgt u = 0 in Ω. Nun kommt der entscheidende Trick: Betrachte das Potential u im Außenraum, d.h. für x ∈ R2 \ Ω. Dann folgt aus Teil (iv) von Satz 4.11 £ ¡ ¢ ¡ ¢¤ 0 = lim ν(x) · ∇u x + ε(x) − ν(x) · ∇u x − εν(x) , ε→0 {z } | =0 d.h. u ∈ C 2 (R2 \ Ω) ∩ C(R2 \ Ω) ist Lösung des homogenen äußeren Neumann Problems, ∆u = 0 in R2 \ Ω ¯ ∂u ¯¯ = 0 auf ∂Ω ∂ν ¯+ 67 mit µ u(x) = O 1 |x| ¶ µ und ∇u(x) = O 1 |x|2 ¶ für |x| → ∞ . (ii) Wenn wir zeigen, dass auch dieses Randwertproblem eindeutig lösbar ist, so ist u = 0 in R2 \ Ω. Aus der Sprungbeziehung (ii) von Satz 4.11 folgt dann ϕ = u|+ − u|− = 0 . |{z} |{z} =0 =0 Es bleiben (i) und (ii) zu zeigen! Satz 4.15 (Eindeutigkeit des Dirichlet Problems) Sei Ω ⊆ R2 ein beschränktes Gebiet. Zu jedem f ∈ C(∂Ω) hat das Dirichlet Problem ∆u = 0 in Ω und u=f auf ∂Ω , höchstens eine Lösung u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω). Beweis: Es seien u1 , u2 Lösungen des Dirichlet Problems. Dann löst u = u1 − u2 das homogene Dirichletproblems (d.h. für f = 0). Konstruiere eine Funktion φ ∈ C 1 (R) mit den Eigenschaften: • φ(t) = 0 für |t| ≤ 1, • φ(t) = t für |t| ≥ 2, • φ ist monoton nicht fallend. Setze µ uε (x) = ε φ u(x) ε ¶ für x ∈ Ω . ¯ ¯ ¯ ¯ Dann ist uε (x) = 0 für alle x mit ¯u(x)¯ ≤ ε und uε (x) = u(x) für alle x mit ¯u(x)¯ ≥ 2ε. Die abgeschlossene (!) Menge ¯ ¯ © ª Aε := x ∈ Ω : ¯u(x)¯ ≥ ε ist in der offenen Menge Ω enthalten. Daher gibt es eine offene Obermenge Ωε von Aε , deren Abschluss noch in Ω enthalten ist und die einen glatten Rand besitzt.4 Wir betrachten jetzt die 1. Greensche Formel im Gebiet Ωε . (Beachte, dass u ∈ C 2 (Ωε )!) Z Z £ ¤ ∂u ∇u · ∇ψ + ψ |{z} ∆u dx = ψ ds ∂ν Ωε ∂Ωε = 0 für alle ψ ∈ C 1 (Ωε ). Wir setzen jetzt ψ = uε . Da uε auf Ω \ Ωε verschwindet, folgt Z Z Z ∂u ∇u · ∇uε dx = ∇u · ∇uε dx = uε ds = 0 . |{z} ∂ν Ω Ωε ∂Ωε =0 ¡ ¢ Außerdem ist (Kettenregel!) ∇uε (x) = φ0 u(x)/ε ∇u(x), also ¶ µ Z ¯ ¯2 0 u(x) ¯∇u¯ φ dx = 0 . ε Ω 4 Man mache sich die Situation an einer Skizze klar! 68 ¯ ¯2 ¡ ¢ Da der Integrand nicht negativ ist, muss er identisch verschwinden, d.h. ¯∇u¯ φ0 u(x)/ε = 0 für alle x. Wir zeigen, dass u konstant ³ ´ sein muss. Sei x ∈ Ω mit u(x) 6= 0. Wähle ε > 0 so klein, dass ¯ ¯ u(x) 0 ¯u(x)¯/ε ≥ 2. Dann ist φ = 1, also ∇u(x) = 0. Daher ist ∇(u2 )(x) = 2u(x) ∇u(x) = 0 ε für jedes x ∈ Ω. Daher ist u2 konstant, also auch u. Da u auf dem Rand ∂Ω verschwindet, so muss u = 0 sein. 2 Satz 4.16 (Eindeutigkeit des äußeren Neumann-Problems) Sei wieder Ω ⊆ R2 ein beschränktes Gebiet, diesmal mit ∂Ω ∈ C 2 und zusammenhängendem Komplement R2 \ Ω. Zu jedem g ∈ C(∂Ω) besitzt das Randwertproblem ∆u = 0 in R2 \ Ω , ¡ ¢ lim ν(x) · ∇u x + εν(x) = g gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω , ε→0 ε>0 und µ u(x) = O 1 |x| ¶ µ , ∇u(x) = O 1 |x|2 ¶ , x → ∞, gleichmäßig bzgl. x , |x| höchstens eine Lösung u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω). Beweis: Sei u Lösung des homogenen äußeren Neumann Problems (d.h. für g = 0). Wir nehmen zunächst einmal an, dass u ∈ C 1 (R2 \ Ω). Dann folgt mit dem 1. Greenschen Satz: Z Z £ 2 |∇u| dx = ∇u · ∇u + u ∆u dx B(0,R)\Ω B(0,R)\Ω Z = − ∂Ω ∂u u ds + ∂ν |{z} =0 Z |x|=R ∂u u ds −→ 0 , ∂ν} | {z R → ∞. O(1/R3 ) Also ist wieder ∇u = 0 in R2 \ Ω. Wir erhalten, dass u konstant ist. Wegen u = O ³ 1 |x| ´ für x → ∞ folgt u = 0 in R2 \ Ω. ¡ ¢ Im allgemeinen Fall, d.h. wenn nur u ∈ C(R2 \Ω) und lim ν(x)·∇u x+εν(x) = 0 ist, betrachten ε→0 wir Parallelkurven (ε hinreichend klein) ∂Ωε := {y = x + εν(x) : x ∈ ∂Ω} . Ist wieder γ : R → R2 eine Parametrisierung von ∂Ω, so ist y = γε (t) = γ(t) + εν(t) , t ∈ R, ¡ ¢ eine Parametrisierung von ∂Ωε . Hier haben wir ν(t) an Stelle von ν γ(t) geschrieben. Wegen ¯ ¯ ¯ν(t)¯2 = 1 gilt (ableiten!) ν(t)· ν̇(t) = 0. Also ist ν̇(t) ein Tangentialvektor im Punkt γ(t). Daher gibt es eine skalare Funktion α mit ν̇(t) = α(t) γ̇(t). Wir erhalten daher ¡ ¢ γ̇ε (t) = γ̇(t) + εν̇(t) = 1 + α(t) γ̇(t) . Daher stimmen die Richtungen der Tangentialvektoren überein, also ist der Normalenvektor νε (t) im Punkt γε (t) identisch mit dem Normalenvektor ν(t) im Punkt γ(t). Wir können daher den 1. Greenschen Satz wie oben anwenden, aber im Gebiet B(0, R) \ Ωε und erhalten Z Z Z ∂u ∂u 2 |∇u| dx = − u u ds + ds . ∂ν ∂ν B(0,R)\Ωε ∂Ωε 69 |x|=R Das erste Randintegral auf der rechten Seite ist Z ∂u ds = u ∂ν ∂Ωε ZL ¯ ¡ ¢ ¡ ¢¯ u γε (t) νε (t) · ∇u γε (t) ¯γ̇ε (t)¯ dt 0 ZL = ¯ ¡ ¢ ¡ ¢¯ u γε (t) ν(t) · ∇u γε (t) ¯γ̇ε (t)¯ dt , 0 und dieser Term konvergiert gegen Null für ε → 0, da ¡ ¢ lim ν(x) · ∇u x + εν(x) = 0 ε→0 ε>0 ¡ ¢ und u x + εν(x) beschränkt bleibt für ε → 0. Daher erhalten wir Z Z ∂u 2 (∗) lim |∇u| dx = u ds . ε→0 ∂ν B(0,R)\Ωε |x|=R Der rechte Term konvergiert gegen 0 für R → ∞. Hieraus folgt wieder ∇u = 0 in R2 \ Ω. Gäbe es nämlich ein x0 ∈ Ω mitR∇u(x0 ) 6= 0, so wäreR (∇u ist stetig!) |∇u|2 > 0 in einer Umgebung U von x0 und daher B(0,R)\Ωε |∇u|2 dx ≥ U |∇u|2 dx > 0 für alle hinreichend kleinen ε > 0Rund hinreichend großen R R > 0, so dass U ⊂ B(0, R) \ Ωε . Dann wäre auch der Limes limε→0 B(0,R)\Ωε |∇u|2 dx ≥ U |∇u|2 dx für alle hinreichend großen R und dies würde ein Widerspruch sein zu der Tatsache, dass der rechte Term in (∗) gegen Null konvergiert. Also ist u konstant in R2 \ Ω und wegen der Randbedingung u = 0 in R2 \ Ω. 2 Folgerung 4.17 Sei Ω wie im letzten Satz. Dann ist das innere Dirichlet Problem ∆u = 0 in Ω , u=f auf ∂Ω , für jedes f ∈ C(∂Ω) eindeutig lösbar. Beweis: siehe Idee 4.14. Bemerkungen: • Für eine Lösungstheorie des inneren Neumannproblems ist zu beachten, dass mit dem 1. Greenschen Satz in Ω (mit einer Lösung u des inneren Neumannproblems und v = 1) Z Z Z £ ¤ ∂u 0 = ∇1 ·∇u + 1 |{z} ∆u dx = ds = g ds |{z} ∂ν Ω =0 =0 ∂Ω ∂Ω gilt. Diese Kompatibilitätsbedingung ist also eine notwendige Bedingung für die Existenz einer Lösung. • Das gleiche gilt bei dem äußeren Neumannproblems. Hier ist wieder (Anwendung der 1. Greenschen Formel in B(0, R) \ Ω) Z Z ∂u ∂u 0 = ds − ds ∂ν ∂ν ∂Ω |x|=R 70 gilt. Also ist ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ Z ¯ ¯Z ¯ Z ¯ ¯ ¯ ¯ ∂u ¯ ¯ g ds¯ = ¯¯ ds¯ ≤ |∇u| ds . ¯ ¯ ¯ ∂ν ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ∂Ω |x|=R |x|=R ³ ´ R Aus |∇u(x)| = O |x|1 2 und ds = O(R) (im R2 !) folgt wieder als notwendige Bedin|x|=R gung für die Existenz einer Lösung Z g ds = 0 . ∂Ω • Ein Vorteil der Randintegralgleichungsmethode gegenüber anderen Zugängen ist, dass auch Außenraumprobleme analog behandelt werden können. Außerdem ist zum Lösen des Randwertproblems nur eine Gleichung auf einer d − 1 dimensionalen Manigfaltigkeit zu betrachten, ein wesentlicher Gewinn für numerische Berechnungen. Der Nachteil dieses Zugangs liegt darin, dass wir die Randregularität ∂Ω ∈ C 2 annehmen müssen und dass eine Grundlösung bekannt sein muss. • Zur Behandlung von Randwertproblemen der Potentialtheorie mit