Kapitel 1-6 - Fakultät für Mathematik

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Kapitel 1-6 - Fakultät für Mathematik
Skriptum zur Vorlesung
LINEARE INTEGRALGLEICHUNGEN
Sommersemester 2010
Prof. Dr. Andreas Kirsch
Dipl.-Math. techn. Andreas Helfrich-Schkarbanenko
Skriptum gemeinsam erstellt mit
PD Dr. Frank Hettlich
Karlsruher Institut für Technologie
Fakultät für Mathematik
Institut für Algebra und Geometrie
1
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung – Beispiele, Klassifizierung
2 Volterrasche Integralgleichungen
2.1 Normierte Räume . . . . . . . . .
2.2 Lineare, beschränkte Operatoren
2.3 Vervollständigung . . . . . . . . .
2.4 Existenz und Eindeutigkeit . . .
4
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9
9
13
17
18
3 Fredholmsche Integralgleichungen
3.1 Lineare kompakte Operatoren . . . . .
3.2 Die Riesztheorie . . . . . . . . . . . .
3.3 Die Fredholmtheorie . . . . . . . . . .
3.4 Spektraltheorie kompakter Operatoren
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24
24
29
34
42
4 Die Integralgleichungsmethode
4.1 Einfach- und Doppelschichtpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Das Dirichlet Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
60
67
5 Faltungsintegralgleichungen
5.1 Die Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Faltungsgleichungen über R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Die Hilberttransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
72
81
86
6 Die
6.1
6.2
6.3
90
90
91
96
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Radontransformation
Einführung in die Computertomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umkehrformeln für die Radontransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Identifizierbarkeit bei eingeschränkten Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Literaturhinweise
Im wesentlichen stützt sich die Vorlesung auf folgende Bücher:
• H. Engel, Integralgleichungen, Springer, 1997
• H. Hochstadt, Integral Equations, Wiley, 1973
• W. Hackbusch, Integralgleichungen, Teubner, 1989
• K. Jörgens, Lineare Integraloperatoren, Teubner, 1971
• R. Kreß, Linear Integral equations, Springer, 1989
• McLean, Strongly Elliptic Systems and Boundary Integral Equations, Cambridge University
Press, 1999 .
Zum Nachschlagen der funktionalanalytischen Hilfsmittel ist meines Erachtens vor allem
das vorletzte Buch geeignet. Aber auch jedes andere Lehrbuch zur linearen Funktionalanalysis
kann verwendet werden. Die allgemeine Theorie zur Fouriertransformation findet sich im Buch
Classical Fourier transforms, Springer, 1989, von K. Chandrasekan.
3
1
Einführung – Beispiele, Klassifizierung
Neben den Differentialgleichungen bilden die Integralgleichungen die zweite wichtige Klasse von
Problemstellungen in der reellen Analysis. Wobei, wie wir sehen werden, beide Gebiete eng
miteinander verzahnt sind. Eine große Zahl von Modellen in den Anwendungen führen auf Integralgleichungen. Außerdem stehen die Integralgleichungen am Anfang der modernen Funktionalanalysis. Hoffentlich gelingt es mit dieser Vorlesung, ein wenig die Faszination und Eleganz
der Integralgleichungen zu vermitteln.
Beispiel 1.1 Ein bekanntes Beispiel aus dem Grundstudium, bei dem eine Integralgleichung
genutzt wird, ist der Satz von Picard-Lindelöf. Sei eine stetige Funktion g : (Rd × [a, b]) → Rd
und x0 ∈ Rd gegeben. Gesucht ist eine Lösung x ∈ C 1 ([a, b], Rd ) zum Anfangswertproblem
ẋ(t) = g(x(t), t),
t ∈ (a, b),
x(a) = x0 .
Integration der Differentialgleichung und Einsetzen des Anfangswertes führt auf die Integralgleichung
Zt
x(t) = x0 +
g(x(s), s) ds , a ≤ t ≤ b .
a
Beachte: Aus x ∈ C([a, b], Rd ) und x Lösung der Integralgleichung folgt x ∈ C 1 ([a, b], Rd ), d.h.
eine Lösung der Integralgleichung in den stetigen Funktionen ist eine differenzierbare Lösung des
Anfangswertproblems. In diesem Sinne sind Integrlagleichung und Anfangswertproblem äquivalent.
Allgemein bezeichnen wir eine Gleichung für eine Funktion x : G → Rm (bzw. Cm ) der Form
Z
λ(t) x(t) −
f (x(s), t, s) ds = y(t)
G
als Integralgleichung, wobei G ⊂ Rd eine beschr¨’ankte offene Menge ist. An die Eigenschaften
der Funktionen, λ : G → R, y : G → Rm , und f : Rm × G × G → Rm werden noch verschiedene
Bedingungen zu stellen sein. Im Beispiel 1.1 ist G = [a, b] ⊂ R, λ(t) = 1, y(t) = x0 und
(
g(x, s) , s ≤ t
f (x, t, s) =
0,
s > t.
Bemerkung: Die in der Vorlesung betrachten Integrale sind im Lebesgueschen Sinn zu verstehen. Eine Einführung in die Lebesgue Theorie findet sich in den meisten Lehrbüchern zur
Analysis etwa im Lehrbuch der Analysis 2 von H. Heuser. In vielen Fällen reicht aber auch das
(uneigentliche) Riemnannintegral.
Klassifizierungen
(i) λ = 0 Ã Integralgleichung erster Art
λ = 1 Ã Integralgleichung zweiter Art
Wenn die Funktion λ Nullstellen besitzt, sind spezielle Betrachtungen auf Teilintervallen
erforderlich. Diesen Fall werden wir in der Vorlesung nicht weiter behandeln können.
4
(ii) Wenn f (x, s, t) = k(t, s) x(s) gilt, heißt die Integralgleichung linear mit Kern
k : G × G −→ R
(die Integralgleichung ist linear bzgl. der Funktion x).
Wir werden Hilfsmittel der Funktionalanalysis benutzen und fḧren daher die Operatornotation ein:
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds .
G
Dann ist A : X → Y auf noch festzulegenden Funktionsräumen X, Y ein linearer Operator, d.h. für x1 , x2 ∈ X und µ1 , µ2 ∈ R gilt
A(µ1 x1 + µ2 x2 ) = µ1 Ax1 + µ2 Ax2 .
(iii) Eine lineare Integralgleichung mit y(t) = 0 für t ∈ G heißt homogen.
(iv) Die lineare Integralgleichung λx − Ax = y, also
Z
λ x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t) ,
G
heißt Fredholmsche Integralgleichung (1. bzw. 2. Art). Wir unterscheiden dabei drei
Fälle:
(a) Wenn k ∈ C(G × G) gilt, sprechen wir von einer Integralgleichung mit stetigem Kern.
(b) Ist k ∈ C({(t, s) ∈ G × G : t 6= s}) und es existiert c > 0 und α ∈ [0, d) mit
|k(t, s)| ≤ c |t − s|−α ,
t 6= s ,
so heißt die Integralgleichung schwach singulär. Beachte, dass das Integral in der
Definition von Ax für x ∈ C(G)im klassischen Sinn (uneigentlich Riemann) existiert.
(c) k ∈ C({(t, s) ∈ G × G : t 6= s}) heißt stark singulär, wenn das Integral nur in einem
verallgemeinerten Sinn existiert, etwa als Cauchyscher Hauptwert.
(v) Sei G = [a, b] ⊂ R und k : {(t, s) ∈ [a, b] × [a, b] : s < t} → R ein Kern, y : [a, b] → R und
λ = 0 oder λ = 1. Dann heißt
Zt
λ x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t) ,
t ∈ [a, b] ,
a
lineare Volterrasche Integralgleichung (1. bzw. 2. Art).
Bemerkung: Mit der Fortsetzung
(
K(t, s) =
k(t, s), s < t
0,
s ≥ t,
ist die Volterrasche Gleichung eine spezielle Fredholmsche Gleichung mit schwach singulärem Kern K (mit α = 0), wenn k stetig ist.
5
(vi) Weitere Unterscheidungen ergeben sich aus den Eigenschaften der Menge G ⊂ Rd . Statt einer offenen Menge im Rd können wir auch (relativ offene) Teilmengen von Mannigfaltigkeiten (Flächen oder Kurven) nehmen. Ein Beispiel für ein unbeschränktes Integrationsgebiet
sind Faltungsintegralgleichungen, (siehe Kapitel 5) d.h.
Z∞
λ x(t) −
k(t − s) x(s) ds = y(t) ,
t ∈ R.
−∞
Beispiel 1.2 Die Radiosity-Gleichung zur Modellierung der Helligkeit in virtuellen“ Räumen:
”
Ω
Sei Ω die “Szenerie” (hier Ω ⊂ R2 ) und ∂Ω die Menge der Randpunkte. Das betrachtete Medium
sei isotrop (kein Nebel) und wir nehmen an, dass die Gesetze der geometrischen Optik hinreichend genau erfüllt sind (keine Brechung). Außerdem gehen wir von undurchlässigen Rändern
mit diffuser Abstrahlung aus (keine Spiegel).
Wenn mit ϕ(x)
die Gesamtstrahlungsdichte (Radiosity) in einem Punkt x ∈ ∂Ω bezeichnet
R
wird, so ist ϕ(x)d`x ein Maß für die Helligkeit bzw. die Energie im Abschnitt Γ ⊂ ∂Ω. Es gilt
Γ
ϕ(x) =
+
g(x)
|{z}
ρ(x)
|{z}
E(x)
| {z }
in x erzeug-
Absorptions-
eingestrahlte
te Radiosity
faktor (< 1)
Radiosity
wobei die eingestrahlte Radiosity aus
Z
1
n(x)(y − x) n(y)(x − y) ϕ(y)
E(x) =
v(x, y) d`
|x − y|
|x − y|
|x − y|
2 } | {z }
|
{z
{z
}|
{z
}
∂Ω | {z } |
1.
4.
3.
2.
5.
mit Normale n an ∂Ω gegeben ist. Die einzelnen Terme haben folgende Bedeutung
1. Sichtbarkeit:
(
v(x, y) =
1, für {x + t(y − x) : t ∈ (0, 1)} ⊂ Ω
0, sonst.
2. Abhängigkeit vom Abstrahlwinkel θ bei y
dsy = cos θ d`y =
6
n(y)(x − y)
d`y .
|x − y|
(1.1)
3. Abhängigkeit vom Einstrahlwinkel θ̃ bei x
n(x)(y − x)
d`x .
|x − y|
dsx = cos θ̃ d`x =
4. Abhängigkeit von der Entfernung |x − y|
dsy
dsx
=
|x − y|
1
(Strahlensätze).
Dies bedeutet, dass die Leistung bei dsy sich mit dem Faktor
1
|x−y|
auf dsx verteilt.
5. Lambert’sches Cosinusgesetz: Es muss die gerichtete Abstrahlungsdichte L(θ) in Richtung
θ berücksichtigt werden. Wegen der Annahme einer diffusen Abstrahlung gilt L(θ) = L.
Für die gesamte Radiosity folgt
π
π
Z2
ϕ(y) =
L(θ) cos θ dθ
diffus
=
Z2
L
− π2
cos θ dθ = 2L,
also L =
− π2
ϕ(y)
.
2
Insgesamt erhalten wir eine Fredholmsche Integralgleichung 2. Art
Z
(n(x) · (y − x))(n(y) · (x − y))
ϕ(x) − ρ(x)
v(x, y) ϕ(y) d` = g(x).
2|x − y|3
{z
}
Γ |
=k(x,y)
Beispiel 1.3 (Das Sturm’sche Randwertproblem)
Sei x ∈ C 2 [0, 1] Lösung des Randwertproblems
x00 (t) − q(t) x(t) = f (t) ,
x(0) = x(1) = 0 ,
wobei q, f ∈ C[0, 1] ist. Integration der Differentialgleichung liefert
Zt
0
x (t) −
Zt
q(s) x(s) ds =
0
f (s) ds + α
0
(α ∈ R Integrationskonstante!) und nochmal
 s

 s

Zt
Z
Zt
Z
x(t) −
1 ·  q(τ ) x(τ ) dτ  ds =
1 ·  f (τ ) dτ  ds + α t + β
0
0
0
(β ∈ R) .
0
Aus x(0) = 0 folgt β = 0. Nun integrieren wir partiell (die Stammfunktion von 1 ist s − t) und
erhalten
Zt
Zt
x(t) − (t − s) q(s) x(s) ds =
(t − s) f (s) ds + α t .
0
0
Aus x(1) = 0 folgt
Z1
α = −
£
¤
(1 − s) q(s) x(s) + f (s) ds .
0
7
Einsetzen ergibt
Zt
Zt
x(t) −
(t − s) q(s) x(s) ds =
0
Z1
(t − s) f (s) ds −
0
£
¤
(1 − s) t q(s)x(s) + f (s) ds .
(1.2)
0
Also erhalten wir
Zt
x(t) −
£
Z1
¤
(t − s) − (1 − s)t q(s) x(s) ds −
t
0
Zt
=
(s − 1)t q(s) x(s) ds
£
¤
((t − s) − (1 − s)t f (s) ds +
Z1
t
0
Definieren wir den Kern
(s − 1)t f (s) ds
(
(t − 1)s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 ,
k(t, s) =
(s − 1)t , 0 ≤ t ≤ s ≤ 1 ,
so folgt die Fredholmsche Integralgleichung 2. Art,
Z1
x(t) −
Z1
k(t, s) q(s) x(s) ds =
0
k(t, s) f (s) ds .
0
Ist andererseits x ∈ C[0, 1] Lösung der Integralgleichung, so ist x ∈ C 2 [0, 1] und löst das Randwertproblem (Übung!)
Fazit: Das Sturmsche Randwertproblem ist äquivalent zur angegebenen Fredholmschen Integralgleichung.
Bemerkung: Im Fall q = 0 können wir die Lösung des Randwertproblems direkt aus der
Integralgleichung ablesen. Daher heißt der Kern k(t, s) Greensche Funktion“ zum Differen”
d2
tialoperator dt
2 bei homogenen Randbedingungen.
Fragestellungen bei linearen Integralgleichungen, λx(t) −
R
k(t, s) x(s) ds = y(t):
G
Regularität: Welche Funktionenräume X, Y sind passend und wie regulär sind Lösungen?
Etwa scheint im Beispiel 1.3 der Raum X = C[0, 1] sinnvoll.
Eindeutigkeit: Existiert zu y ∈ Y höchstens eine Lösung? Also impliziert (λI − A)x = 0, dass
x = 0 gilt oder anders ausgedrückt, ist λI − A injektiv? Wenn nicht, was lässt sich über
den Nullraum {x ∈ X : (λI − A)x = 0} aussagen?
Existenz: Existiert zu jedem y ∈ Y eine Lösung der Integralgleichung? Also: Ist λI − A
”
surjektiv?“ Wenn nicht, was läßt sich über das Bild {y ∈ Y : ∃x ∈ X mit (λI − A)x = y}
aussagen?
Stabilität: Hängt die Lösung stetig von den Daten
also eine Funktion h ∈ C(R),
¡ ab? Existiert
¢
h ≥ 0, lim h(t) = 0, so dass kx1 − x2 kX ≤ h ky1 − y2 kY gilt für x1 , x2 ∈ X und y1 , y2 ∈ Y
t→0
mit (λI − A)xj = yj ,
j = 1, 2?
8
2
Volterrasche Integralgleichungen
Wir haben gesehen wie etwa Anfangswertprobleme zu linearen Differentialgleichungen auf lineare
Volterrasche Integralgleichung 2. Art, also
Zt
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t) ,
t ∈ [a, b] ,
a
mit Kern k : {(t, s) ⊂ [a, b] × [a, b] : s < t} → R (oder C) führen. Auch wenn dies spezielle Fredholmsche Integralgleichungen sind, widmen wir ihnen ein eigenes Kapitel. Ziel ist es,
mit Methoden der Störungstheorie“, Existenz, Eindeutigkeit und Stabilität zu zeigen. Dazu
”
brauchen wir einige Grundlagen der Funktionalanalysis.
2.1
Normierte Räume
Definition 2.1 (Norm, normierter Raum)
Sei X Vektorraum über R oder C. Eine Abbildung k · k : X → R heißt Norm, wenn folgende
Eigenschaften gelten:
(i)
kxk ≥ 0
(positiv)
(ii)
(iii)
kxk = 0 ⇐⇒ x = 0
(definit)
kλxk = |λ| kxk
(homogen)
(iv)
kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung)
für x, y ∈ X, λ ∈ R (oder λ ∈ C). Ein Vektorraum (= linearer Raum) ausgestattet mit einer
Norm (X, k · k) heißt normierter Raum.
Beispiele 2.2 (normierte Räume)
s
(a) (Rd , | |), wobei etwa |x| = |x|2 =
d
P
i=1
|xi |2 die euklidische Norm ist oder die Maximumsnorm
|x| = |x|∞ = max |xi |. Wir bezeichnen Normen im Rn mit einfachen Strichen, d.h. | · |.
(b) Sei Ω ⊂
i=1,...,n
Rn offen
und Dj der Differentialoperator
Dj x =
∂ |j| u
∂tj11
. . . ∂tjnn
zum Multiindex j = (j1 , . . . , jn ) ∈ Nn0 mit |j| = j1 + . . . + jn . Dann ist
C k (Ω) = {u : Ω → R : Dj u stetig für |j| ≤ k}
der Vektorraum der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen. Der Unterraum
©
ª
X = u ∈ C k (Ω) : sup max |Dj u(t)| < ∞
t∈Ω |j|≤k
ist ein normierter Raum mit der Norm
kukk,∞ = max sup |Dj u(t)| .
|j|≤k t∈Ω
Notation: k · k0,∞ = k · k∞ .
9
(c) Sei G ⊂ Rn offen und beschränkt, α ∈ (0, 1]. Dann ist
©
ª
C k,α (G) = u ∈ C k (G) : ∃c > 0 mit |Dj u(t) − Dj u(s)| ≤ c|t − s|α für alle t, s ∈ G |j| = k
mit der Norm
kukk,α = kukk,∞ + max sup
|j|=k t6=s
|Dj u(t) − Dj u(s)|
|t − s|α
der normierte Raum der k-mal hölderstetig differenzierbaren Funktionen. Im Fall α = 1 werden
die Funktionen lipschitzstetig“ genannt.
”
(d) G ⊂ Rd offen und beschränkt, p ∈ [1, ∞). Dann ist C(G) ein normierter Raum mit der Norm
ÃZ
!1
p
|u(t)|p dt
kukp =
.
G
Die Dreiecksungleichung im Fall p = 2 folgt aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung
|hx, yi| ≤ kxk kyk,
x, y ∈ X ,
die in jedem normierten Raum mit Skalarprodukt (Prä-Hilbertraum
s.u.) gilt, wobei k · k die
p
durch das Skalarprodukt h·, ·i induzierte Norm kxk = hx, yi bezeichnet.
Beweis der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung: Es gilt
0 ≤ kx + λyk2 = hx, xi + λhx, yi + λhy, xi + |λ|2 hy, yi .
1. Fall y = 0: Dies sieht man direkt.
2. Fall y 6= 0: Setze λ = − hx,yi
. Dann ist
kyk2
0 ≤ kxk2 −
|hx, yi|2 |hx, yi| |hx, yi|2
|hx, yi|2
2
2
−
+
kyk
=
kxk
−
kyk2
kyk2
kyk4
kyk2
und es folgt die Behauptung.
2
Im allgemeinen Fall p > 1 folgt die Dreiecksungleichung, indem wir in der Ungleichung
Z
Z
kx + ykpp ≤
|x(t)| |x(t) + y(t)|p−1 dt +
|y(t)| |x(t) + y(t)|p−1 dt
G
G
die Integrale auf der rechten Seite abschätzen durch die Höldersche Ungleichung (verallgemeinerte Cauchy-Schwarz Ungleichung),
¯
¯
¯
¯Z
¯
¯
¯ x(t) y(t) dt¯ ≤ kxkp kykq ,
¯
¯
¯
¯
G
für p, q > 1 mit
1
p
+
1
q
= 1.
Definition 2.3 (topologische Grundbegriffe in normierten Räumen)
Sei X ein normierter Raum.
(a) M ⊂ X heißt beschränkt, wenn c > 0 existiert mit kxk ≤ c für alle x ∈ M . Insbesondere
ist (xn )n ⊂ X beschränkte Folge, wenn kxn k ≤ c für alle n ∈ N gilt.
10
(b) (xn )n ⊂ X heißt konvergent, wenn x ∈ X existiert, so dass es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N
gibt mit
kxn − xk ≤ ε für alle n ≥ N .
Notation: lim xn = x oder xn → x, n → ∞.
n→∞
(c) (xn )n ⊂ X heißt Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, so dass
kxm − xn k ≤ ε
für alle n, m ≥ N .
(d) x ∈ X ist Häufungspunkt von (xn )n ⊂ X, wenn es eine Teilfolge (xn(k) )k ⊂ X gibt mit
xn(k) → x, k → ∞.
(e) M ⊂ X heißt offen, wenn zu jedem x ∈ M ein ε > 0 existiert, so dass
©
ª
B(x, ε) := y ∈ X : kx − yk < ε ⊂ M .
(f ) M ⊂ X heißt abgeschlossen, wenn X \ M offen ist. Eine wichtige Charakterisierung ist
die Äquivalenz, dass M abgeschlossen ist genau dann, wenn für alle in X konvergenten
Folgen (xn )n mit (xn )n ⊂ M die Grenzwerte in M liegen.
(g) Sei M ⊂ X.
Mo =
©
ª
x ∈ M : ∃ ε > 0 mit B(x, ε) ⊂ M
heißt das Innere von M (Menge der inneren Punkte).
©
ª
M = x ∈ X : ∃ (xn )n ⊂ M mit lim xn = x
n→∞
heißt der Abschluss von M .
(h) M ⊂ X liegt dicht in X, wenn M = X ist. Dies bedeutet, dass sich ein x ∈ X beliebig
genau durch Elemente aus M approximieren lässt.
Definition 2.4 Zwei Normen, k·k1 und k·k2 , in einem normierten Raum X heißen äquivalent,
wenn c1 > 0 und c2 > 0 existieren mit
c1 kxk1 ≤ kxk2 ≤ c2 kxk1 für alle x ∈ X .
Bemerkung: Äquivalente Normen auf X erzeugen dieselbe Topologie.
Satz 2.5 Sei X endlich dimensionaler linearer Raum, dann sind alle Normen äquivalent.
Beweis: Sei X endlich dimensional mit Dimension m. Dann gibt es eine Basis, X = span{ϕ1 , . . . , ϕm }.
Somit lässt sich x ∈ X darstellen durch
x =
m
X
αj ϕj .
j=1
Durch kxk∞ = |α|∞ = max |αj | ist eine Norm definiert (Übung!)
j=1,...,m
11
(i) Sei nun k · k eine weitere Norm auf X. Dann folgt
°
°


°m
°
m
n
X
X
X
°
°
kxk = °
αj ϕj °
|αj | kϕj k ≤ 
kϕj k max |αj | = c2 kxk∞ .
°
° ≤
j=1,...,m
° j=1
°
j=1
j=1
|
{z
}
=:c2
(ii) Umgekehrt
wir die Existenz
von c1 > 0 zeigen mit kxk ≥ c1 kxk∞ für alle x ∈ X.
© müssen
ª
n
Sei M = α ∈ R : |α|∞ = 1 . Dann ist M abgeschlossene und beschränkte Menge in Rn .
Die Funktion
°
°
°
°X
m
°
°
°
αj ϕj °
f (α) = °
°
°
° j=1
ist stetig auf Rn (nachprüfen mit 2. Dreiecksungleichung) und f (α) > 0 für alle α ∈ M .
Also existiert c1 > 0 mit f (α) ≥ c1 für alle α ∈ M .
P
Sei nun x = m
j=1 αj ϕj beliebig. Setze α̃j = αj /|α|∞ für j = 1, . . . , n. Dann ist α̃ ∈ M ,
also f (α̃) ≥ c1 , also
°
°
°X
°
° m αj
°
1
1
°
c1 ≤ f (α̃) = °
ϕj °
kxk =
kxk .
=
°
|α|∞ °
|α|∞
kxk∞
°
j=1
Dies beweist den Satz.
2
Beispiel 2.6 Betrachte (xn )n ⊂ C[0, 1] mit xn (t) = tn .
(
0, t ∈ [0, 1) ,
(1) (xn )n ist punktweise konvergent: xn (t) →
1, t = 1 ,
(2) Es gilt
n
m
kxn − xm k∞ = max |t − t | =
t∈[0,1]
³n´
n
m−n
n → ∞.
³
m
1−
n´
→ 1
m
für m → ∞ und festes n. Also ist (xn )n keine Cauchy-Folge bzgl. k · k∞ und insbesondere
nicht konvergent (d.h. nicht gleichmäßig konvergent (s. Analysis)).
(3) Es ist aber
Z1
kxn −
0k22
Z1
2
=
t2n dt =
|xn (t)| dt =
0
0
1
→ 0,
2n + 1
n → ∞,
d.h. (xn )n konvergiert bzgl. der L2 -Norm gegen x(t) = 0. Also sind diese beiden Normen
in C[0, 1] nicht äquivalent .
Definition 2.7 Ein normierter Raum X heißt vollständig oder Banachraum, wenn jede
Cauchy-Folge in X konvergiert.
Beispiele 2.8
(a) (Rn , | · |) ist bzgl. jeder Norm | · | vollständig.
(b) (C(Ω), k · k∞ ) ist vollständig ( gleichmäßige Konvergenz“)
”
(c) (C(Ω), k · k2 ) ist nicht vollständig ! (s. Übung) .
12
2.2
Lineare, beschränkte Operatoren
Im Folgenden seien X, Y stets normierte Räume und A : X → Y ein linearer Operator (Homomorphismus), d.h. eine Abbildung mit A(λx + µy) = λAx + µAy, x, y ∈ X, λ, µ ∈ R.
Definition 2.9 (a) A : X → Y heißt beschränkt, wenn ein c > 0 existiert mit kAxkY ≤
ckxkX für alle x ∈ X.
(b) Die kleinste Konstante c mit dieser Eigenschaft heißt (zugeordnete) Norm von A, also
kAk = sup
x6=0
kAxkY
.
kxkX
Lemma 2.10 Die Menge L(X, Y ) der linearen beschränkten Operatoren von X nach Y ist mit
der Norm aus (2.9) ist ein normierter Raum.
Zum Beweis sind die Normeigenschaften zu prüfen.
Lemma 2.11¡ Sei¢ A ∈ L(X, Y ) und B ∈ L(Y, Z). Dann ist die Komposition BA : X → Z, also
(BA)(x) = B Ax , x ∈ X, ein beschränkter linearer Operator mit
kBAk ≤ kBk kAk .
Beweis: Offensichtlich ist die Komposition linear. Die Beschränktheit ergibt sich aus der Abschätzung
kBAxkZ ≤ kBk kAxkY ≤ kBk kAk kxkX .
2
Satz 2.12 Sei A : X → Y linear. Dann sind äquivalent:
(a) A ist stetig in jedem x ∈ X, d.h. xn → x, n → ∞ impliziert Axn → Ax, n → ∞.
(b) A ist stetig in x = 0
(c) A ist beschränkt.
Beweis: (a) ⇒ (b)“ ist offensichtlich.
”
(b) ⇒ (c)“: Wenn A stetig in x = 0 ist, existiert δ > 0, so dass aus kxk = kx − 0k ≤ δ folgt:
”
kAx − 0k = kAxk ≤ 1. Somit gilt für beliebiges x ∈ X:
°
°
°
1°
1
° δx °
kAxk = °A
° kxk ≤ kxk .
δ ° kxk °
δ
|{z}
k k=δ
Also ist A beschränkt mit kAk ≤ 1δ .
(c) ⇒ (a)“ Sei (xn )n ⊂ X mit xn → x, n → ∞. Aus
”
kAxn − Axk = kA(xn − x)k ≤ kAk kxn − xk → 0 ,
folgt lim Axn = Ax. Also ist A in x stetig.
n → ∞,
2
n→∞
In Hinblick auf Integralgleichungen zeigen wir als ersten Schritt, dass die auftretenden Integraloperatoren beschränkt sind.
13
Satz 2.13 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, und sei k ∈ C(G × G). Dann ist der Integraloperator A : C(G) → C(G) mit
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds , t ∈ G ,
G
wohldefiniert, linear und beschränkt bzgl. k · k∞ , und es gilt
Z
kAk∞ = max |k(t, s)| ds .
t∈G
G
Beweis:
(i) Das Integral existiert, da G kompakt und k stetig ist.
(ii) Ax ∈ C(G), da k stetig in t ist (s. Analysis).
(iii) Offensichtlich ist A linear.
(iv) Es gilt
Z
Z
|k(t, s)| |x(s)| ds ≤ kxk∞
|(Ax)(t)| ≤
G
|k(t, s)| ds .
G
R
Also ist kAxk∞ ≤ kxk∞ max |k(t, s)| ds, d.h. A ist beschränkt und
t∈G G
Z
|k(t, s)| ds .
kAk∞ ≤ max
t∈G
G
(v) Da G kompakt ist gibt es t0 ∈ G mit
Z
Z
|k(t0 , s)| ds = max |k(t, s)| ds .
t∈G
G
Definiere zu ε > 0
xε (s) :=
G
k(t0 , s)
,
|k(t0 , s)| + ε
s ∈ G.
Dann ist kxε k∞ ≤ 1 und
kAk∞
kAxε k∞
kAxk∞
= sup
≥
≥ |(Axε )(t0 )| =
kxε k∞
x6=0 kxk∞
Z
Z
£
¤
|k(t0 , s)|2 − ε2
≥
ds =
|k(t0 , s)| − ε ds
|k(t0 , s)| + ε
G
Z
ZG
= max |k(t, s)| ds − ε ds .
t∈G
G
Z
G
|k(t0 , s)|2
ds
|k(t0 , s)| + ε
G
Dies gilt für alle ε > 0. Also ist
Z
kAk∞ ≥ max
t∈G
und insgesamt folgt Gleichheit.
|k(t, s)|ds ,
G
2
14
¡
¢
Satz 2.14 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C {(t, s) ∈ G × G : t 6= s} schwach
singulär, d.h. |k(t, s)| ≤ c|t − s|−α für ein α ∈ [0, d). Dann gilt Satz 2.13 entsprechend.
Beweis: Zunächst zeigen wir die Existenz des Integrals (uneigentlich, Riemann). Wähle R > 0
mit |t| ≤ R für alle t ∈ G. Für beliebiges (kleine) ² > 0 gilt, da |t − s| ≤ |t| + |s| ≤ 2R für
t, s ∈ G:
Z
Z
Z
¯
¯
¯
¯
|k(t, s)| |x(s)|ds ≤ kxk∞
k(t, s) ds ≤ c kxk∞
|t − s|−α ds
G\B(t,ε)
G\B(t,ε)
ε<|t−s|<2R
Z2R
= c kxk∞ ωd r−α rd−1 dr = c kxk∞ ωd
¤
1 £
(2R)d−α − εd−α
d−α
ε
≤ c kxk∞
ωd
(2R)d−α ,
d−α
wobei Polarkoordinaten s = t + rφ̂ bzgl t gewählt wurden. ωd sei der Oberflächeninhalt der
Einheitssphäre (z.B. ω2 = 2π, ω3 = 4π). Beachte, dass α < d vorausgesetzt werden muss.
Also existiert das uneigentliche Integral (siehe z.B. Walter: Analysis II, Abschnitt 7.20), und der
Operator darüberhinaus beschränkt.
Es bleibt zu zeigen, dass Ax ∈ C(G) ist und kAk die angegebene Identität erfüllt. Dazu approximieren wir A durch Operatoren mit stetigem Kern. Definiere ψ ∈ C[0, ∞) durch


