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R OM AU F E I N E N B L IC K AU F E I N E N B L IC K Ohne ihre Bewohner wäre die Stadt eine andere. Ohne Caesar, Gian Lorenzo Bernini, Sophia Loren … wäre Rom nicht Rom. CICERO (106–43 v. Chr.) CAESAR (100–44 v. Chr.) 40er-/50er-Jahre Der Neorealismus gilt als die Glanzzeit des italienischen Films. AUGUSTUS (63 v. Chr.–14 n. Chr.) SIMON PETRUS (unbekannt–ca. 64 n. Chr.) NERO (37–68 n. Chr.) MARK AUREL (121–180 n. Chr.) MICHELANGELO (1475–1564) 1. Jh. n. Chr. Der Petrusschlüssel als Symbol des ersten Bischofs von Rom ist bis heute Bestandteil des Papstwappens. LUCREZIA A B BORGIA (1480–1519) C CARAVAGGIO (1571–1610) GIAN LORENZO BERNINI (1598–1680) 2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 200 100 0 100 v. Chr JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832) ROBERTO ROSSELLINI (1906–1977) ALBERTO MORAVIA (1907–1990) FEDERICO FELLINI (1920–1993) ca. 1511 Detail aus Michelangelos »Die Erschaffung Adams« an der Decke der Sixtinischen Kapelle. PAPST JOHANNES PAUL II. (1920–2005) MARCELLO MASTROIANNI (1924–1996) SOPHIA LOREN (geb. 1934) FRANCA MAGNANI (1925–1996) VALENTINO GARAVANI (geb. 1932) 72–80 n. Chr. Das Kolosseum wurde im 1. Jh. n. Chr. als Arena erbaut, heute ist es das Wahrzeichen der Stadt. 6 FRANCESCO DE GREGORI (geb. 1951) 1506–1626 Am Neubau des Petersdoms haben viele Baumeister mitgewirkt, von Bramante bis Bernini. HEINZ BECK (geb. 1963) CECILIA BARTOLI (geb. 1966) 7 R OM M A R C E L L O M A S T R O IA N N I 1924–1996 S O P H IA L O R E N geb. 1 9 3 4 »Wenn ich mit Marcello zusammenarbeite, bin ich der Planet. Und er ist der Ring um mich herum«, sagte die Loren über ihren liebsten Filmpartner. Für Millionen Zuschauer waren sie das ideale Paar. D er große Fellini pflegte seine Filmfiguren erst zu zeichnen, bevor er die dazu passenden Schauspieler suchte. Als er zum ersten Mal seinen späteren Lieblingsakteur Marcello Mastroianni aufmerksam betrachtete, meinte er: »Du bist richtig. Dein Gesicht ist so leer, da kann man alles darin lesen.« Ein seltsames Kompliment für einen Mann, der den Latin Lover wie kein anderer verkörperte, aber es stimmte: Mastroianni hat viele Charaktere in seinem Leben dargestellt – den jungen Liebhaber, den selbstverliebten Pfau, den krisengeschüttelten Mann. Und stets konnte man in seinem Gesicht eine unvergleichliche Mischung von Feuer und Melancholie, von Abgeklärtheit und Selbstironie lesen. Dieser Leinwandheld, dem Millionen von Frauen zu Füßen lagen, pflegte nur mild zu sagen, wenn man ihn nach seinen Chancen beim schönen Geschlecht fragte: »Mit einer verliebten Frau kann man alles machen, was sie will.« Im Falle der Sophia Loren, seiner idealen Filmpartnerin, war das: nichts! Die beiden blieben (nur) gute Freunde, und das war gut so. 122 M A R C E L L O M A ST R O IA N N I & S O P H IA L O R E N Marcello Mastroianni 1985. Zu dieser Zeit verkörperte er in zahlreichen Rollen melancholische Männer mit Selbstzweifeln. Lido di Ostia. Für Römer bis heute der magische Ort, an den sie fliehen, wenn sie die Sommerhitze zu erdrücken droht. Hier am Hausstrand der Stadt dreht Marcello Mastroianni 1949 unter der