Integralgleichungen sei das Buch Kress Linear Integral Equations“ empfohlen. Zur Helmholtzgleichung ” (reduzierte Schwingungsgleichung) und den Maxwellgleichungen siehe: Colton/Kress Integral Equation Methods in Scattering Theory“ , ” I. Stackgold: Boundary Integral Equation Method“ , ” McLean: Boundary Integral Equation Method“ . ” 71 5 Faltungsintegralgleichungen Ziel: Wir wollen Faltungsoperatoren der Form Z∞ (Kx)(t) = k(t − s) x(s) ds , t ∈ R, −∞ und Lösbarkeit von zugehörigen Integralgleichungen λx − Kx = y untersuchen. In den Übungen hatten wir am Beispiel gezeigt, dass solche Operatoren i.A. nicht kompakt sind. Wesentliches Hilfsmittel zu ihrer Behandlung sind Integraltransformationen. In diesem Kapitel sind alle Funktionen komplexwertig. Wir benötigen die Räume Lp (R) von messbaren, komplexwertigen Funktionen x : R → C, so dass |x|p Lebesgue integrierbar sind. 5.1 Die Fouriertransformation Definition und Lemma 5.1 Für x ∈ L1 (R) ist die Fouriertransformation definiert durch Z∞ x(s) e−ist ds , (Fx)(t) = t ∈ R. −∞ F ist ein linearer und beschränkter Operator von (L1 (R) nach BC(R), wobei der Raum © ª BC(R) = x ∈ C(R) : sup |x(t)| < ∞ t∈R mit der Supremumnorm k · k∞ ausgestattet ist. Beweis: Nach dem Majorantenkriterium existiert das Integral und ist beschränkt durch ¯ ¯ ¯(Fx)(t)¯ ≤ Z∞ |x(s)| ds = kxkL1 , t ∈ R. −∞ Die Stetigkeit von Fx folgt aus dem Lebesgueschen Konvergenzsatz, denn mit tn → t, n → ∞, gilt: Z∞ Z∞ −istn lim (Fx)(tn ) = lim x(s) e ds = x(s) e−ist ds = (Fx)(t) , n→∞ n→∞ −∞ −∞ da die Folge der Integranden durch die integrierbare Funktion |x| beschränkt ist. Beispiel 5.2 (a) Sei x(t) = 1 . 1+t2 2 Für t > 0 erhalten wir mit dem Residuensatz 1 2πi Z f (z) dz = γ X Res(f, z) , z∈D für die Kurve γ = {z ∈ C : |z| = R, Im z < 0} ∪ [−R, R] und das durch γ umschlossene 72 Gebiet D (Skizze, man achte auf die Orientierung!): ZR − Z e−ist ds = 1 + s2 γ −R 1 = − 2i Z µ γ = −π e−t ¯ −izt ¯ ¯ ¯ da für |z| = R gilt: ¯ e1+z 2 ¯ = Z e−izt dz − 1 + z2 et Im z |1+z 2 | ≤ e−izt dz 1 + z2 |z|=R Im z<0 1 1 − z+i z−i ¶ Z |z|=R Im z<0 µ ¶ 1 + O , R 2 R2 e−izt dz 1 + z2 e−izt dz − für R ≥ 2 wegen |1 + z 2 | ≥ |z|2 − 1 = R2 − 1 ≥ R2 − R2 /4 ≥ R2 /2. Analog erhalten wir das Integral für t < 0 (Residuensatz über den oberen Halbkreis!). Der Grenzwert R → ∞ ergibt (Fx)(t) = π e−|t| , t ∈ R . R∞ 2 2 (b) Sei x(t) = e−αt , α > 0. Dann ist (Fx)(t) = −∞ e−αs e−ist ds differenzierbar mit Z∞ h 0 (Fx) (t) = i 2 −is e−αs i e−ist ds −∞ part. Int. = ¶¯ 1 −αs2 −ist ¯¯∞ e e i ¯ 2α µ + −∞ = Also gilt (Fx)(t) = c e−t − 2 /(4α) it 2α Z∞ 2 e−αs e−ist ds −∞ t (Fx)(t) . 2α mit c = (Fx)(0) = R∞ −∞ e −αs2 ds = pπ α. (Bemerkung: Beachte, dass mit α = 1/2 eine Eigenfunktion zum Eigenwert λ = F gegeben ist. Weitere Eigenfunktionen werden in der Übung behandelt.) √ 2π von Frage: In welchen Räumen ist Fx = y umkehrbar? Definition 5.3 a) Der Schwartz-Raum (Raum der schnell abfallenden glatten Funktionen) ist definiert durch © £ ¤ ª S = S(R) = x ∈ C ∞ (R) : sup |t|p |x(n) (t)| < ∞ für alle p, n ∈ N0 . t∈R 2 Es ist zum Beispiel die Funktion x(t) = e−t , t ∈ R, in S. b) Seien x, y ∈ S. Dann heißt Z∞ (x ∗ y)(t) = Z∞ x(t − s) y(s) ds = −∞ y(t − s) x(s) ds = (y ∗ x)(t) −∞ die (zweiseitige) Faltung von x und y (einseitige Faltung: siehe Übung). 73 Satz 5.4 Seien x, y ∈ S. Dann gilt (Fy)(t) = e±ith (Fx)(t) a) b) (Fx)0 (t) = (Fy)(t) c) (Fx0 )(t) = it (Fx)(t) d) für y(s) = x(s ± h) mit y(s) = −is x(s) F(x ∗ y)(t) = (Fx)(t) · (Fy)(t) e) (Faltungssatz) F(xy)(t) = (Fx ∗ Fy)(t) Beweis: a), b), c) nachrechnen! zu d) Vertauschen der Integrationsreihenfolge liefert Z∞ Z∞ e F(x ∗ y)(t) = −∞ Z∞ −ist x(s − τ ) y(τ ) dτ ds −∞ Z∞ e−ist x(s − τ ) ds y(τ ) dτ = −∞ −∞ Z∞ Z∞ e−i(s̃+τ )t x(s̃) ds̃ y(τ ) dτ = −∞ −∞ ∞ Z = Z∞ e−is̃t x(s̃) ds̃ −∞ (substituiere s̃ = s − τ ) e−iτ t y(τ ) dτ = (Fx)(t) · (Fy)(t) . −∞ e) analog. 2 Satz 5.5 (Umkehrformel in S) Mit x ∈ S ist auch Fx ∈ S, und es gilt 1 x(t) = 2π Z∞ (Fx)(s) eist ds , t ∈ R. −∞ Ferner gilt die Formel von Plancherel ® Fx, Fy L2 = 2πhx, yiL2 für x, y ∈ S. Bemerkung: Dies bedeutet, dass √12π F : S → S ein unitärer Normisomorphismus des Prä¡ ¢ Hilbertraums S, k · kL2 auf sich ist. Beweis: (i) Mit x ∈ S ist Fx ∈ C ∞ (R) (da integrierbare Majoranten für die Ableitungen von x existieren). Weiter folgt mit partieller Integration (n-mal) Z∞ n (q) t (Fx) n q (t) = t (−i) e −ist ¡ q ¢ s x(s) ds = (−i)q−n −∞ Z∞ −∞ Z∞ = (−i)q−n (−1)n e−ist −∞ 74 ¢ dn ¡ q s x(s) ds . n ds ¡ q ¢ ∂ n −ist e ds s x(s) ∂sn Also ist ¯ ¯¤ £ sup |tn | ¯(Fx)(q) (t)¯ < ∞ für alle n, q ∈ N0 , t∈R d.h. Fx ∈ S. (ii) Um die Umkehrformel zu zeigen, betrachte für beliebiges φ ∈ S die folgende Identität. ∞ Z∞ Z∞ Z Z∞ Z∞ its its −isτ e φ(s) (Fx)(s) ds = e φ(s) e x(τ ) dτ ds = x(τ ) e−i(τ −t)s φ(s) ds dτ −∞ −∞ Z∞ = −∞ −∞ −∞ Z∞ x(τ )(Fφ)(τ − t) dτ = −∞ x(t + τ ) (Fφ)(τ ) dτ . −∞ Die Vertauschung der Integrationsreihenfolge ist natürlich gerechtfertigt. Zu ε > 0 definiere 2 φε ∈ S durch φε (s) = e−(εs) /2 . Die Fouriertransformation wurde in Beispiel 5.2 berechnet √ 2π −τ 2 /(2ε2 ) 2 . Einsetzen in (5.1) ergibt (α = ε /2) und ist (Fφε )(τ ) = ε e Z∞ e its −∞ √ Z∞ 2π 2 2 φε (s) (Fx)(s) ds = x(t + τ ) e−τ /(2ε ) dτ . ε −∞ Die Variablensubstitution τ = εσ liefert mit dτ = εdσ Z∞ e its ∞ √ Z 2 x(t + εσ) e−σ /2 dσ . φε (s) (Fx)(s) ds = 2π −∞ −∞ Jetzt wenden wir den Satz von Lebesgue an (Voraussetzungen nachprüfen!). Die rechte Seite konvergiert für ε → 0 gegen Z∞ √ 2 2π x(t) e−σ /2 dσ = 2π x(t) , −∞ die linke Seite gegen Z∞ eits (Fx)(s) ds . −∞ (iii) Die Formel von Plancherel folgt nun direkt aus Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ −its x(s) e ds (Fy)(t) dt = x(s) e−its (Fy)(t) dt ds hFx, FyiL2 = −∞ −∞ Z∞ = −∞ eits (Fy)(t) dt ds = 2π hx, yiL2 . x(s) −∞ −∞ Z∞ −∞ | {z } =2πy(s) 2 75 Satz 5.6 Es gibt genau einen linearen, beschränkten Operator F von L2 (R) in sich mit Z∞ x(s) e−ist ds , (Fx)(t) = t ∈ R, für x ∈ S . −∞ Weiter ist mit √1 F 2π (F unitär, d.h. F ∗ F = FF ∗ = 2πI, und insbesondere ist F beschränkt invertierbar −1 1 1 x)(t) = (F ∗ x)(t) = 2π 2π Z∞ x(s) eist ds , t ∈ R, x∈S. −∞ Beweis: Setze C0∞ (R) = © ª x ∈ C ∞ (R) : es gebe ein kompaktes Intervall I mit x(t) = 0 für t 6∈ I . Offenbar ist C0∞ (R) ⊆ S. Im folgenden Lemma zeigen wir, dass C0∞ (R) dicht liegt in L2 (R). Dann liegt auch S dicht in L2 (R) und die Vervollständigung F : L2 (R) −→ L2 (R) existiert (siehe Übung). Mit Satz 5.5 folgen die weiteren Aussagen. 