t ∈ [0, 1] ,
0,
ψ(t) = (t − 1), t ∈ [1, 2] ,


1,
t > 2,
und die Operatoren
Z
(An x)(t) =
k(t, s) ψ(n|t − s|) x(s) ds ,
t ∈ G.
G
Nach Satz 2.13 (An hat stetigen Kern) ist An : C(G) → C(G) ein linearer beschränkter Operator
mit
Z
kAn k = max |k(t, s)| ψ(n|t − s|) ds .
t∈G
Für alle t ∈ G folgt die Abschätzung
Z
|(An x)(t) − (Ax)(t)| ≤ kxk∞
G
G
£
¤
|k(t, s)| 1 − ψ(n|t − s|) ds
Z
Z
≤ kxk∞
|k(t, s)| ds ≤ c kxk∞
2
|t−s|≤ n
2
|t−s|≤ n
2
Zn
= c ωd kxk∞
|t − s|−α ds
r
d−α−1
0
c ωd
ds =
d−α
µ ¶d−α
2
kxk∞ .
n
Also konvergiert An x gleichmäßig gegen Ax, d.h. Ax ∈ C(G). Für die Operator-Norm folgt
weiter
µ ¶d−α
k(An − A)xk∞
c ωd
2
kAn − Ak∞ = sup
≤
→ 0, n → ∞,
kxk
d
−
α
n
∞
x6=0
15
¯
¯
d.h. die Operatoren An konvergieren gegen A in der Operatornorm. Wegen ¯kAn k∞ − kAk∞ ¯ ≤
kAn − Ak∞ konvergiert kAn k∞ gegen kAk∞ . Auf der anderen Seite konvergiert
Z
kAn k∞ = max |k(t, s)| ψ(n|t − s|) ds
t∈G
gegen
G
Z
max
t∈G
|k(t, s)| ds .
G
Dies ist z.B. mit dem Lebesgueschen Konvergenzsatz zu sehen.
2
Neben der k k∞ Topologie spielt die L2 -Topologie eine entscheidende Rolle bei der Behandlung
von Integralgleichungen.
Satz 2.15 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G). Dann ist der in den letzten
beiden
Sätzen¢ definierte
Integraloperator
A : C(G) → C(G) mit
von
¡
¡
¢
¡ Kern k beschränkt
¢
C(G), k · k2 nach C(G), k · k∞ und auch beschränkt von C(G), k · k2 in sich.
Dieselbe Aussage gilt auch für schwach singuläre Kerne, falls die Ordnung α kleiner als d/2 ist:
α < d2 .
Beweis: Sei zunächst k stetig. Mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt für t ∈ G:
¯
¯2
¯Z
¯
Z
Z
¯
¯
2
¯ k(t, s) x(s) ds¯ ≤
|k(t,
s)|
ds
|x(s)|2 ds
¯
¯
¯
¯
G
G
G
{z
}
|
=kxk22
und daher
¯
¯2
¯Z
¯
Z
¯
¯
2
2
¯
¯
kAxk∞ = max ¯ k(t, s) x(s) ds¯ ≤ kxk2 max |k(t, s)|2 ds .
t∈G ¯
t∈G
¯
G
G
¢
¡
¢
¡
Also ist A beschränkt C(G), k · k2 nach C(G), k · k∞ .
Sei jetzt k schwach singulär und sei wieder G ⊂ B(0, R). Für s, t ∈ G ist |t − s| ≤ 2R (Dreiecksungleichung!), also
Z
Z
c2 ωd
2
2
|k(t, s)| ds ≤ c
|t − s|−2α ds =
(2R)d−2α .
d − 2α
G
|t−s|≤2R
Dies gilt für alle t ∈ G, und wir können das Maximum bzgl. t nehmen. Also hat man auch
in diesem Fall eine Abschätzung der Form kAxk2∞ ≤ ĉ kxk22 . Wegen der Abschätzung kzk22 ≤
gilt kAxk22 ≤ |G| kAxk2∞ ≤ |G| ĉ kxk22 , und
|G| kzk2∞ (wobei |G| das Volumen¡ von G bedeute)
¢
daher ist A auch beschränkt von C(G), k · k2 in sich.
2
Lemma 2.16 Sei X ein normierter Raum und Y ein Banachraum. Dann ist L(X, Y ) ein Banachraum.
Beweis: Sei (An ) ⊂ L(X, Y ) eine Cauchy-Folge und x ∈ X. Dann existiert zu jedem ε > 0 ein
N ∈ N, so dass
kAn x − Am xk ≤ kAn − Am k kxk ≤ εkxk ,
16
n, m ≥ N .
Also ist (An x)n ⊂ Y eine Cauchy-Folge und konvergiert somit für jedes x ∈ X. Wir können
einen Operator A : X → Y durch
Ax = lim An x
n→∞
definieren und erhalten:
(i) A ist offenbar linear.
(ii) A ist beschränkt: Wähle N ∈ N mit kAn − Am k ≤ 1 für alle n, m ≥ N . Dann ist kAn k ≤
kAn − AN k + kAN k ≤ 1 + kAN k für alle n ≥ N . Also gilt
kAxk ≤ kAx − An xk + kAn xk ≤ kAx − An xk + kAn k kxk
≤ kAx − An xk + (1 + kAN k) kxk .
Für n → ∞ konvergiert der erste Term gegen Null, und wir erhalten kAxk ≤ (1 +
kAN k) kxk, d.h. die Beschränktheit.
(iii) Sei ε > 0 vorgegeben und kAn − Am k ≤ ε für n, m ≥ N . Für festes x ∈ X folgt für n ≤ m:
k(An − A)xk ≤ k(An − Am )xk + kAm x − Axk ≤ εkxk + kAm x − Axk
|
{z
}
→0, m→∞
Also gilt k(An − A)xk ≤ εkxk für alle n ≥ N , d.h. kAn − Ak → 0, n → ∞.
2
Bemerkung: Insbesondere ist der Dualraum X ∗ = L(X, R) immer ein Banachraum, egal ob X
selbst vollständig ist oder nicht.
2.3
Vervollständigung
Der Raum C(G) ist bzgl. der euklidischen Norm k · k2 nicht vollständig. Da Vollständigkeit
ein ganz wichtiger Begriff ist, benötigen wir den Begriff der Vervollständigung eines normierten
Raumes.
Satz 2.17 (Vervollständigungsprinzip) Zu jedem normierten Raum (X, k · k) gibt es einen Banachraum X̃ mit Norm k · k∼ , so dass X normisomorph zu einer dichten Teilmenge von X̃ ist.
Der Raum X̃ ist eindeutig bestimmt bis auf Normisomorphien.1
Beweisskizze: Es gibt verschieden Arten, einen Raum X̃ zu konstruieren. Man kann den Raum
von (Äquivalenzklassen von) Cauchyfolgen
aus X nehmen. Wir machen es eleganter und be¡ ¢∗
trachten den Bidualraum X ∗∗ = X ∗ von X. Als Dualraum ist er nach der letzten Bemerkung
vollständig. Wir definieren jetzt die Abbildung J : X → X ∗∗ durch
(Jx)(`) = `(x) für alle ` ∈ X ∗ und x ∈ X .
• J ist wohldefiniert, d.h. bildet X in X ∗∗ . Dazu müssen wir zeigen, dass Jx ein lineares
und beschränktes Funktional auf X ∗ ist. Linearität ist klar, Beschränktheit folgt aus
¯
¯
¯
¯
¯(Jx)(`)¯ = ¯`(x)¯ ≤ k`kX ∗ kxk
für alle ` ∈ X ∗ . Also ist Jx beschränkt und kJxkX ∗∗ ≤ kxk.
1
Zwei normierte Räume X, Y über K heißen genau dann normisomorph, wenn es eine lineare Isomorphie
J : X → Y gibt mit kJxk = kxk für alle x ∈ X. Bei einer Normisomorphie bleiben alle für einen normierten Raum
typische Eigenschaften (s. Werner: Funktionalanalysis, Kapitel I.2) erhalten. Deshalb kann man normisomorphe
normierte Räume miteinander identifizieren.
17
• J ist offenbar auch linear.
• Mit dem Satz von Hahn-Banach aus der Funktionalanalysis sieht man, dass J eine Normisometrie ist, d.h. dass Gleichheit kJxkX ∗∗ = kxk gilt: Zu festem x ∈ X existiert nämlich
ˆ X ∗ = 1 und `(x)
ˆ
nach dem Satz von Hahn-Banach ein Funktional `ˆ ∈ X ∗ mit k`k
= kxk.
Daher ist
`(x)
ˆ
kJxkX ∗∗ = sup
≥ `(x)
= kxk .
k`k
X∗
`6=0
Jetzt können wir einfach X̃ als Abschluss des Wertebereichs von J in X ∗∗ definieren. X ist
normisomorph zum Wertebereich von J und liegt dicht in seinem Abschluss. Damit ist die
Konstruktion fertig. Auf den einfachen Beweis der Eindeutigkeit gehen wir nicht ein.
2
Wir fassen im folgenden den ursprünglichen Raum X immer als dichten Unterraum von X̃ auf,
identifizieren X also mit seinem isometrischen Bild J(X) in X̃.
Lineare und beschränkte Operatoren zwischen normierten Räumen können auf ihre Vervollständigungen fortgesetzt werden:
Satz 2.18 Seien X, Y normierte Räume mit ihren Vervollständigungen X̃ ⊃ X und Ỹ ⊃ Y .
Sei A ∈ L(X, Y ). Dann gibt es genau ein à ∈ L(X̃, Ỹ ) mit Ãx = Ax für alle x ∈ X und
kÃk = kAk.
Wir belassen den Beweis als Übung.
Beispiel 2.19 Für eine offene beschränkte Menge G ⊂ Rd definieren“ wir den Raum L2 (G)
”
als die Vervollständigung von C(G) bzgl. der euklidischen Norm k · k2 .
Sei ferner G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) oder schwach singulär mit Index
α > d2 (Achtung: nicht nur α < d!). Dann ist der Integraloperator A mit Kern k auch ein linearer
beschränkter Operator vom Banachraum L2 (G) (ausgestattet mit der L2 −Norm) in den Raum
C(G) (ausgestattet mit der ∞−Norm) und auch von L2 (G) in sich. Dies folgt direkt das aus
dem Fortsetzungssatz und Satz 2.15. Insbesondere ist für stetige Kerne oder schwach singuläre
Kerne mit α < d/2 das Bild Ax stetig für jedes x ∈ L2 (G). Diese Beobachtung wird später in
Kapitel 3 wichtig sein.
2.4
Existenz und Eindeutigkeit
Wir wollen nun Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen zu Volterraschen Gleichungen klären.
Satz und Definition 2.20 (Störungslemma, Neumannsche Reihe)
Sei X ein Banachraum und A ∈ L(X, X) mit
1
lim sup kAn k n < 1 .
(2.3)
n→∞
Dann ist (I − A) : X → X invertierbar, (I − A)−1 ∈ L(X, X), und (I − A)−1 ist Grenzwert der
Neumannschen Reihe, d.h.
(I − A)−1 = lim
n→∞
n
X
Ak =
k=0
∞
X
Ak .
k=0
Daher besitzt die Gleichung
x − Ax = y
P
k
für jedes y ∈ X genau eine Lösung x ∈ X. Diese ist gegeben durch x = ∞
k=0 A y und hängt
stetig von y ab. Definiert man rekursiv die Folge x0 = y und xn+1 = Axn + y für n = 0, 1, . . .,
so konvergiert diese Folge gegen die Lösung x.
18
Beweis: Sei Sn =
n
P
Ak . Wir zeigen, dass (Sn ) eine Cauchyfolge in L(X, X) ist. Betrachte
k=0
kSm − Sn k ≤
m
X
kAk k ,
m > n.
k=n+1
Nach dem Wurzelkriterium und (2.3) konvergiert die rechte Seite für n → ∞. Also ist (Sn ) eine
Cauchyfolge in L(X, X) und somit konvergent mit Sn → S ∈ L(X, X) für n → ∞ nach Lemma
2.16. Weiter ist
)
n
n+1
X
X
(I − A)Sn
=
Ak −
Ak = I − An+1 .
Sn (I − A)
k=0
k=1
Da aber wegen der Konvergenz der Neumannschen Reihe auch kAn k → 0, n → ∞, gilt, so
folgt hieraus sofort (I − A)S = S(I − A) = I. Also ist S = (I − A)−1 ∈ L(X, X) und dann
x = (I − A)−1 y mit dem stetigen
Operator (IP
− A)−1 . Definiert man schließlich xn := Sn y, so
Pn
k
ist x0 = y und Axn + y = k=0 Ak+1 y + y = n+1
2
k=1 A y + y = xn+1 .
Bemerkung 2.21 (a) Für A ∈ L(X, X) existiere N ∈ N mit kAN k < 1. Dann ist Satz 2.20
anwendbar, denn mit der Zerlegung (Division mit Rest) n = kN + r, wobei r ∈ {0, . . . , N − 1},
folgt
1
k
1
1
kAn k n ≤ kAN k N k+r kAr k kN +r → kAN k N , k → ∞ .
1
1
Dies gilt für alle r ∈ {0, . . . , N − 1}. Damit ist lim sup kAn k n ≤ kAN k N < 1.
n→∞
2
(b) Sei X ein Banachraum, A ∈ L(X, X) mit kAk < 1. Mit Satz 2.20 und Bemerkung (a) ist
(I − A)−1 ∈ L(X, X) und
1
kI − Ak−1 ≤
,
1 − kAk
denn aus der Konvergenz der N -Reihe und der Dreiecksungleichung folgt mit der geometrischen
Reihe
°∞
°
∞
°X °
X
1
°
°
k(I − A)−1 k = °
.
An ° ≤
kAkn =
°
°
1 − kAk
n=0
n=0
Beispiel 2.22 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) mit
Z
max |k(t, s)|ds < 1 .
t∈G
G
Die Fredholmsche Integralgleichung
Z
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t)
G
|
{z
}
=:Ax(t)
mit y ∈ C(G) besitzt genau eine Lösung x ∈ C(G). Denn aus Satz 2.13 folgt kAk∞ < 1, und
Satz 2.20 liefert die Existenz der Inversen. Die Fixpunktiteration
Z
xn+1 (t) = y(t) +
k(t, s) xn (s) ds , n = 0, 1, 2, . . . ,
G
mit Startwert x0 = y konvergiert gegen die Lösung der Integralgleichung.
19
Im Fall von Volterra-Gleichungen können wir auf Voraussetzungen an die Norm des Integraloperators verzichten. Es ergibt sich der folgende allgemeine Existenzsatz mit dem Störungslemma.
Satz 2.23 (Existenz und Eindeutigkeit zu Volterraschen Integralgleichungen 2. Art)
Sei ∆ = {(t, s) ∈ [a, b] × [a, b] : s ≤ t} und k ∈ C(∆). Dann besitzt die Volterrasche Integralgleichung zweiter Art
Zt
x(t) −
k(t, s)x(s)ds = y(t) , t ∈ [a, b] ,
a
für jedes y ∈ C[a, b] eine eindeutig bestimmte Lösung x ∈ C[a, b], und diese kann mit der
Fixpunktiteration berechnet werden.
Beweis: Sei wieder (Ax)(t) =
Rt
k(t, s) x(s) ds. Mit der Fortsetzung k(t, s) = 0 für s > t folgt
a
aus der Beschränktheit des so fortgesetzten Kerns, dass k schwach singulär ist (mit α = 0). Wir
setzen
M = max |k(t, s)| .
a≤s≤t≤b
Also ist nach Satz 2.14 der Operator A : C[a, b] → C[a, b] beschränkt. Induktiv zeigen wir weiter,
dass
Mn
(t − a)n kxk∞ für alle t ∈ [a, b], n ∈ N, x ∈ C[a, b] .
|(An x)(t)| ≤
n!
(i) Ind.-Anf., n = 0: Dies ist trivial
ii) Ind.-Schritt, n → n + 1:
Zt
n+1
|(A
x)(t)| ≤
¯
¯
|k(t, s)| ¯(An x)(s)¯ ds
a
Zt
≤ M
a
M n+1
Mn
(s − a)n kxk∞ ds = kxk∞
(t − a)n+1 .
n!
n + 1!
Es folgt
Mn
(b − a)n → 0 , n → ∞ .
n!
Insbesondere existiert N ∈ N mit kAN k < 1. Also ist das Störungslemma 2.20 (siehe Bemerkung 2.21) anwendbar.
2
kAn k ≤
Folgerung 2.24 Sei k ∈ C(∆), k(t, t) 6= 0 für t ∈ [a, b] und
sche Integralgleichung 1. Art
∂k
∂t
∈ C(∆), so besitzt die Volterra-
Zt
k(t, s) x(s) ds = y(t) − y(a) ,
t ∈ [a, b] ,
a
für jedes y ∈ C 1 [a, b] genau eine Lösung x ∈ C[a, b].
Beweis: Differentiation der Integralgleichung liefert
Zt
k(t, t) x(t) +
a
∂k
(t, s) x(s) ds = y 0 (t) .
∂t
20
Nach Division durch k(t, t) erhalten wir eine Integralgleichung 2. Art. Diese ist nach Satz 2.23
eindeutig lösbar mit Lösung x̂ ∈ C[a, b]. Also gilt nach Integration Ax̂(t) = y(t) + c, und aus
Ax̂(a) = 0 = y(a) + c folgt c = −y(a).
2
Bemerkungen:
• Beachte, dass für y ∈ C 1 [a, b] im Allgemeinen nur x ∈ C[a, b] gilt.
• Wenn
∂k
∂s
∈ C(∆), so könnten wir z(t) =
Rt
x(s) ds definieren und erhalten durch partielle
a
Integration
Zt
Zt
0
y(t) − y(0) =
k(t, s) z (s) ds = k(t, t)z(t) −
a
a
∂k
(t, s) z(s) ds .
∂s
Nun existiert für y ∈ C[a, b] nach Satz 2.23 genau eine Lösung z ∈ C[a, b] dieser neuen
Integralgleichung 2. Art. I.A. ist z aber nicht differenzierbar, so dass wir eine Lösung“ x
”
der Integralgleichung 1. Art nur in dem abgeschwächten Sinne bekommen, dass x ∈ L1 (a, b)
ist mit der Stammfunktion“ z ∈ C[a, b], d.h.
”
Zt
x(s) ds .
z(t) =
a
Satz 2.25 Sei k : ∆ → R (oder C) schwach singulär, d.h. k ist stetig auf ∆◦ und es existieren
c > 0 und α ∈ [0, 1) mit |k(t, s)| ≤ c|t − s|−α für a ≤ s < t ≤ b. Dann hat die Volterrasche
Integralgleichung 2. Art
Zt
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(z) ,
a ≤ t ≤ b,
a
für jedes y ∈ C[a, b] genau eine Lösung x ∈ C[a, b].
Beweis: o.B.d.A. sei a = 0 (sonst Variablentransformation τ = t − a).
Rt
Für den Integraloperator Ax(t) = k(t, s) x(s) ds zeigen wir induktiv (analog zu 2.22) kAN k∞ <
0
1, so dass das Störungslemma anwendbar ist.
Zunächst betrachten wir den Fall n = 1:
Zt
(t − s)−α |x(s)| ds ≤ c kxk∞
|Ax(t)| ≤
0
21
1 1−α
t
.
1−α
Nun sei n = 2:
Zt
2
|A x(t)|
≤
(t − s)−α |Ax(s)| ds
c
0
≤
s
s̃ =
t
=
1
c2 kxk∞
1−α
Zt
(t − s)−α s(1−α) ds
0
2 kxk∞ 2(1−α)
c
1−α
Z1
(1 − s̃)−α s̃(1−α) ds̃
t
|0
{z
}
1.EulerIntegral
Für das erste Euler Integral gilt
Z1
(1 − s̃)δ−1 s̃β−1 ds̃ =
0
Γ(δ)Γ(β)
Γ(δ + β)
mit der Gammafunktion Γ, die z.B. durch
Z∞
tz−1 e−t dt (Euler Def.)
Γ(z) =
0
gegeben ist. (Zur Erinnerung Γ(n) = (n − 1)!). Also folgt
|A2 x(t)| ≤ c2 kxk∞
1 2(1−α) Γ(1 − α)Γ(2 − α)
t
1−α
Γ(2(1 − α) + 1)
(wobei δ = 1 − α, β = 2 − α zu setzen ist).
Mit δ = 1 − α und β = 1 ergibt sich
Γ(1 − α)
=
Γ(2 − α)
Z1
(1 − s̃)−α ds̃ =
0
1
.
1−α
Setzen wir diese Identität ein, so folgt
|A2 x(t)| ≤ c2 kxk∞ t2(1−α)
(Γ(1 − α))2
.
Γ(2(1 − α) + 1)
Diese Überlegungen liefern uns einen Induktionsanfang und wir zeigen induktiv, dass
|An x(t)| ≤ kxk∞ cn tn(1−α)
22
(Γ(1 − α))n
Γ(n(1 − α) + 1)
gilt. Für den Induktionsschritt ergibt sich
Zt
n+1
|A
x(t)|
≤
(t − s)−α |An t(s)| ds
c
0
n+1
≤
c
s
s̃ =
t
=
n+1
c
(Γ(1 − α))n
kxk∞
Γ(n(1 − α) + 1)
Zt
(t − s)−α sn(1−α) ds
0
(Γ(1 − α))n (n+1)(1−α)
kxk∞
t
Γ(n(1 − α) + 1)
Z1
(1 − s̃)−α s̃n(1−α) ds̃
0
=
(Γ(1 − α))n Γ(1 − α)Γ(n(1 − α) + 1) (n+1)(1−α)
t
cn+1 kxk∞
Γ(n(1 − α) + 1) Γ((n + 1)(1 − α) + 1)
=
kxk∞ cn+1
Euler Int.
(Γ(1 − α))n+1
t(n+1)(1−α) .
Γ((n + 1)(1 − α) + 1)
wenn wir das Eulersche Integral mit β = n(1 − α) + 1 und δ = (1 − α) einsetzen.
Mit der Stirlingschen Formel,
r
Γ(z) =
µ
µ ¶¶
2π ³ z ´z
1
,
1+O
z e
z
z → ∞,
ergibt sich die Abschätzung
|An x(t)| ≤ kxk∞ cn tn(1−α)
(Γ(1 − α))n
Γ(n(1 − α) + 1)
= kxk∞ cn tn(1−α) (Γ(1 − α))n
p
µ
µ
¶¶
n(1 − α) + 1
en(1−α)+1
1
√
×
1+O
→ 0,
n(1 − α) + 1
(n(1 − α) + 1)n(1−α)+1
2π
Insbesondere existiert ein N ∈ N mit kAN k < 1.
23
n → ∞.
2
3
Fredholmsche Integralgleichungen
Ziel: Gesucht sind Bedingungen, unter denen eine Fredholmsche Integralgleichung
Z
x(t) −
k(t, s)x(s) ds = (I − A)x(t) = y(t) , t ∈ G ,
G
lösbar ist. Es sei im Folgenden stets G ⊂ Rd als offen und beschränkt und k als stetig oder
schwach singulär vorausgesetzt.
Bemerkung: Wenn kAk < 1 ist, so können wir das Störungslemma anwenden (s.o.) und es
gilt die eindeutige Lösbarkeit. Hier wollen wir aber ohne diese stark einschränkende Bedingung
auskommen. Entscheidend ist die Glättungseigenschaft“ des Operators A.
”
3.1
Lineare kompakte Operatoren
Definition 3.1 Eine Teilmenge M ⊂ X eines normierten Raums X heißt kompakt, wenn
jede Folge (xn ) ⊂ M mindestens einen Häufungspunkt in M besitzt, d.h. jede Folge besitzt eine
konvergente Teilfolge. M ⊂ X heißt relativ kompakt, wenn M kompakt ist.
Lemma 3.2 M ⊂ X kompakt impliziert, dass M abgeschlossen und beschränkt ist.
Beweis: 1. Sei (xn ) ⊂ M mit xn → x ∈ X, n → ∞. Dann ist x einziger Häufungspunkt und
somit x ∈ M (kompakt). Also ist M abgeschlossen.
2. Angenommen M wäre unbeschränkt. Dann existiert eine Folge (xn ) ⊂ M mit kxn k ≥ n,
n ∈ N. Sei nun x ∈ M ein Häufungspunkt von (xn ), d.h. die Folge enthält eine konvergente
Teilfolge (xnj )j . Diese Teilfolge ist als konvergente Teilfolge beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit
kxnj k ≤ c für alle j. Dies widerspricht der Konstruktion von xn , denn kxnj k ≥ nj für alle j. 2
Bemerkung: Im Rn liefert der Satz von Bolzano-Weierstraß, dass auch die Umkehrung des
Lemmas gilt. Dies ist in unendlich dimensionalen Räumen nicht mehr richtig.
Dazu zunächst folgendes wichtige Lemma.
Lemma 3.3 (Lemma von Riesz)
Sei X normierter Raum, U ⊂ X abgeschlossener Unterraum mit U 6= X. Dann existiert zu
jedem ρ ∈ (0, 1) ein x ∈ X mit kxk = 1 und kx − uk ≥ ρ für alle u ∈ U .
Beweis: Es gibt x̃ ∈ X \ U und d := inf kx̃ − uk > 0 (denn sonst gäbe es eine Folge x̃n → x̃,
u∈U
n → ∞ mit x̃n ∈ U und, da U abgeschlossen ist, würde x̃ ∈ U folgen). Wähle nun v ∈ U mit
d ≤ kx̃ − vk ≤
d
ρ
und setze x =
x̃ − v
.
kx̃ − vk
Dann folgt kxk = 1 und für u ∈ U gilt
kx − uk =
1
d
kx̃ − v + kx̃ − vku k ≥
≥ ρ.
|
{z
}
kx̃ − vk
kx̃ − vk
∈U
2
24
Satz 3.4 Die abgeschlossene Einheitskugel B[0, 1] = {x ∈ X : kxk ≤ 1} ⊂ X ist genau dann
kompakt, wenn X endlich dimensional ist.
Beweis: ⇐“ Dies ist der Satz von Bolzano-Weierstraß, der im Rn gilt und damit in jedem
”
endlich dimensionalen Raum (da dieser norm-isomorph zum Rn ist).
⇒“ Sei X unendlich
dimensional. Wähle x1 ∈ X mit kx1 k = 1 und setze U1 = span{x1 } =
ª
”©
λx1 : λ ∈ R . Nach dem Lemma 3.3 von Riesz existiert x2 ∈ X mit kx2 k = 1 und kx2 − uk ≥ 21
©P2
ª
für alle u ∈ U1 . Setze U2 = span{x1 , x2 } =
j=1 λj xj : λj ∈ R und wähle nach dem
Lemma von Riesz ein x3 ∈ X mit kx3 k = 1 und kx3 − uk ≥ 21 für alle u ∈ U2 . So können wir
weiter fortfahren und rekursiv eine Folge (xn ) konstruieren mit den Eigenschaften kxn k = 1 und
kxn+1 − uk ≥ 12 für alle u ∈©P
Un . Der endlich dimensionale
Unterraum Un ist dabei definiert als
ª
n
Un = span{x1 , . . . , xn } =
λ
x
:
λ
∈
R
.
Insbesondere
ist kxn+1 − xm k ≥ 12 für alle
j
j=1 j j
m ≤ n. Daher kann (xn )n ⊂ B[0, 1] keine konvergente Teilfolge enthalten.
2
Bemerkung: Wichtige Kompaktheitskriterien (siehe Literatur), die wir im folgenden aber nicht
anwenden werden, sind:
(a) Satz von Arzela-Ascoli
Sei G ⊂ Rd kompakt. M ⊂ C(G, k · k∞ ) ist relativ kompakt genau dann, wenn M beschränkt und gleichgradig stetig ist (d.h. zu jedem ε > 0 existiert δ > 0, so dass die
Abschätzung |x(t) − x(s)| ≤ ε gilt für alle t, s ∈ G mit für |t − s| ≤ δ und für alle x ∈ M ).
(b) Satz von Kolmogoroff
Sei G ⊂ Rn offen und beschränkt. M ⊂ Lp (G), 1 ≤ p < ∞, ist relativ kompakt genau
dann, wenn M beschränkt ist und zu jedem ² > 0 ein δ > 0 existiert mit
Z
|x(t + h) − x(t)|p dt ≤ ²
G
für alle |h| ≤ δ und für alle x ∈ M .
Definition 3.5 Seien X, Y normierte Räume. Ein linearer Operator A : X → Y heißt kompakt, wenn jede beschränkte Menge M ⊂ X in eine relativ kompakte Menge A(M ) abgebildet
wird.
Satz 3.6
(a) Wenn A : X → Y kompakt ist, so ist A beschränkt.
(b) A : X → Y ist genau dann kompakt, wenn die Bildfolge (Axn )n ⊂ Y jeder beschränkten
Folge (xn )n ⊂ X eine konvergente Teilfolge besitzt.
(c) Seien A ∈ L(X, Y ), B ∈ L(Y, Z) und A oder B sei kompakt. Dann ist BA ∈ L(X, Z)
kompakt.
(d) Sei A ∈ L(X, Y ) und A(X) ⊂ Y sei endlich dimensional. Dann ist A kompakt.
Beweis:
(a) Da A kompakt ist und jede relativ kompakte Menge beschränkt ist, so gilt insbesondere, dass A beschränkte Mengen in beschränkte Mengen abbildet. Daher ist das Bild der
Einheitskugel beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit kAxk ≤ c für alle x mit kxk ≤ 1. Sei
1
x ∈ X\{0} beliebig. Dann ist x/kxk ∈ B[0, 1], also kxk
kAxk ≤ c, und dies beweist die
Beschränktheit.
25
(b) ⇒“ Sei (xn )n ⊂ X beschränkt. Dann ist (Axn )n∈N ⊂ Y relativ kompakt. Also besitzt
”
(Axn ) eine konvergente Teilfolge.
⇐“ Sei M ⊂ X beschränkt und (yn ) eine Folge in A(M ), d.h. es gibt xn ∈ M mit
”
Axn = yn . Da die Folge (xn ) ⊂ X beschränkt ist, folgt die Existenz einer konvergenten
Teilfolge von (yn ) = (Axn ) ⊂ Y . Somit ist A(M ) kompakt.
(c) Sei etwa A kompakt und (xn )n∈N ⊂ X beschränkt. Wegen der Kompaktheit existiert eine
Teilfolge (xnj ), so dass Axnj → y ∈ Y für j → ∞. Wir erhalten BAxnj → By, j → ∞,
da B beschränkt - also stetig - ist. Somit besitzt (BAxn ) eine konvergente Teilfolge. Der
Fall, dass B kompakt ist, lässt sich analog zeigen.
(d) Sei M beschränkt. Dann ist A(M ) ⊂ A(X) beschränkt, und nach dem Satz von Bolzano
Weierstraß ist A(M ) kompakt.
2
Lemma 3.7 Die Identität I : X → X ist genau dann kompakt, wenn X endlich dimensional
ist.
Beweis: ⇒“: Wenn I kompakt ist, so folgt, dass I(B(0, 1)) = B(0, 1) relativ kompakt ist. Nach
”
Satz 3.4 ist X endlich dimensional.
⇐“: Dies ist direkt Teil (d) von Satz 3.6.
2
”
Bezeichnung: K(X, Y ) = {A ∈ L(X, Y ) : A kompakt}. Offensichtlich ist K(X, Y ) linearer
Unterraum von L(X, Y ).
Satz 3.8 Sei X normierter Raum, Y Banachraum (!) und (An )n ⊂ K(X, Y ) mit An → A ∈
L(X, Y ), n → ∞. Dann ist A kompakt. Also ist K(X, Y ) abgeschlossener Unterraum von
L(X, Y ).
Beweis: Sei (xn ) ⊂ X beschränkt mit kxn k ≤ M für n ∈ N. Da A1 kompakt ist, gibt es eine
Teilfolge (xn1,k ) ⊂ (xn ) mit A1 xn1,k → y1 ∈ Y , k → ∞. Da A2 kompakt ist, existiert weiterhin
eine Teilfolge
(xn2,k ) ⊂ (xn1,k ) ,
k→∞
mit A2 xn2,k −→ y2 ∈ Y . Sukzessive erhalten wir Teilfolgen
(xnj,k ) ⊂ (xnj−1,k ) ⊂ · · · ⊂ (xn )
mit
Ai xnj,k → yi , k → ∞ ,
für alle j ≥ i.
Definiere nun die Diagonalfolge x̃k = xnk,k für k ∈ N. Wir zeigen, dass (Ax̃k ) eine Cauchyfolge
ist. Zunächst schätzen wir ab:
kAx̃k − Ax̃` k ≤ k(A − Aj )(x̃k − x̃` )k + kAj (x̃k − x̃` )k
≤ kA − Aj k kx̃k − x̃` k + kAj (x̃k − x̃` )k .
ε
Zu ε > 0 wähle j ∈ N, so¡dass kA
¢ − Aj k ≤ 4M ist. Halte dieses j fest. Wegen der Konvergenz
Aj x̃k → yj , k → ∞, ist Aj x̃k k insbesondere eine Cauchy-Folge, und wir können weiter ein
N ∈ N wählen mit
ε
kAj (x̃k − x̃` )k ≤
für k, ` ≥ N .
2
26
gilt. Wir erhalten
ε
ε
2M +
= ε für k, ` ≥ N ,
4M
2
kAx̃k − Ax̃` k ≤
d.h. (Ax̃k ) ⊂ Y ist eine Cauchy-Folge und somit konvergent (beachte, dass Y ein Banachraum
ist!). Also ist A kompakt.
2
d
Satz
und k ∈ C(G × G). Dann ist der Integraloperator
¡ 3.9 Sei G ¢⊂ R ¡ offen und beschränkt
¢
A : C(G), k · k∞ → C(G), k · k∞ , definiert durch
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds , t ∈ G ,
G
kompakt.
Beweis: Es gibt mehrere Möglichkeiten, dies zu beweisen, etwa mit dem Satz von Arcela-Ascoli.
Wir werden A durch endlich dimensionale Operatoren approximieren. Aus Satz 3.6(d) und 3.8
folgt dann Kompaktheit von A.
Zu gegebenem n ∈ N wählen wir endlich viele abgeschlossene Quader Qj , j = 1, . . . , N mit
S
o
o
Durchmessern dj ≤ n1 , so dass G ⊂ N
j=1 Qj und Qj ∩ Qk = ∅ für j 6= k. Definiere Dj = G ∩ Qj
und setze J = {j : Dj 6= ∅}. Wähle weiter zu jedem j ∈ J ein sj ∈ Dj für j = 1, . . . , N und
setze
Z
Z
X
(An x)(t) =
k(t, sj ) x(s) ds =
kn (t, s) x(s) ds
j∈J
Dj
G
für t ∈ G und x ∈ C(G) mit stückweise konstantem Kern kn (t, s) = k(t, sj ) für s ∈ Dj . Es gilt
An x ∈ span {k(·, sj ) : j ∈ J}, d.h. das Bild An (C(G)) ist endlich dimensional. Außerdem folgt
aus
Z
Z
X
|(An x)(t)| ≤
|kn (t, s)| |x(s)| ds ≤ kxk∞
|kn (t, sj )| ds,
(3.1)
j∈J
G
Dj
die Abschätzung
kAn xk∞ ≤ max
t∈G
X
Z
ds kxk∞ ≤ kkk∞ |G| kxk∞ .
|kn (t, sj )|
j∈J
Dj
Also ist An beschränkt. Nach Satz 3.6(d) ist An kompakt. Weiter gilt
Z
|An x(t) − Ax(t)| ≤ kxk∞ |kn (t, s) − k(t, s)| ds
(3.2)
G
= kxk∞
XZ
j∈J D
|k(t, sj ) − k(t, s)| ds .
j
Sei nun ε > 0 vorgegeben. Da k gleichmäßig stetig auf G × G ist, existiert n0 ∈ N, so dass
|k(t, σ) − k(t, s)| ≤ ε
für alle t, s, σ ∈ G mit |σ − s| ≤
1
.
n0
Also folgt mit (3.2) für alle n ≥ n0
|(An x)(t) − (Ax)(t)| ≤ ε |G| kxk∞ ,
d.h. An → A, n → ∞ in der Operatornorm. Mit Satz 3.8 folgt, dass auch A kompakt ist.
27
2
¡
¢
Satz 3.10 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt und k ∈ C {(s, t) ∈ G × G : s 6= t} ein schwach
singulärer Kern, d.h. es existiert α ∈ [0, d) und c >¡0 mit |k(t, s)|¢ ≤ c|t − s|−α für t 6= s. Dann
ist der Integraloperator A mit Kern k kompakt von C(G), k · k∞ in sich.
Beweis: Im Beweis zu 2.14 ist schon eine Folge An von Integraloperatoren mit stetigem Kern
konstruiert worden mit An → A, n → ∞. Nach Satz 3.9 sind die Operatoren An kompakt. Also
ist auch der Grenzwert A kompakt (Satz 3.8).
2
d
Satz 3.11
£ Sei
¢ G ⊂ R offen und beschränkt und k ∈ C(G × G) oder k¡ schwach singulär
¢
d
¡mit α ∈ 0, 2¢ . Dann ist der Integraloperator A mit Kern k kompakt von C(G), k · k2 nach
C(G), k · k∞ .
Beweis: (a) Sei zunächst k ∈ C(G × G). Wir ersetzen die Abschätzung (3.1) im Beweis von
Satz 3.9 durch
Z
Z
X
|(An x)(t)|2 ≤
|kn (t, s)|2 ds kxk22 = kxk22
|kn (t, sj )|2
ds ,
j∈J
G
Dj
wobei wir die Cauchy-Schwarzsche Uneichung benutzt haben. Analog gehen wir in (3.2) vor.
(b) Wir approximieren A wie in 2.14 durch Operatoren mit stetigem Kern. Sei also


t ∈ [0, 1] ,
0 ,
ψ(t) = t − 1 , t ∈ [1, 2] ,


1,
t > 2,
R
und (An x)(t) = G k(t, s) ψ(n|t − s|) x(s) ds. Nach Teil (a) ist An kompakt, der er einen stetigen
Kern besitzt. Weiter gilt
|(An x)(t) − (Ax)(t)|2