Regie von Luciano Emmer einen seiner ersten Filme: »Ein Sommer im August«, ein melancholisch-heiterer Episodenfilm, der ihm beim Publikum das zunächst lange anhaltende Bild vom guten naiven Mann aus dem Volk einbringt. Doch nicht 123 R OM An der römischen Heeresstraße Via Appia Antica, nahe der Porta San Sebastiano, lag Mastroiannis Villa. nur für Mastroianni ist der Schauplatz Ostia eine wichtige Etappe seiner filmischen Laufbahn. Nur fünf Jahre später steht der Schauspieler erneut an jenem Ort vor der Kamera, der sich mittlerweile zu einem schillernden Treffpunkt für Stars und Sternchen entwickelt hat. Erstmals ist Sophia Loren seine Partnerin in Alessandro Blasettis »Schade, dass du eine Kanaille bist«, einer liebenswerten Komödie, die den Startschuss für das künftige Traumpaar des italienischen Kinos darstellt. Das Publikum ist begeistert von dieser neuen Film-Liaison, auch Sophia Loren erinnert sich Jahre später voller Enthusiasmus: »Zwischen Marcello und mir sprang der Funke sofort über … Wir fühlten sofort die verschwörerische Verbundenheit aller Neapolitaner füreinander. Wir hatten den gleichen Sinn für Humor, den gleichen Lebensrhythmus, die gleiche Lebensphilosophie; der gleiche Zynismus lauerte hinter unseren Dialogzeilen.« Mastroianni stammte keineswegs aus Neapel, sondern kam am 28. September 1924 als Sohn von Ottorino und Ida Mastrojanni (die Schreibweise mit »i« nahm er der Einfachheit halber in den 50er-Jahren an) in Fontana Liri bei Frosinone zur Welt. Der Ort ist Teil der Ciociaria, jener bis zum Zweiten Weltkrieg bitterarmen 124 M A R C E L L O M A ST R O IA N N I & S O P H IA L O R E N Region östlich von Rom, die auch im späteren (filmischen) Leben der Loren eine große Bedeutung bekommt, denn in der Ciociara spielt Vittorio De Sicas Kriegsdrama »Und dennoch leben sie« (»La Ciociara«), das der Filmdiva 1961 den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle einbringt. DIE ERSTE ROLLE VERMITTELT DIE MAMMA Ebenso wie die Loren beginnt Mastroianni seine Karriere in sehr jungen Jahren in Rom, nachdem seine Familie 1933 von Turin in die italienische Hauptstadt umgezogen war. Marcello besucht zunächst die Schule Armando Diaz an der Piazza Lodi im Tusculanischen Viertel, später dann die Berufsschule in der Via Taranto. Bereits 1938 hat der junge Marcello sein Filmdebüt als Komparse in »Marionette« von Carmine Gallone. Diese erste filmische Erfahrung verdankt der damals 13-Jährige den De Mauros, einer befreundeten Familie, die eine Kantine in den Filmstudios von Cinecittà besitzt und dem Jungen immer wieder Passierscheine ausstellt, die man braucht, um als Komparse aufzutreten. Es folgen weitere Statistenrollen, u. a. in Vittorio De Sicas »Kinder schauen uns an«, ebenfalls die Frucht einer freundschaftlichen Verbindung: Mastroiannis Mutter arbeitet mit De Sicas Schwester Maria in einer Bank. So wandern über die Schwester Empfehlungsschreiben an den Meister. De Sica wimmelt den Jungen stets freundlich distanziert ab: »Lerne, lerne, und wenn du fertig bist, dann werden wir weitersehen.