2 Lemma 5.7 Sei I ⊆ R ein beschränktes oder unbeschränktes Intervall. C0∞ (I) liegt dicht in Lp (I) für p ≥ 1. Insbesondere liegt auch S dicht in Lp (I) für jedes p ∈ [1, ∞) (nicht jedoch für p = ∞). Beweis: Aus der Definition des Lebesgue-Integrals folgt, dass die Treppenfunktionen in Lp (I) dicht liegen. Es genügt also zu zeigen, dass sich die Treppenfunktion ( 1 , t ∈ [a, b] , x(t) = 0 , sonst, durch C0∞ -Funktionen bzgl. k · kp approximieren lässt. Definiere ϕ ∈ C ∞ (R) durch ( 1 e− t2 , t > 0 , ϕ(t) = 0, t ≤ 0. Dann ist |ϕ(t)| ≤ 1 für alle t. Induktiv lässt sich differenzierbar ist (Analysis I!). Weiter setze 0 ,³ ´ t−a+ε ϕ , a−t ψε (t) = 1 , ³ ´ b+ε−t ϕ , t−b 0, zeigen, dass ϕ auf ganz R unendlich oft t ≤ a − ε, a − ε < t < a, a ≤ t ≤ b, b < t < b + ε, t ≥ b + ε. Dann ist ψε ∈ C0∞ (R) und Z ¯ ¯ ¯ψε (t) − x(t)¯p dt = ¶¯p ¶¯p Zb+ε¯ µ Za ¯ µ ¯ ¯ ¯ ¯ t − a + ε ¯ϕ b + ε − t ¯ dt ¯ϕ ¯ dt + ¯ ¯ ¯ ¯ a−t t−b a−ε I b Za ≤ Zb+ε 1 dt + a−ε dt ≤ 2 ε . b 76 Das beweist die Behauptung. 2 Bemerkung: Für allgemeine x ∈ L2 (R) existiert das Integral Z∞ x(s) e−ist ds −∞ nicht als Lebesguesches Integral! Man wähle etwa die stückweise definierte Funktion x mit x(s) = 1 für |s| ≥ 1. Aus der Lebesgueschen Integrationstheorie ist bekannt 1 für |s| ≤ 1 und x(s) = |s| £ ¤ (?), dass die Funktion s 7→ Im e−ist /s = − sin(st)/s nicht Lebesgue-integrierbar ist, also auch nicht s 7→ x(s)e−ist ! Satz 5.8 Sei x ∈ L2 (R). Dann gelten die Identitäten ZR (Fx)(t) = x(t) = x(s) e−ist ds lim R→∞ −R 1 lim 2π R→∞ fast überall, ZR (Fx)(s) eist ds fast überall . −R Insbesondere existieren die Integrale im Sinne Cauchy’scher Hauptwerte für fast alle t ∈ R. Beweis: Zu x ∈ L2 (R) definiere TR x ∈ L2 (R) durch ZR x(s) e−ist ds . (TR x)(t) = −R Dann ist TR linearer und beschränker Operator von L2 (R) in sich. Für x ∈ S gilt TR x → Fx, R → ∞, in L2 (R). Sei x ∈ L2 (R) beliebig. Setze ( xR (t) = x(t) , |t| < R , 0, |t| ≥ R . Dann ist TR x = FxR und daher kTR xkL2 = kFxR kL2 = Also ist kTR k ≤ √ √ 2πkxR kL2 ≤ 2πkxkL2 . √ 2π für alle R, d.h. TR ist gleichmäßig beschränkt. Sei nun ε > 0. Dann existiert ϕ ∈ S mit kx − ϕkL2 ≤ ε, da S ⊆ L2 (R) dicht liegt. Wegen der Konvergenz TR ϕ → Fϕ gibt es R0 > 0 mit kTR ϕ − FϕkL2 ≤ ε für alle R > R0 . Es folgt kTR x − FxkL2 ≤ kTR x − TR ϕkL2 + kTR ϕ − FϕkL2 + kFϕ − FxkL2 √ √ ¢ ¡√ ≤ kTR k kx − ϕkL2 + ε + 2π kϕ − xkL2 ≤ 2π + 1 + 2π ε | {z } | {z } | {z } √ ≤ 2π ε =ε 77 für R ≥ R0 . Also erhalten wir Konvergenz TR x → Fx für R → ∞. Die zweite Formel wird genauso bewiesen. 2 Bemerkung: Allgemeiner gilt die Aussage, dass eine Folge (An ) von linearen Operatoren genau dann punktweise konvergiert, wenn sie auf einer dichten Teilmenge punktweise konvergiert und gleichmäßig beschränkt ist. Dies ist der Satz von Banach-Steinhaus (siehe Vorlesung über Funktionalanalysis). Folgerung 5.9 Auf L2 (R) ∩ L1 (R) stimmt der Operator F aus Satz 5.6 mit der Fouriertransformation aus Definition 5.1 überein und es gilt punktweise für alle t: ZR (Fx)(t) = lim R→∞ −R x(s) e−ist ds , t ∈ R. Beweis: Definition/Lemma 5.1 und Satz 5.8. 2 Fazit: • F : L1 (R) → BC(R) ist beschränkt, • F : S → S ist beschränkter Isomorphismus (mit Umkehrformel), • F : L2 (R → L2 (R) ist beschränkter Isomorphismus, und es gibt eine Darstellung im Sinne des Cauchy-Hauptwertes. Insbesondere ist F auf S und auf L2 (R) injektiv. Dies gilt auch in L1 (R): Satz 5.10 F : L1 (R) → BC(R) ist injektiv. Beweis: Sei x ∈ L1 (R) mit Fx = 0. Wähle eine Folge (xn ) ⊆ S mit kxn − xkL1 → 0, n → ∞. Weiter definiere zu a < b und ε > 0 die Funktion ψε wie im Beweis von Lemma 5.7. Dann hat ψε ∈ C0∞ (R) ⊆ S die Eigenschaften ψε (t) ∈ [0, 1] für t ∈ R , ψε (t) = 1 für t ∈ [a, b] , ψε (t) = 0 für t ∈ / [a − ε, b + ε] . Wegen kψε k∞ ≤ 1 folgt Z ¯ ¯ ¯hxn , ψε iL2 − hx, ψε iL2 ¯ ≤ ∞ −∞ |xn − x| |ψε | ds ≤ kxn − xkL1 → 0 , n → ∞ , also hxn , ψε iL2 → hx, ψε iL2 . Auf der anderen Seite folgt mit der Plancherelschen Gleichung ¯ ¯ ¯hxn , ψε iL2 ¯ = ≤ ¯ 1 1 ¯¯ hFxn , Fψε iL2 ¯ ≤ 2π 2π 1 kFxn )k∞ 2π Z∞ Z∞ −∞ ¯ ¯ ¯(Fψε )(t)¯ dt = −∞ Also ist hx, ψε iL2 = 0, d.h. ¯ ¯¯ ¯ ¯(Fxn )(t)¯ ¯(Fψε )(t)¯ dt 1 kFxn )k∞ kFψε kL1 → 0 , 2π Z∞ x(s) ψε (s) ds = 0 . −∞ 78 n → ∞. Dies gilt für alle a < b und ε > 0. Lassen wir ε gegen Null gehen, so folgt mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz (Integrand ist beschränkt durch die integrierbare Funktion |x| und konvergiert punktweise gegen x(s) für s ∈ [a, b] und 0 für s ∈ / [a, b], also Zb x(s) ds = 0 a für alle a < b. Hieraus folgt (Eigenschaft des Lebesgue-Integrals), dass x = 0 fast überall. 2 Ein weiteres Resultat, das über die Approximation mit glatten Funktionen gewonnen wird, ist das sogenannte Riemann-Lebesgue-Lemma: Satz 5.11 Für jedes x ∈ L1 (R) ist lim (Fx)(t) = 0. |t|→∞ Beweis: Sei x ∈ L1 (R) und ε > 0. Dann existiert z ∈ S mit kx ¯ − zkL1¯ ≤ ε/2. Wegen Fz ∈ S ist lim (Fz)(t) = 0. Daher kann man T > 0 so wählen, dass ¯(Fz)(t)¯ ≤ ε/2 für alle |t| ≥ T . |t|→∞ Für diese t ist ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯(Fx)(t)¯ ≤ ¯F(x − z)(t)¯ + ¯(Fz)(t)¯ ≤ kF(x − z)k∞ + ε 2 ε ε ε ≤ kx − zkL1 + ≤ + = ε. 2 2 2 2 1 Folgerung 5.12 (a) Also bildet die Fouriertransformation © ª den Raum L (R) in den abgeschlossenen Unterraum x ∈ C(R) : lim x(t) = 0 von BC(R) ab. (Aber selbst auf |t|→∞ diesem Raum ist F nicht surjektiv!) (b) Für x ∈ L1 (R) beschreibt t 7→ (Fx)(t), t ∈ R, die Parametrisierung einer Kurve in C, die bei 0 startet und in 0 endet. Die Abbildungseigenschaften eines Faltungsoperators mit Kern in L1 (R) werden in der Literatur als Young’sche Sätze bezeichnet. Die für uns wichtigen Eigenschaften sind im folgenden Satz zusammengefasst. Lemma 5.13 (Young) Sei x ∈ L1 (R). Dann gilt: (i) y ∈ BC(R) =⇒ x ∗ y ∈ BC(R) und kx ∗ yk∞ ≤ kxkL1 kyk∞ . (ii) y ∈ L∞ (R) =⇒ x ∗ y ∈ L∞ (R) und kx ∗ yk∞ ≤ kxkL1 kyk∞ . (iii) y ∈ Lp (R), p ∈ [1, ∞) =⇒ x ∗ y ∈ Lp (R) und kx ∗ ykLp ≤ kxkL1 kykLp . Beweis: (i), (ii) folgen direkt aus der Definition/Lemma 5.3. Beweis von (iii): 1. Fall: Sei zunächst p = 1, d.h. x, y ∈ L1 (R). Betrachte Z∞ x(t − s) y(s) ds . {z } | (x ∗ y)(t) = −∞ 79 =:z(t,s) Dann ist z(·, s) ∈ L1 (R) für fast alle s ∈ R und ¯ ∞ ¯ ¯Z ¯ Z∞ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ≤ ¯y(s)¯ ¯x(t − s)¯ dt = ¯y(s)¯kxkL1 ∈ L1 (R) , z(t, s) dt ¯ ¯ ¯ ¯ −∞ sowie −∞ ¯ ¯ ¯ Z∞ ¯ Z∞ Z∞ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯y(s)¯ ds kxkL1 = kykL1 kxkL1 . z(t, s) dt¯¯ ds ≤ ¯ ¯ ¯ −∞ −∞ −∞ R∞ z(t, ·) dt ∈ L1 (R). Nach dem Satz von Fubini-Tonelli ( Umkehrung“ des Satzes ” −∞ 1 1 von Fubini) folgt z ∈ L (R × R), z(t, ·) ∈ L (R) und Somit ist auch Z Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ z(t, s) d(t, s) = z(t, s) dt ds = z(t, s) ds dt −∞ −∞ R×R −∞ −∞ gilt. Also gilt x ∗ y ∈ L1 (R) und die angegebenen Abschätzung. 2. Fall: Sei nun p ∈ (1, ∞) und definiere q ∈ R durch p1 + 1q = 1. Dann ist ∞ p Z ³ ´ 1 1 |(x ∗ y)(t)|p ≤ |x(t − s)| p |y(s)| |x(t − s)| q ds −∞ Z∞ |x(t − s)| |y(s)| ds | {z } p ≤ −∞ =:z(t,s) p Z∞ q |x(t − s)|ds . −∞ (Höldersche Ungleichung!) Für z gilt analog zum 1. Fall, dass z ∈ L1 (R × R) ist. Weiter folgt p kx ∗ ykpLp ≤ kxkLq 1 kxkL1 kykpLp = kxkpL1 kykpLp (denn 1 + p q = p). 