2
Z
≤  |k(t − s)| [ψ(n|t − s|) − 1] x(s) ds
G
Z
|k(t, s)|2 |ψ(n|t − s|) − 1|2 ds kxk22
≤
G
Z
|s − t|−2α ds kxk22
≤ c
2
|s−t|≤ n
Z2/n
= c ωd
r−2α rd−1 dr kxk22 = c
0
ωd
d − 2α
µ ¶d−2α
2
kxk22
n
ωd bezeichnet hier den Inhalt der Einheitssphäre. Dies gilt für alle t ∈ G und x ∈ C(G). Also
folgt
s
µ ¶d−2α
2
ωd
−→ 0 , n → ∞,
kAn − Ak ≤
c
d − 2α n
d.h. An → A in der zugehörigen Operatornorm, und nach Satz 3.8 ist A kompakt.
28
2
Bemerkung: Insbesondere folgt, dass
¡
¢
¡
¢
A : C(G), k · k2 → C(G), k · k2
¡
¢
¡
¢
kompakt ist, da die Einbettung“ C(G), k · k2 ,→ C(G), k · k2 beschränkt ist, d.h.
”
p
kxk2 ≤
|G| kxk∞ , x ∈ C(G) .
¡
¢
k · k∞ ist also stärker als k · k2 . Beachte, dass C(G), k.k2 kein Banachraum ist. Der Satz 3.8
kann also nicht direkt angewendet werden.
Nun verwenden wir dieses Resultat um Kompaktheit der Integraloperatoren in L2 (G) zu zeigen.
Lemma 3.12 Seien X, Y normierte Räume, X̃, Ỹ die zugehörigen Vervollständigungen, A ∈
K(X, Y ) und à : X̃ → Ỹ die Fortsetzung von A nach Satz ??. Dann ist auch à : X̃ → Ỹ
kompakt.
Beweis: Ohne Einschränkung fassen wir wieder X, Y als Teilmengen von X̃ bzw. Ỹ auf. Sei
(x̃n ) ⊂ X̃ beschränkt. Zu jedem n existiert xn ∈ X mit kx̃n − xn kX̃ ≤ n1 . Insbesondere ist die
Folge (xn ) beschränkt. Also besitzt (Axn ) ⊂ Y eine konvergente Teilfolge, etwa Axnj → z ∈ Y ,
j → ∞. Es ergibt sich
kÃx̃nj − zk ≤ kÃ(x̃nj − xnj )k + kÃxnj − zk
≤
1
kÃk + kAxnj − zk → 0 ,
nj
j → ∞,
und somit ist auch à kompakt.
2
Damit erhalten wir:
Satz 3.13 Der Integraloperator A : L2 (G) → L2 (G), definiert durch
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds ,
G
£
¢
mit stetigem oder schwach singulärem Kern (wobei α ∈ 0, d2 sein muss) ist kompakt.
3.2
Die Riesztheorie
Wir betrachten nun allgemeine Fredholmgleichungen d.h. lineare Gleichungen
(I − A)x = y
mit kompaktem Operator A.
Im folgenden sei X stets ein normierter Raum und L := I − A mit Identität I : X → X und
linearem, kompaktem Operator A : X → X.
Satz 3.14 (1. Rieszscher Satz)
Der Nullraum
N (L) := {x ∈ X : Lx = 0}
ist endlich dimensional.
29
Beweis: Da L stetig ist, folgt, dass N (L) abgeschlossener Unterraum von X ist. Weiter gilt
A|N (L) = IN (L) , da (I − A)x = 0 für alle x ∈ N (L). Also ist I kompakt auf N (L) und somit
N (L) endlich dimensional nach Lemma 3.7.
2
Für den nächsten Satz brauchen wir ein Ergebnis aus der Approximationstheorie.
Lemma 3.15 Sei X normierter Raum und U ⊂ X endlich dimensionaler Unterraum. Dann
existiert zu x ∈ X eine beste Approximation û ∈ U an x, d.h.
kx − ûk ≤ kx − uk
für alle u ∈ U.
Beweis: Sei ρ = inf kx − uk und (un )n ⊂ U eine Minimalfolge“, d.h. kx − un k → ρ, n → ∞.
”
u∈U
(Dies folgt aus der Definition vom Infimum.) Da kun k ≤ kxk + kx − un k beschränkt ist, existiert
eine konvergente Teilfolge
unk → û ∈ U .
Also ist ρ ≤ kx − ûk ≤ kx − un k + kun − ûk → ρ, n → ∞, d.h. kx − ûk = ρ.
2
Bemerkung: û ist im Allgemeinen nicht eindeutig. Sei etwa X = (R2 , | · |∞ ), x = (0, 1)> und
U = R × {0}. Dann sind alle Punkte û = (t, 0) mit t ∈ [−1, 1] optimal.
Satz 3.16 (2. Rieszscher Satz)
Das Bild L(X) = {Lx ∈ X : x ∈ X} ⊂ X ist ein abgeschlossener Unterraum.
Beweis: Offensichtlich ist L(X) ⊂ X ein Unterraum vom X. Sei y ∈ L(X), d.h. es gibt eine Folge
(xn )n ∈ X mit xn − Axn = Lxn → y für n → ∞. Sei nun un ∈ N (L) eine beste Approximation
an xn in N (L) (existiert nach Satz 3.14 und Satz 3.15), d.h.
kxn − un k ≤ kxn − uk für alle u ∈ N (L) .
Wir zeigen gleich, dass (xn −un )n ⊂ X beschränkt ist. Denn dann existiert zu (A(xn −un ))n ⊂ X
eine konvergente Teilfolge (da A kompakt ist!) etwa
A(xnj − unj ) −→ z ∈ X ,
j → ∞.
Und weiter gilt
(xnj − unj ) − A(xnj − unj ) = Lxnj −→ y ,
|
{z
}
j → ∞.
→z
Also konvergiert (xnj − unj ) → y + z =: x ∈ X, j → ∞, und wir erhalten x − Ax = y, d.h.
y ∈ L(X).
Es bleibt also zu zeigen, dass xn − un beschränkt ist. Angenommen dies gilt nicht. Dann existiert
eine Teilfolge mit kxnj − unj k → ∞, j → ∞. Setze
vj =
Dann ist kvj k = 1 und Lvj =
1
kxnj −unj k
xnj − unj
.
kxnj − unj k
Lxnj −→ 0, j → ∞, d.h.
| {z }
→y
Lvj = vj − Avj −→ 0 ,
30
j → ∞.
(3.3)
Da A kompakt ist, existiert eine konvergente Teilfolge von (Avj )j . Sei also (Avjk )k konvergent.
Somit konvergiert auch (vjk ) (siehe Gleichung (3.3)). Setze nun v = lim vjk . Dann gilt kvk = 1
k→∞
und v − Av = 0, d.h. v ∈ N (L). Weiter ist aber
kvj − vk =
kxnj
°
°
1
°xn − un − kxn − un kv °
j
j
j
j
− unj k
|
{z
}
∈N (L)
≥
kxnj − unj k
= 1
kxnj − unj k
(da unj beste Approximation!)
im Widerspruch zu vjk → v für k → ∞.
2
Satz 3.17 (3. Rieszscher Satz)
Zu L = I − A existiert eine eindeutig bestimmte Zahl r ∈ N (Rieszsche Zahl) mit
{0} = N (L0 ) $ N (L) $ N (L2 ) $ · · · $ N (Lr ) = N (Lr+1 ) = · · ·
und
X = L0 (X) % L(X) % L2 (X) % · · · % Lr (X) = Lr+1 (X) = · · ·
Außerdem ist
X = N (Lr ) ⊕ Lr (X) .
Beweis: Wir zeigen
(i) Ln hat die Form Ln = I − An mit kompaktem Operator An .
(ii) Die Kette der Nullräume bricht bei einem (kleinsten) r ∈ N ab.
(iii) Die Kette der Bildräume bricht bei einem (kleinsten) s ∈ N ab.
(iv) r = s.
(v) Zu x ∈ X existiert u ∈ N (Lr ) und v ∈ Lr (X) mit x = u + v und es gilt N (Lr ) ∩ Lr (X) =
{0}.
zu i) Induktion nach n: Der Fall n = 1 ist offensichtlich. Weiter gilt Ln+1 = (I − A)Ln =
(I − A)(I − An ) = I − (A + An − AAn ).
|
{z
}
=:An+1 kompakt
Also sind die ersten beiden Rieszschen Sätze anwendbar, d.h. N (Ln ) ist endlich dimensional und
Ln (X) ist abgeschlossen.
zu ii) Offensichtlich ist N (Ln ) ⊂ N (Ln+1 ) für alle n ∈ N0 . Wir nehmen an, dass die Inklusionskette nicht abbricht, d.h. das überall die strikte Inklusion vorliegt. Da N (Ln ) abgeschlossener
Unterraum des normierten Raums N (Ln+1 ) ist (nach Satz 3.14) sogar endlich dimensionaler)
können wir das Lemma 3.3 von Riesz anwenden. Also existiert xn ∈ N (Ln+1 ) mit kxn k = 1 und
kxn − uk ≥
1
2
für alle u ∈ N (Ln ) .
Die Folge (xn ) ist beschränkt. Für m < n gilt
Axn − Axm = xn − (xm + Lxn − Lxm ) .
|
{z
}
=:z∈X
31
Also ist
Ln z = Ln xm + Ln+1 xn − Ln+1 xm
= Ln−m−1 Lm+1 xm + Ln+1 xn − Ln−m Lm+1 xm = 0 ,
| {z }
| {z }
| {z }
=0
=0
=0
und es folgt z ∈ N (Ln ). Somit gilt kAxn − Axm k = kxn − zk ≥ 12 nach der Definition von xn .
Dies gilt für alle m < n. Damit besitzt (Axn )n keine konvergente Teilfolge, obwohl kxn k = 1
beschränkt ist, im Widerspruch zur Kompaktheit von A.
Also bricht die Kette ab. Setze r = min{n ∈ N : N (Ln ) = N (Ln+1 )}. Wir haben zu zeigen,
dass es dann bei der Gleichheit bleibt. Sei n > r und x ∈ N (Ln ). Dann ist Lr+1 (Ln−r−1 x) = 0,
also Ln−r−1 x ∈ N (Lr+1 ) = N (Lr ). Also ist Ln−1 x = 0, und wir haben die Gleichheit N (Ln ) =
N (Ln−1 ) gezeigt für jedes n > r.
zu iii) Offensichtlich gilt stets Ln+1 (X) ⊂ Ln (X).
Annahme: Alle Inklusionen sind strikt. Nach dem 2. Rieszschen Satz (3.15) ist Ln+1 (X) ein
echter abgeschlossener Unterraum von Ln (X). Somit existiert xn ∈ Ln (X) mit kxn k = 1 und
kxn − uk ≥
1
2
für alle u ∈ Ln+1 (X) .
Für n < m gilt wieder
Axn − Axm = xn − (xm + Lxn − Lxm ) ,
|
{z
}
=z
wobei z ∈
Ln+1 (X)
ist. Also folgt
kAxn − Axm k = kxn − zk ≥
1
2
für alle m > n ,
und die Folge (Axn )m kann keine konvergente Teilfolge besitzen. Dies ist wiederum ein Widerspruch zur Kompaktheit von A.
Setze nun s = min{n ∈ N : Ln (X) = Ln+1 (X)} < ∞. Für n > s haben wir die Gleichheit
Ln (X) = Ln+1 (X) zu zeigen und dafür nur die Inklusion ⊂“. Sei y = Ln x ∈ Ln (X). Wegen
”
Ls (X) = Ls+1 (X) gibt es z mit Ls x = Ls+1 z. Daher ist y = Ln−s (Ls x) = Ln−s (Ls+1 z) =
Ln+1 z ∈ Ln+1 (X).
zu iv) Wir konstruieren einen Widerspruch aus den Annahmen r > s oder r < s.
Angenommen es gelte r > s. Wir zeigen N (Lr ) ⊂ N (Lr−1 ), und das wäre ein Widerspruch zur
Minimalität von r. Sei also x ∈ N (Lr ). Dann ist Lr−1 x ∈ Lr−1 (X) = Lr (X) (da s < r), d.h. es
existiert z ∈ X mit Lr z = Lr−1 x. Wir erhalten Lr+1 z = Lr x = 0, d.h. z ∈ N (Lr+1 ) = N (Lr ).
Also ist Lr−1 x = Lr z = 0, d.h. x ∈ N (Lr−1 ). Dies impliziert N (Lr ) = N (Lr−1 ), ein Widerspruch
dazu, dass r minimal ist.
Nun nehmen wir an, dass s > r ist. Analog zeigen wir Ls−1 (X) ⊂ Ls (X), was ein Widerspruch
zur Minimalität von s wäre. Sei y = Ls−1 x ∈ Ls−1 (X). Dann ist Ly = Ls x ∈ Ls (X) = Ls+1 (X).
Also existiert z ∈ X mit Ly = Ls+1 z, und wir erhalten Ls (x − Lz) = 0, d.h. x − Lz ∈ N (Ls ) =
N (Ls−1 ) (da s > r). Also ist Ls−1 (x − Lz) = 0 und daher y = Ls−1 x = Ls z ∈ Ls (X). Damit ist
Ls−1 (X) ⊂ Ls (X) im Widerspruch zur Minimalität von s.
zu v) (a) Sei y ∈ Lr (X) ∩ N (Lr ). Dann gibt es ein x ∈ X mit y = Lr x und Lr y = L2r x = 0.
Also ist x ∈ N (L2r ) = N (Lr ) und somit y = Lr x = 0, d.h. N (Lr ) ∩ Lr (X) = {0}.
(b) Sei x ∈ X. Dann ist Lr x ∈ Lr (X) = L2r (X), d.h. es gibt ein x̃ ∈ X mit Lr x = L2r x̃. Mit
der Definition z = Lr x̃ folgt die Zerlegung x = (x − z) + z mit den Eigenschaften z ∈ Lr (X)
sowie Lr (x − z) = Lr x − L2r x̃ = 0, d.h. x − z ∈ N (Lr ).
2
32
Satz 3.18 Sei X normierter Raum, A : X → X kompakter, linear Operator und I −A : X → X
injektiv oder surjektiv. Dann ist (I − A) bijektiv, und (I − A)−1 ist beschränkt. Also ist mit dem
Operator I − A ein Normisomorphismus“gegeben.
”
Beweis: Sei L = I − A injektiv. Aus Satz 3.17 folgt N (L1 ) = {0} = N (L0 ). Also ist r = 0 und
damit X = L(X), d.h. L ist surjektiv. Genauso folgt aus der Surjektivität, dass X = L0 (X) =
L(X), d.h. ebenfalls r = 0 und daher die Injektivität.
Es bleibt noch zu zeigen, dass (I − A)−1 beschränkt ist. Dazu nehmen wir an, dass (I − A)−1
nicht beschränkt ist. Dann gibt es eine Folge (yn )n ⊂ X mit kyn k = 1 und kL−1 yn k → ∞ für
n → ∞. Setze xn = L−1 yn und zn = kxxnn k . Dann gilt kzn k = 1 und
(I − A)zn = Lzn =
yn
−→ 0 ,
kxn k
n → ∞.
Da A kompakt ist, existiert eine konvergente Teilfolge von (Azn ). Aus der Zerlegung znj =
(I − A)znj + Aznj und der Konvergenz von (I − A)znj = Lznj (gegen 0) und (Aznj ) folgt
Konvergenz von (znj ), d.h. znj → z, j → ∞ für ein z ∈ X mit kzk = 1 sowie z − Az = 0. Wir
erhalten einen Widerspruch zur Injektivität von I − A.
2
Folgerung 3.19 Sei G ⊂ Rd kompakt, k stetiger oder schwach singulärer Kern und die Integralgleichung
Z
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = 0 , t ∈ G ,
G
besitze nur die triviale Lösung x = 0. Dann ist die Fredholmsche Integralgleichung 2. Art
Z
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ G ,
G
(a) für jedes y ∈ C(G) eindeutig lösbar in C(G),
(b) für jedes y ∈ L2 (G) eindeutig lösbar in L2 (G), wenn im Falle eines schwach singulären
Kerns α ∈ [0, d2 ) vorausgesetzt ist.
Beweis: Dies folgt direkt aus Satz 3.18 und Satz 3.11 mit X = C(G) bzw. X = L2 (G) und dem
Integraloperator A : X → X mit Kern k.
2
Bemerkung: (a) Der Satz 3.18 bleibt richtig für Operatoren L der Form L = T − A : X → X,
−1
wenn T beschränkt invertierbar und A kompakt ist, denn L = T − A = T (I − T
| {z A} ) .
kompakt
(b) Die Aussage, dass die Inverse von I − A beschränkt ist, liefert für die Lösungen x, x̃ der
Integralgleichungen zu y, ỹ die Abschätzung
kx − x̃k∞ = k(I − A)−1 (y − ỹ)k∞ ≤ k(I − A)−1 k ky − ỹk∞ .
Dies bedeutet, dass die Lösung der Integralgleichung stabil“ gegenüber kleinen“ Störungen
”
”
der rechten Seite ist. Dies bed eutet, dass x stetig von y abhängt“.
”
33
3.3
Die Fredholmtheorie
Ziel: Wir wollen den Fall, dass (I −A)x = 0 nichttriviale Lösungen besitzt, genauer untersuchen.
Beispiel 3.20 Als einführendes Beispiel betrachten wir das lineare Gleichungssystem Lx = y
mit L ∈ Rm×n und fragen uns, für welche y ∈ Rm dieses Gleichungssystem lösbar ist. Mit
dem Dimensionssatz zeigen wir: Lx = y ist genau dann lösbar, wenn y senkrecht auf dem Kern
N (L> ) von L> steht. Dies bedeutet, dass die folgende Gleichheit gilt:
¡
¢⊥
L(Rn ) = N (L> ) .
Die Inklusion ⊂“ ist einfach: Sei y = Lx ∈ L(X) und z ∈ N (L> ). Dann ist y > z = (Lx)> z =
”
x> (L> z) = 0, und dies beweist die Inklusion.
Wir betrachten jetzt die Dimension:
¡
¢⊥
£
¤
dim N (L> )
= m − dim N (L> ) = m − m−dim L> (Rm ) = dim L> (Rm ) = dim L(Rn ) ,
da die Ränge von L und L> gleich sind. Also ist die Dimension des Unterraums L(Rn ) gleich
¡
¢⊥
der Dimension des ihn enthaltenden Raums N (L> ) . Daher müssen beide Räume gleich sein.
Um allgemein eine solche Charakterisierung zu erzielen, braucht man ofenbar so etwas wie
ein Skalarprodukt.
Definition 3.21 Seien X, Y lineare Räume über K = R oder K = C.
(a) Eine Abbildung h·, ·i : X × Y → K heißt Bilinearform, wenn gilt:
hα1 x1 + α2 x2 , yi = α1 hx1 , yi + α2 hx2 , yi
und
hx, α1 y1 + α2 y2 i = α1 hx, y1 i + α2 hx, y2 i
für α1 , α2 ∈ K, x, x1 , x2 ∈ X, y, y1 , y2 ∈ Y .
Wir sprechen von einer Sesquilinearform, wenn in der zweiten Gleichung anstelle von α1 , α2
die konjugiert komplexen Faktoren α1 , α2 auftreten. Ein Unterschied besteht nur bei Räumen über
C. Das Skalarprodukt ist die wichtigste Sesquilinearform. Wir beschränken uns im folgenden auf
Bilinearformen, auch wenn für Räume über C. Die folgenden Betrachtungen gelten aber völlig
analog auch für Sesquilinearformen.
(b) Eine Bilinearform heißt nicht entartet, wenn sowohl zu jedem x ∈ X \ {0} ein y ∈ Y
existiert mit hx, yi 6= 0 als auch zu jedem y ∈ Y \ {0} ein x ∈ X existiert mit hx, yi 6= 0, d.h. die
Abbildungen hx, ·i bzw. h·, yi sind keine Nullabbildungen.
(c) Ein Tripel (X, Y, h·, ·i) heißt Dualsystem, wenn h·, ·i eine nicht entartete Bilinearform auf
X × Y ist.
Beispiel 3.22 (a) Sei X ein Prä-Hilbertraum“ (d.h. auch euklidischer Vektorraum). Dann
”
ist stets ein Dualsystem (X, X, h·, ·i ) durch das Skalarprodukt gegeben, d.h. eine Bilinearform
h·, ·i : X × X → R mit den Eigenschaften
i)
hx + y, zi = hx, zi + hy, zi
ii)
hαx, yi = αhx, yi
iii)
hx, yi = hy, xi
iv)
hx, xi ≥ 0 ∀x ∈ X
v)
hx, xi = 0 impliziert x = 0
34
(additiv)
(homogen)
(symmetrisch)
(positiv)
(definit)
(Ein vollständiger Prä-Hilbertraum heißt Hilbertraum, das werden wir später noch benutzen.)
Die Definitheit impliziert, dass das Skalarprodukt nicht entartet ist.
(b) Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt. Sei X = Y = C(G, K) der Raum der K−wertigen stetigen
Funktionen mit der nicht entarteten Bilinearform
Z
x(s) y(s) ds .
hx, yi =
G
Dies ist ein Dualsystem. Im Fall K = C ist h·, ·i nicht das Skalarprodukt!
(c) Sei X normierter Raum über K und Y = X ∗ = L(X, K) sein Dualraum und hx, f i = f (x) die
kanonische Dualitätsabbildung“. Dann ist (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit einer Bilinearform.
”
Zu zeigen bleibt, dass diese Bilinearform nicht entartet ist.
• Sei f ∈ X ∗ mit f 6= 0. Das bedeutet genau, dass es x ∈ X gibt mit f (x) 6= 0.
• Sei x ∈ X mit x 6= 0. Nach einem Satz von Hahn-Banach gibt es ein Funktional f ∈ X ∗
mit f (x) = kxk. Also ist f (x) 6= 0.
Definition 3.23 Seien (X1 , Y1 ) und (X2 , Y2 ) zwei Dualsysteme. Zwei Operatoren T ∈ L(X1 , X2 )
und S ∈ L(Y2 , Y1 ) heißen dual oder adjungierte Operatoren zueinander, wenn für alle
x ∈ X1 , y ∈ Y2 gilt
hT x, yi2 = hx, Syi1 .
Lemma 3.24 Zu einem Operator T ∈ L(X1 , X2 ) existiert höchstens ein adjungierter Operator
S ∈ L(Y2 , Y1 ).
Beweis: Seien S1 , S2 : Y2 → Y1 beide adjungiert zu T . Dann ist
hx, (S1 − S2 )yi = hT x − T x, yi = 0 für alle x ∈ X1 und y ∈ Y2 .
Also gilt (S1 − S2 )y = 0 für alle y ∈ Y2 . Da die Bilinearform nicht entartet ist, folgt S1 − S2 = 0.
2
Bemerkung:
– Wir bezeichnen den adjungierten Operator zu T – wenn er existiert – mit T ∗ . Weiter gilt
dann (T ∗ )∗ = T .
– Mit dem Rieszschen Darstellungssatz lässt sich in reellen Hilberträumen zeigen, das stets
ein adjungierter Operator bzgl. des Skalarprodukts existiert.
Beispiel 3.25 (a) Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k stetig oder schwach singulär und
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds , t ∈ G , x ∈ C(G) .
G
In Bezug auf das Dualsystem (C(G), C(G), h·, ·i) mit
Z
hx, yi =
x(s) y(s) ds
G
35
ist der adjungierte Operator A∗ durch
Z
∗
(A y)(t) =
k(s, t) y(s) ds ,
t ∈ G , y ∈ C(G) ,
G
gegeben (Vertauschung der Integrationsreihenfolge).
(b) Sei A : C[0, 1] → C[0, 1] durch (Ax)(t) = x(0) definiert ( Punktauswertung“). Dann ist A
”
R1
kompakt, besitzt aber keinen adjungierten Operator bzgl. hx, yi = x(s) y(s) ds.
0
Denn wäre S ∈ L(C[0, 1], C[0, 1]) adjungiert zu A, so würde gelten
Z1
Z1
x(0) y(t) dt =
Z1
(Ax)(t) y(t) dt =
0
x(t) (Sy)(t) dt
0
für alle x, y ∈ C[0, 1] .
0
Wir halten y fest, setzen z = Sy und wählen x(t) = t z(t). Dann erhalten wir wegen x(0) = 0
R1
die Gleichung t z(t)2 dt = 0, also z = 0. Dies gilt für alle y. Daher ist S die Nullabbildung.
0
Dies kann aber nicht sein.
2
Lemma 3.26 Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem und {x1 , . . . , xn } ⊂ X linear unabhängig. Dann
existieren {y1 , . . . , yn } ⊂ Y mit der Eigenschaft
hxi , yj i = δij ,
i, j = 1, . . . , n .
Beweis: Wir benutzen vollständige Induktion nach n:
n = 1: Da h·, ·i nicht entartet ist, existiert zu x1 ∈ X \ {0} ein y1 mit hx1 , y1 i = 1.
n à n + 1: Sei die Behauptung für alle n-elementigen Teilmengen von X richtig und sei
{x1 , . . . , xn+1 } ⊂ X linear unabhängig. Zu festem m ∈ {1, . . . , n + 1} betrachte die
n-elementige Teilmenge {x1 , . . . , xn+1 } \ {xm }. Nach Induktionsvoraussetzung existiert
(m)
yj ∈ Y , j = 1, . . . , n + 1, j 6= m, mit
­
(m) ®
xi , yj
= δij
für i, j ∈ {1, . . . , n + 1} \ {m}.
Da {x1 , . . . , xn+1 } linear unabhängig ist, gilt
xm −
n+1
X
­
(m) ®
xm , yk
xk 6= 0 .
k=1
k6=m
Also gibt es ein zm ∈ Y mit
αm :=
n+1
D
E
X
(m)
xm −
hxm , yk ixk , zm 6= 0 .
k=1
k6=m
Setze nun

ym =

1 
zm −
αm 
n+1
X
(m) 
hxk , zm i yk 
 ∈ Y.
k=1
k6=m
36
Es folgt

n+1
E
D
X
1 
(m) 
hxm , zm i − xm ,

hx
,
z
i
y
m
k
k

αm 

hxm , ym i =
k=1
k6=m
=
1
αm
*
xm −
n+1
X
+
(m)
hxm , yk i xk , zm
= 1,
k=1
k6=m
und für j 6= m:

hxj , ym i =

n+1
X
1 
(m) 
hxk , zm i −
hxk , zm i hxk , yk i
= 0.