« Wie hätte er auch damals ahnen können, dass sich aus der Konstellation De Sica-Mastroianni-Loren ein eingeschworenes Trio entwickeln sollte, das so wundervolle Filme wie »Gestern, heute und morgen« (1963), »Hochzeit auf Italienisch« (1964) und »Sonnenblumen« (1969) hervorbringt? 125 R OM Während Mastroianni in jungen Jahren ein Diplom als Bausachverständiger erwirbt und sich, ohne je eine Schauspielschule besucht zu haben, in Rom ab 1945 erste Sporen als Schauspieler am Theaterzentrum der Universität (CUT) verdient, macht Sophia Loren zunächst durch ihre Kurven und ihre Schönheit auf sich aufmerksam: Als Sofia Villani Scicolone am 20. September 1934 in Rom geboren, wächst sie bei der alleinerziehenden Mutter Romilda Villani in der Kleinstadt Pozzuoli bei Neapel in ärmlichen Verhältnissen auf. Wegen ihrer »stuzzicadenti«, ihrer zahnstocherdünnen Beine, noch als Kind verspottet, bildet sich Sophias Schönheit in der Pubertät immer mehr heraus, sodass die Mutter sie wiederholt zu Misswahlen schickt. SOPHIA GING MARCELLO NIE INS NETZ Das junge Mädchen erobert schließlich 1950 bei der Wahl zur »Miss Rom« den zweiten Platz. Im Rahmen des Schönheitswettbewerbs lernt die 16-Jährige den 22 Jahre älteren, damals noch verheirateten Filmproduzenten Carlo Ponti kennen, der sie nicht nur als Filmschauspielerin unter dem Namen Sophia Loren aufbaut, sondern 1957 auch ihr Ehemann und später Vater ihrer Söhne Carlo jr. und Edoardo wird. Dank Ponti, der alle Billigproduktionen Sophias als Erotikdarstellerin aufkauft und damit für immer aus dem Verkehr zieht, muss sich die junge Frau nicht mehr unter dem Namen Sofia Lazzaro als Pin-up-Girl, Komparsin oder Darstellerin billiger Fotoromane verdingen. Ponti öffnet ihr die Türen zur Welt des Kinos und der großen italienischen Filmemacher. Der Karrieredurchbruch gelingt Sophia schließlich in De Sicas Episodenfilm »Das Gold von Neapel« 1954, in jenem Jahr, als sie auch mit Mastroianni für »Schade, dass du eine Kanaille bist« vor der Kamera steht. Von da an bilden die beiden jungen Darsteller ein Traumpaar: die starke schöne 126 M A R C E L L O M A ST R O IA N N I & S O P H IA L O R E N Das Traumpaar des italienischen Films: Sophia Loren und Marcello Mastroianni, eine Aufnahme am Filmset von 1963. Frau und der schwache, aber charmante Mann. Privat sind sie bis zum Tode Mastroiannis am 9. Dezember 1996 durch eine enge Freundschaft verbunden, nicht mehr, nicht weniger. Die Loren beschreibt das Verhältnis wie folgt: »Ich bin dem schönen Marcello nie ins Netz gegangen. Wir sind spontane, lustige Freunde, wie zwei ewige Lausbuben, jederzeit auf dem Sprung, gemeinsam einen Marmeladentopf zu klauen.« 13-mal stehen sie gemeinsam vor der Kamera. Das Medium Film bringt sie einander so nahe, dass die Loren sogar erklärt: »Wir sind austauschbare Teile ein und desselben Köpers.