2 Der Faltungssatz kann auch übertragen werden: Satz 5.14 Sei x ∈ L1 (R) und y ∈ Lp (R) mit p = 1 oder p = 2. Dann ist F(x ∗ y) = (Fx) (Fy) mit den entsprechenden Fouriertransformationen in L1 (R) und L2 (R). Beweis: Seien (xn ), (yn ) ⊆ S Folgen mit kxn − xkL1 → 0 and kyn − ykLp → 0 , n → ∞. Dann gilt (∗) F(xn ∗ yn ) = (Fxn ) (Fyn ) . Nach Lemma 5.13 gilt kxn ∗ yn − x ∗ ykLp ≤ kxn ∗ (yn − y)kLp + k(xn − x) ∗ ykLp ≤ kxn kL1 kyn − ykLp + kxn − xkL1 kykLp → 0 für n → ∞ . 80 Ist p = 1, so benutzen wir die Beschränktheit von F als Operator von L1 (R) nach BC(R). Die linke Seite von (∗) konvergiert gegen F(x ∗ y) in BC(R), die rechte Seite von (∗) gegen (Fx) (Fy), ebenfalls in BC(R). Ist p = 2, so benutzen wir die Beschränktheit von F als Operator von L2 (R) in sich. Daher konvergert die linke Seite von (∗) in L2 (R) und ebenfalls die rechte Seite von (∗) als Produkt zweier Folgen in BC(R) und L2 (R). 2 5.2 Faltungsgleichungen über R Als Literatur zu diesem Abschnitt bietet sich das Buch K. Jörgens, Lineare Integraloperatoren, Teubner 1970 an. Wir untersuchen das Problem einer Lösungstheorie zu Integralgleichungen der Form Z∞ λx(t) − k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R , −∞ oder kurz λx − k ∗ x = y . (5.1) Bemerkung 5.15 Wenden wir auf (5.1) formal die Fouriertransformation an, so folgt die algebraische Gleichung (λ − Fk) (Fx) = Fy (5.2) bzw. µ x = F −1 Fy λ − Fk ¶ . (i) Wenn alle Operationen sinnvoll sind, ist dies eine analytische Lösungsmethode für (5.1). (ii) Um eine Existenztheorie zu bekommen sind folgende Fragen zu klären: (i) In welchen Räumen liegen x und y? Wir haben F auf L1 (R) und L2 (R) geklärt, d.h. (5.1) in diesen Räumen wäre wünschenswert. (ii) In welchem Raum liegt k? Wegen des Youngschen Lemmas ist k ∈ L1 (R) sinnvoll, ( BC(R) , p = 1 , denn k ∗ x ∈ Lp (R), p = 1, 2, und F(k ∗ x) ∈ führt auf wohldefiL2 (R) , p = 2 , nierte Gleichungen (5.1) und (5.2). F(y) (iii) In welchem Raum liegt der Quotient λ−F(k) ? Um F −1 anwenden zu können, muss der Quotient im Bildraum der Fouriertransformation sein. Beispiel 5.16 a) Gesucht ist die Lösung der Integralgleichung Z∞ 25 2 e− 2 (t−s) x(s) ds = −∞ a2 2 1 −8t2 e . 25 Setze fa (t) = e− 2 t . Dann ergibt die Fouriertransformation der Integralgleichung die algebraische Gleichung 1 Ff4 (Ff5 )(Fx) = 25 bzw. 1 Ff4 . Fx = 25 Ff5 81 √ 1 2π − 2a2 t2 . a e Mit Beispiel 5.2 ist (Ffa )(t) = 1 2 1 5 e− 2·16 t (Fx)(t) = 1 t2 25 4 e 2·25 = Also folgt 1 − 1 ( 1 − 1 )t2 1 − 1 ( 3 )2 t2 1 = e 2 16 25 e 2 20 = √ (Ff 20 )(t) 3 20 20 3 2π und somit x = 3√12π f 20 . (Alle auftretenden Funktionen liegen in S, so dass die Lösungs3 methode genutzt werden kann). b) Gesucht ist eine Lösung des Dirichlet Problems ∆u(x) = 0 , x ∈ H = {x ∈ R2 : x2 > 0} , u(x1 , 0) = g(x1 ) , x1 ∈ R . Ferner verlangen wir, dass u beschränkt ist und lim|x1 |→∞ u(x1 , x2 ) = lim|x1 |→∞ 0 für jedes x2 > 0. ∂ ∂x1 u(x1 , x2 ) Wir nehmen sogar an, dass u(·, x2 ), g ∈ S für jedes x2 > 0. Dann folgt für die Fouriertransformation Z∞ u(x1 , x2 ) e−ix1 t dx1 û(t, x2 ) = (Fx1 u)(t, x2 ) = −∞ bzgl. x1 : ∂2 û(t, x2 ) = 0 . ∂x2 Fx1 (∆u)(t, x2 ) = −t2 û(t, x2 ) + Die Randbedingung wird transformiert in û(t, 0) = (Fg)(t) , t ∈ R. Dies ist eine gewöhnliche Differentialgleichung 2. Ordnung bzgl. x2 mit Anfangsbedingungen in x2 = 0 und Parameter t ∈ R. Die allgemeine Lösung ist û(t, x2 ) = α(t)e|t|x2 + β(t)e−|t|x2 . Aus der Anfangsbedingung folgt α(t) + β(t) = (Fg)(t) , t ∈ R. Da u beschränkt sein soll, folgt α(t) = 0 und daher û(t, x2 ) = (Fg)(t) e−|t|x2 = (Fg)(t) (Ffx2 )(t) mit fx2 (t) = x2 + x22 ) π(t2 (siehe Beispiel 5.2a), in dem t durch t ersetzt wird). x2 Also ist Fx1 u = Fx1 (g ∗ fx2 ). Aus der Umkehrformel (u, g ∈ S, fx2 ∈ L1 (R) für x2 > 0) folgt die sogenannte Poissonformel Z∞ u(x) = (g ∗ fx2 )(x) = −∞ x2 g(x1 − s) ds = 2 π(s + x22 ) | {z } Poissonkern für H 82 Z∞ g(s) −∞ x2 ¤. π (x1 − s)2 + x22 £ = Wir können diese Formel auch anders interpretieren. Wir erinnern uns an die Fundamen1 tallösung Φ(x, y) = − 2π ln |x − y| für die Laplacegleichung (letztes Kapitel!) und rechnen das Doppelschichtpotential mit Dichte g für den Rand ∂H = R × {0} aus. Es ist ∂ ∂ x2 ¤ Φ(x, y) = − Φ(x, y) = − £ ∂ν(y) ∂y2 2π (x1 − y1 )2 + x22 für y2 = 0 und daher (ersetze s durch y1 ) Z∞ u(x) = (g ∗ fx2 )(x) = −2 g(y1 ) −∞ ∂ Φ(x, y) dy1 , ∂ν(y) x∈H. Die Sprungbedingungen von Satz 4.11 liefern Z∞ lim u(x) = g(x1 ) − 2 x2 →0 g(y1 ) −∞ ∂ Φ(x, y) dy1 = g(y1 ) ∂ν(y) für x2 = 0 , da der direkte Wert der partiellen Ableitung für x2 = 0 verschwindet. Daher erkennen wir, dass die Lösung des Randwertproblems durch das Doppelschichtpotential mit Dichte g gegeben ist. Wir kommen zurück zur Integralgleichung vom Faltungstyp in der Form λx − k ∗ x = y. Am einfachsten ist die Lösungstheorie im L2 (R). Satz 5.17 Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C, λ 6= 0. Die Gleichung λx − k ∗ x = y ist genau dann für jedes y ∈ L2 (R) eindeutig lösbar in L2 (R), wenn λ ∈ / k̂(R). Hier, k̂ = Fk. In diesem Fall ist die Lösung x ∈ L2 (R) gegeben durch µ ¶ Fy −1 x = F . λ − Fk Beweis: 1. Teil: Die Gleichung sei lösbar für jede rechte Seite y ∈ L2 (R), also auch für y(t) = exp(−t£2 ), t ∈ R.¤ Es gibt also x ∈ L2 (R) mit λx − k ∗ x = y. Die Fouriertransformation (in L2 (R)) liefert λ − k̂(t) (Fx)(t) = (Fy)(t) fast überall. Wegen y ∈ S ist die rechte Seite stetig und auch strikt positiv für alle t. Daher kann das Produkt auf der linken Seite für kein t verschwinden, d.h. insbesondere λ 6= k̂(t) für alle t ∈ R. 2. Teil: Es sei λ ∈ / k̂(R). Da außerdem λ 6= 0, so liegt λ nicht in der kompakten (!) Menge K =¯ k̂(R) ∪ {0} ¯ ⊂ C. Daher ist der Abstand von λ zu K strikt positiv, d.h. es existiert ein ρ > 0 mit ¯λ − k̂(t)¯ ≥ ρ für alle t ∈ R. Da außerdem k̂ stetig ist mit Limes 0 für |t| → ∞, so ist die £ ¤ Fy Funktion t 7→ 1/ λ − k̂(t) eine stetige und beschränkte Funktion. Also liegt die Funktion λ−Fk 2 in L (R), und die inverse Fouriertransformation kann angewandt werden. Die Lösungsformel ist also wohldefiniert. Dass sie die Lösung liefert, £ ist klar: Man wende die Fouriertransformation an und erhält λ Fx − (Fk)(Fx) = Fy, d.h. F λx − k ∗ x] = Fy, d.h. λx − k ∗ x = y. 2 Es ist das Ziel, diesen Satz auf die Räume Lp (R) für alle p ∈ [1, ∞] zu übertragen. Schon bei Fy L1 (R) besteht die Schwierigkeit darin, dass nicht klar ist, ob die Funktion λ−Fk im Wertebereich 83 der Fouriertransformation F : L1 (R) → BC(R) liegt. Der Beweis des entsprechenden Satzes (von Wiener) erfordert mehr Hilfsmittel aus der Spektraltheorie. Sei X ein Banachraum über C, A : X → X ein beschränkter linearer Operator. Dann heißen © ª ρ(A) = µ ∈ C : µI − A beschränkt invertierbar und σ(A) = C \ ρ(A) die Resolventenmenge bzw. das Spektrum von A.5 Wir definieren r(A) = lim sup kAn k1/n und n→∞ © ª s(A) = sup |µ| : µ ∈ σ(A) . Die beiden Zahlen sind gleich: Definition und Satz 5.18 (a) Es ist r(A) = s(A), und diese Zahl heißt