αm
| {z } 
k=1
k6=m
= δjk
Also gilt für die so konstruierte Menge {y1 , . . . , yn+1 } die behauptete Beziehung hxi , yj i =
δij für alle i, j = 1, . . . , n + 1.
2
Bemerkung: Die Aussage im Lemma ist symmetrisch, d.h. zu linear unabhängigen {y1 , . . . , yn } ⊂
Y existiert eine entsprechende n-elementige Menge {x1 , . . . , xn } ⊂ X.
Satz 3.27 (1. Fredholm’scher Satz)
Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem, X, Y normierte Räume und A : X → X, A∗ : Y → Y lineare,
kompakte, zueinander adjungierte Operatoren. Dann haben die Nullräume N (I − A) und N (I −
A∗ ) dieselbe endliche Dimension.
Beweis: Nach dem 1. Riesz’schen Satz sind die Nullräume endlich dimensional. Setze
m = dim N (I − A)
und n = dim N (I − A∗ ) .
Wegen der Symmetrie reicht es, m ≥ n zu zeigen. Wir führen einen Widerspruchsbeweis und
nehmen m < n an.
1. Fall m = 0: Dann ist n > 0, und wir können eine Basis Sei {y1∗ , . . . , yn∗ } ⊂ N (I − A∗ )
wählen sowie eine dazu duale Vektoren“ {x∗1 , . . . , x∗n } ⊂ X nach Lemma 3.26 (genauer: nach
”
der diesem Lemma folgenden Bemerkung). Da m = 0 ist, ist I − A invertierbar (Satz 3.18). Also
existiert zu x∗1 ein x ∈ X mit (I − A)x = x∗1 , und es gilt
1 = hx∗1 , y1∗ i = h(I − A)x, y1∗ i = hx, (I − A∗ )y1∗ i = 0 .
Aus diesem Widerspruch folgt, dass auch n = 0 sein muss.
2. Fall m > 0: (Beachte: I − A ist nun nicht invertierbar.) Sei {x1 , . . . , xm } ⊂ N (I − A) eine
Basis und wiederum {y1∗ , . . . , yn∗ } ⊂ N (I − A∗ ) Basis. Nach Lemma 3.26 existieren zugehörige
duale Vektoren“ {y1 , . . . , ym } ⊂ Y und {x∗1 , . . . , x∗n } mit
”
hxi , yj i = δij ,
i, j = 1, . . . , m und hx∗i , yj∗ i = δij ,
37
i, j = 1, . . . , n.
Definiere den linearen Projektionsoperator P : X → N (Lr ) ⊂ X zur Zerlegung X = N (Lr ) ⊕
Lr (X) mit Rieszscher Zahl r zu L = I − A (3. Rieszscher Satz). Dann ist P kompakt (siehe
Übung). Weiter sei T : X → X durch
m
X
Tx =
hx, yi i x∗i ,
x∈X,
i=1
gegeben. Es folgt T (X) ⊂ span {x∗1 , . . . , x∗m }, d.h die Einschränkung T |N (Lr ) von T auf N (Lr )
ist ein linearer Operator von einem endlich dimensionalen Raum in einen endlich dimensionalen
Raum. Lineare Operatoren zwischen endlich dimensionalen Räumen sind immer beschränkt (!),
also ist T P : X → span {x∗1 , . . . , x∗m } ⊂ X kompakt.
Wir zeigen nun, dass I − A + T P : X → X bijektiv ist.
Wegen der Rieszschen Theorie genügt es, die Injektivität zu beweisen: Sei x ∈ X mit (I − A +
T P )x = 0. Dann ist
(I − A)x = −T P x .
(3.4)
Also ist
0 = hx, (I − A∗ )yj∗ i = h(I − A)x, yj∗ i = −hT P x, yj∗ i = −
m
X
hP x, yi i hx∗i , yj∗ i = −hP x, yj i .
i=1
Damit gilt
TPx =
m
X
i=1
und aus (3.4) ergibt sich x ∈ N (I − A) ⊂
Px = x =
hP x, yi ix∗i = 0 ,
| {z }
= 0
N (Lr ).
m
X
Es folgt
αi xi
für αi ∈ R
i=1
und
0 = hP x, yj i =
m
X
αi hxi , yj i = αj
für j = 1, . . . , m .
i=1
Also ist x = 0 und somit I − A + T P invertierbar.
Insbesondere muss zu x∗m+1 ein x ∈ X existieren mit (I − A + T P )x = x∗m+1 . Es folgt wieder
der Widerspruch
∗
∗
∗
∗
1 = hx∗m+1 , ym+1
i = h(I − A + T P )x, ym+1
i = h(I − A)x, ym+1
i = hx, (I − A∗ )ym+1
i = 0,
∗
i = 0.
da T P x ∈ span{x∗1 , . . . , x∗m } ist, also hT P x, ym+1
Also erhalten wir n = m .
2
Satz 3.28 (2. Fredholmscher Satz)
Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit normierten Räumen X, Y und A ∈ L(X, X), A∗ ∈ L(Y, Y )
seien kompakt und zueinander adjungiert. Dann gilt
(I − A)(X) =
¡
¢⊥
©
ª
N (I − A∗ )
= x ∈ X : hx, yi = 0 ∀y ∈ N (I − A∗ )
(I − A∗ )(Y ) =
¡
¢⊥
©
ª
N (I − A)
= y ∈ Y : hx, yi = 0 ∀x ∈ N (I − A) .
und
38
Beweis: Wegen der Symmetrie genügt es, die erste Identität zu zeigen.
⊂“ Sei z ∈ (I − A)(X), d.h. z = (I − A)x für ein x ∈ X. Sei ferner y ∈ N (I − A∗ ). Dann ist
”
hz, yi = h(I − A)x, yi = hx, (I − A∗ )yi = 0 .
¡
¢⊥
Also ist z ∈ N (I − A∗ ) .
¡
¢⊥
⊇“ Sei z ∈ X mit z ∈ N (I − A∗ ) . Nach dem 1. Fredholmschen Satz gilt m = dim(I − A) =
”
dim N (I − A∗ ).
1. Fall: m = 0. Dann ist I − A injektiv, also mit der Riesztheorie beschränkt invertierbar.
Somit gibt es ein x ∈ X mit z = (I − A)x und daher z ∈ (I − A)(X).
2. Fall: m > 0. Seien T, P die in Beweis zu Satz 3.27 definierten Operatoren. Dann gilt wie
im letzten Beweis, dass I −A+T P bijektiv ist. Also existiert x ∈ X mit (I −A+T P )x = z.
Es bleibt zu zeigen, dass T P x = 0 ist. Es gilt
0 = hz, yj∗ i = h(I − A + T P )x, yj∗ i
m
X
=
hP x, yi i hx∗i , yj∗ i + h(I − A)x, yj∗ i
| {z }
i=1
= δij
= hP x, yj i + hx, (I − A∗ )yj∗ i = hP x, yj i für j = 1, . . . , m .
| {z }
= 0
Also folgt T P x =
m
P
hP x, yi ix∗i = 0.
2
i=1
Folgerung 3.29 (Die Fredholmsche Alternative)
Sei (X, Y, h·, ·i) ein Dualsystem mit normierten Räumen X, Y und A ∈ L(X, X) und A∗ ∈
L(Y, Y ) zueinander adjungierte kompakte Operatoren. Dann gilt genau eine der folgenden Alternativen (A) oder (B):
(A) Die Gleichungen
x − Ax = u
und
y − A∗ y = v
(3.5)
besitzen für jede rechte Seite u ∈ X bzw. v ∈ Y genau eine Lösung x ∈ X bzw. y ∈ Y .
(B) Die Lösungsmengen der homogenen Gleichungen
x − Ax = 0
und
y − A∗ y = 0
haben die gleiche endliche Dimension. Die inhomogenen Gleichungen (3.5) besitzen genau
für solche rechten Seiten u ∈ X bzw. v ∈ Y eine Lösung, für die gilt:
hu, yi = 0 für alle y ∈ N (I − A∗ )
bzw.
hx, vi = 0 für alle x ∈ N (I − A) .
39
Bemerkung: Im Spezialfall des kanonischen Dualsystems, d.h. X normierter Raum, Y = X ∗ =
L(X, R) Dualraum und Bilinearform
hx, f i = f (x) für x ∈ X ,
f ∈ X∗ ,
beinhaltet die allgemeine Fredholmtheorie die sogenannte Schaudertheorie, die z.B. bei partiellen Differentialgleichungen Existenzaussagen liefert. Die Fredholmschen Resultate zu linearen
Integralgleichungen (z.B. im Raum der stetigen Funktionen) sind aber durch die Schaudertheorie
nicht erreichbar.
Wir formulieren die Fredholmsche Alternative nun für Integralgleichungen.
Satz 3.30 Sei G ⊂ Rα offen und beschränkt, k ein stetiger oder schwach singulärer Kern. Dann
gilt genau einer der beiden folgenden Fälle:
(A) Die Integralgleichungen
Z
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t)
Z
und
x̃(t) −
G
k(s, t) x̃(s) ds = ỹ(t)
(3.6)
G
besitzen je für y ∈ C(G) bzw. ỹ ∈ C(G) eine eindeutige Lösung x ∈ C(G) bzw. x̃ ∈ C(G).
(B) Die homogenen Integralgleichungen
Z
x(t) −
k(t, s) x(s) ds = 0
(3.7)
k(s, t) x(s) ds = 0
(3.8)
G
Z
x̃(t) −
G
besitzen dieselbe endliche Anzahl an stetigen linear unabhängigen Lösungen, und die inhomogenen Integralgleichungen (3.6) sind genau dann lösbar, wenn für y ∈ C(G) die
Gleichung
Z
y(t) ψ(t) dt = 0
G
für alle ψ gilt, die die homogene Integralgleichung (3.8) lösen, und wenn für ỹ ∈ C(G)
Z
ỹ(t) φ dt = 0
G
ist für alle φ, die die homogene Integralgleichung (3.7) lösen.
Beispiel 3.31 (Sturmsches Randwertproblem)
In Beispiel 1.3 und einer Aufgabe hatten wir gesehen, dass das Randwertproblem
x00 (t) − q(t)x(t) = f (t) ,
x(0) = x(1) = 0 ,
(3.9)
mit q, f ∈ C[0, 1] äquivalent zur Fredholmschen Integralgleichung
Z1
x(t) −
Z1
q(s) k(t, s) x(s) ds =
0
k(t, s) f (s) ds ,
0
40
t ∈ [0, 1] ,
(3.10)
mit
(
(t − 1) s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 ,
k(t, s) =
(s − 1) t , 0 ≤ t < s ≤ 1 ,
ist. Für q = 0 folgt insbesondere, dass die Funktion
Z1
x(t) =
k(t, s) f (s) ds ,
t ∈ [0, 1] ,
0
die (eindeutig bestimmte) Lösung ist von x00 = f in [0, 1] und x(0) = x(1) = 0.
1. Behauptung: Sei q ≥ 0 auf [0, 1]. Dann besitzt die Integralgleichung (3.10) und damit das
Randwertproblem für jedes f ∈ C[0, 1] genau eine Lösung in C[0, 1].
Beweis: Da die Integralgleichung eine Fredholmgleichung ist, genügt es, die Eindeutigkeit“ zu
”
zeigen. Sei also x ∈ C[0, 1] Lösung der homogenen Integralgleichung
Z1
x(t) −
k(t, s) q(s) x(s) ds = 0 .
0
Dann ist x ∈ C 2 [0, 1] und löst das Randwertproblem
x00 (t) − q(t)x(t) = 0 ,
x(0) = x(1) = 0 .
Multiplikation der Differentialgleichung mit x(t) und Integration liefert
Z1
£ 00
¤
x (t) x(t) − q(t) x(t)2 dt = 0 .
0
Mit partieller Integration erhalten wir
Z1
−
£
¤
x0 (t)2 + q(t) x(t)2 dt = 0
0
wegen der Randbedingung x(0 = x(1) = 0. Also ist das Integral Null. Da der Integrand nichtnegativ ist (da q ≥ 0 ist), muss er verschwinden, d.h. x0 (t)2 + q(t) x(t)2 auf [0, 1] und daher
insbesondere x0 (t) = 0 auf [0, 1]. Also ist x konstant, und aus x(0) = x(1) = 0 folgt x(t) = 0 für
t ∈ [0, 1]. Also besitzt die homogene Integralgleichung nur die triviale Lösung. Damit ist (I − A)
injektiv und nach der Fredholmschen Alternative (Riesztheorie genügt!) beschränkt invertierbar.
Wir haben damit gezeigt, dass das Randwertproblem eindeutig lösbar ist und die Lösung stetig
von f ∈ C[0, 1] abhängt.
Bemerkung: Am Beispiel des Randwertproblems x00 + π 2 x = 0 in [0, 1], x(0) = x(1) = 0, das
durch x(t) = sin(πt) gelöst wird, erkennen wir, dass man ohne die Vorzeichenbedingung an q
i.A. keine Eindeutigkeit erhält.
2. Behauptung: Sei jetzt q ∈ C[0, 1] beliebig. Wir wenden jetzt Rauf die Integralgleichung (3.10)
1
im Dualsystem X = Y = C[0, 1] mit der Bilinearform hx, yi = 0 x(t)y(t) dt die Fredholmsche
Alternative an und zeigen: Das Randwertproblem ist genau für die f ∈ C[0, 1] lösbar, die die
Bedingung
Z1
f (t) z(t) dt = 0
0
41
erfüllen für alle Lösungen z ∈ C[0, 1] des homogenen Randwertproblems
z 00 − qz = 0 ,
z(0) = z(1) = 0 .
(3.11)
Beweis: Wir haben die Frage der Existenz von Lösungen von (3.10) zu untersuchen. Der Kern
der Integralgleichung ist gegeben durch k̃(t, s) = q(s) k(t, s). Daher hat der adjungierte Integraloperator den Kern k̃(s, t) = q(t) k(s, t). Der Lösungsraum der homogenen Gleichung w−A∗ w = 0
besteht also aus den Lösungen der Gleichung (da k(s, t) = k(t, s))
Z1
w(t) − q(t)
k(t, s) w(s) ds = 0 .
(3.12)
0
Sei zuerst f senkrecht auf den Lösungen z von (3.11). Wir haben zu zeigen, dass die rechte Seite
von (3.10) senkrecht steht auf den Lösungen w von (3.12). Sei also w eine Lösung von (3.12)
und setze
Z1
z(t) =
k(t, s) w(s) ds , t ∈ [0, 1] .
0
Dann ist w = q z, und z ist die eindeutig bestimmte Lösung von z 00 = w,Rz(0) = z(1) = 0. Also
1
löst z das Problem z 00 − qz = 0 in [0, 1] und z(0) = z(1) = 0. Daher ist 0 z(t)f (t) dt = 0 und
daher nach Einsetzen von z:


Z1 Z1
Z1 Z1
 k(t, s) f (t) dt w(s) ds ,
0 =
k(t, s) w(s) f (t) ds dt =
0
0
0
0
was zu zeigen war.
Sei umgekehrt das Randwertproblem (3.9) lösbar und z Lösung von (3.11). Wir können wieder
über die Integralgleichungen gehen oder aber einfacher mit partieller Integration schließen:
Z1
Z1
f (t) z(t) dt =
0
3.4
£ 00
¤
x (t) − q(t) x(t) z(t) dt =
0
Z1
£
¤
x(t) z 00 (t) − q(t) z(t) dt = 0 .
0
Spektraltheorie kompakter Operatoren
Ziel dieses Abschnitts ist, eine genauere Charakterisierung des Bildraums eines kompakten Operators herzuleiten. Dazu ist der Begriff des Eigenwerts entscheidend.
Definition 3.32 (Eigenwert, Spektrum)
Sei X normierter Raum über K = R oder C, A ∈ L(X, X). Die Menge
ρ(A) = {λ ∈ K : λI − A
beschränkt invertierbar}
heißt Resolventenmenge. Das Komplement
σ(A) = K \ ρ(A)
heißt das Spektrum von A und die Zahl
r(A) = sup{|λ| : λ ∈ σ(A)}
ist der Spektralradius. Die Werte λ ∈ σ(A), für die λI − A nicht injektiv ist, heißen Eigenwerte, die Unterräume N (λI − A) Eigenräume, und Elemente u ∈ N (λI − A) sind die
zugehörigen Eigenelemente (Eigenvektoren oder Eigenfunktionen).
42
Bemerkung: Beachte, dass für Matrizen A ∈ Rn×n (d.h. X endlich dimensional) das Spektrum
und die Menge der Eigenwerte identisch sind. Dies ist in beliebigen normierten Räumen im
allgemeinen nicht mehr richtig.
Satz 3.33 Sei X normierter Raum2 mit dim X = ∞ und A : X → X ein kompakter, linearer
Operator. Dann gilt:
(a) 0 ∈ σ(A) und σ(A) \ {0} besteht aus höchstens abzählbar vielen Eigenwerten.
(b) Die Eigenwerte können sich nur in 0 häufen.
(c) Die Dimension von Eigenräumen zu Eigenwerten λ 6= 0 ist endlich und wird als die Vielfachheit von λ bezeichnet.
Beweis: Angenommen 0 ∈ ρ(A). Dann ist A beschränkt invertierbar. Aber dann ist I = AA−1
kompakt im Widerspruch zur unendlichen Dimension von X. Also ist 0 ∈ σ(A).
Sei nun λ 6= 0.
1. Fall: λI − A injektiv. Mit der Riesztheorie ist λI − A beschränkt invertierbar, d.h. λ ∈ ρ(A).
2. Fall: L = λI − A ist nicht injektiv, d.h. λ ∈ σ(A). Weiter folgt aus dem 1. Rieszschen Satz,
dass der Eigenraum N (λI − A) endlich dimensional ist.
Alle weiteren Aussagen zeigen wir nun, indem wir beweisen, dass zu jedem R > 0 höchstens
endlich viele Eigenwerte λ ∈ R mit |λ| > R existieren. Angenommen es existiert eine Folge (λn )
mit λn 6= λm für n 6= m und λn ≥ R. Seien xn zugehörige Eigenvektoren. Wir zeigen induktiv:
Behauptung: {x1 , . . . , xN } sind linear unabhängig für jedes N ∈ N.
Induktionsanfang, N = 2: Angenommen x1 = αx2 . Dann gilt λ1 α x2 = λ1 x1 = Ax1 =
αAx2 = αλ2 x2 , d.h. (λ1 − λ2 )αx2 = 0. Also ist α = 0 im Widerspruch zu x1 6= 0. Somit sind
x1 , x2 linear unabhängig.
n
P
Induktionsschritt: Sei o.B.d.A. xn+1 =
αj xj . Dann gilt
j=1
λn+1
n
X
αj xj = λn+1 xn+1 = Axn+1 =
j=1
bzw.
n
X
αj λj xj
j=1
n
X
(λn+1 − λj ) αj xj = 0 .
j=1
Es folgt αj = 0 im Widerspruch zur Annahme.
Daher sind die Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten linear unabhängig. Setze nun
Un = span {x1 , . . . , xn }. Es gilt Un−1 $ Un . Nach dem Lemma von Riesz existiert somit zn ∈ Un
mit kzn k = 1 und
1
kzn − xk ≥
für alle x ∈ Un−1 .
2
n
P
Sei zn =
ρj xj . Dann ist
j=1
(λn I − A)zn =
n−1
X
(λn − λj ) ρj xj ∈ Un−1 .
j=1
2
Wir beschränken uns wieder auf reelle Räume. Die Aussagen gelten aber auch für normierte Räume über C.
43
Für m < n folgt
Azn − Azm = λn zn − (λn zn − Azn + Azm ) .
|
{z
}
=: v ∈ Un−1
Also ist
°
°
°
°
1
R
1
°
kAzn − Azm k = |λn | °
°zn − λn v ° ≥ 2 |λn | ≥ 2 ,
und daher besitzt (Azn ) keine konvergente Teilfolge im Widerspruch zur Kompaktheit von A. 2
Erinnerung: Ein normierter Raum X mit einem Skalarprodukt h·, ·i : X × X → R heißt PräHilbertraum. Wir fassen ab jetzt Prä-Hilberträume zusammen mit ihrem Skalarprodukt als
Dualsysteme (X, h·, ·i) auf.
Das in der Vorlesung wichtigste Beispiel ist der Prä-Hilbertraum X = C(G)
der stetigen reellR
wertigen Funktionen auf G mit dem Skalarprodukt hx, yi = hx, yiL2 = x(t) y(t) dt. In einem
G
Prä-Hilberraum gilt stets die Cauchy Schwarzschen Ungleichung (Beweis siehe Beispiel 2.2)
¯
¯
¯hx, yi¯ ≤ kxk kyk für alle x, y ∈ X .
Definition 3.34 Sei X Prä-Hilbertraum. A ∈ L(X, X) heißt selbstadjungiert, wenn der adjungierte Operator A∗ zu A existiert und A∗ = A ist, d.h. wenn gilt
hAx, yi = hx, Ayi
für alle x, y ∈ X .
Beispiel: Der lineare Integraloperator A mit
Z
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds ,
t ∈ G,
G
und symmetrischem Kern, d.h. k(t, s) = k(s, t) für t, s ∈ G, ist selbstadjungiert bzgl. h·, ·iL2 .
Dies sieht man durch Vertauschung der Integrationsreihenfolge.
Satz 3.35 Sei X Prä-Hilbertraum, A : X → X kompakter, selbstadjungierter, linearer Operator. Dann gilt:
(i) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal, d.h. hx, yi = 0 für x Eigenvektor zum Eigenwert λ und y Eigenvektor zum Eigenwert µ mit λ 6= µ.
(ii) kAk oder −kAk ist Eigenwert.
(iii) Der Spektralradius ist gegeben durch
r(A) = max{|λ| : λ EW zu A} = max
x6=0
Bemerkung:
hAx,xi
kxk2
|hAx, xi|
= kAk
kxk2
heißt Rayleigh-Quotient.
Beweis: i) Sei x Eigenvektor zum Eigenwert λ und y Eigenvektor zum Eigenwert µ. Aus
λ hx, yi = hAx, yi = hx, Ayi = µ hx, yi
folgt (λ − µ) hx, yi = 0.
Für verschiedene reele Eigenwerte λ 6= µ ergibt sich hx, yi = 0.
44
Zu ii) und iii): Setze
ρ = sup
x6=0
|hAx, xi|
= sup |hAx, xi| .
kxk2
kxk=1
Dann gilt mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung:
ρ ≤ sup
x6=0
kAxk kxk
kAxk
= sup
= kAk .
2
kxk
x6=0 kxk
Weiter folgt für beliebiges x ∈ X und δ > 0, wenn man x̃ = δx sowie ỹ = 1δ Ax setzt,:
4kAxk2 = 2 hAx̃, ỹi + 2 hỹ, Ax̃i = 2 hAx̃, ỹi + 2 hAỹ, x̃i
= hA(x̃ + ỹ), x̃ + ỹi − hA(x̃ − ỹ), x̃ − ỹi
¯
¯
®
®
≤ ¯hA(x̃ + ỹ), x̃ + ỹ | + ¯hA(x̃ − ỹ), x̃ − ỹ |
¡
¢
≤ ρ kx̃ + ỹk2 + kx̃ − ỹk2
¡
¢
= 2 ρ kx̃k2 + kỹk2
(Parallelogrammgleichung)
Sei jetzt x mit Ax 6= 0 und ähle speziell δ 2 =
kAxk
kxk .
Dann lautet die letzte Ungleichung:
kAxk2 ≤ ρ kxk kAxk ,
bzw. kAxk ≤ ρ kxk, und diese gilt auch für die x mit Ax = 0. Also ist kAk ≤ ρ. Zusammen
erhalten wir ρ = kAk.
Sei λmax Eigenwert mit |λmax | = r(A) (nach Satz 3.33 existiert λmax ) und xmax zugehöriger
Eigenvektor. Es folgt
|hAxmax , xmax i|
r(A) = |λmax | =
≤ ρ.
kxmax k2
Es bleibt noch zu zeigen, dass das Supremum ρ angenommen wird und dass ρ ≤ r(A) gilt.
Sei
¡ dazu (x
¢ n ) ⊂ X eine Folge mit kxn k = 1 und |hAxn , xn i| → ρ, n → ∞. Da die Folge
hAxn , xn i beschränkt ist, existiert eine Teilfolge xnj mit
hAxnj , xnj i −→ σρ ,
j → ∞,
mit σ ∈ {−1, +1} .
Es folgt
kAxnj − σρ xnj k2 = kAxnj k2 + ρ2 − 2σρ hAxnj , xnj i
j→∞
≤ kAk2 + ρ2 − 2σρhAxnj , xnj i −→ 0 .
Da A kompakt ist, gibt es weiterhin zu (Axnj ) eine konvergente Teilfolge Axn` → x̃ ∈ X, ` → ∞.
Also gilt
σρ xn` −→ x̃ ∈ X , ` → ∞ ,
und hieraus kx̃k = ρ > 0, bzw.
xn` −→
1
x̃ := x 6= 0 ,
σρ
und wir erhalten Ax − σρx = 0. Somit ist x ∈ X Eigenvektor zum Eigenwert σρ mit kxk = 1,
und es gilt |hAx, xi| = ρ ≤ r(A). Damit ist der Beweis schließlich beendet.
2
Definition 3.36 Ein vollständiger Prä-Hilbertraum heißt Hilbertraum.
45
Beispiele:
a) Rn mit hx, yi =
n
P
i=1
xi yi
b) L2 (G) mit hx, yiL2 =
R
ist ein Hilbertraum.
x(t) y(t) dt ist ein Hilbertraum.
G
c) Der Sobolevraum
X = H 1 (a, b) =
©
ª
Rt
x ∈ L2 (a, b) : ∃α ∈ C und x0 ∈ L2 (a, b) mit x(t) = α + x0 (s) ds f.ü.
a
ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt
hx, yiH 1 = (x, y)2 + (x0 , y 0 )2 .
x0 heißt verallgemeinerte Ableitung von x.
Definition 3.37 und Lemma: Sei X Prä-Hilbertraum und M ⊂ X. Der abgeschlossene Unterraum
©
ª
M ⊥ := x ∈ X : hx, vi = 0 ∀v ∈ M ⊂ X
heißt orthogonales Komplement von M .
Es gilt M ⊂ (M ⊥ )⊥ , und aus M1 ⊂ M2 folgt M2⊥ ⊂ M1⊥ .
Beweis: (i) M ⊥ ist offensichtlich ein Unterraum.
(ii) M ⊥ ist abgeschlossen, da hx, yi stetig in x ist (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung).
(iii) x ∈ M impliziert hx, vi = 0 für alle v ∈ M ⊥ . Also ist M ⊂ (M ⊥ )⊥ .
(iv) Sei x ∈ M2⊥ . Dann gilt hx, vi = 0 für alle v ∈ M2 . Es folgt hx, vi = 0 für alle v ∈ M1 , d.h.
x ∈ M1⊥ .
2
Satz 3.38 (Projektionssatz): Sei U ⊂ X abgeschlossener Unterraum eines Hilbertraums X.
Dann gilt
X = U ⊕ U⊥ ,
d.h. jedes Element x ∈ X lässt sich eindeutig zerlegen in
x = û + v̂
mit û ∈ U , v̂ ∈ U ⊥ .
û heißt orthogonale Projektion von x auf U . Das Element û ∈ U ist die eindeutig bestimmte
beste Approximation an x, d.h.
kx − ûk ≤ kx − uk
für alle u ∈ U .
Bemerkung: Die Abbildung P : X → U mit P x = û definiert einen Projektionsoperator, d.h.
P2 = P.
Beweis: (i) U ∩ U ⊥ = {0}, da h·, ·i definit ist.
(ii) Sei x ∈ X beliebig. Wir zeigen zunächst die Existenz einer besten Approximation in U , dass
es ein û ∈ U gibt mit kx − ûk = β := inf kx − uk.
u∈U
46
Sei (un ) ⊂ U eine Minimalfolge“, d.h. kx − un k → β, n → ∞. Aus der Parallelogrammgleichung
”
folgt
¡
¢
2 kx − un k2 + kx − um k2 = k(x − un ) + (x − um )k2 + k(x − un ) − (x − um )k2
°
°2
°
°
1
2
°
= 4 °x − (un + um )°
° + kun − um k ,
2
und weiter
2
kun − um k
°
°2
°
°
¡
¢
1
2
2
°
= 2 kx − un k + kx − um k − 4 °x − (un + um )°
°
2
¡
¢
≤ 2 kx − un k2 + kx − um k2 − 4 β 2 −→ 0 ,
für n, m → ∞, d.h. (un ) ⊂ U ist eine Cauchy-Folge. Also konvergiert un → û ∈ U und wir
erhalten kx − ûk = β.
(iii) Zu zeigen ist schließlich noch (x − û) ∈ U ⊥ . Für u ∈ U gilt
kx − uk2 − kx − ûk2 = hx, xi − hx, ui − hu, xi + hu, ui
− hx, xi + hx, ûi + hû, xi − hû, ûi
= ku − ûk2 + hx, û − ui + hû − u, xi
+ hu, ûi + hû, ui − 2 hû, ûi ,
also
0 ≤ kx − uk2 − kx − ûk2 = ku − ûk2 + 2 hx − û, û − ui .
(3.13)
Sei nun v ∈ U beliebig und setze u = û ± εv ∈ U , ε > 0. Dann folgt aus der Abschätzung (3.13)
nach Division durch ε
ε kvk2 ∓ 2 hx − û, vi ≥ 0
für alle ε > 0. Also ist hx − û, vi = 0, d.h. x − û ∈ U ⊥ .
(iv) Zu zeigen bleibt noch die Eindeutigkeit von û.
Sei ũ ∈ U eine weitere beste Approximation, d.h. kx − ũk = β. Mit (3.13) erhalten wir
∈U
2
2
0 = kx − ũk − kx − ûk
z }| {
= kũ − ûk + 2 hx − û, û − ũi .
|
{z
}
2
=0
Also ist ũ = û.
2
Satz 3.39 (Spektralsatz für kompakte, selbstadjungierte Operatoren in Hilberträumen)
Sei X Hilbertraum, A : X → X linear, kompakt und selbstadjungiert mit A 6= 0. Dann gilt:
i) Es gibt mindestens einen und höchstens abzählbar unendlich viele Eigenwerte von A.
ii) Die Eigenräume zu Eigenwerten λ 6= 0 sind endlich dimensional und orthogonal zueinander.
iii) N (A) steht senkrecht auf allen Eigenräumen zu Eigenwerten λ 6= 0.
iv) Die Eigenwerte besitzen höchstens den Wert λ = 0 als Häufungspunkt.
47
v) Seien die λj 6= 0 geordnet gemäß |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, wobei die Eigenwerte entsprechend
ihrer Vielfachheit aufgelistet sind, und xn zugehörige orthonormierte Eigenvektoren sind.
Dann gibt es zu jedem x ∈ X genau ein x0 ∈ N (A) mit
x = x0 +
∞
X
hx, xn i xn
und
Ax =
n=1
∞
X
λn hx, xn i xn ,
n=1
wobei x0 die orthogonale Projektion von x auf N (A) ist.
Bemerkungen:
a) Die Reihen in v) sind endliche Summen, wenn es nur endlich viele Eigenwerte gibt.
b) Die Konvergenz der Reihen ist bzgl. der Hilbertraumraumnorm in X zu verstehen.
c) Ist A injektiv, so gilt X = span {x1 , x2 , . . .} (d.h. ein vollständiges Orthonormalsystem,
siehe unten). Insbesondere existieren unendlich viele Eigenwerte, wenn X unendlichdimensional ist.
d) Definiert man für λ ∈ R den abgeschlossenen Unterraum Eλ = N (λI − A) und bezeichnet
man mit Pλ : X → Eλ die orthogonale Projektion auf den Eigenraum, so ist für λ ∈
σ(A) \ {0}:
X
hx, xj i xj
Pλ x =
j:λj =λ
der Projektor von X auf Eλ . Die Aussage v) lässt sich schreiben als
X
X
X
Pλ x und Ax =
λj Pλj x =
x = P0 x +
Pλj x =
j
j
λ∈σ(A)
X
λ Pλ x .
λ∈σ(A)
Ähnlichen Aussagen lassen sich auch bei selbstadjungierten, aber nicht kompakten (sogar
unbeschränkten) Operatoren machen, wie sie in der Quantenmechanik auftauchen.
Beweis: i) – iv) folgen aus Satz 3.33 und Satz 3.35.
Es seien {x1 , . . . , xN } orthonormierte Eigenelemente zu den Eigenwerten λj . Betrachte yN =
N
P
x−
hx, xn i xn . Dann gilt
n=1
kyN k2 =
D
x−
N
N
E
X
X
hx, xk ixk , x −
hx, xk ixk
k=1
k=1
= hx, xi − 2
N
X
k=1
= kxk2 −
N
X
N X
N
X
|hx, xk i| +
hx, xk i hx, xj i hxk , xj i
| {z }
k=1 j=1
=δkj
|hx, xk i|2 .
k=1
Wir nehmen jetzt an, dass es unendliche viele Eigenwerte gibt. Dann erhalten wir aus der letzten
Abschätzung kyN k ≤ kxk für N ∈ N und die Besselsche Ungleichung
∞
X
|hx, xk i|2 ≤ kxk2 .
k=1
48
µ
∞
P
Insbesondere konvergiert die Reihe
für N > M durch, so erhält man
n=1
|hx, xn
kyN − yM k
2
i|2
¶
. Führt man die Argumentation für yN − yM
N
X
≤
|hx, xn i|2
n=M +1
und die rechte Seite konvergiert gegen Null für N, M → ∞. Daher ist (yN )N eine Cauchy-Folge
in X und daher konvergent, yN → x0 ∈ X, und es gilt
x = x0 +
∞
X
hx, xk i xk .
k=1
Gibt es nur endlich viele Eigenwerte, so gilt dies Gleichung analog für x0 = yN .
Es bleibt noch zu zeigen, dass Ax0 = 0 gilt und dass x0 die orthogonale Projektion von x auf
N (A) ist. Setze Un = {x1 , . . . , xn }⊥ und An = A|Un . Nach Definition ist yn ∈ Un , denn
hyn , xj i = hx, xj i −
n
X
hx, xk i hxk , xj i = 0 ,
| {z }
k=1
j = 1, . . . , n .
δkj
Weiter bildet An den Raum Un in sich ab, denn
hAx, xj i = hx, Axj i = λj hx, xj i = 0 ,
j = 1, . . . , n ,
für x ∈ Un . Also können wir An auffassen als kompakten selbstadjungierten Operator von Un in
sich. Die Eigenwerte von An sind offenbar λj , j ≥ n + 1. Nach Satz 3.35 gilt:
kAn k = r(An ) = |λn+1 | → 0 ,
n → ∞,
(wenn es unendlich viele Eigenwerte gibt). Also folgt
kAyn k = kAn yn k ≤ kAn k kyn k ≤ |λn+1 | kxk → 0 ,
n → ∞.
Aus der Stetigkeit von A folgt dann Ax0 = lim Ayn = 0.
n→∞
Schließlich erhalten wir für y ∈ N (A)
hx − x0 , yi = lim
n→∞
N
DX
E
hx, xn ixn , y
n=1
= lim
n→∞
N
X
hx, xn i hxn , yi = 0 .
| {z }
n=1
=0
2
Wir wenden diesen Satz jetzt auf Integraloperatoren n.
Satz 3.40 (Spektralsatz für Integraloperatoren)
Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k 6= 0 stetiger oder schwach singulärer Kern mit α <
k sei symmetrisch, d.h. k(t, s) = k(s, t). Dann gilt
d
2
und
(i) Es gibt endlich oder abzählbar unendlich viele Eigenwerte λj . Für die zugehörigen Eigenfunktionen xj , d.h. Lösungen xj ∈ L2 (G) zu
Z
λj xj (t) −
k(t, s) xj (s) ds = 0 , t ∈ G ,
G
gilt
hxi , xj iL2 = 0
für λi 6= λj ,
und sogar xj ∈ C(G) für die Eigenfunktionen mit λj 6= 0.
49
(ii) λ 6= 0 ist entweder einer der Eigenwerte λj oder die Integralgleichung
Z
λ x(t) −
k(t, s) x(s) ds = y(t) , t ∈ G ,
G
besitzt für jedes y ∈ L2 (G) genau eine Lösung x ∈ L2 (G).
(iii) Es seien die Eigenwerte λ 6= 0 gemäß ihrer Vielfachheit aufgeführt und durchnummeriert,
|λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, mit zugehörigen, orthonormalen Eigenfunktionen xj . Dann gilt
für x ∈ L2 (G) und der entsprechenden orthogonalen Projektion x0 ∈ N (A) ⊂ L2 (G) die
Darstellung
∞
X
x = x0 +
hx, xn iL2 xn
n=1
(Konvergenz im L2 -Sinne!) und
Ax =
∞
X
λn hx, xn iL2 xn ,
n=1
wobei die letzte Reihe sogar gleichmäßig konvergiert.
Der Beweis folgt direkt aus dem Spektralsatz, wobei die Regularität xj ∈ C(G) schon in
Beispiel 2.19 gezeigt wurde. Es bleibt dann nur noch die P
gleichmäßige Konvergenz der Reihe
für Ax zu zeigen. Definiere dazu die Partialsumme zN = N
n=1 hx, xn iL2 xn . Dann konvergiert
kx − zN kL2 gegen Null, und es ist wegen Axn = λn xn :
°
°
N
°
°
X
°
°
λn hx, xn iL2 xn ° = kAx − AzN k∞ ≤ kAkL2 →C kx − zN kL2 ,
°Ax −
°
°
n=1
∞
¢
¡
da der Operator nach Beispiel 2.19 beschränkt ist von L2 (G) nach C(G), k · k∞ .
2
Satz 3.41 Sei G ⊂ Rd offen und beschränkt, k 6= 0 stetiger oder schwach singulärer Kern mit
α < d2 und k sei wieder symmetrisch. Es seien die Eigenwerte λ 6= 0 gemäß ihrer Vielfachheit aufgeführt und durchnummeriert, |λ1 | ≥ |λ2 | ≥ . . . > 0, mit zugehörigen, orthonormalen
Eigenfunktionen xj . Dann besitzt der Kern k die Entwicklung (Eigenentwicklung des Kerns)
k(t, s) =
∞
X
λn xn (t) xn (s) ,
n=1
wobei die Konvergenz der Reihe zu verstehen ist im Sinne
¯2
Z ¯¯
N
¯
X
¯
¯
λn xn (t) xn (s)¯ dt → 0 ,
max ¯k(t, s) −
¯
¯
s∈G
G
N → ∞.
n=1
Beweis: Sei s ∈ G fest. Dann ist k(·, s) ∈ L2 (G) (weshalb?). Also gilt die Fourierentwicklung
(Spektralsatz 3.39)
∞
X
­
®
s
k(·, s) = x0 +
k(·, s), xn L2 xn
n=1
50
in L2 (G). Wir berechnen
­
®
k(·, s), xn L2 =
Z
Z
k(t, s) xn (t) dt =
G
k(s, t) xn (t) dt = λn xn (s) ,
(3.14)
G
und wir erhalten für jedes s ∈ G die Identität
xs0
k(·, s) =
+
∞
X
λn xn (s) xn .
n=1
Weiter gilt
kxs0 k2
=
kxs0 k2
+
∞
X
=0
z }| {
­
®
λn xn (s) hxn , xs0 i = k(·, s), xs0 L2
n=1
Z
Z
k(t, s) xs0 (t) dt
=
k(s, t) xs0 (t) dt = (Axs0 )(s) = 0 .
=
G
G
Also folgt
°
°2
N
°
°
X
°
°
ρN (s) := °k(·, s) −
λn xn (s) xn °
°
° 2
n=1
L
¯2
Z ¯¯
N
¯
X
¯
¯
=
λn xn (s) xn (t)¯ dt → 0 ,
¯k(t, s) −
¯
¯
n → ∞,
n=1
G
punktweise für alle s ∈ G. Weiter gilt mit (3.14)
ρN (s) = kk(·, s)k22 +
= kk(·, s)k22 −
N
X
n=1
N
X
λ2n |xn (s)|2 +
N
X
λ2n |xn (s)|2 − 2
n=1
N
X
λ2n |xn (s)|2
n=1
λ2n |xn (s)|2 .
(3.15)
n=1
Also ist ρn (s) monoton fallend für jedes s ∈ G. Der Satz von Dini (kennen Sie den?) impliziert
gleichmäßige Konvergenz ρN → 0, N → ∞. Insbesondere folgt kρN k∞ → 0 für N → ∞.
2
Bemerkung:
(a) Wenn in Satz 3.41 k ∈ C(G×G) symmetrisch ist und alle Eigenwerte des Integraloperators
nicht negativ sind (d.h. A ist positiv“im funktionalanalytischen Sinn dass hx, Axi ≥ 0 für
”
alle x ∈ X), so gilt die Eigenentwicklung des Kerns sogar gleichmäßig in s, t ∈ G (Satz
von Mercer, siehe Literatur).
(b) Unter den Voraussetzungen des Satzes gilt
Z Z
|k(t, s)|2 dt ds =
∞
X
n=1
G G
(Man integriere die Gleichung (3.15).)
51
λ2n .
Eigenfunktionen eines injektiven, kompakten, selbstadjungierten Operator bilden das wichtigste
Beispiel eines vollständigen Orthonormalsystems.
Definition 3.42 Ein Hilbertraum X heißt separabel, wenn es eine abzählbare, dichte Teilmenge M ⊂ X gibt.
Beispiele: Die Hilberträume Cn und L2 (G) sind separabel. Wähle etwa M als die Menge der
Vektoren mit rationalen Koeffizienten bzw. die Polynome mit rationalen Koeffizienten.
Definition 3.43 Eine abzählbare Menge von Elementen M = {x1 , x2 , . . .} ⊂ X eines Hilbertraums heißt Orthonormalsystem (ONS), wenn
hxk , xj i = δkj
und
kxj k = 1
für alle j, k ∈ N .
M heißt vollständig, wenn M maximal ist, d.h. ist M̃ ein weiteres ONS und M ⊂ M̃ , so
muss M = M̃ sein.
Bemerkung:
• Mit dem Zornschen Lemma lässt sich zeigen, dass jeder separable Hilbertraum ein vollständiges ONS besitzt (siehe Literatur).
• Zur Erinnerung: Mit dem Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahren lässt sich ein
abzählbares System linear unabhängiger Vektoren in ein ONS überführen.
Satz 3.44 (Abstrakte Fourierentwicklung)
Sei X ein separabler Hilbertraum und {x1 , x2 , . . .} ein ONS. Dann gilt
a) Jede endliche Teilmenge {xi1 , . . . , xin }, n ∈ N, ist linear unabhängig.
b) Es gilt die Besselsche Ungleichung (einschließlich der Konvergenz)
∞
X
|hx, xn i|2 ≤ kxk2
für alle x ∈ X .
n=1
hx, xk i heißen die Fourierkoeffizienten von x bzgl. des ONS.
c) Äquivalent sind folgende Aussagen:
i) Das ONS ist vollständig.
ii) span {x1 , x2 , . . .} ⊂ X ist dicht in X.
iii) Für jedes x ∈ X gilt die Fourierentwicklung
x =
∞
X
hx, xn i xn ,
n=1
wobei die Konvergenz der Reihe im Sinne der Konvergenz der Partialsummen im
Hilbertraum X zu verstehen ist.
iv) Für jedes x ∈ X gilt die Parzevalsche Gleichung
∞
X
|hx, xn i|2 = kxk2 .
n=1
52
Beweis:
n
P
a) Sei
αj xij = 0. Multiplikation mit xik liefert für jedes k = 1, . . . , n:
j=1
0 =
n
X
j=1
αj hxij , xik i = αk .
| {z }
= δjk
b) Sei n ∈ N und αj ∈ C für j ∈ N. Dann gilt
°2
°


