Plötzlich gibt es neue Regeln

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Plötzlich gibt es neue Regeln
Ulli Janssen und Christoph Mittermaier
Plötzlich gibt es neue Regeln
Bilanzierung von Stock Options
Financial Times Deutschland (FTD)
Datum: 01.08.2002
Nummer: 147
Seite: 29
Rubrik: Agenda
Müssen Unternehmen Aktienoptionen bilanziell berücksichtigen? Die Frage ist brisant:
Nach einer Studie von Merrill Lynch wären 2001 bei den Konzernen des S&P 500 im Falle
der Berücksichtigung der Aktienoptionen als Personalaufwand die Gewinne pro Aktie um
durchschnittlich 20 Prozent geringer als tatsächlich ausgewiesen.
In der aktuellen Diskussion werden Aktienoptionen mit den Bilanzfälschungsskandalen um
Worldcom und andere verknüpft. Einige US-Unternehmen haben nun reagiert - allen voran
Coca-Cola. Der Getränkehersteller will neu ausgegebene Optionen in der Konzernbilanz
auftauchen lassen.
Die öffentliche Diskussion geht jedoch am Kern vorbei. Selbst unter Fachleuten ist
umstritten, ob und mit welchem Wert Aktienoptionen bilanziell zu berücksichtigen sind.
Soweit Beteiligungsprogramme vorsehen, die Aktienoptionen aus neu zu schaffenden
Aktien zu bedienen, führt die Ausübung der Optionen nämlich nicht zu einem Geldabfluss
aus dem Unternehmen, sondern zu einem Zufluss in Höhe des vom Optionsinhaber zu
zahlenden Bezugspreises. Bezahlt wird das Beteiligungsprogramm in diesem Fall von den
Altaktionären durch eine Verwässerung ihrer Beteiligung. In Deutschland ist das Volumen
der so ausgegebenen Aktien gesetzlich auf maximal zehn Prozent des Grundkapitals
beschränkt.
Gesetzlich vorgesehen ist die Bilanzierung von Aktienoptionen bislang nur unter den
amerikanischen Bilanzierungsregeln US-GAAP. Der entsprechende Standard fordert
prinzipiell die Berücksichtigung von Aktienoptionen als Personalaufwand in Höhe des so
genannten Fair Value zum Zeitpunkt der Einräumung. Fast alle amerikanischen
Unternehmen machen aber Gebrauch von einem Wahlrecht, die Optionsrechte und somit
den Personalaufwand mit dem inneren Wert zu bewerten. Dieser ist bei einer Ausgabe der
Aktienoptionen zu einem Bezugspreis mindestens in Höhe des aktuellen Börsenkurses bei
null - mit dem Ergebnis, dass kein Personalaufwand auszuweisen ist.
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Deutsche Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren, vermeiden den Ausweis von
Personalaufwand durch das Premiummodell. Danach werden die Aktienoptionen zu einem
Bezugspreis ausgegeben, der 20 bis 25 Prozent über dem bei der Ausgabe aktuellen
Börsenkurs liegt. Dieser Aufschlag dient als das aktienrechtlich erforderliche Erfolgsziel.
Die Bilanzierungsstandards IAS (International Accounting Standards) und HGB
(Handelsgesetzbuch) sehen die bilanzielle Berücksichtigung von Aktienoptionen
unabhängig von der Ausgestaltung des Beteiligungsprogramms überhaupt nicht vor.
Ausführliche Beschreibungen im Anhang reichen bislang aus.
Für beide Rechnungslegungssysteme werden jedoch Neuregelungen vorbereitet: So sieht
der Standardentwickler IASB die Berücksichtigung der Ausgabe von Aktienoptionen als
Personalaufwand vor. Bislang wurde vorläufig beschlossen, die aktienbasierte Vergütung
mit dem Fair Value zu bewerten; ein Wahlrecht zwischen Bewertung mit dem Fair Value
und dem inneren Wert soll ausgeschlossen sein.
Der endgültige Standard soll 2003 verabschiedet werden. Er ist dann für Berichtsperioden
verbindlich, die am oder nach dem 1. Januar 2004 beginnen. Für Aktienoptionsprogramme,
die nach der Veröffentlichung des Entwurfs aufgelegt werden und deren
Erdienungszeitraum im Zeitpunkt des Inkrafttretens des endgültigen Standards noch läuft,
soll eine retrospektive Anwendung des Standards vorgeschrieben werden. Optionspläne,
die vor Veröffentlichung des Standardentwurfs aufgelegt wurden beziehungsweise werden,
fallen demnach noch nicht unter die neue Regelung. Damit wären auch so genannte Stock
Appreciation Rights und Optionspläne, die aus eigenen Anteilen bedient werden, betroffen.
Der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) hat für die Bilanzierung nach HGB einen
Entwurf veröffentlicht, der sich stark an die geplanten IAS-Vorschriften anlehnt. Der
Effekt der Neuregelung wäre enorm. Dabei ist aber zu beachten, dass durch den Ausweis
von Personalaufwand für Aktienoptionen nach den diskutierten Regeln keineswegs
bilanziell der Wert abgebildet wird, der den Begünstigten bei der Ausübung zufließen
wird. Vielmehr wird der finanzmathematisch berechnete Wert der Aktienoptionen zum
Zeitpunkt der Ausgabe bilanziert.
Dieser Wert spiegelt jedoch weder den durch die Ausgabe der Aktienoptionen eingesparten
Personalaufwand - soweit sich dieser überhaupt messen lässt - noch die Verwässerung der
Aktionäre durch die Ausgabe neuer Aktien wider.
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