Spektralradius von A. (b) Sind A, B : X → X beschränkt und kommutieren sie (d.h. AB = BA), so gilt r(AB) ≤ r(A)r(B). Beweis: Für Teil (a) verweisen wir auf die Literatur über Funktionalanalysis. (b) Wegen (AB)n = An B n ist r(AB) = lim sup k(AB)n k1/n = lim sup kAn B n k1/n n→∞ n→∞ £ n 1/n n 1/n ¤ ≤ lim sup kA k kB k ≤ r(A) r(B) . n→∞ 2 Wir erinnernP noch an das Störungslemma (Satz 2.20): Ist r(A) < 1, so ist I − A bijektiv und n (I − A)−1 = ∞ n=0 A (Neumannsche Reihe). Satz 5.19 (von Wiener) Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C \ {0}. Es ist die Integralgleichung vom Faltungstyp λx − k ∗ x = y, d.h. Z∞ λ x(t) − k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R, −∞ genau dann für jedes y ∈ L1 (R) eindeutig lösbar in L1 (R), wenn λ ∈ / k̂(R) (wobei wieder k̂ = Fk). Beweis: Die Notwendigkeit der Bedingung λ ∈ / k̂(R) wurde schon in Satz 5.17 bewiesen und überträgt sich ¯ganz analog. Sei also λ ∈ / k̂(R). Dann existiert (siehe wieder Beweis von Satz 5.17) ¯ ¯ ¯ ein ρ > 0 mit λ − k̂(t) ≥ ρ für alle t ∈ R. Wir betrachten zuerst den Spezialfall k ∈ S. Wir schreiben · ¸ Fy 1 Fk = Fy + Fy . λ − Fk λ λ − Fk 5 beschränkt invertierbar“ bedeutet, dass die Inverse beschränkt ist. Auf diese Forderung kann verzichtet ” werden, da nach dem Satz von Banach die Inverse eines bijektiven beschränkten Operators automatisch beschränkt ist. 84 Fk Es ist λ−F k ∈ S (man mache sich das klar!). Da die Fouriertransformation auf S invertierbar Fk ist, so existiert z ∈ S mit Fz = λ−Fk . Definiere jetzt x = ¤ 1£ y + z∗y . λ Dann ist x ∈ L1 (R) und Fx = ¤ 1£ Fy Fy + (Fz)(Fy) = , λ λ − Fk d.h. λ Fx − (Fk)(Fx) = Fy, d.h. wieder λx − k ∗ x = y. Sei jetzt allgemein k ∈ L1 (R). Wir approximieren wieder k durch glatte Funktionen, d.h. wählen eine Folge kn ∈ S mit kkn − kkL1 → 0 für n → ∞. Wegen der Beschränktheit der Fouriertransformation gilt kk̂n − k̂k∞ → 0 für n → ∞, d.h. gleichmäßige Konvergenz k̂n → k̂ der Folge stetiger Funktionen. ¯ Wegen dieser gleichmäßigen Konvergenz sieht man leicht, dass es N ∈ N ¯ gibt mit ¯λ − k̂n (t)¯ ≥ ρ/2 für alle t ∈ R und alle n ≥ N . Auf kn ∈ S für n ≥ N können wir jetzt den ersten Fall anwenden. Definieren wir den Integraloperator Kn : L1 (R) → L1 (R) durch Kn x = kn ∗ x, so ist also λI − Kn invertierbar für jedes n ≥ N . Wir wollen das Störungslemma anwenden, um die Invertierbarkeit von λI − K zu zeigen. Dazu schreiben wir (immer im Folgenden für n ≥ N ) £ ¤ λI − K = (λI − Kn ) I − (λI − Kn )−1 (K − Kn ) . Wir ¡ müssen zeigen, dass¢die Klammer [· · · ] invertierbar ist. Wegen des Störungslemma reicht es, r (λI − Kn )−1 (K − Kn ) < 1 zu zeigen. Die Operatoren (λI − Kn )−1 und K − Kn kommutieren. Das sieht man so: (λI − Kn )−1 (K − Kn ) − (K − Kn )(λI − Kn )−1 £ ¤ = (λI − Kn )−1 (K − Kn )(λI − Kn ) − (λI − Kn )(K − Kn ) (λI − Kn )−1 = 0 , da (K − Kn )(λI − Kn )x − (λI − Kn )(K − Kn )x = Kn Kx − KKn x = kn ∗ k ∗ x − k ∗ kn ∗ x = 0. Daher ist ¡ ¢ ¡ ¢ ¡ ¢ r (λI − Kn )−1 (K − Kn ) ≤ r (λI − Kn )−1 r(K − Kn ) ≤ r (λI − Kn )−1 kK − Kn kL1 →L1 , da für jeden Operator A gilt: r(A) ≤ kAk. Zunächst schätzen wir den zweiten Faktor ab: kKx − Kn xkL1 = k(k − kn ) ∗ xkL1 ≤ kk − kn kL1 kxkL1 , ¡ ¢ −1 d.h. kK −Kn kL1 →L1 ≤ kk −kn kL1 → 0 für n → ∞. Es bleibt also zu zeigen, dass r (λI −K ¡n) beschränkt bleibt bzgl. n ≥ N . Wir benutzen dazu die Gleichheit r(A) = s(A). Sei µ ∈ σ (λI − ¢ −1 Kn ) ., d.h. µI − (λI − Kn )−1 ist nicht invertierbar. Multiplikation mit dem invertierbaren Operator λI − Kn besagt, dass auch µ(λI − Kn ) − I nicht invertierbar ist, d.h. (µλ − 1)I − µKn ist nicht invertierbar. Natürlich ist µ 6= 0. Also ist µλ−1 µ I − Kn nicht invertierbar. Jetzt sind wir in der Situation vom ersten Fall, denn kn ∈ S. Wir unterscheiden zwei Fälle. Ist µλ £− 1 = 0, so ¤ ist µ = 1/λ. Ist µλ − 1 6= 0, so muss es ein t ∈ R geben mit µλ−1 = k̂n (t), d.h. µ = 1/ λ − k̂n (t) . µ In diesem Fall ist |µ| ≤ 1/(ρ/2) = 2/ρ. Insgesamt ist also ½ ¾ ¡ ¢ 1 2 µ ≤ max , für alle µ ∈ σ (λI − Kn )−1 . λ ρ Daher haben wir eine obere Schranke des Spektrums von (λI − Kn )−1 gefunden, und der Satz ist bewiesen. 2 Bevor wir den Satz für beliebige p beweisen, brauchen wir das folgende Lemma. 85 Lemma 5.20 Sei p ∈ [1, ∞] und k, z ∈ L1 (R) sowie y ∈ Lp (R). Dann gilt k ∗ (z ∗ y) = (k ∗ z) ∗ y. Beweis: Man mache sich klar (mit dem Lemma von Young), dass alle Faltungen existieren. Sei zunächst p < ∞. Wir wählen kn , zn , yn ∈ S mit kn → k und zn → z in L1 (R) sowie yn → y in Lp (R). Dann folgt die Formel kn ∗ (zn ∗ yn ) = (kn ∗ zn ) ∗ yn durch Vertauschung der Integrationsreihenfolge. Wegen der Stetigkeit der Faltung folgt dann auch die Gleichung für k, z, y. Für den Fall p = ∞ kann man y nicht approximieren, dann argumentiert man direkt mit dem Satz von Fubini und zeigt kn ∗ (zn ∗ y) = (kn ∗ zn ) ∗ yn , woraus dann wieder die Behauptung folgt. 2 Satz 5.21 Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C \ {0} sowie p ∈ [1, ∞]. Die Integralgleichung λx − k ∗ x = y, d.h. Z∞ λ x(t) − k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R , −∞ ist genau dann für jedes y ∈ Lp (R) eindeutig lösbar in Lp (R), wenn λ ∈ / k̂(R) (wobei wieder k̂ = Fk). In diesem Fall kann die Lösung x ∈ Lp (R) dargestellt werden in der Form ¤ 1£ x = y + z∗y , λ wobei z ∈ L1 (R) die nach dem Satz von Wiener eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung λz − k ∗ z = k ist. Beweis: Wir definieren x durch x = 1 λ [y + z ∗ y]. Dann ist x ∈ Lp (R) und ¤ ¤ 1£ 1£ k ∗ y + k ∗ (z ∗ y) = k ∗ y + (k ∗ z) ∗ y λ λ ¤ 1£ = k ∗ y + (λz − k) ∗ y) = z ∗ y , λ also λx = y + z ∗ y = y + k ∗ x, d.h. x ist Lösung. Es ist auch die einzige Lösung, denn aus λx − k ∗ x = 0 folgt 0 = λ z ∗ x − z ∗ (k ∗ x) = λ z ∗ x − (z ∗ k) ∗ x = λ z ∗ x − (λ z − k) ∗ x = k ∗ x. Also ist auch λ x = k ∗ x = 0, d.h. x = 0. 2 k∗x = 5.3 Die Hilberttransformation Es folgt ein kleiner Ausflug über die Hilberttransformation. Eine mögliche Definition ist die folgende: Definition und Satz 5.22 Für x ∈ S(R) existiert die Hilberttransformation 1 (Hx)(t) = π Z∞ −∞ x(s) ds , t−s t ∈ R, wobei das Integral im Cauchyschen Hauptwertsinn zu verstehen ist, also t−ε Z Z∞ 1 x(s) x(s) (Hx)(t) = lim ds + ds . π ε→0 t−s t−s −∞ t+ε Ferner gilt die Darstellung 1 (Hx)(t) = 2π Z∞ −∞ x(t − s) − x(t + s) ds , s wobei jetzt das Integral im uneigentlichen Sinn zu verstehen ist. 86 t ∈ R, Beweis: Wir spalten auf: t−ε Z Zt+1 Zt−1 Z∞ x(s) x(s) x(s) x(s) [· · · ] = ds + ds + ds + ds . t−s t−s t−s t−s −∞ t+ε t−1 t+1 Die letzten beiden Integrale existieren wegen dem Abfallverhalten von x. Ferner ist Zt−ε t−1 x(s) ds + t−s Zt+1 t+ε x(s) ds = t−s Zt−ε t−1 x(s) − x(t) ds + t−s · Zt−ε + x(t) t−1 | Zt+1 t+ε x(s) − x(t) ds t−s ¸ Zt+1 1 1 ds + ds . t−s t−s t+ε {z } = 0 Die Funktion ψ(s) = x(s)−x(t) ist in t stetig ergänzbar (l’Hospitalsche Regel), daher existieren t−s die beiden ersten Integrale und auch der Limes ε → 0. Für den zweiten Teil der Behauptung setzen wir Zt−ε I = −∞ x(s) ds + t−s Z∞ x(s) ds t−s t+ε und substituieren s0 = t − s. Dann erhalten wir Z∞ I = ε x(t − s0 ) 0 ds + s0 Z−ε −∞ x(t − s0 ) 0 ds = s0 Z∞ ε x(t − s) − x(t + s) ds , s wobei wir im ersten Integral wieder s statt s0 geschrieben und im zweiten Integral s = −s0 substituiert haben. Substituieren wir in dieser Formel noch einmal s für −s, so erhalten wir Z−ε I = − −∞ x(t + s) − x(t − s) ds , s und daher nach Addition Z∞ 2I = ε x(t − s) − x(t + s) ds + s Z−ε −∞ x(t − s) − x(t + s) ds . s Dies beendet den Beweis. 