°
°
n
n
n
X
X
X
°
°
2
°x −
αj xj °
αj αk hxj , xk i − 2 
αj hx, xj i
° = kxk +
°
| {z }
°
°
j=1
j=1
j,k=1
= δjk
2
= kxk +
n
X
n
X
£
¤
2
2
|αj | − 2 αj hx, xj i + |hx, xj i| −
|hx, xj i|2
j=1
= kxk2 −
n
X
j=1
|hx, xj i|2 +
n
X
|αj − hx, xj i|2 .
(3.16)
°
°2
°
°
n
X
°
°
°
= °
x
−
α
hx,
α
ix
j
j j° .
°
°
°
j=1
(3.17)
j=1
j=1
Mit αj = hx, xj i folgt
kxk2 −
n
X
|hx, xj i|2
j=1
Dies impliziert
n
P
j=1
|hx, xj i|2 ≤ kxk2 für beliebiges n ∈ N. Also ist die Reihe konvergent,
und es gilt die Besselsche Ungleichung.
c) Sei U = span {x1 , x2 , . . .}. Die Ausage ii) bedeutet genau U = X. Nach dem Projektionssatz 3.38 gilt zunächst X = U ⊕ U ⊥ .
i) ⇒ ii)“: Angenommen U 6= X. Dann gibt es ein x ∈ U ⊥ mit kxk = 1 im Widerspruch
”
dazu, dass {x1 , x2 , . . .} maximales ONS ist, denn dann ist {x, x1 , x2 , . . .} ebenfalls ein ONS.
ii) ⇒ i) “: Sei {x, x1 , x2 , . . .} ein ONS, das {x1 , x2 , . . .} enthält. Dann gilt x ⊥ span{x1 , x2 , . . .},
”
d.h. x ∈ U ⊥ . Also ist U ⊥ 6= {0} bzw. U 6= X, ein Wiederspruch zu ii).
iii) ⇒ ii) “: Wenn die Fourierentwicklung für jedes x ∈ X gilt, ist span {x1 , x2 , . . .}
”
offensichtlich dicht in X, denn jedes x ∈ X kann ja (durch Abschneiden der Fourierreihe)
beliebig gut duch Elemente in span {x1 , x2 , . . .} approximiert werden.
ii) ⇒ iii) “: Sei span {x1 , x2 , . . .} = X und x ∈ X beliebig. Wegen ii) existiert zu jedem
”
ε > 0 ein N ∈ N und Zahlen αj ∈ C, j = 1, . . . , N , mit
°
°
°
°
N
X
°
°
° ≤ ε.
°x −
α
x
j
j
°
°
°
°
j=1
Aus (3.16) und (3.17) folgt insbesondere
°2
°
°2
°
°
°
°
°
N
n
X
X
°
°
°
°
2
°
°x −
αj xj °
hx, xj ixj °
° ≤ ε
° ≤ °x −
°
°
°
°
°
j=1
j=1
53
für n ≥ N (setze αj = 0 für j > N ). Also konvergiert die Fourierreihe.
iii) ⇔ iv)“: Aus (3.17) ergibt sich
”
°
°2
°
°
∞
∞
X
X
°
°
2
°x −
°
hx, xj ixj ° = kxk −
|hx, xj i|2
°
°
°
j=1
j=1
d.h. die Äquivalenz zwischen Fourierentwicklung (iii) und der Parzevalschen Gleichung
(iv).
2
Beispiel 3.45 (klassische Fourierentwicklung)
(i) Die Legendrepolynome
r
dk
Pk (t) = γk k (1 − t2 )k
dt
mit γk =
2k + 1 1
,
2 k! 2k
k = 0, 1, 2, . . . ,
bilden ein vollständiges ONS in L2 (−1, 1). Dies ergibt sich aus dem Weierstraßscher Approximationssatz, der Dichtheit von C([−1, 1]) in L2 (−1, 1) und dem Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren für die Monome fk (t) = tk .
(ii) Das folgende Beispiel ist sehr wichtig, gehört aber genau genommen nicht hierher, weil es
einen komplexen Hilbertraum betrifft. Sei xk (t) = √12π eikt , k ∈ Z. Dann bildet
{. . . , x−1 , x0 , x1 , x2 , . . .} ein vollständiges ONS in L2 (0, 2π) der komplexwertigen Funktionen. Dies folgt aus dem Weierstraßscher Approximationssatz für trigonometrische Polynome und der Dichtheit von {x ∈ C([0, 2π]) : x 2π − periodisch} ⊂ L2 (0, 2π). Die
Fourierentwicklung (iv) lautet:
x(t) =
∞
X
ikt
αk e
mit αk
k=−∞
1
=
2π
Z2π
x(s) e−iks ds ,
0
wobei die Reihe im L2 -Sinn konvergiert, d.h.
¯2
Z2π ¯¯
N
¯
X
¯
¯
αk eikt ¯ dt −→ 0 ,
¯x(t) −
¯
¯
0
für M, N → ∞ .
k=−M
Natürlich kann man auch die reelle Fourierentwicklung nehmen, man setze x0 (t) =
und x2j (t) =
√1
π
sin(jt) sowie x2j−1 (t) =
√1
π
√1
2π
cos(jt) für j ≥ 1.
Fazit:
• Der Spektralsatz besagt, dass jeder kompakte, selbstadjungierte Integraloperator A eine
Zerlegung der Form
L2 (G) = N (A) ⊕ span {x1 , x2 , . . .} = N (A) ⊕ A(X)
besitzt, wobei x1 , x2 , . . . die Eigenvektoren von A sind. Insbesondere lässt sich stets aus
den Eigenvektoren eines injektiven selbstadjungierten Integraloperators ein vollständiges
ONS des L2 (G) bilden.
54
• Der Abschluss des Bildraums A(X) eines kompakten selbstadjungierten Operators A in
einem Hilbertraum X ist stets separabel.
• Für den Bildraum eines selbstadjungierten, kompakten Integraloperators A £: L2¤(G) →
L2 (G) mit symmetrischen und stetigem oder schwach singulärem Kern (α ∈ 0, d2 ) und
den zugehörigen orthonormierten Eigenfunktionen xn ∈ C(G) ergibt sich folgende notwendige Bedingung: Jedes y ∈ A(L2 (G)) besitzt die Entwicklung
y(t) =
∞
X
hy, xn iL2 xn (t)
n=1
(gleichmäßige Konvergenz). Dies ergibt sich aus der Existenz von x ∈ L2 (G) mit y = Ax
und Satz 3.40; denn es ist
y = Ax =
∞
X
λn hx, xn iL2 xn =
n=1
∞
X
hx, Axn iL2 xn =
n=1
∞
X
hAx, xn iL2 xn =
n=1
∞
X
hy, xn iL2 xn .
n=1
Beispiel 3.46 (Sturm-Liouvillesches Eigenwertproblem)
Seien q, r ∈ C[0, 1] mit r(t) > 0, q(t) ≥ 0 für alle t ∈ [0, 1]. Dann lässt sich dazu folgendes
Eigenwertproblem formulieren: Bestimme λ ∈ C und eine Lösung x ∈ C 2 [0, 1] mit x 6= 0 von
x00 (t) − q(t) x(t) = −λ r(t) x(t) in [0, 1] und x(0) = x(1) = 0 .
(EW-P)
Bemerkung: q = 0, r = 1 ist das klassische Modell der schwingenden Saite“ mit den bekannten
”
Eigenwerten λn = n2 π 2 , n ∈ N und Eigenfunktionen xn (t) = sin(nπt).
Aus Beispiel 1.3 und einer Aufgabe wissen wir, dass das Randwertproblem (EW-P) äquivalent
ist zu der Integralgleichung
Z1
x(t) −
Z1
k(t, s) q(s) x(s) ds = −λ
0
mit dem Kern
k(t, s) r(s) x(s) ds ,
t ∈ [0, 1] ,
0
(
(t − 1)s , 0 ≤ s ≤ t ≤ 1 ,
k(t, s) =
(s − 1)t , 0 ≤ t < s ≤ 1 .
Setze Aq x = A(qx) mit dem Integraloperator
Z1
(Ax)(t) =
k(t, s) x(s) ds ,
t ∈ [0, 1] .
0
Dann hat die Integralgleichung die Form x−Aq x = −λ A(rx). Die Operatoren A, Aq : L2 (0, 1) →
L2 (0, 1) sind kompakt nach Satz 3.13. Wir zeigen, dass I − Aq : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) beschränkt
invertierbar ist. Wegen des 3. Rieszschen Satzes müssen wir nur die Injektivität zeigen. Sei also
x ∈ L2 (0, 1) mit x − Aq x = 0, d.h. x = A(qx). Nach Satz 3.11 bildet A die L2 −Funktionen
auf stetige Funktionen ab3 . Daher ist x ∈ C[0, 1] und löst die Integralgleichung x − A(qx) = 0
in [0, 1]. Im Beispiel 3.31 haben wir gezeigt (beachte die Voraussetzung q ≥ 0!), dass dies nur
`
´
`
´
Genaugenommen besagt dieser, dass A den Raum C(G), k·k2 nach C(G), k·k∞ abbildet. Diesen Operator
können wir aber fortsetzen und erhalten so die Aussage.
3
55
für x = 0 möglich ist. Also ist I − Aq : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) beschränkt invertierbar, und die
Integralgleichung äquivalent zu
x = −λ (I − Aq )−1 A(rx) = λ T x ,
wobei wir T x = −(I − Aq )−1 A(rx) für x ∈ L2 (0, 1) gesetzt haben. Somit ist das Eigenwertproblem äquivalent zu
1
x = Tx,
λ
da λ = 0 sicher kein Eigenwert ist. Also ist λ 6= 0 genau dann ein Eigenwert von (EW-P), wenn
µ = λ1 6= 0 Eigenwert des kompakten selbstadjungierten Operators T : L2 (0, 1) → L2 (0, 1) ist.
Wir haben aber noch nicht gezeigt, dass 0 kein Eigenwert on T ist. Wir müssen dazu zeigen,
dass T injektiv ist:
Sei also x ∈ L2 (0, 1) mit T x = 0. Aus der Definition von T folgt, dass A(rx) = 0. Wir beutzen
jetzt ohne Beweis, dass die Funktion rx ∈ L2 (0, 1) durch eine Folge von Funktionen zn ∈ C 2 [0, 1]
mit zn (0) = zn (1) = 0 approximiert werden kann, d.h. kzn − rxkL2 → 0. Wir setzen nun yn := zn00
und wissen dann aus der Äquivalenz der Integralgleichung mit dem Randwertproblem (für q = 0),
dass zn = Ayn . Dann ist
0 = hA(rx), yn iL2 = hrx, Ayn iL2 = hrx, zn iL2 → krxk2L2 .
Daher ist rx = 0 und auch x = 0. Also ist T injektiv.
Durch Vertauschung der Integrationsreihenfolge sieht man wieder, dass A∗q = qA (also A∗q x =
qAx). Wegen der Fredholmschen Alternative ist auch I − A∗q beschränkt invertierbar. Wir zeigen
jetzt
(I − Aq )−1 A = A (I − A∗q )−1 .
Dies ist (Anwendung von rechts und links mit (I −A∗q ) bzw. (I −Aq )) äquivalent zu
A (I − A∗q ), d.h. Aq A = A A∗q , und dies ist gerade A(qAx) = A(qAx) für alle x.
(I −Aq ) A =
Wir führen nun ein neues Skalarprodukt im L2 (0, 1) ein durch hx, yir = hx, ryiL2 für x, y ∈
L2 (0, 1). Dies ist wohldefiniert, da r ∈ C[0, 1] strikt positiv ist (nachprüfen!). Außerdem liefert das neue Skalarprodukt eine zur gewöhnlichen Norm äquivalente Norm, denn mit m− =
min0≤t≤1 r(t) und m+ = max0≤t≤1 r(t) ist
m− hx, xiL2 ≤ hx, xir ≤ m+ hx, xiL2
für alle x ∈ L2 (0, 1) .
Wir zeigen, dass T selbstadjungiert ist bzgl. h·, ·ir .
hT x, yir = −h(I − Aq )−1 A(rx), yriL2 = −hA(rx), (I − A∗q )−1 (ry)iL2
= −hrx, A (I − A∗q )−1 (ry)iL2 = −hrx, (I − Aq )−1 A(ry)iL2
= hrx, T yiL2 = hx, T yir .
Also ist T ist selbstadjungiert bzgl. h·, ·ir .
Nun wenden wir den Spektralsatz auf T an und erhalten (fast):
(a) Zum Eigenwertproblem (EW-P) existieren Eigenwerte 0 < λ1 < λ2 < . . . mit λn → ∞,
n → ∞ mit zugehörigen Eigenfunktionen xn ∈ C 2 [0, 1].
(b) Alle Eigenwerte haben Vielfachheit 1, d.h. der Lösungsraum von (EW-P) für λ = λn ist
1-dimensional.
56
(c) Die Funktionen {xn : n ∈ N} bilden ein vollständiges ONS im Raum L2 (0, 1) bzgl. des
Skalarprodukts
Z1
hx, yir =
x(t) y(t) r(t) dt .
0
Beweis: (a) und (c) Seien µn die Eigenwerte von T mit zugehörigen bzgl. h·, ·ir orthonormierten
Eigenfunktionen xn . Der Spektralsatz besagt, dass jedes x die Darstellung hat:
∞
X
x =
hx, xn ir xn .
n=1
Insbesondere müssen es natürlich unendlich viele Eigenwerte sein (sonst wäre L2 (0, 1) ja endlich
dimensional) und konvergieren gegen Null. Die Glattheit von xn folgt aus der Äquivalenz mit
dem Randwertproblem (siehe Beispiel 3.31). Wir zeigen noch die Positivität der Eigenfunktionen
λn = 1/µn . Dann müssen sie gegen unendlich streben, und (a) wäre gezeigt.
Sei λ ∈ R ein Eigenwert von (EW-P) mit zugehöriger reellwertiger Eigenfunktion x ∈ C 2 [0, 1].
Dann ist x und Lösung von
x00 − q x = −λ r x ,
x(0) = x(1) = 0 .
Wir folgern
Z1
Z1
00
−
x (t) x(t) dt +
0
Z1
2
r(t) x(t)2 dt
q(t) x(t) dt = λ
0
0
und mit partieller Integration
Z1
Z1
0
x (t) dt +
|0
{z
> 0
}
Z1
2
2
x(t)2 dt ,
q(t) x(t) dt = λ
|0
{z
≥ 0
}
|0
{z
}
> 0
d.h. λ > 0.
(b) Sei λ 6= 0 Eigenwert und x, y ∈ C 2 [0, 1] zugehörige reellwertige Eigenfunktion. Dann ist
x0 (0) 6= 0 und y 0 (0) 6= 0 (Eindeutigkeit des Anfangswertproblems, Satz von Picard-Lindelöf).
Also existieren α, β ∈ R\{0} mit αx0 (0) + βy 0 (0) = 0. Setze z = αx + βy. Dann löst z das
Anfangswertproblem
z 00 − q z + λ r z = 0
mit z(0) = z 0 (0) = 0 .
Also ergibt sich αx + βy = z = 0, d.h. x, y sind linear abhängig.
57
4
Die Integralgleichungsmethode
Neben der Variationsmethode ist die Integralgleichungsmethode, d.h. die Umformulierung
eines Randwertproblems zu einer partiellen Differentialgleichung in eine Integralgleichung, eines
der wichtigen Konzepte zur Behandlung partieller Differentialgleichungen. Die Integralgleichung
ermöglicht dann sowohl Existenzaussagen (über die Fredholmtheorie) als auch effiziente numerische Verfahren.
Als Beispiel für dieses Vorgehen wählen wir das Dirichletsche Randwertproblem zur Laplacegleichung im R2 .
Im Folgenden sei stets Ω ⊆ R2 eine offene beschränkte Menge mit C 2 −glattem Rand ∂Ω und
f ∈ C(∂Ω).
Wir wollen hier nicht allgemein definieren, was ein C 2 −glatter Rand ist, sondern uns auf den
Fall beschränken, dass der Rand eine globale, reguläre und periodische (mit Periode L > 0)
Parametrisierung hat der Form x = γ(t) für t ∈ R mit γ̇(t) 6= 0 für alle t ∈ R und γ(t) = γ(s)
nur für t − s ∈ L · Z.
Zu diesen Daten ist u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) gesucht mit
∆u =
∂2u ∂2u
+
= 0
∂x21 ∂x22
in Ω ,
und u = f
auf ∂Ω .
Dies ist die klassische Frage der Potentialtheorie.
Bemerkung:
a) Übliche Notationen für den Laplaceoperator sind ∆u = div(∇u) = (∇2 )u.
b) In Polarkoordionaten gilt
1 ∂
∆u(r, ϕ) =
r ∂r
µ
¶
∂u
1 ∂2u
r
+ 2
.
∂r
r ∂ϕ2
c) Verallgemeinerungen (andere Differentialgleichungen, andere Randbedingungen, Ω ⊆ Rd
mit d > 2, ∂Ω weniger regulär, Ω unbeschränkt) sind in vielen Fällen möglich, erfordern aber häufig analytischen Aufwand im Detail (siehe Literatur zur Potentialtheorie, zu
partiellen Differentialgleichungen, etc.)
Bemerkung 4.1 Die differentialgeometrischen Voraussetzungen an Ω garantieren insbesondere
a) die Existenz des Normalenvektors an ∂Ω. In unserem Spezialfall ist der nach außen gerichtete Einheitsnormalenvektor durch
µ 0
¶
¡
¢
1
γ2 (t)
ν(t) = ν γ(t) = ±
|γ̇(t)| −γ10 (t)
gegeben, wobei das Vorzeichen entsprechend der Orientierung von γ zu wählen ist. Wir
setzen eine positive Orientierung der Parametrisierung voraus (das Gebiet liegt also immer
links von uns, wenn wir in aufsteigender Zeit t die Parametrisierung durchlaufen). Dann
müssen wir das Pluszeichen nehmen, um den äußeren Normalenvektor zu erhalten.
58
b) Es gilt der Gaußsche Satz, d.h. für Vektorfelder V ∈ C 1 (Ω) ∩ C(Ω) ist
Z
Z
div V dx =
V · ν ds
Ω
∂Ω
und somit auch die Greenschen Formeln
Z
Z
∂v
(u∆v + ∇u · ∇v) dx =
u
ds
∂ν
Ω
∂Ω
für u ∈ C 1 (Ω) ∩ C(Ω) und v ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) mit der Normalableitung
V = u∇v im Gaußschen Satz) und
¸
Z
Z ·
∂v
∂u
(u∆v − v∆u) dx =
u
−v
ds
∂ν
∂ν
Ω
∂u
∂ν
:= ∇u · ν (setze
∂Ω
für u, v ∈ C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω).
Lemma 4.2 Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet mit obigen Voraussetzungen. Dann existieren
Konstanten 0 < c− < c+ und c > 0 mit
¯
¯
c− |t − s| ≤ ¯γ(t) − γ(s)¯ ≤ c+ |t − s|
|ν(y) · (x − y)| ≤ c |x − y|2
und
für alle t, s mit |t − s| ≤
L
,
2
|ν(x) − ν(y)| ≤ c |x − y|
für alle x, y ∈ ∂Ω.
Beweis: Sei γ ∈ C 2 (R) eine (positiv orientierte) Parametrisierung. Es sei x = γ(t) und y = γ(s).
Wir können t ∈ [0, L] anehmen, da wir andernfalls t und s durch t + nL und s + nL für ein
geeignetes n ∈ Z ersetzen können.
Alle Abschätzungen werden in gleicher Weise bewiesen. Wir definieren die kompakte Menge
M ⊂ R2 durch
©
ª
M = (t, s) ∈ [0, L] × [−L/2, 3L/2] : |t − s| ≤ L/2 .
Für die ersten Abschätzungen definieren wir die Funktion
¯
¯
¯γ(t) − γ(s)¯2
f1 (t, s) =
, t, s ∈ M , t 6= s .
(t − s)2
Man zeigt mit der Regel von l’Hospital, dass f1 stetig fortsetzbar auf ganz M ist und f1 (s, s) =
|γ̇(s)|2 > 0. Wir überlassen dies dem Leser, da ein ähnliches Argument gleich für eine weitere
Funktion f2 durchgeführt wird. Damit ist f1 auf der kompakten Menge M stetig und positiv
und daher existieren Minimum und Maximum, was die Existenz von c− und c+ beweist.
Für die zweite Abschätzung definieren wir
¡
¢ ¡
¢
ν γ(s) · γ(s) − γ(t)
ν(y) · (y − x)
f2 (t, s) =
=
|y − x|2
|γ(s) − γ(t)|2
£
¤
£
¤
0
γ2 (s) γ1 (t) − γ1 (s) − γ10 (s) γ2 (t) − γ2 (s)
, t, s ∈ M , t 6= s .
=
|γ̇(s)| |γ(s) − γ(t)|2
Wir halten s fest und wollen den Limes t → s mit der Regel von l’Hospital berechnen. Sei der
Nenner N (t), der Zähler Z(t). Dann ist
Z 0 (t) = γ20 (s)γ10 (t) − γ10 (s) γ20 (t) ,
59
£
¤
also Z 0 (s) = 0. Genauso ist N 0 (t) = 2 γ(t) − γ(s) · γ̇(t), also auch N 0 (s) = 0. Schließlich ist
Z 00 (t) = γ20 (s)γ100 (t) − γ10 (s) γ200 (t) ,
¯
¯2
also Z 00 (s) = γ20 (s)γ100 (s) − γ10 (s) γ200 (s) sowie analog N 00 (s) = 2¯γ̇(s)¯ > 0. Daher ist auch f2
stetig fortsetzbar auf M und daher beschränkt. Die letzte Abschätzung verbleibt als Übung. 2
4.1
Einfach- und Doppelschichtpotential
Definition 4.3 Eine Funktion u ∈ C 2 (Ω), die der Laplacegleichung
∆u = 0
in Ω
genügt, heißt harmonisch.
Beispiel 4.4
a) Aus einem Separationsansatz u(x) = v(x1 )w(x2 ) erhalten wir
w00 (x2 )
v 00 (x1 )
= −
= c
v(x1 )
w(x2 )
v 00 (x1 )w(x2 ) + v(x1 )w00 (x2 ) = 0 , bzw.
mit einer Konstanten c ∈ R. Für c > 0 folgt
√
c x1
√
c x1
,
√
√
w(x) = γ cos( c x2 ) + δ sin( c x2 ) ,
v(x1 ) = α e
d.h.
u(x) = e±
+ β e−
√
c x1
und
u(x) = e±
√
cos c x2 ,
√
c x1
√
sin c x2
sind harmonisch und beliebige Linearkombinationen dieser Funktionen entsprechend. Außerdem können wir die Rollen von x1 und x2 vertauschen (Fall c < 0).
b) Sei f : Ω ⊆ C → C holomorph und setze u(x1 , x2 ) = f (x1 + ix2 ). Es sind <(u) und Im(u)
harmonisch, denn es gelten die Cauchy-Riemann Gleichungen
∂<(u)
∂ Im(u)
=
,
∂x1
∂x2
∂<(u)
∂ Im(u)
= −
.
∂x2
∂x1
Unter anderem sind mit f (z) = z n = rn einϕ die Funktionen
<u(r, ϕ) = rn cos nϕ o
harmonisch .
Im u(r, ϕ) = rn sin nϕ
Für f (z) = ln z folgt, dass
<u(r, ϕ) = ln r = ln |x|
harmonisch ist in R2 \ {0} .
c) Im R3 ist die harmonische Funktion
u(x) =
1
,
|x|
x 6= 0 ,
ein wichtiges Beispiel (das Newtonsche Potential).
Separationsansätze z.B. in kartesischen oder Kugelkoordinaten führen auf weitere Lösungen (Kugelfunktionen, etc.)
60
Definition 4.5 Die Funktion Φ : R2 × R2 → C heißt Grundlösung (Fundamentallösung )
zum Laplaceoperator, wenn
i) Φ ∈ C 2 (R2 \{(x, y) : x = y}),
ii) ∆y Φ(x, ·) = 0, in R2 \ {x} für jedes x ∈ R2 ,
1
ln |x − y| + ϕ(x, y), wobei ϕ ∈ C 2 (R2 × R2 ) harmonisch in x und in y ist.
iii) Φ(x, y) = − 2π
Besonders wichtig ist der Fall ϕ = 0, d.h.
Φ(x, y) = −
1
ln |x − y| ,
2π
x, y ∈ R2 , x 6= y .
Bemerkung:
(a) Ist Ω ⊂ R2 ein Gebiet, so heißt die Grundlösung mit der Eigenschaft Φ(x, y) = 0 für
y ∈ ∂Ω und x 6= y Greensche Funktion.
(b) Die Grundlösungen Φ : Rd × Rd → R zu d ≥ 3 und ∆u = 0 sind gegeben durch
φ(x, y) =
1
|x − y|2−d + ϕ(x, y) ,
(d − 2)wd
wobei wd die Fläche der Einheitssphäre im Rd bezeichne.
Satz 4.6 (Greenscher Darstellungssatz)
Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet mit ∂Ω ∈ C 1 und äußerer Einheitsnormale ν und sei u ∈
C 2 (Ω) ∩ C 1 (Ω) harmonisch. Dann gilt mit jeder Grundlösung Φ die Darstellung


x ∈ Ω,
¶
Z µ
u(x) ,
∂u(y)
∂Φ(x, y)
1
Φ(x, y) −
u(y) ds(y) =
2 u(x) , x ∈ ∂Ω ,

∂ν
∂ν(y)