« Privat jedoch bleiben ihre Körper stets auf Distanz. Sophia ist – abgesehen von einer kurzen Affäre mit Cary Grant, dessen wiederholte Heiratsanträge sie ablehnt – ihrem Gatten Carlo Ponti bis zu seinem Tod 2007 in treuer Liebe verbunden. Mastroianni bleibt bis zu seinem Tode mit der Schauspielerin Flora Clarabella ver- 127 R OM heiratet, hat aber in den 70er-Jahren eine langjährige Liaison mit Catherine Deneuve, aus der 1972 die Tochter Chiara Mastroianni hervorgeht. Und doch erkennt die Loren in Marcello, der sich Zeit seiner Lebens gegen das Klischee vom Latin Lover wehrt, jemanden, der »wie ein Mann denkt, wie ein Mann spricht, der eben ein richtiger Mann ist! Er hat so eine starke Anziehungskraft, dass er die wahre Seele einer Frau hervorholt«. Den internationalen Durchbruch schafft Mastroianni 1960 mit Federico Fellinis »La Dolce Vita«. Fortan verbindet den Schauspieler mit dem Regisseur eine tiefe Freundschaft. Man verbringt auch privat viele Stunden miteinander, oft in Mastroiannis Villa an der Via Appia Antica, nahe der Porta San Sebastiano. Vier weitere gemeinsame Filme zwischen 1963 und 1987 sind die Folge: »Achteinhalb«, »Fellinis Stadt der Frauen«, »Ginger und Fred« sowie »Fellinis Intervista«. 1993 überreicht Mastroianni gemeinsam mit Sophia Loren dem Meisterregisseur den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk. SOPHIA LOREN GEHT NACH HOLLYWOOD Während sich Mastroianni in späteren Jahren immer mehr zum sensiblen und vielschichtigen Charakterdarsteller entwickelt, folgt Sophia Mitte der 50er-Jahre dem Ruf der Glitzerwelt von Hollywood. Doch weder der Historienfilm »Stolz und Leidenschaft« (u. a. mit Frank Sinatra; 1956) noch die Romantikkomödie »Das Hausboot« (1958), beide an der Seite von Cary Grant, bringen sie den Avancen ihres glühenden Verehrers näher. Ihre Liebe zu Carlo Ponti und ihrer italienischen Heimat ist unvergleichlich größer. Privat genießt sie mit ihrem Mann das Familienleben in ihrem römischen Palazzo nahe des Kapitols ( ▶ E 6) sowie in ihrer Villa am Genfer See. Um mehr Zeit mit ihren 1968 und 1973 geborenen Söhnen zu verbringen, tritt die Loren in den Folgejahren in 128 M A R C E L L O M A ST R O IA N N I & S O P H IA L O R E N Sachen Arbeit deutlich kürzer, beeindruckt jedoch 1980 in dem autobiografischen TV-Film »Sophia Loren – mein Leben« in der Rolle ihrer eigenen Mutter. Mastroianni macht indes mit Filmen wie Nikita Michalkows »Schwarze Augen« oder Ettore Scolas Vater-Sohn-Drama »Wie spät ist es?« von sich reden. 1994 stehen die beiden Filmlegenden ein letztes Mal in Robert Altmans Satire »Prêt-à-Porter« gemeinsam vor der Kamera. Bei den Dreharbeiten sagt Mastroianni über die Frau, deren Alter kaum zu erahnen ist: »Sie erinnert mich mit Wehmut an meine vergnügliche Jugend.« Auf über 100 Filme bringt es die letzte große Diva des Films mittlerweile, über 170 Streifen hat ihr Freund Marcello Mastroianni gedreht. Er stirbt am 19. Dezember 1996 in Paris an Krebs; den Tag seines Todes bezeichnet die Loren als einen der traurigsten in ihrem Leben. Selbst wenn sie privat nur Freunde waren: Für ihr Publikum werden sie immer das italienische Traumpaar bleiben – und jeder eine Legende für sich. C I M I T E RO DE L V E R A N O, G R A B M A ST ROIA N N I S 13 ▶ K 4 Piazzale Verano, Quartiere Tiburtino ▶ Metro: Policlinico, Tiburtina C I N E C I T TÀ S T U DIO S S . P. A . Via Tuscolana, 1055, Tuscolano www.cinecittastudios.it ▶ Metro: Cinecittà V IA A P P IA A N T IC A Quartier I: Appio Latino/Appio Pignatelli/Tuscolano ▶ Metro: Colli Albani, anschließend Bus bis zur Via Appia Antica, Fahrzeit ca. 20 Min. 129