2 Man kann die Hilberttransformation auch einfach durch die Fouriertransformation ausdrücken. Satz 5.23 Für x ∈ S(R) ist ¡ ¢ Hx = −i F −1 (Fg) sign , wobei F für die Fouriertransformation steht und sign die Signum-Funktion ist, d.h. sign s = s/|s| für s 6= 0. 87 Beweis: Mit x̂ = Fx ist (Hx)(t) = (HF −1 x̂)(t) = 1 2π = − Z∞ −∞ 1 1 s 2π 2i (2π)2 Z∞ ³ ´ ei(t−s)σ − ei(t+s)σ x̂(σ) dσ ds −∞ Z∞ Z∞ 1 itσ e sin(sσ) x̂(σ) dσ ds . s −∞ −∞ Wir würden gern die Integrationsreihenfolge vertauschen. So einfach ist das aber nicht (weshalb nicht?), daher betrachten wir Za Z∞ −a −∞ 1 itσ e sin(sσ) x̂(σ) dσ ds = s Z∞ Za e itσ −∞ x̂(σ) −a sin(sσ) ds dσ s Z∞ eitσ x̂(σ) ψa (σ) dσ = π (5.3) −∞ mit 1 ψa (σ) = π Za −a 1 sin(sσ) ds = s π Zaσ −aσ sin s ds =: ϕ(aσ) . s In (5.3) durften wir die Integrationsreihenfolge vertauschen, da der Integrand bzgl. (σ, s) ∈ R × [−a, a] glatt und integrierbar ist. Die Funktion ψa konvergiert für a → ∞ punktweise gegen ¯ ¯ sign, d.h. ψa (σ) → σ/|σ| für σ 6= 06 . Ferner ist ψa beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit ¯ψa (σ)¯ ≤ c für alle a > 0 und σ ∈ R. Dies folgt aus der Beschränktheit von ϕ. Daher existiert in (5.3) der Limes für a → ∞, und es ist i (Hx)(t) = − 2π Z∞ eitσ x̂(σ) sign σ dσ = −i F −1 (x̂ sign)(t) . −∞ Damit ist der Beweis beendet. 2 Folgerungen 5.24 (a) Wir können die Aussage des Satzes auch formulieren als FHx = −i (sign) F(x) für alle x ∈ S(R) , d.h. im Fourierraum besteht iH einfach aus der Multiplikation mit der sogenannten HeavysideFunktion sign. Wir können die Formel des Satzes benutzen, um H als beschränkten Operator auf L2 (R) fortzusetzen. Für diesen gilt dann auch H 2 = −I, wie man sofort ausrechnet. (b) Wegen (Fx0 )(s) = is (Fx)(s) ist (FHx0 )(s) = |s| (Fx)(s). Diese Formel werden wir im nächsten Kapitel benutzen. 6 Wissen Sie, wie man dies beweist? Hinweis: Benutzen Sie die Cauchysche Integralformel der Funktionentheorie ˘ ¯ für die Funktion f (z) = eiz /z im Gebiet z ∈ C : |Re z| < a, 0 < Im z < a, |z| > ε und lassen Sie erst ε gegen Null gehen und dann a gegen unendlich. 88 Beispiel 5.25 (Frequenzabhängige Dielektrizität) Bei elektromagnetischen Wellen in Medien mit frequenzabhängiger Dielektrizität kann in guter Näherung im Frequenzbereich“ ein linearer Zusammenhang zwischen dielektrischer Verschie” bung D(x, t) und elektrischem Feld E(x, t) angenommen werden, d.h. £ ¤ D̂(x, ω) = ε(ω) Ê(x, ω) = ε(ω) − 1 Ê(x, ω) + Ê(x, ω) , ∧ wobei Ê(x, ω) = Ft E(x, ω) gesetzt ist. Anwendung des Faltungssatzes scheint hier nützlich. Mit dem Faltungssatz ergibt sich £ ¤ D(x, t) = F −1 (ε − 1) ∗ E(x, t) + E(x, t) mit dem Suszeptibilitätskern“ ” £ ¤ Ξ(t) = F −1 (ε − 1) (t) = 1 2π Z∞ (ε(ω) − 1) eiωt dω . −∞ £ −1 Um ¤ von D auf E zu schließen, müssen wir bzgl. t eine Faltungsgleichung lösen: E(x, ·)+ F (ε− 1) ∗E(x, ·) = D(x, ·). Mit dem Satz von Wiener ist diese eindeutig lösbar, falls −1 6= (FΞ)(ω) = ε(ω) − 1 für alle ω ∈ R ist. Also gibt es unter der Voraussetzung ε(ω) 6= 0 genau eine Lösung E(x, t). 89 6 Die Radontransformation 6.1 Einführung in die Computertomographie Wir betrachten einen ebenen waagerechten Schnitt durch einen dreidimensionalen Körper. Mit ρ(x), x ∈ R2 , bezeichnen wir die Dichteänderung im Punkt x gegenüber dem (homogenen) Hintergrund. Es ist also ρ(x) = 0 für x ∈ / D, wenn D der Schnitt des dreidimensionalen Körpers mit der (x1 , x2 )−Ebene ist. Sei L eine Gerade im R2 , parametrisiert durch einen Einheitsvektor θ̂ ∈ S 1 und eine Zahl s ∈ R. Hier und im folgenden sei S 1 = {x ∈ R2 : |x| = 1} der Einheitskreis in der Ebene. Es sei also © ª L = Lθ̂,s = x = sθ̂ + tθ̂⊥ : t ∈ R , die Gerade senkrecht zu θ̂ mit Abstand |s| vom Ursprung, wobei µ ¶ µ ¶ − sin θ cos θ ⊥ θ̂ = für θ̂ = . cos θ sin θ Entlang dieser Geraden wird ein Röntgenstrahl durch den Schnitt D geschickt, und der Intensitätsverlust auf der anderen Seite gemessen. Ist I = I(x) die Intensität an der Stelle x ∈ R2 , so ist die Intensitätsänderung dI auf einem kleinen Streckenabschnitt dt proportional zu ρ(x)I(x)dt, also dI = −γρ(x)I(x)dt mit einer positiven Proportionalitätskonstanten γ. Integration bzgl. t von −∞ bis ∞ liefert Z ln I = −γ Z∞ ρ(sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt . ρ(x) d` = −γ −∞ L Das erste Integral beschreibt hier das Kurvenintegral entlang der Kurve L, das zweite Integral benutzt die Parametrisierung der Geraden L. Man beachte, dass hier nur über einen beschränkten Bereich integriert wird, da ρ außerhalb von D verschwindet. Im Prinzip misst die Computertomographie diese Intensitäten für alle Geraden Lθ̂,s , θ̂ ∈ S 1 , s ∈ R. Dies bedeutet, dass die Funktion ρ : D → R aus der Kenntnis der Radontransformation Z∞ ρ(sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt , (Rρ)(θ̂, s) := (θ̂, s) ∈ S 1 × R , (6.4) −∞ bestimmt werden muss. Es ist also die Gleichung Rρ = g zu lösen für gegebenes g : S 1 × R → R. Die Radontransformation selbst geht auf Radon 19177 zurück. Sie wurde 1963 von Cormack8 wiederentdeckt (in der Arbeit verwies er in keiner Weise auf Radon) und für radiologische Anwendungen vorgeschlagen. Die medizinische Umsetzung geht auf Hounsfield zurück (ab 1970). Beide, der Mathematiker Cormack und der Mediziner Hounsfield erhielten dafür 1979 den Nobelpreis für Medizin. Standardbücher zur Computertomographie sind: • F. Natterer: The Mathematics of Computerized Tomography. J. Wiley, Teubner, 1886. • G.T. Herman: Image Reconstruction from Projections. Academic Press, 1980. 