∂Ω
0,
x∈
/ Ω.
Beweis:
a) Sei x ∈ R2 \Ω. Dann sind u, Φ(x, · ) ∈ C 2 (Ω)∩C 1 (Ω) harmonisch und mit der 2. Greenschen
Formel folgt
¶
Z µ
Z
∂u(y)
∂φ(x, y)
Φ(x, y)
− u(y)
ds(y) =
Φ(x, y) ∆u(y) − u(y) ∆y Φ(x, y) dy = 0 .
∂ν
∂ν(y)
Ω
∂Ω
1
c) Sei x ∈ Ω. Ohne Einschränkung können wir Φ(x, y) = − 2π
ln |x − y| verwenden, da ϕ(x, y)
harmonisch ist (siehe Teil a)). Wähle ε > 0 mit B(x, ε) ⊆ Ω. Aus der 2. Greenschen Formel
in Ω \ B(x, ε) folgt
Z
£
¤
0 =
Φ(x, y) ∆u(y) − u(y) ∆y Φ(x, y) dy
Ω\B(x,ε)
¶
Z µ
∂Φ(x, y)
∂u(y)
− u(y)
ds(y)
=
Φ(x, y)
∂ν
∂ν(y)
∂Ω
µ
¶
Z
∂u(y)
∂Φ(x, y)
Φ(x, y)
−
− u(y)
ds(y) .
∂ν
∂ν(y)
|x−y|=ε
61
Also gilt wegen ν(y) = (y − x)/ε für |y − x| = ε:
¶
Z µ
∂u(y)
∂Φ(x, y)
Φ(x, y)
− u(y)
ds(y)
∂ν
∂ν(y)
∂Ω
Z
£
¤
1
=
Φ(x, y) ∇u(y) · (y − x) − u(y) (y − x) · ∇y Φ(x, y) ds(y) .
ε
|x−y|=ε
Für den ersten Term folgt
¯
¯
¯1 Z
¯
¯
¯
Φ(x, y) (y − x) · ∇u(y) ds(y)¯ ≤ c
¯
¯ε
¯
|x−y|=ε
Z
|Φ(x, y)| ds(y)
|x−y|=ε
c
= −
2π
Z
ln |x − y| ds(y)
|x−y|=ε
c
= − (ln ε) 2π² → 0 , ε → 0 ,
2π
da wegen u ∈ C 1 (Ω) der Gradient durch eine Konstante c > 0 beschränkt ist. Weiter
berechnen wir
1 y−x
∇y Φ(x, y) = −
für x 6= y .
2π |x − y|2
Daher gilt mit dem Mittelwertsatz
Z
1
u(y)(y − x) · ∇y Φ(x, y) ds(y)
ε
|x−y|=ε
=
Z
1
−
2πε
u(y)
|x−y|=ε
=
=
|x − y|2
ds(y)
|x − y|2
| {z }
=1
µ
¶¶
Z2π µ
1
cos ϕ
−
u x+ε
dϕ
2π
sin ϕ
−
1
2π
0
Z2π ·
|0
µ
µ
¶¶
¸
cos ϕ
u x+ε
− u(x) dϕ
sin ϕ
{z
}
− u(x)
→ 0, ε→0
−→ −u(x) ,
ε → 0.
b) Dieser Teil geht genauso. Für einen Punkt x ∈ ∂Ω wende man die Greensche Formel wie
eben an im ©Gebiet Ω \ B(x, ε). Der
ª Rand dieses Gebiets besteht jetzt aus ∂Ω \ B(x, ε) und
der Menge y ∈ Ω : |y − x| = ε , die bis auf Größenordnung ε2 ein Halbkreis um x mit
Radius ε ist. Dies bringt gegenüber x ∈ Ω den Faktor 1/2. Wir führen den Beweis nicht
weiter aus.
2
Bemerkung: Insbesondere folgt, dass harmonische Funktionen in C ∞ (Ω) sind, da dies für
1
Φ(x, y) = 2π
ln |x − y| mit x ∈ R2 \ ∂Ω und y ∈ ∂Ω gilt.
62
Definition 4.7 Sei Ω ⊆ R2 offen, beschränkt mit ∂Ω ∈ C 2 und ν äußer Normalenvektor an
1
∂Ω. Die durch die Grundlösung Φ(x, y) = − 2π
ln |x − y| und eine Dichte ϕ ∈ C(∂Ω) definierten
Funktionen
Z
u(x) =
Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) , x ∈ R2 \ ∂Ω , und
∂Ω
Z
∂Φ(x, y)
ϕ(y) ds(y) ,
∂ν(y)
v(x) =
x ∈ R2 \ ∂Ω ,
∂Ω
heißen Einfach- und Doppelschichtpotential.
Bemerkung:
2
2
2
2
• Da Φ(·, y) und ∂Φ(·,y)
∂ν(y) harmonisch sind in R \ ∂Ω, sind u, v ∈ C (Ω) bzw. C (R \ Ω)
harmonische Funktionen (Differentiation und Integration vertauschen!)
• Der Darstellungssatz besagt, dass jede harmonische Funktion in Ω als Kombination eines
Einfach- und eines Doppelschichtpotentials gegeben ist.
Satz 4.8 Sei ∂Ω ∈ C 1 und k : ∂Ω × ∂Ω → R stetig oder schwach singulär, d.h. es gebe c > 0
und α ∈ [0, 1) mit |k(x, y)| ≤ c|x−y|−α für alle x, y ∈ ∂Ω, x 6= y. Dann ist A : C(∂Ω) → C(∂Ω),
definiert durch
Z
(Au)(x) =
k(x, y) u(y) ds(y) ,
x ∈ ∂Ω ,
∂Ω
wohldefiniert und kompakt (bzgl. k · k∞ ).
Beweis: Wir können den Beweis zu Satz 3.9 auf das Kurvenintegral übertragen. Wir wählen aber
einen anderen Weg und wenden den Satz von Arcela-Ascoli an. Grundlage für alle Abschätzungen
ist das folgende Lemma.
Lemma 4.9 Sei α ∈ [0, 1). Dann existiert ĉ > 0 mit
Z
ds(y)
φ(ρ) := sup
≤ ĉ ρ1−α
|y − x|α
x∈∂Ω
für alle ρ > 0 .
|y−x|≤ρ
Insbesondere existiert das Integral als uneigentliches Riemannintegral.
Beweis: Sei γ : R → R2 eine Parametrisierung des Randes, x = γ(t) und ε < ρ gegeben. Dann
gilt für ε ≤ |y − x| ≤ ρ und y = γ(s) (wobei s so, dass |t − s| ≤ L/2) folgende Abschätzung aus
Lemma 4.2:
¯
¯
1 ¯¯
1 ¯¯
ρ
ε
≤
γ(s) − γ(t)¯ ≤ |t − s| ≤
γ(s) − γ(t)¯ ≤
.
c+
c+
c−
c−
Daher ist
Z
ds(y)
|y − x|α
¯
¯
¯γ̇(s)¯
Z
≤
ε≤|y−x|≤ρ
ε/c+ ≤|t−s|≤ρ/c−
≤
≤
2 kγ̇k∞
cα−
ρ/c
Z −
ε/c+
2 kγ̇k∞
(1 − α) cα−
63
¡
¢α ds
c− |t − s|
¯ρ/c
ds
2 kγ̇k∞
=
s1−α ¯ε/c+−
α
α
s
(1 − α) c−
µ
ρ
c−
¶1−α
.
Dies gilt für alle ε > 0. Daher existiert das Integral für jedes ρ > 0, und man erhält die
gewünschte Abschätzung.
2
Jetzt können wir einen neuen ©Beweis von Satz ª4.8 angeben. Wir zeigen mit dem Satz von
Arcela-Ascoli, dass die Menge Au : kuk∞ ≤ 1 relativ kompakt ist. Dazu müssen wir die
Beschränktheit und gleichgradige Stetigkeit zeigen. Die Beschränktheit folgt aus
Z
¯
¯
ds(y)
¯(Au)(x)¯ ≤ c kuk∞
≤ c φ(R)
| {z } ∂Ω |y − x|α
≤ 1
mit der Funktion φ von Lemma 4.9 und R so groß, dass |y − x| ≤ R für x, y ∈ ∂Ω.
Zu zeigen bleibt die gleichgradige Stetigkeit. Sei ε > 0 gegeben. Für zunächst beliebiges ρ > 0
spalte man auf:
Z
¯
¯
¯
¯
¯(Au)(x1 ) − (Au)(x2 )¯ ≤ kuk∞ ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y)
| {z }
≤ 1 ∂Ω
Z
¯
¯
¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) +
≤
|x1 −y|≤ρ
Z
¯
¯
¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) .
|x1 −y|≥ρ
Wir bestimmen zunächst ρ so, dass der erste Term kleiner als ε/2 ist. Das geht so: Wegen der
schwachen Singularität ist
¸
·
Z
Z
¯
¯
1
1
¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) ≤ c
+
ds(y)
|x1 − y|α |x2 − y|α
|x1 −y|≤ρ
|x1 −y|≤ρ
Z
≤ c
|x1 −y|≤ρ
ds(y)
+ c
|x1 − y|α
Z
|x2 −y|≤2ρ
ds(y)
|x2 − y|α
≤ c φ(ρ) + c φ(2ρ) ,
falls |x1 − x2 | ≤ ρ. Ist nämlich |x1 − y| ≤ ρ, so ist |x2 − y| ≤ |x2 − x1 | + |x1 − y| ≤ 2ρ. Wir wählen
also ρ > 0 so klein, dass c φ(ρ) + c φ(2ρ) ≤ ε/2 und halten ρ fest.
Jetzt betrachten wir das Integral über |y −x1 | ≥ ρ. Haben wir solch ein y und ist |x1©−x2 | ≤ ρ/2,
so ist |y −x
¯ Menge M = (x,¯ y) : |x−
ª 2 | ≥ |y −x1 |−|x1 −x2 | ≥ ρ−ρ/2 = ρ/2. Auf der kompakten
ε
y| ≥ ρ/2 ist k gleichmäßig stetig. Also existiert ein δ ≤ ρ/2 so, dass ¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ≤ 2 |∂Ω|
für alle (x1 , y), (x2 , y) ∈ M mit |x1 − x2 | ≤ δ. Für x1 , x2 ∈ ∂Ω mit |x1 − x2 | ≤ δ ist also
Z
Z
¯
¯
ε
ε
¯k(x1 , y) − k(x2 , y)¯ ds(y) ≤
≤ .
2 |∂Ω| |x1 −y|≥ρ
2
|x1 −y|≥ρ
¯
¯
Zusammen ist also ¯(Au)(x1 ) − (Au)(x2 )¯ ≤ ε für x1 , x2 ∈ ∂Ω mit |x1 − x2 | ≤ δ. Dies beweist
die gleichgradige Stetigkeit und beendet den Beweis.
2
Definition und Satz 4.10 Sei Ω ⊆ R2 beschränktes Gebiet, ∂Ω ∈ C 2 und ν der äußere Normaleneinheitsvekor an ∂Ω. Dann sind die Operatoren
S, K : C(∂Ω) −→ C(∂Ω)
64
mit
Z
(Sϕ)(x) =
Φ(x, y)ϕ(y) ds(y) ,
x ∈ ∂Ω ,
∂Ω
Z
(Kϕ)(x) =
∂Φ(x, y)
ϕ(y) ds(y) ,
∂ν(y)
x ∈ ∂Ω ,
∂Ω
wohldefinierte, kompakte Operatoren (bzgl. k · k∞ ).
1
Beweis: Da etwa | ln t| ≤ 2 t−1/4 für t ∈ (0, 1) gilt, ist Φ(x, y) = − 2π
ln |x−y| schwach singulärer
Kern. Also folgt die Aussage für S direkt aus Satz 4.8. Für die Normalableitung gilt nach
Lemma 4.2 (beachte ∂Ω ∈ C 2 !)
¯
¯
¯ ∂Φ(x, y) ¯
c
|(x − y) · ν(y)|
¯
¯
≤
.
¯ ∂ν(y) ¯ ≤
2
2π|x − y|
2π
Also ist auch der Kern
2
∂Φ(x,y)
∂ν(y)
schwach singulär und Satz 4.8 liefert wiederum die Behauptung.
1
Bemerkung: Beachte, dass für Φ(x, y) = − 2π
ln |x − y| der Operator S selbstadjungiert ist
bzgl. h·, ·iL2 . Der adjungierte Operator zu K ist durch den kompakten Operator
Z
∂Φ(x, y)
0
ϕ(y) ds(y) , x ∈ ∂Ω ,
(K ϕ)(x) =
∂ν(x)
∂Ω
gegeben.
Der Zusammenhang dieser Randintegraloperatoren mit dem Einfach- bzw. Doppelschichtpotential ist die entscheidende Grundlage für die Integralgleichungsmethode.
Satz 4.11 (Sprungbeziehungen)
Seien u, v die in Definition 4.7 definierten Potentiale und S, K die in Satz 4.10 definierten
Randintegraloperatoren. Dann gilt:
(i) u ist stetig fortsetzbar zu u ∈ C(R2 ) mit
u(x) = (Sϕ)(x)
für x ∈ ∂Ω .
(ii) v|Ω ist stetig fortsetzbar zu v ∈ C(Ω), und v|R2 \Ω ist stetig fortsetzbar zu v ∈ C(R2 \ Ω)
mit
¯
1
v(x)¯± = ± ϕ(x) + (Kϕ)(x) , x ∈ ∂Ω ,
2
wobei
¯
¯
lim v(y) , v(x)¯− = y→x
v(x)¯+ = y→x
lim v(y) .
y∈Ω
y∈R2 \Ω
(iii) Die Normalableitung zu u auf ∂Ω existiert im Sinne, dass
¯
£
¡
¢¤
∂u(x) ¯¯
:= lim ν(x) · ∇u x ± εν(x)
¯
ε→0
∂ν ±
ε>0
gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω konvergiert und es gilt
¯
1
∂u(x) ¯¯
= ∓ ϕ(x) + (K 0 ϕ)(x) .
¯
∂ν ±
2
65
(iv) Für die Ableitung von v gilt
·
¸
¡
¢
¡
¢
lim ν(x) · ∇v x + εν(x) − ν(x) · ∇v x − εν(x)
= 0
ε→0
ε>0
gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω.
Für den Beweis verweisen wir auf Colton/Kress: Integral Equations Methods in Scattering
”
Theory“.
2
Wir benötigen noch das Verhalten der Potentiale für |x| → ∞.
Satz 4.12 Ω ⊆ R2 wie oben, u, v Einfach- und Doppelschichtpotential mit Dichte ϕ ∈ C(∂Ω).
Dann gilt für |x| → ∞
(i)
1
u(x) = − ln |x|
2π
µ
Z
ϕ(y) ds(y) + O
1
|x|
¶
µ
und
∇u(x) = O
1
|x|
¶
,
∂Ω
(ii)
µ
v(x) = O
1
|x|
¶
µ
und
∇v(x) = O
1
|x|2
¶
gleichmäßig bzgl. x/|x|.
Beweis: Sei |x| > R := max |y| und y ∈ ∂Ω. Wir benutzen die Ungleichung ln(1 + t) ≤ t für alle
y∈Ω
t ≥ 0.
1. Fall: |x − y| > |x|. Dann ist
¶
µ
¶
µ
¯
¯
¯ln |x − y| − ln |x|¯ = ln |x − y| − ln |x| = ln 1 + |x − y| − |x| ≤ ln 1 + |y|
|x|
|x|
|y|
R
≤
≤
.
|x|
|x|
2. Fall: |x − y| < |x|. Dann ist
¶
µ
¶
µ
¯
¯
¯ln |x − y| − ln |x|¯ = ln |x| − ln |x − y| = ln 1 + |x| − |x − y| ≤ ln 1 + |y|
|x − y|
|x − y|
|y|
2R
≤
≤
|x − y|
|x|
für |x| ≥ 2R, da dann |x − y| ≥ |x| − |y| ≥ |x| − R ≥ 12 |x|. Also ist
Z
Z
Z
£
¤
1
1
u(x) =
Φ(x, y) ϕ(y) ds(y) = −
ln |x − y| − ln |x| ϕ(y) ds(y) −
ln |x| ϕ(y) ds(y)
2π
2π
∂Ω
∂Ω
∂Ω
µ ¶
Z
1
1
= − ln |x| ϕ(y) ds(y) + O
.
2π
|x|
∂Ω
Die anderen Abschätzungen ergeben sich aus
¯
¯
¯
¯
¯∇x Φ(x, y)¯ = ¯∇y Φ(x, y)¯ =
und
1
∇x
2π
µ
ν(y) · (x − y)
|x − y|2
¶
1
=
2π
µ
1
1
= O
2π |x − y|
µ
1
|x|
¶
¶
µ
¶
1
ν(y) · (x − y)
1
ν(y) + 2
(x − y) = O
.
|x − y|2
|x − y|4
|x|2
2
66
4.2
Das Dirichlet Problem
Gegeben sei ein beschränktes Gebiet Ω ⊆ R2 mit ∂Ω ∈ C 2 , so dass R2 \ Ω zusammenhängend
ist. Sei ferner f ∈ C(∂Ω). Gesucht ist u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) mit
∆u = 0
in
Ω,
u=f
auf ∂Ω
(DP)
Wir suchen eine Lösung in Form eines Doppelschichtpotentials.
Satz 4.13 Das Doppelschichtpotential
Z
∂Φ(x, y)
u(x) =
ϕ(y) ds(y) ,
∂ν(y)
x ∈ Ω,
∂Ω
ist genau dann Lösung zu (DP), wenn die Dichte ϕ ∈ C(∂Ω) die Fredholmsche Integralgleichung
zweiter Art
1
Kϕ − ϕ = f auf ∂Ω
2
löst.
Der Beweis folgt aus Definition 4.7 und Satz 4.11.
2
Also folgt die Existenz einer Lösung u zu (DP) wegen der Fredholmschen Alternative, wenn wir
zeigen können, dass die homogene Integralgleichung nur die Lösung ϕ = 0 besitzt.
Idee 4.14 Sei ϕ ∈ C(∂Ω) Lösung von
Kϕ −
1
ϕ = 0.
2
Zu ϕ definiere das Doppelschichtpotential
Z
∂Φ(x, y)
u(x) =
ϕ(y) ds(y) ,
∂ν(y)
x∈
/ ∂Ω .
∂Ω
Dann gilt nach Definition 4.7 und Satz 4.11, dass u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω) das homogene innere
Dirichlet Problem
∆u = 0 in Ω und u = 0 auf ∂Ω
löst.
(i) Können wir nun zeigen, dass das homogene innere Dirchlet Problem nur durch u = 0 gelöst
wird, so folgt u = 0 in Ω.
Nun kommt der entscheidende Trick: Betrachte das Potential u im Außenraum, d.h. für x ∈
R2 \ Ω. Dann folgt aus Teil (iv) von Satz 4.11
£
¡
¢
¡
¢¤
0 = lim ν(x) · ∇u x + ε(x) − ν(x) · ∇u x − εν(x) ,
ε→0
{z
}
|
=0
d.h. u ∈ C 2 (R2 \ Ω) ∩ C(R2 \ Ω) ist Lösung des homogenen äußeren Neumann Problems,
∆u = 0 in R2 \ Ω
¯
∂u ¯¯
= 0 auf ∂Ω
∂ν ¯+
67
mit
µ
u(x) = O
1
|x|
¶
µ
und ∇u(x) = O
1
|x|2
¶
für |x| → ∞ .
(ii) Wenn wir zeigen, dass auch dieses Randwertproblem eindeutig lösbar ist, so ist u = 0 in
R2 \ Ω. Aus der Sprungbeziehung (ii) von Satz 4.11 folgt dann
ϕ = u|+ − u|− = 0 .
|{z}
|{z}
=0
=0
Es bleiben (i) und (ii) zu zeigen!
Satz 4.15 (Eindeutigkeit des Dirichlet Problems)
Sei Ω ⊆ R2 ein beschränktes Gebiet. Zu jedem f ∈ C(∂Ω) hat das Dirichlet Problem
∆u = 0
in Ω
und
u=f
auf ∂Ω ,
höchstens eine Lösung u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω).
Beweis: Es seien u1 , u2 Lösungen des Dirichlet Problems. Dann löst u = u1 − u2 das homogene
Dirichletproblems (d.h. für f = 0). Konstruiere eine Funktion φ ∈ C 1 (R) mit den Eigenschaften:
• φ(t) = 0 für |t| ≤ 1,
• φ(t) = t für |t| ≥ 2,
• φ ist monoton nicht fallend.
Setze
µ
uε (x) = ε φ
u(x)
ε
¶
für x ∈ Ω .
¯
¯
¯
¯
Dann ist uε (x) = 0 für alle x mit ¯u(x)¯ ≤ ε und uε (x) = u(x) für alle x mit ¯u(x)¯ ≥ 2ε. Die
abgeschlossene (!) Menge
¯
¯
©
ª
Aε := x ∈ Ω : ¯u(x)¯ ≥ ε
ist in der offenen Menge Ω enthalten. Daher gibt es eine offene Obermenge Ωε von Aε , deren
Abschluss noch in Ω enthalten ist und die einen glatten Rand besitzt.4 Wir betrachten jetzt die
1. Greensche Formel im Gebiet Ωε . (Beachte, dass u ∈ C 2 (Ωε )!)
Z
Z
£
¤
∂u
∇u · ∇ψ + ψ |{z}
∆u dx =
ψ
ds
∂ν
Ωε
∂Ωε
= 0
für alle ψ ∈ C 1 (Ωε ). Wir setzen jetzt ψ = uε . Da uε auf Ω \ Ωε verschwindet, folgt
Z
Z
Z
∂u
∇u · ∇uε dx =
∇u · ∇uε dx =
uε
ds = 0 .
|{z}
∂ν
Ω
Ωε
∂Ωε
=0
¡
¢
Außerdem ist (Kettenregel!) ∇uε (x) = φ0 u(x)/ε ∇u(x), also
¶
µ
Z
¯ ¯2 0 u(x)
¯∇u¯ φ
dx = 0 .
ε
Ω
4
Man mache sich die Situation an einer Skizze klar!
68
¯ ¯2 ¡
¢
Da der Integrand nicht negativ ist, muss er identisch verschwinden, d.h. ¯∇u¯ φ0 u(x)/ε = 0 für
alle x. Wir zeigen, dass u konstant
³
´ sein muss. Sei x ∈ Ω mit u(x) 6= 0. Wähle ε > 0 so klein, dass
¯
¯
u(x)
0
¯u(x)¯/ε ≥ 2. Dann ist φ
= 1, also ∇u(x) = 0. Daher ist ∇(u2 )(x) = 2u(x) ∇u(x) = 0
ε
für jedes x ∈ Ω. Daher ist u2 konstant, also auch u. Da u auf dem Rand ∂Ω verschwindet, so
muss u = 0 sein.
2
Satz 4.16 (Eindeutigkeit des äußeren Neumann-Problems)
Sei wieder Ω ⊆ R2 ein beschränktes Gebiet, diesmal mit ∂Ω ∈ C 2 und zusammenhängendem
Komplement R2 \ Ω. Zu jedem g ∈ C(∂Ω) besitzt das Randwertproblem
∆u = 0 in R2 \ Ω ,
¡
¢
lim ν(x) · ∇u x + εν(x) = g gleichmäßig bzgl. x ∈ ∂Ω ,
ε→0
ε>0
und
µ
u(x) = O
1
|x|
¶
µ
,
∇u(x) = O
1
|x|2
¶
,
x → ∞,
gleichmäßig bzgl.
x
,
|x|
höchstens eine Lösung u ∈ C 2 (Ω) ∩ C(Ω).
Beweis: Sei u Lösung des homogenen äußeren Neumann Problems (d.h. für g = 0). Wir nehmen
zunächst einmal an, dass u ∈ C 1 (R2 \ Ω). Dann folgt mit dem 1. Greenschen Satz:
Z
Z
£
2
|∇u| dx =
∇u · ∇u + u ∆u dx
B(0,R)\Ω
B(0,R)\Ω
Z
= −
∂Ω
∂u
u
ds +
∂ν
|{z}
=0
Z
|x|=R
∂u
u
ds −→ 0 ,
∂ν}
| {z
R → ∞.
O(1/R3 )
Also ist wieder ∇u = 0 in R2 \ Ω. Wir erhalten, dass u konstant ist. Wegen u = O
³
1
|x|
´
für
x → ∞ folgt u = 0 in R2 \ Ω.
¡
¢
Im allgemeinen Fall, d.h. wenn nur u ∈ C(R2 \Ω) und lim ν(x)·∇u x+εν(x) = 0 ist, betrachten
ε→0
wir Parallelkurven (ε hinreichend klein)
∂Ωε := {y = x + εν(x) : x ∈ ∂Ω} .
Ist wieder γ : R → R2 eine Parametrisierung von ∂Ω, so ist
y = γε (t) = γ(t) + εν(t) ,
t ∈ R,
¡
¢
eine Parametrisierung von ∂Ωε . Hier haben wir ν(t) an Stelle von ν γ(t) geschrieben. Wegen
¯
¯
¯ν(t)¯2 = 1 gilt (ableiten!) ν(t)· ν̇(t) = 0. Also ist ν̇(t) ein Tangentialvektor im Punkt γ(t). Daher
gibt es eine skalare Funktion α mit ν̇(t) = α(t) γ̇(t). Wir erhalten daher
¡
¢
γ̇ε (t) = γ̇(t) + εν̇(t) = 1 + α(t) γ̇(t) .
Daher stimmen die Richtungen der Tangentialvektoren überein, also ist der Normalenvektor
νε (t) im Punkt γε (t) identisch mit dem Normalenvektor ν(t) im Punkt γ(t). Wir können daher
den 1. Greenschen Satz wie oben anwenden, aber im Gebiet B(0, R) \ Ωε und erhalten
Z
Z
Z
∂u
∂u
2
|∇u| dx = −
u
u
ds +
ds .
∂ν
∂ν
B(0,R)\Ωε
∂Ωε
69
|x|=R
Das erste Randintegral auf der rechten Seite ist
Z
∂u
ds =
u
∂ν
∂Ωε
ZL
¯
¡
¢
¡
¢¯
u γε (t) νε (t) · ∇u γε (t) ¯γ̇ε (t)¯ dt
0
ZL
=
¯
¡
¢
¡
¢¯
u γε (t) ν(t) · ∇u γε (t) ¯γ̇ε (t)¯ dt ,
0
und dieser Term konvergiert gegen Null für ε → 0, da
¡
¢
lim ν(x) · ∇u x + εν(x) = 0
ε→0
ε>0
¡
¢
und u x + εν(x) beschränkt bleibt für ε → 0. Daher erhalten wir
Z
Z
∂u
2
(∗)
lim
|∇u| dx =
u
ds .
ε→0
∂ν
B(0,R)\Ωε
|x|=R
Der rechte Term konvergiert gegen 0 für R → ∞. Hieraus folgt wieder ∇u = 0 in R2 \ Ω.
Gäbe es nämlich ein x0 ∈ Ω mitR∇u(x0 ) 6= 0, so wäreR (∇u ist stetig!) |∇u|2 > 0 in einer
Umgebung U von x0 und daher B(0,R)\Ωε |∇u|2 dx ≥ U |∇u|2 dx > 0 für alle hinreichend
kleinen ε > 0Rund hinreichend großen
R R > 0, so dass U ⊂ B(0, R) \ Ωε . Dann wäre auch der
Limes limε→0 B(0,R)\Ωε |∇u|2 dx ≥ U |∇u|2 dx für alle hinreichend großen R und dies würde ein
Widerspruch sein zu der Tatsache, dass der rechte Term in (∗) gegen Null konvergiert. Also ist
u konstant in R2 \ Ω und wegen der Randbedingung u = 0 in R2 \ Ω.
2
Folgerung 4.17 Sei Ω wie im letzten Satz. Dann ist das innere Dirichlet Problem
∆u = 0
in Ω ,
u=f
auf ∂Ω ,
für jedes f ∈ C(∂Ω) eindeutig lösbar.
Beweis: siehe Idee 4.14.
Bemerkungen:
• Für eine Lösungstheorie des inneren Neumannproblems ist zu beachten, dass mit dem 1.
Greenschen Satz in Ω (mit einer Lösung u des inneren Neumannproblems und v = 1)
Z
Z
Z
£
¤
∂u
0 =
∇1 ·∇u + 1 |{z}
∆u dx =
ds =
g ds
|{z}
∂ν
Ω
=0
=0
∂Ω
∂Ω
gilt. Diese Kompatibilitätsbedingung ist also eine notwendige Bedingung für die Existenz
einer Lösung.
• Das gleiche gilt bei dem äußeren Neumannproblems. Hier ist wieder (Anwendung der 1.
Greenschen Formel in B(0, R) \ Ω)
Z
Z
∂u
∂u
0 =
ds −
ds
∂ν
∂ν
∂Ω
|x|=R
70
gilt. Also ist
¯
¯
¯
¯
¯ Z
¯
¯Z
¯
Z
¯
¯
¯
¯
∂u
¯
¯ g ds¯ = ¯¯
ds¯ ≤
|∇u| ds .
¯
¯
¯
∂ν ¯
¯
¯
¯
¯
∂Ω
|x|=R
|x|=R
³ ´
R
Aus |∇u(x)| = O |x|1 2 und
ds = O(R) (im R2 !) folgt wieder als notwendige Bedin|x|=R
gung für die Existenz einer Lösung
Z
g ds = 0 .
∂Ω
• Ein Vorteil der Randintegralgleichungsmethode gegenüber anderen Zugängen ist, dass auch
Außenraumprobleme analog behandelt werden können. Außerdem ist zum Lösen des Randwertproblems nur eine Gleichung auf einer d − 1 dimensionalen Manigfaltigkeit zu betrachten, ein wesentlicher Gewinn für numerische Berechnungen.
Der Nachteil dieses Zugangs liegt darin, dass wir die Randregularität ∂Ω ∈ C 2 annehmen
müssen und dass eine Grundlösung bekannt sein muss.
• Zur Behandlung von Randwertproblemen der Potentialtheorie mit Integralgleichungen
sei das Buch Kress Linear Integral Equations“ empfohlen. Zur Helmholtzgleichung
”
(reduzierte Schwingungsgleichung) und den Maxwellgleichungen siehe:
Colton/Kress Integral Equation Methods in Scattering Theory“ ,
”
I. Stackgold: Boundary Integral Equation Method“ ,
”
McLean: Boundary Integral Equation Method“ .
”
71
5
Faltungsintegralgleichungen
Ziel: Wir wollen Faltungsoperatoren der Form
Z∞
(Kx)(t) =
k(t − s) x(s) ds ,
t ∈ R,
−∞
und Lösbarkeit von zugehörigen Integralgleichungen λx − Kx = y untersuchen. In den Übungen hatten wir am Beispiel gezeigt, dass solche Operatoren i.A. nicht kompakt sind. Wesentliches Hilfsmittel zu ihrer Behandlung sind Integraltransformationen. In diesem Kapitel sind alle
Funktionen komplexwertig. Wir benötigen die Räume Lp (R) von messbaren, komplexwertigen
Funktionen x : R → C, so dass |x|p Lebesgue integrierbar sind.
5.1
Die Fouriertransformation
Definition und Lemma 5.1 Für x ∈ L1 (R) ist die Fouriertransformation definiert durch
Z∞
x(s) e−ist ds ,
(Fx)(t) =
t ∈ R.
−∞
F ist ein linearer und beschränkter Operator von (L1 (R) nach BC(R), wobei der Raum
©
ª
BC(R) = x ∈ C(R) : sup |x(t)| < ∞
t∈R
mit der Supremumnorm k · k∞ ausgestattet ist.
Beweis: Nach dem Majorantenkriterium existiert das Integral und ist beschränkt durch
¯
¯
¯(Fx)(t)¯ ≤
Z∞
|x(s)| ds = kxkL1 ,
t ∈ R.
−∞
Die Stetigkeit von Fx folgt aus dem Lebesgueschen Konvergenzsatz, denn mit tn → t, n → ∞,
gilt:
Z∞
Z∞
−istn
lim (Fx)(tn ) = lim
x(s) e
ds =
x(s) e−ist ds = (Fx)(t) ,
n→∞
n→∞
−∞
−∞
da die Folge der Integranden durch die integrierbare Funktion |x| beschränkt ist.
Beispiel 5.2
(a) Sei x(t) =
1
.
1+t2
2
Für t > 0 erhalten wir mit dem Residuensatz
1
2πi
Z
f (z) dz =
γ
X
Res(f, z) ,
z∈D
für die Kurve γ = {z ∈ C : |z| = R, Im z < 0} ∪ [−R, R] und das durch γ umschlossene
72
Gebiet D (Skizze, man achte auf die Orientierung!):
ZR
−
Z
e−ist
ds =
1 + s2
γ
−R
1
= −
2i
Z µ
γ
= −π e−t
¯ −izt ¯
¯
¯
da für |z| = R gilt: ¯ e1+z 2 ¯ =
Z
e−izt
dz −
1 + z2
et Im z
|1+z 2 |
≤
e−izt
dz
1 + z2
|z|=R
Im z<0
1
1
−
z+i z−i
¶
Z
|z|=R
Im z<0
µ ¶
1
+ O
,
R
2
R2
e−izt
dz
1 + z2
e−izt dz −
für R ≥ 2 wegen |1 + z 2 | ≥ |z|2 − 1 = R2 − 1 ≥
R2 − R2 /4 ≥ R2 /2.
Analog erhalten wir das Integral für t < 0 (Residuensatz über den oberen Halbkreis!). Der
Grenzwert R → ∞ ergibt
(Fx)(t) = π e−|t| , t ∈ R .
R∞
2
2
(b) Sei x(t) = e−αt , α > 0. Dann ist (Fx)(t) = −∞ e−αs e−ist ds differenzierbar mit
Z∞ h
0
(Fx) (t)
=
i
2
−is e−αs
i
e−ist ds
−∞

part. Int.
=
¶¯
1 −αs2 −ist ¯¯∞
e
e
i
¯
2α
µ
+
−∞
=
Also gilt (Fx)(t) = c e−t
−
2 /(4α)
it
2α

Z∞
2
e−αs e−ist ds
−∞
t
(Fx)(t) .
2α
mit c = (Fx)(0) =
R∞
−∞ e
−αs2 ds
=
pπ
α.
(Bemerkung: Beachte, dass mit α = 1/2 eine Eigenfunktion zum Eigenwert λ =
F gegeben ist. Weitere Eigenfunktionen werden in der Übung behandelt.)
√
2π von
Frage: In welchen Räumen ist Fx = y umkehrbar?
Definition 5.3
a) Der Schwartz-Raum (Raum der schnell abfallenden glatten Funktionen) ist definiert durch
©
£
¤
ª
S = S(R) = x ∈ C ∞ (R) : sup |t|p |x(n) (t)| < ∞ für alle p, n ∈ N0 .
t∈R
2
Es ist zum Beispiel die Funktion x(t) = e−t , t ∈ R, in S.
b) Seien x, y ∈ S. Dann heißt
Z∞
(x ∗ y)(t) =
Z∞
x(t − s) y(s) ds =
−∞
y(t − s) x(s) ds = (y ∗ x)(t)
−∞
die (zweiseitige) Faltung von x und y (einseitige Faltung: siehe Übung).
73
Satz 5.4 Seien x, y ∈ S. Dann gilt
(Fy)(t) = e±ith (Fx)(t)
a)
b)
(Fx)0 (t) = (Fy)(t)
c)
(Fx0 )(t) = it (Fx)(t)
d)
für y(s) = x(s ± h)
mit y(s) = −is x(s)
F(x ∗ y)(t) = (Fx)(t) · (Fy)(t)
e)
(Faltungssatz)
F(xy)(t) = (Fx ∗ Fy)(t)
Beweis: a), b), c) nachrechnen!
zu d) Vertauschen der Integrationsreihenfolge liefert
Z∞
Z∞
e
F(x ∗ y)(t) =
−∞
Z∞
−ist
x(s − τ ) y(τ ) dτ ds
−∞
Z∞
e−ist x(s − τ ) ds y(τ ) dτ
=
−∞ −∞
Z∞ Z∞
e−i(s̃+τ )t x(s̃) ds̃ y(τ ) dτ
=
−∞ −∞
 ∞
Z
= 


Z∞
e−is̃t x(s̃) ds̃ 
−∞
(substituiere s̃ = s − τ )
e−iτ t y(τ ) dτ  = (Fx)(t) · (Fy)(t) .
−∞
e) analog.
2
Satz 5.5 (Umkehrformel in S)
Mit x ∈ S ist auch Fx ∈ S, und es gilt
1
x(t) =
2π
Z∞
(Fx)(s) eist ds ,
t ∈ R.
−∞
Ferner gilt die Formel von Plancherel
­
®
Fx, Fy L2 = 2πhx, yiL2
für x, y ∈ S.
Bemerkung: Dies bedeutet, dass √12π F : S → S ein unitärer Normisomorphismus des Prä¡
¢
Hilbertraums S, k · kL2 auf sich ist.
Beweis:
(i) Mit x ∈ S ist Fx ∈ C ∞ (R) (da integrierbare Majoranten für die Ableitungen von x
existieren). Weiter folgt mit partieller Integration (n-mal)
Z∞
n
(q)
t (Fx)
n
q
(t) = t (−i)
e
−ist
¡ q
¢
s x(s) ds = (−i)q−n
−∞
Z∞
−∞
Z∞
= (−i)q−n (−1)n
e−ist
−∞
74
¢
dn ¡ q
s x(s) ds .
n
ds
¡ q
¢ ∂ n −ist
e
ds
s x(s)
∂sn
Also ist
¯
¯¤
£
sup |tn | ¯(Fx)(q) (t)¯ < ∞ für alle n, q ∈ N0 ,
t∈R
d.h. Fx ∈ S.
(ii) Um die Umkehrformel zu zeigen, betrachte für beliebiges φ ∈ S die folgende Identität.
 ∞

Z∞
Z∞
Z
Z∞
Z∞
its
its
−isτ
e φ(s) (Fx)(s) ds =
e φ(s) 
e
x(τ ) dτ  ds =
x(τ )
e−i(τ −t)s φ(s) ds dτ
−∞
−∞
Z∞
=
−∞
−∞
−∞
Z∞
x(τ )(Fφ)(τ − t) dτ =
−∞
x(t + τ ) (Fφ)(τ ) dτ .
−∞
Die Vertauschung der Integrationsreihenfolge ist natürlich gerechtfertigt. Zu ε > 0 definiere
2
φε ∈ S durch φε (s) = e−(εs) /2 . Die
Fouriertransformation wurde in Beispiel 5.2 berechnet
√
2π −τ 2 /(2ε2 )
2
. Einsetzen in (5.1) ergibt
(α = ε /2) und ist (Fφε )(τ ) = ε e
Z∞
e
its
−∞
√
Z∞
2π
2
2
φε (s) (Fx)(s) ds =
x(t + τ ) e−τ /(2ε ) dτ .
ε
−∞
Die Variablensubstitution τ = εσ liefert mit dτ = εdσ
Z∞
e
its
∞
√ Z
2
x(t + εσ) e−σ /2 dσ .
φε (s) (Fx)(s) ds = 2π
−∞
−∞
Jetzt wenden wir den Satz von Lebesgue an (Voraussetzungen nachprüfen!). Die rechte
Seite konvergiert für ε → 0 gegen
Z∞
√
2
2π x(t)
e−σ /2 dσ = 2π x(t) ,
−∞
die linke Seite gegen
Z∞
eits (Fx)(s) ds .
−∞
(iii) Die Formel von Plancherel folgt nun direkt aus