7 Über die Bestimmung von Funktionen durch ihre Integralwerte längs gewisser Mannigfaltigkeiten Representation of a Function by its Line Integrals, with Some Radiological Applications, J. of Appl. Physics 34, 1963 8 90 • S. Helgason: The Radon Transform. Birkhäuser, 1980. Wir brauchen im Folgenden auch die zweidimensionale Fouriertransformation. Es sei analog zum eindimensionalen Fall © £ ¤ ª S(R2 ) = f ∈ C ∞ (R2 ) : sup |x|p |Dn f (x)| < ∞ für alle p ∈ N0 , n ∈ N20 , x∈R2 wobei für n = (n1 , n2 ) ∈ N20 : Dn = ∂ n1 +n2 n n , ∂x1 1 ∂x2 2 sowie Z f (y) e−ix·y dy , (F2 f )(x) = x ∈ R2 , R2 mit der Inversen (F2−1 f )(x) 1 = (2π)2 Z f (y) eix·y dy , x ∈ R2 . R2 6.2 Umkehrformeln für die Radontransformation Definition 6.1 Für f ∈ S(R2 ) definieren wir die Radontransformation Rf durch (vgl. (6.4)) Z∞ f (sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt , (Rf )(θ̂, s) := (θ̂, s) ∈ S 1 × R . (6.5) −∞ Hierbei ist wieder θ̂⊥ = ¡− sin θ¢ cos θ ¡cos θ¢ sin θ . für θ̂ = Bemerkung: Rf ist eine gerade Funktion auf dem Zylinder S 1 × R ⊂ R3 , denn mit der Variablentransformation t0 = −t ist Z∞ Z∞ ⊥ (Rf )(−θ̂, −s) := f (sθ̂ + t(−θ̂) ) dt = f (sθ̂ + t0 θ̂⊥ ) dt0 = (Rf )(θ̂, s) . −∞ −∞ Die Radontransformation bildet S(R2 ) in S(S 1 × R) ab, wobei ª © £ ¤ S(S 1 × R) = g|S 1 ×R : g ∈ C ∞ (R3 ), sup |x|p |∂ n g(x)/∂xn3 | < ∞ für alle p, n ∈ N0 x∈S 1 ×R der Raum der Einschränkungen von Funktionen aus S(R3 ) auf S 1 × R bedeute. Lemma 6.2 Die Radontransformation R bildet S(R2 ) in S(S 1 × R) ab. ¡ ¢ ¡ ¢ Beweis: Sei ϕ ∈ C ∞ (R) eine Funktion mit ϕ(τ ) = 0 für τ ∈ / 31 , 35 und ϕ(τ ) = 1 für τ ∈ 23 , 43 . Sei f ∈ S(R2 ) und setze Z∞ u(x1 , x2 , x3 ) = ϕ(x21 + x22 ) f (x3 x1 − tx2 , x3 x2 + tx1 ) dt −∞ Z∞ = ϕ(x21 + x22 ) −∞ f µ µ ¶ µ ¶¶ x1 −x2 x3 +t dt für x ∈ R3 . x2 x1 Dann ist u(cos θ, sin θ, s) = (Rf )(θ̂, s) für alle θ ∈ R und s ∈ R. Wegen f ∈ S(R2 ) und ϕ ∈ C0∞ (R) ist u ∈ C ∞ (R3 ). Jede partielle Ableitung bzgl. x3 multipliziert den Integranden nur mit einem Polynom in x1 und x2 , also ist u ∈ S(S 1 × R). 2 Den Zusammenhang mit der Fouriertransformation liefert der folgende Satz: 91 Satz 6.3 (Projektionssatz) Sei Fn : S(Rn ) → S(Rn ) die n−dimensionale Fouriertransformation vom letzten Abschnitt, n = 1, 2. Für f ∈ S(R2 ) gilt θ̂ ∈ S 1 , s ∈ R , (F2 f )(sθ̂) = (F1,s Rf )(θ̂, s) , (6.6) wobei das Symbol F1,s bedeutet, dass die eindimensionale Fouriertransformation bzgl. der Variablen s angewendet wird. Beweis: Wir rechnen aus: Z∞ e−iσs (Rf )(θ̂, σ) dσ (F1,s Rf )(θ̂, s) = −∞ Z∞ Z∞ e−iσs f (σ θ̂ + tθ̂⊥ ) dt dσ = −∞ −∞ Z e−iσs f (σ θ̂ + tθ̂⊥ ) d(t, σ) . = R2 Dies ist ein ebenes Gebietsintegral. Wir benutzen die Transformationsformel und transformieren die (σ, t)−Ebene¡ in die (x1¢¡ , x¢2 )−Ebene. Wir setzen also θ −sin θ σ x = σ θ̂ + tθ̂⊥ = cos sin θ cos θ t . Dies ist eine Drehung um θ. Daher ist dx = d(σ, t) und σ = x · θ̂, also ZZ (F1,s Rf )(θ̂, s) = ei(sθ̂)·x f (x) dx = (F2 f )(sθ̂) . R2 2 Dieser Satz liefert uns schon die Injektivität von R und sogar eine Umkehrformel: Für gerades g ∈ S(S 1 × R) ist die Lösung f von Rf = g im Fourierraum gegeben durch x ∈ R2 , x 6= 0 . (F2 f )(x) = (F1,s g)(x/|x|, |x|) , Eine weitere Umkehrformel wird mit Hilfe der L2 −Adjungierten von R und der Hilberttransformation gewonnen. Satz 6.4 Die L2 −Adjungierte R] : S(S 1 × R) → S(R2 ) von R : S(R2 ) → S(S 1 × R) ist gegeben durch Z (R] g)(x) = g(θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) , x ∈ R2 . S1 Beweis: Es ist wieder mit der Transformation x = sθ̂ + tθ̂⊥ = Z Z∞ ¡cos θ sin θ −sin θ cos θ ¢¡s¢ t : Z Z∞ Z∞ f (sθ̂ + tθ̂⊥ ) g(θ̂, s) dt ds d`(θ̂) (Rf )(θ̂, s) g(θ̂, s) ds d`(θ̂) = S 1 −∞ −∞ S 1 −∞ Z ZZ = f (x) g(θ̂, x · θ̂) dx d`(θ̂) S1 ZZ = R2 Z f (x) R2 92 S1 g(θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) dx . 2 Bemerkung: Für die Auswertung von Rf wird f über alle Punkte einer Geraden integriert. Da die Parameter (θ̂, x · θ̂) genau die Gerade durch x senkrecht zu θ̂ beschreiben, so werden bei der Auswertung von R] g alle Geraden durch x herangezogen. Nun können wir eine weitere Inversionsformel herleiten, die neben R] noch die Hilberttransformation des letzten Kapitels benutzt. Satz 6.5 Für f ∈ S(R2 ) gilt f = 1 ] ∂ RH Rf . 4π ∂s Beweis: Wir beginnen wieder mit der Inversionsformel für die Fouriertransformation und setzen dabei fˆ = F2 f . Wir beschreiben das Gebietsintegral wieder in Polarkoordinaten y = sθ̂ und benutzen den Projektionssatz 6.3: 1 (2π)2 f (x) = ZZ e ix·y 1 (2π)2 fˆ(y) dy = R2 1 (2π)2 = Z Z∞ e−isx·θ̂ fˆ(sθ̂) s ds d`(θ̂) S1 0 Z Z∞ eisx·θ̂ (F1,s Rf )(θ̂, s) s ds d`(θ̂) . S1 0 Wir setzen zur Abkürzung u(θ̂, s) = |s| (F1,s Rf )(θ̂, s). Dann ist u gerade, denn s 7→ |s| und R sind gerade und die Fouriertransformation F1 bildet gerade Funktionen in gerade Funktionen ab. Daher ist (ersetze s durch −s im ersten Integral) Z∞ Z0 isx·θ̂ e Z0 −isx·θ̂ u(θ̂, s) ds = e −∞ 0 e−isx·θ̂ u(−θ̂, s) ds , u(θ̂, −s) ds = −∞ also (ersetze θ̂ durch −θ̂) Z Z∞ Z Z0 e isx·θ̂ e−isx·θ̂ u(−θ̂, s) ds d`(θ̂) u(θ̂, s) ds d`(θ̂) = S 1 −∞ Z Z0 S1 0 eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds d`(θ̂) , = S 1 −∞ also 1 f (x) = 2 (2π)2 Z Z∞ eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds d`(θ̂) . S 1 −∞ Mit Teil (b) der Folgerung 5.24 können wir u schreiben als u(θ̂, s) = |s| (F1,s Rf )(θ̂, s) = Daher ist 1 2π ¢ ¡ ∂ Rf (θ̂, s) . F1,s H ∂s Z∞ −1 eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds = (F1,s u)(θ̂, x · θ̂) = −∞ 93 ¡ ∂ ¢ H Rf (θ̂, x · θ̂) . ∂s Integration bzgl θ̂ liefert die Behauptung des Satzes, denn Z ¡ ∂ ¢ ¢ 1 ¡ ] ∂ 1 f (x) = H Rf (θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) = R H Rf (x) . 4π ∂s 4π ∂s S1 2 Jetzt wollen wir f und g = Rf in Fourierreihen entwickeln. Dafür schreiben wir f in Polarkoordinaten, also f = f (r, ϕ) und identifizieren den Einheitsvektor θ̂ ∈ S 1 bei g mit dem Winkel θ, also g = g(θ, s). Wir setzen also an: X f (r, ϕ) = fm (r) eimϕ , r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] , m∈Z g(θ, s) = X gm (s) eimθ , s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] . m∈Z P im(θ+π) = Da g eine gerade Funktion ist, folgt g(θ + π, −s) = g(θ, s), d.h. m∈Z gm (−s) e P imθ , d.h. g (−s) = (−1)m g (s) für alle m ∈ Z und s ∈ R. m m m∈Z gm (s) e Wir wollen eine Beziehung zwischen fm (r) und gm (s) herleiten. In den folgenden Formeln tauchen die Tschebyscheff-Polynome Tm auf. Es gibt verschiedene Definitionen. Auf [−1, 1] können sie durch Tm (t) = cos(m ¡ arccos t) für alle ¢ m = 0, 1, 2, . . . definiert werden. Das Additionstheorem liefert Tm±1 (t) = cos (m±1) arccos t = cos(m arccos t) cos(arccos t)∓sin(m arccos t) sin(arccos t). Addition der beiden Ausdrücke und Ausnutzen von cos(arccos t) = t ergibt Tm+1 (t) + Tm−1 (t) = 2t Tm (t) , m = 1, 2, 3, . . . Diese Formel, aufgelöst nach Tm+1 (t), kann zusammen mit T0 (t) = 1 und T1 (t) = t als eine weitere Definition der Tschebyscheff-Polynome genommen werden. Insbesondere folgt hieraus, dass Tm wirklich ein Polynom vom Grad m ist. Ferner kann ganz einfach durch vollständige Induktion nach m gezeigt werden, dass Tm eine gerade Funktion ist für gerades m und ungerade ist für ungerades m. Sei zunächst s ≥ P0. Um g(·, s) = (Rf )(·, s) in eine Fourierreihe zu entwickeln, setzen wir die Reihe f (r, ϕ) = m∈Z fm (r) eimϕ ein: X Z (Rf )(θ, s) = fm (r) eimϕ d`(r, ϕ) . m∈ZL θ̂,s Wir wollen die Gerade Lθ̂,s durch den Parameter ϕ parametrisieren. Sei x ∈ Lθ̂,s . Der Punkt x habe die Polarkoordinaten (r, ϕ) und den Parameter t in der Parameterdarstellung x = sθ̂ + tθ̂⊥ . Eine kleine geometrische Überlegung (Skizze!) liefert die Beziehungen s = r cos(ϕ − θ) , t = s tan(ϕ − θ) , also dt = 94 s dϕ . cos2 (ϕ − θ) Der Parameter ϕ läuft zwischen θ − π/2 und θ + π/2. Daher ist θ+π/2 Z Z fm (r) e imϕ d` = s Lθ̂,s µ fm s cos(ϕ − θ) ¶ eimϕ dϕ cos2 (ϕ − θ) θ−π/2 Zπ/2 = se imθ µ fm s cos ϕ ¶ eimϕ dϕ cos2 ϕ −π/2 = 2 s eimθ ¶ Zπ/2 µ s cos(mϕ) fm dϕ . cos ϕ cos2 ϕ 0 Zunächst können wir cos(mϕ) durch cos(|m|ϕ) ersetzen, da cos gerade ist. Wir führen jetzt die Variablentransformation cos ϕ = t ein, die das Intervall [0, π/2] bijektiv auf [0, 1] abbildet. Dann ist cos(|m|ϕ) = cos(|m| arccos t) = T|m| (t) mit dem Tschebyscheff-Polynom T|m| vom Grad |m|. √ Daher ist wegen dϕ = −dt/ 1 − t2 Z Z1 imϕ fm (r) e d` = 2 s e imθ fm 0 Lθ̂,s Z∞ = 2 eimθ T|m| s ³s´ t ³s´ r T|m| (t) 1 dt √ t2 1 − t2 1 p 1 − s2 /r2 fm (r) dr , wobei wir hier t = s/r ersetzt haben. Der Vergleich mit der Darstellung für g(θ, s) liefert Z∞ ³s´ 1 p fm (r) dr für s ≥ 0 . gm (s) = 2 T|m| r 1 − s2 /r2 s Für s < 0 nutzen wir gm (s) = (−1)m gm (−s) aus, also µ ¶ Z∞ 1 −s (−1)m p gm (s) = 2 T|m| fm (r) dr . r 1 − s2 /r2 {z } −s | = T|m| (s/r) Daher haben wir den ersten Teil des folgenden Satzes schon bewiesen. Satz 6.6 (Cormacksche Umkehrformel) Für f ∈ S(R2 ) und g = Rf in der Form X f (r, ϕ) = fm (r) eimϕ , r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] , m∈Z g(θ, s) = X gm (s) eimθ , s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] , m∈Z gilt Z∞ gm (s) = 2 T|m| ³s´ r Z∞ T|m| r fm (r) dr für s ∈ R , m ∈ Z , 1 0 √ gm (s) ds 2 s − r2 für r ≥ 0 , m ∈ Z . 1 − s2 /r2 |s| 1 fm (r) = − π 1 p ³s´ r 95 Beweis der zweiten Formel: Wir multiplizieren die erste Formel mit ¡ ¢ τ T|m| τs √ s s2 − τ 2 für ein τ > 0 und integrieren bzgl. s von τ bis ∞. Diese ergibt ¡ ¢ ¡ ¢ ¡ ¢ Z∞ Z∞ Z∞ τ T|m| τs τ r T|m| rs T|m| τs √ √ gm (s) √ ds = 2 fm (r) dr ds . s s2 − τ 2 s s2 − τ 2 r 2 − s2 τ τ s Vertauschung der Integrationsreihenfolge liefert ¡ ¢ ¡ ¢ ¡ ¢ Z∞ Z∞ Zr τ T|m| τs τ r T|m| rs T|m| τs √ √ gm (s) √ ds = 2 ds fm (r) dr . s s2 − τ 2 s s2 − τ 2 r 2 − s2 τ τ τ Wir benutzen ohne Beweis, dass Zr τ ¡ ¢ ¡ ¢ τ r T|m| rs T|m| τs π √ √ ds = 2 s s2 − τ 2 r2 − s2 für alle r > τ . Damit haben wir gezeigt, dass Z∞ τ ¡ ¢ Z∞ τ T|m| τs gm (s) √ ds = π fm (r) dr . s s2 − τ 2 τ Auf der linken Seite substituieren wir noch s = στ und erhalten Z∞ Z∞ T|m| (σ) π fm (r) dr = gm (τ σ) √ dσ . σ σ2 − 1 τ 1 Differentiation bzgl τ und Rücksubstitution s = στ ergibt Z∞ 0 gm (τ σ) −π fm (τ ) = 1 T|m| (σ) √ dσ = σ2 − 1 Z∞ 0 gm (s) τ ¡ ¢ T|m| τs √ ds . s2 − τ 2 2 6.3 Identifizierbarkeit bei eingeschränkten Daten Die Inversionsformeln vom letzten Abschnitt beweisen insbesondere, dass die Lösung f von Rf = g eindeutig bestimmt ist, falls g für alle Geraden Lθ̂,s bekannt ist. Wie sieht es aus, wenn g nicht auf allen Geraden gegeben ist? Zwei Ergebnisse zeigen wir in diesem Abschnitt. Satz 6.7 Sei f ∈ S(R2 ) und K ⊂ R2 konvex und kompakt. Falls (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle Geraden Lθ̂,s , die K nicht schneiden, so ist f = 0 im Äußeren von K. Beweis: Sei zunächst K eine Kreisscheibe mit Radius a > 0. Wir wählemn das Koordintensystem so, dass der Ursprung gerade der Mittelpunkt des Kreises ist. Es seien wieder f und g = Rf in Form von Fourierreihen dargestellt, d.h. X f (r, ϕ) = fm (r) eimϕ , r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] , m∈Z g(θ, s) = X gm (s) eimθ , m∈Z 96 s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] . Die Bedingung (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle Geraden Lθ̂,s , die K nicht schneiden, impliziert gm (s) = 0 für alle |s| > a und alle m ∈ Z. Die zweite Formel von Satz 6.6 liefert fm (r) = 0 für alle r > a und alle m ∈ Z, d.h. f (r, ϕ) = 0 für alle r > a. Damit ist der Satz für Kreisscheiben bewiesen. Sei jetzt K ⊂ R2 eine beliebige kompakte und konvexe Menge und x ∈ / K. Wir können eine 9 Kreisscheibe K̃ finden mit K ⊂ K̃ und x ∈ / K̃ Jetzt gilt insbesondere (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle Geraden Lθ̂,s , die K̃ nicht schneiden. Nach dem ersten Teil ist dann f (x) = 0. 2 Bemerkung: Die Aussage des Satzes wird falsch, wenn f nicht schnell genug abfällt. Wir betrachten folgendes Beispiel: ∼ eiθ und θ̂⊥ ∼ Wir identifizieren R2 mit C, also θ̂ = = ieiθ̂ , also Z∞ f (s eiθ + it eiθ ) dt , (Rf )(θ̂, s) = θ ∈ [0, 2π] , s ∈ R . −∞ Wir substituieren z = (s + it)eiθ und erhalten mit dz = ieiθ dt das komplexe Linienintegral Z (Rf )(θ̂, s) = −i e−iθ f (z) dz . Lθ̂,s Sei jetzt f (z) = z −p für ein p ∈ N. Dann ist mit der Transformation w = 1/z und dw = −w2 dz: Z Z −iθ −p −iθ (Rf )(θ̂, s) = −i e z dz = i e wp−2 dw . Lθ̂,s Cθ̂,s Hier ist Cθ̂,s das Bild der Geraden Lθ̂,s unter der Abbildung z 7→ 1/z. Es ist leicht zu sehen, dass Cθ̂,s der Kreis ist, der durch ¯ ¯ ¯w − 1 e−iθ ¯ = 1 2s 4s2 beschrieben wird (falls s 6= 0). Da für p ≥ 2 die Funktion w 7→ wp−2 holomorph ist, so verschwindet das Integral nach dem Cauchyschen Integralsatz, d.h. (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle s 6= 0. Trotzdem ist f (z) = z −p nicht die Nullfunktion! Daher kann auf eine geeignete Abklingbedingung an f für die Eindeutigkeitssätze nicht verzichtet werden! Satz 6.8 Sei Γ ⊂ S 1 offen10 und C ⊂ R2 eine Kurve, parametrisiert durch die stetig differenzierbare Funktion γ, d.h. x = γ(s), a ≤ s ≤ b. Es sei ferner U ⊂ R2 offen und beschränkt, und die folgende Voraussetzung gelte: Zu jedem θ̂ ∈ Γ gebe es ein z ∈ C, so dass der Strahl mit Spitze in z und Richtung θ̂ die Menge U nicht schneidet. Dies bedeutet: {z + tθ̂ : t ≥ 0} ∩ U = ∅. Sei schließlich f ∈ C0∞ (U ) mit Z∞ (Df )(θ̂, z) := f (z + tθ̂) dt = 0 für alle z ∈ C und θ̂ ∈ Γ . 0 Dann ist f = 0 in der Messregion“ {z + tθ̂ : t ≥ 0, z ∈ C, θ̂ ∈ Γ}. ” 9 Weshalb geht dies? Hinweis: Man betrachte die orthogonale Projektion z ∈ K von x in K und einen geeigneten Kreis mit Mittelpunkt auf der Geraden durch x und z. 10 d.h. Γ = O ∩ S 1 mit einer offenen Menge O ⊂ R2 97 Beweis: Für n ∈ N0 definieren wir den Operator Dn durch Z∞ tn f (z + ty) dt , (Dn f )(y, z) := z, y ∈ R2 . 0 Wir zeigen durch vollständige Induktion nach n, dass (Dn f )(θ̂, z) = 0 für alle z ∈ C und θ̂ ∈ Γ. Für n = 0 wird dies gerade vorausgesetzt. Sei also jetzt (Dn f )(θ̂, z) = 0 für alle z ∈ C © und θ̂ ∈ Γ. Dann ist auch ª (Dn f )(y, z) = 0 für alle z ∈ C und alle y ∈ K, wobei K der Kegel y ∈ R2 \ {0} : y/|y| ∈ Γ ist. Dies folgt wegen Z∞ µ ¶ y t f z + t|y| dt |y| n (Dn f )(y, z) := 0 aus der Substitutionsregel (t0 = |y|t). Wir rechnen aus: ¡ ¢ d (Dn+1 f ) y, γ(s) = ds d ds Z∞ = Z∞ ¡ ¢ tn+1 f γ(s) + ty dt 0 £ ¡ ¢¤ tn+1 γ 0 (s) · ∇f γ(s) + ty dt 0 ¡ ¢ = γ 0 (s) · ∇y (Dn f ) y, γ(s) = 0 . Also ist (Dn+1 f )(θ̂, ·) konstant auf C für jedes θ̂ ∈ Γ. Nach Voraussetzung gibt es zu jedem θ̂ ∈ Γ ein z ∈ C so, dass z + tθ̂ ∈ / U für alle t ≥ 0. Daher ist f (z + tθ̂) = 0 für alle t ≥ 0, d.h. (Dn+1 f )(θ̂, z) = 0. 2 98