Z∞
Z∞
Z∞ Z∞
−its

x(s) e
ds (Fy)(t) dt =
x(s)
e−its (Fy)(t) dt ds
hFx, FyiL2 =
−∞
−∞
Z∞
=
−∞
eits (Fy)(t) dt ds = 2π hx, yiL2 .
x(s)
−∞
−∞
Z∞
−∞
|
{z
}
=2πy(s)
2
75
Satz 5.6 Es gibt genau einen linearen, beschränkten Operator F von L2 (R) in sich mit
Z∞
x(s) e−ist ds ,
(Fx)(t) =
t ∈ R,
für x ∈ S .
−∞
Weiter ist
mit
√1 F
2π
(F
unitär, d.h. F ∗ F = FF ∗ = 2πI, und insbesondere ist F beschränkt invertierbar
−1
1
1
x)(t) =
(F ∗ x)(t) =
2π
2π
Z∞
x(s) eist ds ,
t ∈ R,
x∈S.
−∞
Beweis: Setze
C0∞ (R) =
©
ª
x ∈ C ∞ (R) : es gebe ein kompaktes Intervall I mit x(t) = 0 für t 6∈ I .
Offenbar ist C0∞ (R) ⊆ S. Im folgenden Lemma zeigen wir, dass C0∞ (R) dicht liegt in L2 (R).
Dann liegt auch S dicht in L2 (R) und die Vervollständigung
F : L2 (R) −→ L2 (R)
existiert (siehe Übung). Mit Satz 5.5 folgen die weiteren Aussagen.
2
Lemma 5.7 Sei I ⊆ R ein beschränktes oder unbeschränktes Intervall. C0∞ (I) liegt dicht in
Lp (I) für p ≥ 1. Insbesondere liegt auch S dicht in Lp (I) für jedes p ∈ [1, ∞) (nicht jedoch für
p = ∞).
Beweis: Aus der Definition des Lebesgue-Integrals folgt, dass die Treppenfunktionen in Lp (I)
dicht liegen. Es genügt also zu zeigen, dass sich die Treppenfunktion
(
1 , t ∈ [a, b] ,
x(t) =
0 , sonst,
durch C0∞ -Funktionen bzgl. k · kp approximieren lässt. Definiere ϕ ∈ C ∞ (R) durch
( 1
e− t2 , t > 0 ,
ϕ(t) =
0,
t ≤ 0.
Dann ist |ϕ(t)| ≤ 1 für alle t. Induktiv lässt sich
differenzierbar ist (Analysis I!). Weiter setze


0 ,³

´



t−a+ε

ϕ
,

a−t

ψε (t) = 1 ,
³
´



b+ε−t

ϕ
,

t−b



0,
zeigen, dass ϕ auf ganz R unendlich oft
t ≤ a − ε,
a − ε < t < a,
a ≤ t ≤ b,
b < t < b + ε,
t ≥ b + ε.
Dann ist ψε ∈ C0∞ (R) und
Z
¯
¯
¯ψε (t) − x(t)¯p dt =
¶¯p
¶¯p
Zb+ε¯ µ
Za ¯ µ
¯
¯
¯
¯
t
−
a
+
ε
¯ϕ b + ε − t ¯ dt
¯ϕ
¯ dt +
¯
¯
¯
¯
a−t
t−b
a−ε
I
b
Za
≤
Zb+ε
1 dt +
a−ε
dt ≤ 2 ε .
b
76
Das beweist die Behauptung.
2
Bemerkung: Für allgemeine x ∈ L2 (R) existiert das Integral
Z∞
x(s) e−ist ds
−∞
nicht als Lebesguesches Integral! Man wähle etwa die stückweise definierte Funktion x mit x(s) =
1
für |s| ≥ 1. Aus der Lebesgueschen Integrationstheorie ist bekannt
1 für |s| ≤ 1 und x(s) = |s|
£
¤
(?), dass die Funktion s 7→ Im e−ist /s = − sin(st)/s nicht Lebesgue-integrierbar ist, also auch
nicht s 7→ x(s)e−ist !
Satz 5.8 Sei x ∈ L2 (R). Dann gelten die Identitäten
ZR
(Fx)(t) =
x(t) =
x(s) e−ist ds
lim
R→∞
−R
1
lim
2π R→∞
fast überall,
ZR
(Fx)(s) eist ds
fast überall .
−R
Insbesondere existieren die Integrale im Sinne Cauchy’scher Hauptwerte für fast alle t ∈ R.
Beweis: Zu x ∈ L2 (R) definiere TR x ∈ L2 (R) durch
ZR
x(s) e−ist ds .
(TR x)(t) =
−R
Dann ist TR linearer und beschränker Operator von L2 (R) in sich. Für x ∈ S gilt TR x → Fx,
R → ∞, in L2 (R).
Sei x ∈ L2 (R) beliebig. Setze
(
xR (t) =
x(t) , |t| < R ,
0,
|t| ≥ R .
Dann ist TR x = FxR und daher
kTR xkL2 = kFxR kL2 =
Also ist kTR k ≤
√
√
2πkxR kL2 ≤ 2πkxkL2 .
√
2π für alle R, d.h. TR ist gleichmäßig beschränkt.
Sei nun ε > 0. Dann existiert ϕ ∈ S mit kx − ϕkL2 ≤ ε, da S ⊆ L2 (R) dicht liegt. Wegen der
Konvergenz TR ϕ → Fϕ gibt es R0 > 0 mit
kTR ϕ − FϕkL2 ≤ ε
für alle R > R0 .
Es folgt
kTR x − FxkL2
≤ kTR x − TR ϕkL2 + kTR ϕ − FϕkL2 + kFϕ − FxkL2
√
√ ¢
¡√
≤ kTR k kx − ϕkL2 + ε + 2π kϕ − xkL2 ≤
2π + 1 + 2π ε
| {z } | {z }
| {z }
√
≤ 2π
ε
=ε
77
für R ≥ R0 . Also erhalten wir Konvergenz TR x → Fx für R → ∞.
Die zweite Formel wird genauso bewiesen.
2
Bemerkung: Allgemeiner gilt die Aussage, dass eine Folge (An ) von linearen Operatoren genau dann punktweise konvergiert, wenn sie auf einer dichten Teilmenge punktweise konvergiert
und gleichmäßig beschränkt ist. Dies ist der Satz von Banach-Steinhaus (siehe Vorlesung über
Funktionalanalysis).
Folgerung 5.9 Auf L2 (R) ∩ L1 (R) stimmt der Operator F aus Satz 5.6 mit der Fouriertransformation aus Definition 5.1 überein und es gilt punktweise für alle t:
ZR
(Fx)(t) =
lim
R→∞
−R
x(s) e−ist ds ,
t ∈ R.
Beweis: Definition/Lemma 5.1 und Satz 5.8.
2
Fazit:
• F : L1 (R) → BC(R) ist beschränkt,
• F : S → S ist beschränkter Isomorphismus (mit Umkehrformel),
• F : L2 (R → L2 (R) ist beschränkter Isomorphismus, und es gibt eine Darstellung im Sinne
des Cauchy-Hauptwertes.
Insbesondere ist F auf S und auf L2 (R) injektiv. Dies gilt auch in L1 (R):
Satz 5.10 F : L1 (R) → BC(R) ist injektiv.
Beweis: Sei x ∈ L1 (R) mit Fx = 0. Wähle eine Folge (xn ) ⊆ S mit kxn − xkL1 → 0, n → ∞.
Weiter definiere zu a < b und ε > 0 die Funktion ψε wie im Beweis von Lemma 5.7. Dann hat
ψε ∈ C0∞ (R) ⊆ S die Eigenschaften
ψε (t) ∈ [0, 1] für t ∈ R ,
ψε (t) = 1 für t ∈ [a, b] ,
ψε (t) = 0 für t ∈
/ [a − ε, b + ε] .
Wegen kψε k∞ ≤ 1 folgt
Z
¯
¯
¯hxn , ψε iL2 − hx, ψε iL2 ¯ ≤
∞
−∞
|xn − x| |ψε | ds ≤ kxn − xkL1 → 0 , n → ∞ ,
also hxn , ψε iL2 → hx, ψε iL2 . Auf der anderen Seite folgt mit der Plancherelschen Gleichung
¯
¯
¯hxn , ψε iL2 ¯ =
≤
¯
1
1 ¯¯
hFxn , Fψε iL2 ¯ ≤
2π
2π
1
kFxn )k∞
2π
Z∞
Z∞
−∞
¯
¯
¯(Fψε )(t)¯ dt =
−∞
Also ist hx, ψε iL2 = 0, d.h.
¯
¯¯
¯
¯(Fxn )(t)¯ ¯(Fψε )(t)¯ dt
1
kFxn )k∞ kFψε kL1 → 0 ,
2π
Z∞
x(s) ψε (s) ds = 0 .
−∞
78
n → ∞.
Dies gilt für alle a < b und ε > 0. Lassen wir ε gegen Null gehen, so folgt mit dem Lebesgueschen
Konvergenzsatz (Integrand ist beschränkt durch die integrierbare Funktion |x| und konvergiert
punktweise gegen x(s) für s ∈ [a, b] und 0 für s ∈
/ [a, b], also
Zb
x(s) ds = 0
a
für alle a < b. Hieraus folgt (Eigenschaft des Lebesgue-Integrals), dass x = 0 fast überall.
2
Ein weiteres Resultat, das über die Approximation mit glatten Funktionen gewonnen wird, ist
das sogenannte Riemann-Lebesgue-Lemma:
Satz 5.11 Für jedes x ∈ L1 (R) ist lim (Fx)(t) = 0.
|t|→∞
Beweis: Sei x ∈ L1 (R) und ε > 0. Dann existiert z ∈ S mit kx
¯ − zkL1¯ ≤ ε/2. Wegen Fz ∈ S
ist lim (Fz)(t) = 0. Daher kann man T > 0 so wählen, dass ¯(Fz)(t)¯ ≤ ε/2 für alle |t| ≥ T .
|t|→∞
Für diese t ist
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯(Fx)(t)¯ ≤ ¯F(x − z)(t)¯ + ¯(Fz)(t)¯ ≤ kF(x − z)k∞ + ε
2
ε
ε ε
≤ kx − zkL1 +
≤
+
= ε.
2
2 2
2
1
Folgerung 5.12 (a) Also bildet
die Fouriertransformation
©
ª den Raum L (R) in den abgeschlossenen Unterraum x ∈ C(R) : lim x(t) = 0 von BC(R) ab. (Aber selbst auf
|t|→∞
diesem Raum ist F nicht surjektiv!)
(b) Für x ∈ L1 (R) beschreibt t 7→ (Fx)(t), t ∈ R, die Parametrisierung einer Kurve in C, die
bei 0 startet und in 0 endet.
Die Abbildungseigenschaften eines Faltungsoperators mit Kern in L1 (R) werden in der Literatur
als Young’sche Sätze bezeichnet. Die für uns wichtigen Eigenschaften sind im folgenden Satz
zusammengefasst.
Lemma 5.13 (Young) Sei x ∈ L1 (R). Dann gilt:
(i) y ∈ BC(R) =⇒ x ∗ y ∈ BC(R) und kx ∗ yk∞ ≤ kxkL1 kyk∞ .
(ii) y ∈ L∞ (R) =⇒ x ∗ y ∈ L∞ (R) und kx ∗ yk∞ ≤ kxkL1 kyk∞ .
(iii) y ∈ Lp (R), p ∈ [1, ∞) =⇒ x ∗ y ∈ Lp (R) und kx ∗ ykLp ≤ kxkL1 kykLp .
Beweis: (i), (ii) folgen direkt aus der Definition/Lemma 5.3.
Beweis von (iii): 1. Fall: Sei zunächst p = 1, d.h. x, y ∈ L1 (R). Betrachte
Z∞
x(t − s) y(s) ds .
{z
}
|
(x ∗ y)(t) =
−∞
79
=:z(t,s)
Dann ist z(·, s) ∈ L1 (R) für fast alle s ∈ R und
¯ ∞
¯
¯Z
¯
Z∞
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯ ≤ ¯y(s)¯
¯x(t − s)¯ dt = ¯y(s)¯kxkL1 ∈ L1 (R) ,
z(t,
s)
dt
¯
¯
¯
¯
−∞
sowie
−∞
¯
¯
¯
Z∞ ¯ Z∞
Z∞
¯
¯
¯
¯
¯
¯y(s)¯ ds kxkL1 = kykL1 kxkL1 .
z(t, s) dt¯¯ ds ≤
¯
¯
¯
−∞ −∞
−∞
R∞
z(t, ·) dt ∈ L1 (R). Nach dem Satz von Fubini-Tonelli ( Umkehrung“ des Satzes
”
−∞
1
1
von Fubini) folgt z ∈ L (R × R), z(t, ·) ∈ L (R) und
Somit ist auch
Z
Z∞ Z∞
Z∞ Z∞
z(t, s) d(t, s) =
z(t, s) dt ds =
z(t, s) ds dt
−∞ −∞
R×R
−∞ −∞
gilt. Also gilt x ∗ y ∈ L1 (R) und die angegebenen Abschätzung.
2. Fall: Sei nun p ∈ (1, ∞) und definiere q ∈ R durch p1 + 1q = 1. Dann ist
 ∞
p
Z ³
´
1
1
|(x ∗ y)(t)|p ≤ 
|x(t − s)| p |y(s)| |x(t − s)| q ds
−∞

Z∞
|x(t − s)| |y(s)| ds 
|
{z
}
p
≤
−∞
=:z(t,s)
p
Z∞
q
|x(t − s)|ds .
−∞
(Höldersche Ungleichung!) Für z gilt analog zum 1. Fall, dass z ∈ L1 (R × R) ist. Weiter folgt
p
kx ∗ ykpLp ≤ kxkLq 1 kxkL1 kykpLp = kxkpL1 kykpLp
(denn 1 +
p
q
= p).
2
Der Faltungssatz kann auch übertragen werden:
Satz 5.14 Sei x ∈ L1 (R) und y ∈ Lp (R) mit p = 1 oder p = 2. Dann ist
F(x ∗ y) = (Fx) (Fy)
mit den entsprechenden Fouriertransformationen in L1 (R) und L2 (R).
Beweis: Seien (xn ), (yn ) ⊆ S Folgen mit
kxn − xkL1 → 0
and kyn − ykLp → 0 ,
n → ∞.
Dann gilt
(∗)
F(xn ∗ yn ) = (Fxn ) (Fyn ) .
Nach Lemma 5.13 gilt
kxn ∗ yn − x ∗ ykLp
≤ kxn ∗ (yn − y)kLp + k(xn − x) ∗ ykLp
≤ kxn kL1 kyn − ykLp + kxn − xkL1 kykLp → 0 für n → ∞ .
80
Ist p = 1, so benutzen wir die Beschränktheit von F als Operator von L1 (R) nach BC(R).
Die linke Seite von (∗) konvergiert gegen F(x ∗ y) in BC(R), die rechte Seite von (∗) gegen
(Fx) (Fy), ebenfalls in BC(R).
Ist p = 2, so benutzen wir die Beschränktheit von F als Operator von L2 (R) in sich. Daher
konvergert die linke Seite von (∗) in L2 (R) und ebenfalls die rechte Seite von (∗) als Produkt
zweier Folgen in BC(R) und L2 (R).
2
5.2
Faltungsgleichungen über R
Als Literatur zu diesem Abschnitt bietet sich das Buch K. Jörgens, Lineare Integraloperatoren,
Teubner 1970 an. Wir untersuchen das Problem einer Lösungstheorie zu Integralgleichungen der
Form
Z∞
λx(t) −
k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R ,
−∞
oder kurz
λx − k ∗ x = y .
(5.1)
Bemerkung 5.15 Wenden wir auf (5.1) formal die Fouriertransformation an, so folgt die algebraische Gleichung
(λ − Fk) (Fx) = Fy
(5.2)
bzw.
µ
x = F −1
Fy
λ − Fk
¶
.
(i) Wenn alle Operationen sinnvoll sind, ist dies eine analytische Lösungsmethode für (5.1).
(ii) Um eine Existenztheorie zu bekommen sind folgende Fragen zu klären:
(i) In welchen Räumen liegen x und y? Wir haben F auf L1 (R) und L2 (R) geklärt, d.h.
(5.1) in diesen Räumen wäre wünschenswert.
(ii) In welchem Raum liegt k? Wegen des Youngschen
Lemmas ist k ∈ L1 (R) sinnvoll,
(
BC(R) , p = 1 ,
denn k ∗ x ∈ Lp (R), p = 1, 2, und F(k ∗ x) ∈
führt auf wohldefiL2 (R) , p = 2 ,
nierte Gleichungen (5.1) und (5.2).
F(y)
(iii) In welchem Raum liegt der Quotient λ−F(k)
? Um F −1 anwenden zu können, muss
der Quotient im Bildraum der Fouriertransformation sein.
Beispiel 5.16
a) Gesucht ist die Lösung der Integralgleichung
Z∞
25
2
e− 2 (t−s) x(s) ds =
−∞
a2 2
1 −8t2
e
.
25
Setze fa (t) = e− 2 t . Dann ergibt die Fouriertransformation der Integralgleichung die
algebraische Gleichung
1
Ff4
(Ff5 )(Fx) =
25
bzw.
1 Ff4
.
Fx =
25 Ff5
81
√
1
2π − 2a2 t2
.
a e
Mit Beispiel 5.2 ist (Ffa )(t) =
1
2
1 5 e− 2·16 t
(Fx)(t) =
1
t2
25 4 e 2·25
=
Also folgt
1 − 1 ( 1 − 1 )t2
1 − 1 ( 3 )2 t2
1
=
e 2 16 25
e 2 20
= √ (Ff 20 )(t)
3
20
20
3 2π
und somit x = 3√12π f 20 . (Alle auftretenden Funktionen liegen in S, so dass die Lösungs3
methode genutzt werden kann).
b) Gesucht ist eine Lösung des Dirichlet Problems
∆u(x) = 0 ,
x ∈ H = {x ∈ R2 : x2 > 0} ,
u(x1 , 0) = g(x1 ) ,
x1 ∈ R .
Ferner verlangen wir, dass u beschränkt ist und lim|x1 |→∞ u(x1 , x2 ) = lim|x1 |→∞
0 für jedes x2 > 0.
∂
∂x1 u(x1 , x2 )
Wir nehmen sogar an, dass u(·, x2 ), g ∈ S für jedes x2 > 0. Dann folgt für die Fouriertransformation
Z∞
u(x1 , x2 ) e−ix1 t dx1
û(t, x2 ) = (Fx1 u)(t, x2 ) =
−∞
bzgl. x1 :
∂2
û(t, x2 ) = 0 .
∂x2
Fx1 (∆u)(t, x2 ) = −t2 û(t, x2 ) +
Die Randbedingung wird transformiert in
û(t, 0) = (Fg)(t) ,
t ∈ R.
Dies ist eine gewöhnliche Differentialgleichung 2. Ordnung bzgl. x2 mit Anfangsbedingungen in x2 = 0 und Parameter t ∈ R. Die allgemeine Lösung ist
û(t, x2 ) = α(t)e|t|x2 + β(t)e−|t|x2 .
Aus der Anfangsbedingung folgt
α(t) + β(t) = (Fg)(t) ,
t ∈ R.
Da u beschränkt sein soll, folgt α(t) = 0 und daher
û(t, x2 ) = (Fg)(t) e−|t|x2 = (Fg)(t) (Ffx2 )(t)
mit
fx2 (t) =
x2
+ x22 )
π(t2
(siehe Beispiel 5.2a), in dem t durch
t
ersetzt wird).
x2
Also ist Fx1 u = Fx1 (g ∗ fx2 ). Aus der Umkehrformel (u, g ∈ S, fx2 ∈ L1 (R) für x2 > 0)
folgt die sogenannte Poissonformel
Z∞
u(x) = (g ∗ fx2 )(x) =
−∞
x2
g(x1 − s)
ds =
2
π(s + x22 )
| {z }
Poissonkern für H
82
Z∞
g(s)
−∞
x2
¤.
π (x1 − s)2 + x22
£
=
Wir können diese Formel auch anders interpretieren. Wir erinnern uns an die Fundamen1
tallösung Φ(x, y) = − 2π
ln |x − y| für die Laplacegleichung (letztes Kapitel!) und rechnen
das Doppelschichtpotential mit Dichte g für den Rand ∂H = R × {0} aus. Es ist
∂
∂
x2
¤
Φ(x, y) = −
Φ(x, y) = − £
∂ν(y)
∂y2
2π (x1 − y1 )2 + x22
für y2 = 0 und daher (ersetze s durch y1 )
Z∞
u(x) = (g ∗ fx2 )(x) = −2
g(y1 )
−∞
∂
Φ(x, y) dy1 ,
∂ν(y)
x∈H.
Die Sprungbedingungen von Satz 4.11 liefern
Z∞
lim u(x) = g(x1 ) − 2
x2 →0
g(y1 )
−∞
∂
Φ(x, y) dy1 = g(y1 )
∂ν(y)
für x2 = 0 ,
da der direkte Wert der partiellen Ableitung für x2 = 0 verschwindet. Daher erkennen
wir, dass die Lösung des Randwertproblems durch das Doppelschichtpotential mit Dichte
g gegeben ist.
Wir kommen zurück zur Integralgleichung vom Faltungstyp in der Form
λx − k ∗ x = y.
Am einfachsten ist die Lösungstheorie im L2 (R).
Satz 5.17 Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C, λ 6= 0.
Die Gleichung λx − k ∗ x = y ist genau dann für jedes y ∈ L2 (R) eindeutig lösbar in L2 (R),
wenn λ ∈
/ k̂(R). Hier, k̂ = Fk. In diesem Fall ist die Lösung x ∈ L2 (R) gegeben durch
µ
¶
Fy
−1
x = F
.
λ − Fk
Beweis: 1. Teil: Die Gleichung sei lösbar für jede rechte Seite y ∈ L2 (R), also auch für y(t) =
exp(−t£2 ), t ∈ R.¤ Es gibt also x ∈ L2 (R) mit λx − k ∗ x = y. Die Fouriertransformation (in L2 (R))
liefert λ − k̂(t) (Fx)(t) = (Fy)(t) fast überall. Wegen y ∈ S ist die rechte Seite stetig und auch
strikt positiv für alle t. Daher kann das Produkt auf der linken Seite für kein t verschwinden,
d.h. insbesondere λ 6= k̂(t) für alle t ∈ R.
2. Teil: Es sei λ ∈
/ k̂(R). Da außerdem λ 6= 0, so liegt λ nicht in der kompakten (!) Menge
K =¯ k̂(R) ∪ {0}
¯ ⊂ C. Daher ist der Abstand von λ zu K strikt positiv, d.h. es existiert ein ρ > 0
mit ¯λ − k̂(t)¯ ≥ ρ für alle t ∈ R. Da außerdem k̂ stetig ist mit Limes 0 für |t| → ∞, so ist die
£
¤
Fy
Funktion t 7→ 1/ λ − k̂(t) eine stetige und beschränkte Funktion. Also liegt die Funktion λ−Fk
2
in L (R), und die inverse Fouriertransformation kann angewandt werden. Die Lösungsformel ist
also wohldefiniert. Dass sie die Lösung liefert,
£ ist klar: Man wende die Fouriertransformation an
und erhält λ Fx − (Fk)(Fx) = Fy, d.h. F λx − k ∗ x] = Fy, d.h. λx − k ∗ x = y.
2
Es ist das Ziel, diesen Satz auf die Räume Lp (R) für alle p ∈ [1, ∞] zu übertragen. Schon bei
Fy
L1 (R) besteht die Schwierigkeit darin, dass nicht klar ist, ob die Funktion λ−Fk
im Wertebereich
83
der Fouriertransformation F : L1 (R) → BC(R) liegt. Der Beweis des entsprechenden Satzes (von
Wiener) erfordert mehr Hilfsmittel aus der Spektraltheorie.
Sei X ein Banachraum über C, A : X → X ein beschränkter linearer Operator. Dann heißen
©
ª
ρ(A) = µ ∈ C : µI − A beschränkt invertierbar
und σ(A) = C \ ρ(A)
die Resolventenmenge bzw. das Spektrum von A.5 Wir definieren
r(A) = lim sup kAn k1/n und
n→∞
©
ª
s(A) = sup |µ| : µ ∈ σ(A) .
Die beiden Zahlen sind gleich:
Definition und Satz 5.18
(a) Es ist r(A) = s(A), und diese Zahl heißt Spektralradius von A.
(b) Sind A, B : X → X beschränkt und kommutieren sie (d.h. AB = BA), so gilt r(AB) ≤
r(A)r(B).
Beweis: Für Teil (a) verweisen wir auf die Literatur über Funktionalanalysis.
(b) Wegen (AB)n = An B n ist
r(AB) = lim sup k(AB)n k1/n = lim sup kAn B n k1/n
n→∞
n→∞
£ n 1/n n 1/n ¤
≤ lim sup kA k kB k
≤ r(A) r(B) .
n→∞
2
Wir erinnernP
noch an das Störungslemma (Satz 2.20): Ist r(A) < 1, so ist I − A bijektiv und
n
(I − A)−1 = ∞
n=0 A (Neumannsche Reihe).
Satz 5.19 (von Wiener)
Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C \ {0}. Es ist die Integralgleichung vom Faltungstyp λx − k ∗ x = y, d.h.
Z∞
λ x(t) −
k(t − s) x(s) ds = y(t) ,
t ∈ R,
−∞
genau dann für jedes y ∈ L1 (R) eindeutig lösbar in L1 (R), wenn λ ∈
/ k̂(R) (wobei wieder k̂ =
Fk).
Beweis: Die Notwendigkeit der Bedingung λ ∈
/ k̂(R) wurde schon in Satz 5.17 bewiesen und
überträgt sich ¯ganz analog.
Sei
also
λ
∈
/
k̂(R).
Dann
existiert (siehe wieder Beweis von Satz 5.17)
¯
¯
¯
ein ρ > 0 mit λ − k̂(t) ≥ ρ für alle t ∈ R.
Wir betrachten zuerst den Spezialfall k ∈ S. Wir schreiben
·
¸
Fy
1
Fk
=
Fy +
Fy .
λ − Fk
λ
λ − Fk
5
beschränkt invertierbar“ bedeutet, dass die Inverse beschränkt ist. Auf diese Forderung kann verzichtet
”
werden, da nach dem Satz von Banach die Inverse eines bijektiven beschränkten Operators automatisch beschränkt
ist.
84
Fk
Es ist λ−F
k ∈ S (man mache sich das klar!). Da die Fouriertransformation auf S invertierbar
Fk
ist, so existiert z ∈ S mit Fz = λ−Fk
. Definiere jetzt
x =
¤
1£
y + z∗y .
λ
Dann ist x ∈ L1 (R) und
Fx =
¤
1£
Fy
Fy + (Fz)(Fy) =
,
λ
λ − Fk
d.h. λ Fx − (Fk)(Fx) = Fy, d.h. wieder λx − k ∗ x = y.
Sei jetzt allgemein k ∈ L1 (R). Wir approximieren wieder k durch glatte Funktionen, d.h. wählen
eine Folge kn ∈ S mit kkn − kkL1 → 0 für n → ∞. Wegen der Beschränktheit der Fouriertransformation gilt kk̂n − k̂k∞ → 0 für n → ∞, d.h. gleichmäßige Konvergenz k̂n → k̂ der Folge
stetiger Funktionen.
¯ Wegen dieser gleichmäßigen Konvergenz sieht man leicht, dass es N ∈ N
¯
gibt mit ¯λ − k̂n (t)¯ ≥ ρ/2 für alle t ∈ R und alle n ≥ N . Auf kn ∈ S für n ≥ N können wir
jetzt den ersten Fall anwenden. Definieren wir den Integraloperator Kn : L1 (R) → L1 (R) durch
Kn x = kn ∗ x, so ist also λI − Kn invertierbar für jedes n ≥ N . Wir wollen das Störungslemma anwenden, um die Invertierbarkeit von λI − K zu zeigen. Dazu schreiben wir (immer im
Folgenden für n ≥ N )
£
¤
λI − K = (λI − Kn ) I − (λI − Kn )−1 (K − Kn ) .
Wir
¡ müssen zeigen, dass¢die Klammer [· · · ] invertierbar ist. Wegen des Störungslemma reicht es,
r (λI − Kn )−1 (K − Kn ) < 1 zu zeigen. Die Operatoren (λI − Kn )−1 und K − Kn kommutieren.
Das sieht man so:
(λI − Kn )−1 (K − Kn ) − (K − Kn )(λI − Kn )−1
£
¤
= (λI − Kn )−1 (K − Kn )(λI − Kn ) − (λI − Kn )(K − Kn ) (λI − Kn )−1 = 0 ,
da (K − Kn )(λI − Kn )x − (λI − Kn )(K − Kn )x = Kn Kx − KKn x = kn ∗ k ∗ x − k ∗ kn ∗ x = 0.
Daher ist
¡
¢
¡
¢
¡
¢
r (λI − Kn )−1 (K − Kn ) ≤ r (λI − Kn )−1 r(K − Kn ) ≤ r (λI − Kn )−1 kK − Kn kL1 →L1 ,
da für jeden Operator A gilt: r(A) ≤ kAk. Zunächst schätzen wir den zweiten Faktor ab:
kKx − Kn xkL1 = k(k − kn ) ∗ xkL1 ≤ kk − kn kL1 kxkL1 ,
¡
¢
−1
d.h. kK −Kn kL1 →L1 ≤ kk −kn kL1 → 0 für n → ∞. Es bleibt also zu zeigen, dass r (λI −K
¡n)
beschränkt
bleibt bzgl. n ≥ N . Wir benutzen dazu die Gleichheit r(A) = s(A). Sei µ ∈ σ (λI −
¢
−1
Kn ) ., d.h. µI − (λI − Kn )−1 ist nicht invertierbar. Multiplikation mit dem invertierbaren
Operator λI − Kn besagt, dass auch µ(λI − Kn ) − I nicht invertierbar ist, d.h. (µλ − 1)I − µKn
ist nicht invertierbar. Natürlich ist µ 6= 0. Also ist µλ−1
µ I − Kn nicht invertierbar. Jetzt sind wir
in der Situation vom ersten Fall, denn kn ∈ S. Wir unterscheiden zwei Fälle. Ist µλ £− 1 = 0, so
¤
ist µ = 1/λ. Ist µλ − 1 6= 0, so muss es ein t ∈ R geben mit µλ−1
= k̂n (t), d.h. µ = 1/ λ − k̂n (t) .
µ
In diesem Fall ist |µ| ≤ 1/(ρ/2) = 2/ρ. Insgesamt ist also
½
¾
¡
¢
1 2
µ ≤ max
,
für alle µ ∈ σ (λI − Kn )−1 .
λ ρ
Daher haben wir eine obere Schranke des Spektrums von (λI − Kn )−1 gefunden, und der Satz
ist bewiesen.
2
Bevor wir den Satz für beliebige p beweisen, brauchen wir das folgende Lemma.
85
Lemma 5.20 Sei p ∈ [1, ∞] und k, z ∈ L1 (R) sowie y ∈ Lp (R). Dann gilt k ∗ (z ∗ y) = (k ∗ z) ∗ y.
Beweis: Man mache sich klar (mit dem Lemma von Young), dass alle Faltungen existieren.
Sei zunächst p < ∞. Wir wählen kn , zn , yn ∈ S mit kn → k und zn → z in L1 (R) sowie
yn → y in Lp (R). Dann folgt die Formel kn ∗ (zn ∗ yn ) = (kn ∗ zn ) ∗ yn durch Vertauschung
der Integrationsreihenfolge. Wegen der Stetigkeit der Faltung folgt dann auch die Gleichung für
k, z, y. Für den Fall p = ∞ kann man y nicht approximieren, dann argumentiert man direkt mit
dem Satz von Fubini und zeigt kn ∗ (zn ∗ y) = (kn ∗ zn ) ∗ yn , woraus dann wieder die Behauptung
folgt.
2
Satz 5.21 Sei k ∈ L1 (R) und λ ∈ C \ {0} sowie p ∈ [1, ∞]. Die Integralgleichung λx − k ∗ x = y,
d.h.
Z∞
λ x(t) −
k(t − s) x(s) ds = y(t) , t ∈ R ,
−∞
ist genau dann für jedes y ∈ Lp (R) eindeutig lösbar in Lp (R), wenn λ ∈
/ k̂(R) (wobei wieder
k̂ = Fk). In diesem Fall kann die Lösung x ∈ Lp (R) dargestellt werden in der Form
¤
1£
x =
y + z∗y ,
λ
wobei z ∈ L1 (R) die nach dem Satz von Wiener eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung
λz − k ∗ z = k ist.
Beweis: Wir definieren x durch x =
1
λ
[y + z ∗ y]. Dann ist x ∈ Lp (R) und
¤
¤
1£
1£
k ∗ y + k ∗ (z ∗ y) =
k ∗ y + (k ∗ z) ∗ y
λ
λ
¤
1£
=
k ∗ y + (λz − k) ∗ y) = z ∗ y ,
λ
also λx = y + z ∗ y = y + k ∗ x, d.h. x ist Lösung. Es ist auch die einzige Lösung, denn aus
λx − k ∗ x = 0 folgt 0 = λ z ∗ x − z ∗ (k ∗ x) = λ z ∗ x − (z ∗ k) ∗ x = λ z ∗ x − (λ z − k) ∗ x = k ∗ x.
Also ist auch λ x = k ∗ x = 0, d.h. x = 0.
2
k∗x =
5.3
Die Hilberttransformation
Es folgt ein kleiner Ausflug über die Hilberttransformation. Eine mögliche Definition ist die
folgende:
Definition und Satz 5.22 Für x ∈ S(R) existiert die Hilberttransformation
1
(Hx)(t) =
π
Z∞
−∞
x(s)
ds ,
t−s
t ∈ R,
wobei das Integral im Cauchyschen Hauptwertsinn zu verstehen ist, also
 t−ε

Z
Z∞
1
x(s)
x(s)
(Hx)(t) =
lim 
ds +
ds .
π ε→0
t−s
t−s
−∞
t+ε
Ferner gilt die Darstellung
1
(Hx)(t) =
2π
Z∞
−∞
x(t − s) − x(t + s)
ds ,
s
wobei jetzt das Integral im uneigentlichen Sinn zu verstehen ist.
86
t ∈ R,
Beweis: Wir spalten auf:
 t−ε

Z
Zt+1
Zt−1
Z∞
x(s)
x(s)
x(s)
x(s)
[· · · ] = 
ds +
ds +
ds +
ds .
t−s
t−s
t−s
t−s
−∞
t+ε
t−1
t+1
Die letzten beiden Integrale existieren wegen dem Abfallverhalten von x. Ferner ist
Zt−ε
t−1
x(s)
ds +
t−s
Zt+1
t+ε
x(s)
ds =
t−s
Zt−ε
t−1
x(s) − x(t)
ds +
t−s
· Zt−ε
+ x(t)
t−1
|
Zt+1
t+ε
x(s) − x(t)
ds
t−s
¸
Zt+1
1
1
ds +
ds .
t−s
t−s
t+ε
{z
}
= 0
Die Funktion ψ(s) = x(s)−x(t)
ist in t stetig ergänzbar (l’Hospitalsche Regel), daher existieren
t−s
die beiden ersten Integrale und auch der Limes ε → 0.
Für den zweiten Teil der Behauptung setzen wir
Zt−ε
I =
−∞
x(s)
ds +
t−s
Z∞
x(s)
ds
t−s
t+ε
und substituieren s0 = t − s. Dann erhalten wir
Z∞
I =
ε
x(t − s0 ) 0
ds +
s0
Z−ε
−∞
x(t − s0 ) 0
ds =
s0
Z∞
ε
x(t − s) − x(t + s)
ds ,
s
wobei wir im ersten Integral wieder s statt s0 geschrieben und im zweiten Integral s = −s0
substituiert haben. Substituieren wir in dieser Formel noch einmal s für −s, so erhalten wir
Z−ε
I = −
−∞
x(t + s) − x(t − s)
ds ,
s
und daher nach Addition
Z∞
2I =
ε
x(t − s) − x(t + s)
ds +
s
Z−ε
−∞
x(t − s) − x(t + s)
ds .
s
Dies beendet den Beweis.
2
Man kann die Hilberttransformation auch einfach durch die Fouriertransformation ausdrücken.
Satz 5.23 Für x ∈ S(R) ist
¡
¢
Hx = −i F −1 (Fg) sign ,
wobei F für die Fouriertransformation steht und sign die Signum-Funktion ist, d.h. sign s = s/|s|
für s 6= 0.
87
Beweis: Mit x̂ = Fx ist
(Hx)(t) = (HF
−1
x̂)(t) =
1
2π
= −
Z∞
−∞
1 1
s 2π
2i
(2π)2
Z∞ ³
´
ei(t−s)σ − ei(t+s)σ x̂(σ) dσ ds
−∞
Z∞ Z∞
1 itσ
e sin(sσ) x̂(σ) dσ ds .
s
−∞ −∞
Wir würden gern die Integrationsreihenfolge vertauschen. So einfach ist das aber nicht (weshalb
nicht?), daher betrachten wir
Za Z∞
−a −∞
1 itσ
e sin(sσ) x̂(σ) dσ ds =
s
Z∞
Za
e
itσ
−∞
x̂(σ)
−a
sin(sσ)
ds dσ
s
Z∞
eitσ x̂(σ) ψa (σ) dσ
= π
(5.3)
−∞
mit
1
ψa (σ) =
π
Za
−a
1
sin(sσ)
ds =
s
π
Zaσ
−aσ
sin s
ds =: ϕ(aσ) .
s
In (5.3) durften wir die Integrationsreihenfolge vertauschen, da der Integrand bzgl. (σ, s) ∈
R × [−a, a] glatt und integrierbar ist. Die Funktion ψa konvergiert für a → ∞ punktweise
gegen
¯
¯
sign, d.h. ψa (σ) → σ/|σ| für σ 6= 06 . Ferner ist ψa beschränkt, d.h. es gibt c > 0 mit ¯ψa (σ)¯ ≤ c
für alle a > 0 und σ ∈ R. Dies folgt aus der Beschränktheit von ϕ. Daher existiert in (5.3) der
Limes für a → ∞, und es ist
i
(Hx)(t) = −
2π
Z∞
eitσ x̂(σ) sign σ dσ = −i F −1 (x̂ sign)(t) .
−∞
Damit ist der Beweis beendet.
2
Folgerungen 5.24 (a) Wir können die Aussage des Satzes auch formulieren als
FHx = −i (sign) F(x)
für alle x ∈ S(R) ,
d.h. im Fourierraum besteht iH einfach aus der Multiplikation mit der sogenannten HeavysideFunktion sign. Wir können die Formel des Satzes benutzen, um H als beschränkten Operator
auf L2 (R) fortzusetzen. Für diesen gilt dann auch H 2 = −I, wie man sofort ausrechnet.
(b) Wegen (Fx0 )(s) = is (Fx)(s) ist (FHx0 )(s) = |s| (Fx)(s). Diese Formel werden wir im
nächsten Kapitel benutzen.
6
Wissen Sie, wie man dies beweist? Hinweis:
Benutzen Sie die Cauchysche Integralformel
der Funktionentheorie
˘
¯
für die Funktion f (z) = eiz /z im Gebiet z ∈ C : |Re z| < a, 0 < Im z < a, |z| > ε und lassen Sie erst ε gegen
Null gehen und dann a gegen unendlich.
88
Beispiel 5.25 (Frequenzabhängige Dielektrizität)
Bei elektromagnetischen Wellen in Medien mit frequenzabhängiger Dielektrizität kann in guter
Näherung im Frequenzbereich“ ein linearer Zusammenhang zwischen dielektrischer Verschie”
bung D(x, t) und elektrischem Feld E(x, t) angenommen werden, d.h.
£
¤
D̂(x, ω) = ε(ω) Ê(x, ω) = ε(ω) − 1 Ê(x, ω) + Ê(x, ω) ,
∧
wobei Ê(x, ω) = Ft E(x, ω) gesetzt ist. Anwendung des Faltungssatzes scheint hier nützlich. Mit
dem Faltungssatz ergibt sich
£
¤
D(x, t) = F −1 (ε − 1) ∗ E(x, t) + E(x, t)
mit dem Suszeptibilitätskern“
”
£
¤
Ξ(t) = F −1 (ε − 1) (t) =
1
2π
Z∞
(ε(ω) − 1) eiωt dω .
−∞
£ −1
Um
¤ von D auf E zu schließen, müssen wir bzgl. t eine Faltungsgleichung lösen: E(x, ·)+ F (ε−
1) ∗E(x, ·) = D(x, ·). Mit dem Satz von Wiener ist diese eindeutig lösbar, falls −1 6= (FΞ)(ω) =
ε(ω) − 1 für alle ω ∈ R ist. Also gibt es unter der Voraussetzung ε(ω) 6= 0 genau eine Lösung
E(x, t).
89
6
Die Radontransformation
6.1
Einführung in die Computertomographie
Wir betrachten einen ebenen waagerechten Schnitt durch einen dreidimensionalen Körper. Mit
ρ(x), x ∈ R2 , bezeichnen wir die Dichteänderung im Punkt x gegenüber dem (homogenen)
Hintergrund. Es ist also ρ(x) = 0 für x ∈
/ D, wenn D der Schnitt des dreidimensionalen Körpers
mit der (x1 , x2 )−Ebene ist. Sei L eine Gerade im R2 , parametrisiert durch einen Einheitsvektor
θ̂ ∈ S 1 und eine Zahl s ∈ R. Hier und im folgenden sei S 1 = {x ∈ R2 : |x| = 1} der Einheitskreis
in der Ebene. Es sei also
©
ª
L = Lθ̂,s = x = sθ̂ + tθ̂⊥ : t ∈ R ,
die Gerade senkrecht zu θ̂ mit Abstand |s| vom Ursprung, wobei
µ
¶
µ
¶
− sin θ
cos θ
⊥
θ̂ =
für θ̂ =
.
cos θ
sin θ
Entlang dieser Geraden wird ein Röntgenstrahl durch den Schnitt D geschickt, und der Intensitätsverlust auf der anderen Seite gemessen. Ist I = I(x) die Intensität an der Stelle x ∈ R2 , so
ist die Intensitätsänderung dI auf einem kleinen Streckenabschnitt dt proportional zu ρ(x)I(x)dt,
also dI = −γρ(x)I(x)dt mit einer positiven Proportionalitätskonstanten γ. Integration bzgl. t
von −∞ bis ∞ liefert
Z
ln I = −γ
Z∞
ρ(sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt .
ρ(x) d` = −γ
−∞
L
Das erste Integral beschreibt hier das Kurvenintegral entlang der Kurve L, das zweite Integral benutzt die Parametrisierung der Geraden L. Man beachte, dass hier nur über einen beschränkten
Bereich integriert wird, da ρ außerhalb von D verschwindet. Im Prinzip misst die Computertomographie diese Intensitäten für alle Geraden Lθ̂,s , θ̂ ∈ S 1 , s ∈ R. Dies bedeutet, dass die
Funktion ρ : D → R aus der Kenntnis der Radontransformation
Z∞
ρ(sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt ,
(Rρ)(θ̂, s) :=
(θ̂, s) ∈ S 1 × R ,
(6.4)
−∞
bestimmt werden muss. Es ist also die Gleichung Rρ = g zu lösen für gegebenes g : S 1 × R → R.
Die Radontransformation selbst geht auf Radon 19177 zurück. Sie wurde 1963 von Cormack8
wiederentdeckt (in der Arbeit verwies er in keiner Weise auf Radon) und für radiologische Anwendungen vorgeschlagen. Die medizinische Umsetzung geht auf Hounsfield zurück (ab 1970).
Beide, der Mathematiker Cormack und der Mediziner Hounsfield erhielten dafür 1979 den Nobelpreis für Medizin.
Standardbücher zur Computertomographie sind:
• F. Natterer: The Mathematics of Computerized Tomography. J. Wiley, Teubner, 1886.
• G.T. Herman: Image Reconstruction from Projections. Academic Press, 1980.
7
Über die Bestimmung von Funktionen durch ihre Integralwerte längs gewisser Mannigfaltigkeiten
Representation of a Function by its Line Integrals, with Some Radiological Applications, J. of Appl. Physics
34, 1963
8
90
• S. Helgason: The Radon Transform. Birkhäuser, 1980.
Wir brauchen im Folgenden auch die zweidimensionale Fouriertransformation. Es sei analog zum
eindimensionalen Fall
©
£
¤
ª
S(R2 ) = f ∈ C ∞ (R2 ) : sup |x|p |Dn f (x)| < ∞ für alle p ∈ N0 , n ∈ N20 ,
x∈R2
wobei für n = (n1 , n2 ) ∈ N20 : Dn =
∂ n1 +n2
n
n ,
∂x1 1 ∂x2 2
sowie
Z
f (y) e−ix·y dy ,
(F2 f )(x) =
x ∈ R2 ,
R2
mit der Inversen
(F2−1 f )(x)
1
=
(2π)2
Z
f (y) eix·y dy ,
x ∈ R2 .
R2
6.2
Umkehrformeln für die Radontransformation
Definition 6.1 Für f ∈ S(R2 ) definieren wir die Radontransformation Rf durch (vgl. (6.4))
Z∞
f (sθ̂ + tθ̂⊥ ) dt ,
(Rf )(θ̂, s) :=
(θ̂, s) ∈ S 1 × R .
(6.5)
−∞
Hierbei ist wieder θ̂⊥ =
¡− sin θ¢
cos θ
¡cos θ¢
sin θ .
für θ̂ =
Bemerkung: Rf ist eine gerade Funktion auf dem Zylinder S 1 × R ⊂ R3 , denn mit der Variablentransformation t0 = −t ist
Z∞
Z∞
⊥
(Rf )(−θ̂, −s) :=
f (sθ̂ + t(−θ̂) ) dt =
f (sθ̂ + t0 θ̂⊥ ) dt0 = (Rf )(θ̂, s) .
−∞
−∞
Die Radontransformation bildet S(R2 ) in S(S 1 × R) ab, wobei
ª
©
£
¤
S(S 1 × R) = g|S 1 ×R : g ∈ C ∞ (R3 ), sup |x|p |∂ n g(x)/∂xn3 | < ∞ für alle p, n ∈ N0
x∈S 1 ×R
der Raum der Einschränkungen von Funktionen aus S(R3 ) auf S 1 × R bedeute.
Lemma 6.2 Die Radontransformation R bildet S(R2 ) in S(S 1 × R) ab.
¡
¢
¡
¢
Beweis: Sei ϕ ∈ C ∞ (R) eine Funktion mit ϕ(τ ) = 0 für τ ∈
/ 31 , 35 und ϕ(τ ) = 1 für τ ∈ 23 , 43 .
Sei f ∈ S(R2 ) und setze
Z∞
u(x1 , x2 , x3 ) =
ϕ(x21
+
x22 )
f (x3 x1 − tx2 , x3 x2 + tx1 ) dt
−∞
Z∞
= ϕ(x21 + x22 )
−∞
f
µ µ ¶
µ
¶¶
x1
−x2
x3
+t
dt für x ∈ R3 .
x2
x1
Dann ist u(cos θ, sin θ, s) = (Rf )(θ̂, s) für alle θ ∈ R und s ∈ R. Wegen f ∈ S(R2 ) und ϕ ∈
C0∞ (R) ist u ∈ C ∞ (R3 ). Jede partielle Ableitung bzgl. x3 multipliziert den Integranden nur mit
einem Polynom in x1 und x2 , also ist u ∈ S(S 1 × R).
2
Den Zusammenhang mit der Fouriertransformation liefert der folgende Satz:
91
Satz 6.3 (Projektionssatz)
Sei Fn : S(Rn ) → S(Rn ) die n−dimensionale Fouriertransformation vom letzten Abschnitt,
n = 1, 2. Für f ∈ S(R2 ) gilt
θ̂ ∈ S 1 , s ∈ R ,
(F2 f )(sθ̂) = (F1,s Rf )(θ̂, s) ,
(6.6)
wobei das Symbol F1,s bedeutet, dass die eindimensionale Fouriertransformation bzgl. der Variablen s angewendet wird.
Beweis: Wir rechnen aus:
Z∞
e−iσs (Rf )(θ̂, σ) dσ
(F1,s Rf )(θ̂, s) =
−∞
Z∞
Z∞
e−iσs f (σ θ̂ + tθ̂⊥ ) dt dσ
=
−∞ −∞
Z
e−iσs f (σ θ̂ + tθ̂⊥ ) d(t, σ) .
=
R2
Dies ist ein ebenes Gebietsintegral. Wir benutzen die Transformationsformel und transformieren
die (σ, t)−Ebene¡ in die (x1¢¡
, x¢2 )−Ebene. Wir setzen also
θ −sin θ σ
x = σ θ̂ + tθ̂⊥ = cos
sin θ cos θ
t . Dies ist eine Drehung um θ. Daher ist dx = d(σ, t) und σ = x · θ̂,
also
ZZ
(F1,s Rf )(θ̂, s) =
ei(sθ̂)·x f (x) dx = (F2 f )(sθ̂) .
R2
2
Dieser Satz liefert uns schon die Injektivität von R und sogar eine Umkehrformel: Für gerades
g ∈ S(S 1 × R) ist die Lösung f von Rf = g im Fourierraum gegeben durch
x ∈ R2 , x 6= 0 .
(F2 f )(x) = (F1,s g)(x/|x|, |x|) ,
Eine weitere Umkehrformel wird mit Hilfe der L2 −Adjungierten von R und der Hilberttransformation gewonnen.
Satz 6.4 Die L2 −Adjungierte R] : S(S 1 × R) → S(R2 ) von R : S(R2 ) → S(S 1 × R) ist gegeben
durch
Z
(R] g)(x) =
g(θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) , x ∈ R2 .
S1
Beweis: Es ist wieder mit der Transformation x = sθ̂ + tθ̂⊥ =
Z Z∞
¡cos θ
sin θ
−sin θ
cos θ
¢¡s¢
t :
Z Z∞ Z∞
f (sθ̂ + tθ̂⊥ ) g(θ̂, s) dt ds d`(θ̂)
(Rf )(θ̂, s) g(θ̂, s) ds d`(θ̂) =
S 1 −∞ −∞
S 1 −∞
Z ZZ
=
f (x) g(θ̂, x · θ̂) dx d`(θ̂)
S1
ZZ
=
R2
Z
f (x)
R2
92
S1
g(θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) dx .
2
Bemerkung: Für die Auswertung von Rf wird f über alle Punkte einer Geraden integriert.
Da die Parameter (θ̂, x · θ̂) genau die Gerade durch x senkrecht zu θ̂ beschreiben, so werden bei
der Auswertung von R] g alle Geraden durch x herangezogen.
Nun können wir eine weitere Inversionsformel herleiten, die neben R] noch die Hilberttransformation des letzten Kapitels benutzt.
Satz 6.5 Für f ∈ S(R2 ) gilt
f =
1 ] ∂
RH
Rf .
4π
∂s
Beweis: Wir beginnen wieder mit der Inversionsformel für die Fouriertransformation und setzen
dabei fˆ = F2 f . Wir beschreiben das Gebietsintegral wieder in Polarkoordinaten y = sθ̂ und
benutzen den Projektionssatz 6.3:
1
(2π)2
f (x) =
ZZ
e
ix·y
1
(2π)2
fˆ(y) dy =
R2
1
(2π)2
=
Z Z∞
e−isx·θ̂ fˆ(sθ̂) s ds d`(θ̂)
S1 0
Z Z∞
eisx·θ̂ (F1,s Rf )(θ̂, s) s ds d`(θ̂) .
S1 0
Wir setzen zur Abkürzung u(θ̂, s) = |s| (F1,s Rf )(θ̂, s). Dann ist u gerade, denn s 7→ |s| und R
sind gerade und die Fouriertransformation F1 bildet gerade Funktionen in gerade Funktionen
ab. Daher ist (ersetze s durch −s im ersten Integral)
Z∞
Z0
isx·θ̂
e
Z0
−isx·θ̂
u(θ̂, s) ds =
e
−∞
0
e−isx·θ̂ u(−θ̂, s) ds ,
u(θ̂, −s) ds =
−∞
also (ersetze θ̂ durch −θ̂)
Z Z∞
Z Z0
e
isx·θ̂
e−isx·θ̂ u(−θ̂, s) ds d`(θ̂)
u(θ̂, s) ds d`(θ̂) =
S 1 −∞
Z Z0
S1 0
eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds d`(θ̂) ,
=
S 1 −∞
also
1
f (x) =
2 (2π)2
Z Z∞
eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds d`(θ̂) .
S 1 −∞
Mit Teil (b) der Folgerung 5.24 können wir u schreiben als
u(θ̂, s) = |s| (F1,s Rf )(θ̂, s) =
Daher ist
1
2π
¢
¡
∂
Rf (θ̂, s) .
F1,s H
∂s
Z∞
−1
eisx·θ̂ u(θ̂, s) ds = (F1,s
u)(θ̂, x · θ̂) =
−∞
93
¡ ∂
¢
H Rf (θ̂, x · θ̂) .
∂s
Integration bzgl θ̂ liefert die Behauptung des Satzes, denn
Z
¡ ∂
¢
¢
1 ¡ ] ∂
1
f (x) =
H Rf (θ̂, x · θ̂) d`(θ̂) =
R H Rf (x) .
4π
∂s
4π
∂s
S1
2
Jetzt wollen wir f und g = Rf in Fourierreihen entwickeln. Dafür schreiben wir f in Polarkoordinaten, also f = f (r, ϕ) und identifizieren den Einheitsvektor θ̂ ∈ S 1 bei g mit dem Winkel θ,
also g = g(θ, s). Wir setzen also an:
X
f (r, ϕ) =
fm (r) eimϕ , r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] ,
m∈Z
g(θ, s) =
X
gm (s) eimθ ,
s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] .
m∈Z
P
im(θ+π) =
Da
g
eine
gerade
Funktion
ist,
folgt
g(θ
+
π,
−s)
=
g(θ,
s),
d.h.
m∈Z gm (−s) e
P
imθ , d.h. g (−s) = (−1)m g (s) für alle m ∈ Z und s ∈ R.
m
m
m∈Z gm (s) e
Wir wollen eine Beziehung zwischen fm (r) und gm (s) herleiten. In den folgenden Formeln tauchen die Tschebyscheff-Polynome Tm auf. Es gibt verschiedene Definitionen. Auf [−1, 1]
können sie durch Tm (t) = cos(m
¡ arccos t) für alle
¢ m = 0, 1, 2, . . . definiert werden. Das Additionstheorem liefert Tm±1 (t) = cos (m±1) arccos t = cos(m arccos t) cos(arccos t)∓sin(m arccos t) sin(arccos t).
Addition der beiden Ausdrücke und Ausnutzen von cos(arccos t) = t ergibt
Tm+1 (t) + Tm−1 (t) = 2t Tm (t) ,
m = 1, 2, 3, . . .
Diese Formel, aufgelöst nach Tm+1 (t), kann zusammen mit T0 (t) = 1 und T1 (t) = t als eine
weitere Definition der Tschebyscheff-Polynome genommen werden. Insbesondere folgt hieraus,
dass Tm wirklich ein Polynom vom Grad m ist. Ferner kann ganz einfach durch vollständige
Induktion nach m gezeigt werden, dass Tm eine gerade Funktion ist für gerades m und ungerade
ist für ungerades m.
Sei zunächst s ≥
P0. Um g(·, s) = (Rf )(·, s) in eine Fourierreihe zu entwickeln, setzen wir die
Reihe f (r, ϕ) = m∈Z fm (r) eimϕ ein:
X Z
(Rf )(θ, s) =
fm (r) eimϕ d`(r, ϕ) .
m∈ZL
θ̂,s
Wir wollen die Gerade Lθ̂,s durch den Parameter ϕ parametrisieren. Sei x ∈ Lθ̂,s . Der Punkt x
habe die Polarkoordinaten (r, ϕ) und den Parameter t in der Parameterdarstellung x = sθ̂ + tθ̂⊥ .
Eine kleine geometrische Überlegung (Skizze!) liefert die Beziehungen
s = r cos(ϕ − θ) ,
t = s tan(ϕ − θ) , also dt =
94
s
dϕ .
cos2 (ϕ − θ)
Der Parameter ϕ läuft zwischen θ − π/2 und θ + π/2. Daher ist
θ+π/2
Z
Z
fm (r) e
imϕ
d` = s
Lθ̂,s
µ
fm
s
cos(ϕ − θ)
¶
eimϕ
dϕ
cos2 (ϕ − θ)
θ−π/2
Zπ/2
= se
imθ
µ
fm
s
cos ϕ
¶
eimϕ
dϕ
cos2 ϕ
−π/2
= 2 s eimθ
¶
Zπ/2 µ
s
cos(mϕ)
fm
dϕ .
cos ϕ
cos2 ϕ
0
Zunächst können wir cos(mϕ) durch cos(|m|ϕ) ersetzen, da cos gerade ist. Wir führen jetzt die
Variablentransformation cos ϕ = t ein, die das Intervall [0, π/2] bijektiv auf [0, 1] abbildet. Dann
ist cos(|m|ϕ) = cos(|m| arccos t) = T|m| (t) mit dem Tschebyscheff-Polynom T|m| vom Grad |m|.
√
Daher ist wegen dϕ = −dt/ 1 − t2
Z
Z1
imϕ
fm (r) e
d` = 2 s e
imθ
fm
0
Lθ̂,s
Z∞
= 2 eimθ
T|m|
s
³s´
t
³s´
r
T|m| (t)
1
dt
√
t2 1 − t2
1
p
1 − s2 /r2
fm (r) dr ,
wobei wir hier t = s/r ersetzt haben. Der Vergleich mit der Darstellung für g(θ, s) liefert
Z∞
³s´
1
p
fm (r) dr für s ≥ 0 .
gm (s) = 2 T|m|
r
1 − s2 /r2
s
Für s < 0 nutzen wir gm (s) = (−1)m gm (−s) aus, also
µ ¶
Z∞
1
−s
(−1)m p
gm (s) = 2 T|m|
fm (r) dr .
r
1 − s2 /r2
{z
}
−s |
= T|m| (s/r)
Daher haben wir den ersten Teil des folgenden Satzes schon bewiesen.
Satz 6.6 (Cormacksche Umkehrformel)
Für f ∈ S(R2 ) und g = Rf in der Form
X
f (r, ϕ) =
fm (r) eimϕ ,
r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] ,
m∈Z
g(θ, s) =
X
gm (s) eimθ ,
s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] ,
m∈Z
gilt
Z∞
gm (s) = 2
T|m|
³s´
r
Z∞
T|m|
r
fm (r) dr
für s ∈ R , m ∈ Z ,
1
0
√
gm
(s) ds
2
s − r2
für r ≥ 0 , m ∈ Z .
1 − s2 /r2
|s|
1
fm (r) = −
π
1
p
³s´
r
95
Beweis der zweiten Formel: Wir multiplizieren die erste Formel mit
¡ ¢
τ T|m| τs
√
s s2 − τ 2
für ein τ > 0 und integrieren bzgl. s von τ bis ∞. Diese ergibt
¡ ¢
¡ ¢
¡ ¢
Z∞
Z∞ Z∞
τ T|m| τs
τ r T|m| rs T|m| τs
√
√
gm (s) √
ds = 2
fm (r) dr ds .
s s2 − τ 2
s s2 − τ 2 r 2 − s2
τ
τ
s
Vertauschung der Integrationsreihenfolge liefert
¡ ¢
¡ ¢
¡ ¢
Z∞
Z∞ Zr
τ T|m| τs
τ r T|m| rs T|m| τs
√
√
gm (s) √
ds = 2
ds fm (r) dr .
s s2 − τ 2
s s2 − τ 2 r 2 − s2
τ
τ
τ
Wir benutzen ohne Beweis, dass
Zr
τ
¡ ¢
¡ ¢
τ r T|m| rs T|m| τs
π
√
√
ds =
2
s s2 − τ 2 r2 − s2
für alle r > τ .
Damit haben wir gezeigt, dass
Z∞
τ
¡ ¢
Z∞
τ T|m| τs
gm (s) √
ds = π fm (r) dr .
s s2 − τ 2
τ
Auf der linken Seite substituieren wir noch s = στ und erhalten
Z∞
Z∞
T|m| (σ)
π fm (r) dr =
gm (τ σ) √
dσ .
σ σ2 − 1
τ
1
Differentiation bzgl τ und Rücksubstitution s = στ ergibt
Z∞
0
gm
(τ σ)
−π fm (τ ) =
1
T|m| (σ)
√
dσ =
σ2 − 1
Z∞
0
gm
(s)
τ
¡ ¢
T|m| τs
√
ds .
s2 − τ 2
2
6.3
Identifizierbarkeit bei eingeschränkten Daten
Die Inversionsformeln vom letzten Abschnitt beweisen insbesondere, dass die Lösung f von
Rf = g eindeutig bestimmt ist, falls g für alle Geraden Lθ̂,s bekannt ist. Wie sieht es aus, wenn
g nicht auf allen Geraden gegeben ist? Zwei Ergebnisse zeigen wir in diesem Abschnitt.
Satz 6.7 Sei f ∈ S(R2 ) und K ⊂ R2 konvex und kompakt. Falls (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle Geraden
Lθ̂,s , die K nicht schneiden, so ist f = 0 im Äußeren von K.
Beweis: Sei zunächst K eine Kreisscheibe mit Radius a > 0. Wir wählemn das Koordintensystem so, dass der Ursprung gerade der Mittelpunkt des Kreises ist. Es seien wieder f und
g = Rf in Form von Fourierreihen dargestellt, d.h.
X
f (r, ϕ) =
fm (r) eimϕ , r ≥ 0 , ϕ ∈ [0, 2π] ,
m∈Z
g(θ, s) =
X
gm (s) eimθ ,
m∈Z
96
s ∈ R , θ ∈ [0, 2π] .
Die Bedingung (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle Geraden Lθ̂,s , die K nicht schneiden, impliziert gm (s) = 0
für alle |s| > a und alle m ∈ Z. Die zweite Formel von Satz 6.6 liefert fm (r) = 0 für alle r > a
und alle m ∈ Z, d.h. f (r, ϕ) = 0 für alle r > a. Damit ist der Satz für Kreisscheiben bewiesen.
Sei jetzt K ⊂ R2 eine beliebige kompakte und konvexe Menge und x ∈
/ K. Wir können eine
9
Kreisscheibe K̃ finden mit K ⊂ K̃ und x ∈
/ K̃ Jetzt gilt insbesondere (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle
Geraden Lθ̂,s , die K̃ nicht schneiden. Nach dem ersten Teil ist dann f (x) = 0.
2
Bemerkung: Die Aussage des Satzes wird falsch, wenn f nicht schnell genug abfällt. Wir
betrachten folgendes Beispiel:
∼ eiθ und θ̂⊥ ∼
Wir identifizieren R2 mit C, also θ̂ =
= ieiθ̂ , also
Z∞
f (s eiθ + it eiθ ) dt ,
(Rf )(θ̂, s) =
θ ∈ [0, 2π] , s ∈ R .
−∞
Wir substituieren z = (s + it)eiθ und erhalten mit dz = ieiθ dt das komplexe Linienintegral
Z
(Rf )(θ̂, s) = −i e−iθ
f (z) dz .
Lθ̂,s
Sei jetzt f (z) = z −p für ein p ∈ N. Dann ist mit der Transformation w = 1/z und dw = −w2 dz:
Z
Z
−iθ
−p
−iθ
(Rf )(θ̂, s) = −i e
z dz = i e
wp−2 dw .
Lθ̂,s
Cθ̂,s
Hier ist Cθ̂,s das Bild der Geraden Lθ̂,s unter der Abbildung z 7→ 1/z. Es ist leicht zu sehen,
dass Cθ̂,s der Kreis ist, der durch
¯
¯
¯w − 1 e−iθ ¯ = 1
2s
4s2
beschrieben wird (falls s 6= 0). Da für p ≥ 2 die Funktion w 7→ wp−2 holomorph ist, so verschwindet das Integral nach dem Cauchyschen Integralsatz, d.h. (Rf )(θ̂, s) = 0 für alle s 6= 0. Trotzdem
ist f (z) = z −p nicht die Nullfunktion! Daher kann auf eine geeignete Abklingbedingung an f für
die Eindeutigkeitssätze nicht verzichtet werden!
Satz 6.8 Sei Γ ⊂ S 1 offen10 und C ⊂ R2 eine Kurve, parametrisiert durch die stetig differenzierbare Funktion γ, d.h. x = γ(s), a ≤ s ≤ b. Es sei ferner U ⊂ R2 offen und beschränkt, und
die folgende Voraussetzung gelte: Zu jedem θ̂ ∈ Γ gebe es ein z ∈ C, so dass der Strahl mit Spitze
in z und Richtung θ̂ die Menge U nicht schneidet. Dies bedeutet: {z + tθ̂ : t ≥ 0} ∩ U = ∅.
Sei schließlich f ∈ C0∞ (U ) mit
Z∞
(Df )(θ̂, z) :=
f (z + tθ̂) dt = 0
für alle z ∈ C und θ̂ ∈ Γ .
0
Dann ist f = 0 in der Messregion“ {z + tθ̂ : t ≥ 0, z ∈ C, θ̂ ∈ Γ}.
”
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Weshalb geht dies? Hinweis: Man betrachte die orthogonale Projektion z ∈ K von x in K und einen geeigneten
Kreis mit Mittelpunkt auf der Geraden durch x und z.
10
d.h. Γ = O ∩ S 1 mit einer offenen Menge O ⊂ R2
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Beweis: Für n ∈ N0 definieren wir den Operator Dn durch
Z∞
tn f (z + ty) dt ,
(Dn f )(y, z) :=
z, y ∈ R2 .
0
Wir zeigen durch vollständige Induktion nach n, dass (Dn f )(θ̂, z) = 0 für alle z ∈ C und θ̂ ∈ Γ.
Für n = 0 wird dies gerade vorausgesetzt.
Sei also jetzt (Dn f )(θ̂, z) = 0 für alle z ∈ C
© und θ̂ ∈ Γ. Dann ist auch
ª (Dn f )(y, z) = 0 für alle
z ∈ C und alle y ∈ K, wobei K der Kegel y ∈ R2 \ {0} : y/|y| ∈ Γ ist. Dies folgt wegen
Z∞
µ
¶
y
t f z + t|y|
dt
|y|
n
(Dn f )(y, z) :=
0
aus der Substitutionsregel (t0 = |y|t). Wir rechnen aus:
¡
¢
d
(Dn+1 f ) y, γ(s) =
ds
d
ds
Z∞
=
Z∞
¡
¢
tn+1 f γ(s) + ty dt
0
£
¡
¢¤
tn+1 γ 0 (s) · ∇f γ(s) + ty dt
0
¡
¢
= γ 0 (s) · ∇y (Dn f ) y, γ(s) = 0 .
Also ist (Dn+1 f )(θ̂, ·) konstant auf C für jedes θ̂ ∈ Γ. Nach Voraussetzung gibt es zu jedem
θ̂ ∈ Γ ein z ∈ C so, dass z + tθ̂ ∈
/ U für alle t ≥ 0. Daher ist f (z + tθ̂) = 0 für alle t ≥ 0, d.h.
(Dn+1 f )(θ̂, z) = 0.
2
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