Joao Pessoa Studium 2013/14
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Joao Pessoa Studium 2013/14
Freiformulierter Erfahrungsbericht Studium oder Sprachkurs im Ausland Grunddaten Name: E-Mail-Adresse: Fakultät/ Fach: Jahr/Semester: Land: (Partner)Hochschule/ Institution: Dauer des Aufenthaltes: Frieder Heitmann Gazzpachos(at)gmail.com Ethnologie/Lateinamerika-Studien 2013/14 Wintersemester (Oktober – März) Brasilien Universidade Federal da Paraiba, Joao Pessoa 6 Monate/1 Semester Liebe LeserInnen, ich möchte in diesem Erfahrungsbericht über mein Auslandssemester in Joao Pessoa, Paraiba, im Nordosten Brasiliens schreiben. Dies tue ich ausdrücklich, um dazu aufzurufen und zu ermutigen, ein solches „Wagnis“ auf sich zu nehmen, bzw. sich in solch ein kleines Abenteuer zu stürzen, sein eigenes Auslandssemester zu organisieren und durchzuführen. Die bürokratischen Hürden sind oft viel kleiner als im Vorhinein angenommen und der Aufwand lohnt sich in jedem Fall. Ich hoffe auch, eventuell einige typische Fragen und Probleme lesenswert und hilfreich beschreiben zu können. In jedem Falle bedanke ich mich für das Interesse und wünsche eine angenehme Lektüre. Und wer noch keine Ahnung hat, wo es hingeht, dem kann ich den brasilianischen Nordosten wärmstens (warm ist es dort sowieso das ganze Jahr) ans Herz legen. Die Unterteilung der Kapitel habe ich der Einfachheit halber von der auf der Uniseite der Uni Hamburg verfügbaren Vorlage übernommen (http://www.uni-hamburg.de/internationales/studieren-im-ausland/erfahrungsberichte.html, aufgerufen am 7.05.2014). Bei Fragen könnt ihr euch gerne an mich über die oben angegebene E-Mail-Adresse wenden. Frieder Seite 2 von 6 Austausch-/Stipendienprogramm und Auswahlrunde Das Austauschprogramm ist eine Partnerschaft zwischen dem Institut für Romanistik in Hamburg und dem Institut für Sozialwissenschaften in Joao Pessoa, Paraiba. In der Praxis hat man jedoch in der Planungsphase nur mit den dortigen KoordinatorInnen des Auslandsbereiches zu tun („AAI“: Assessoria para Assuntos Internacionais). Das Stipendienprogramm, durch das ich mit einem einmaligen Betrag unterstützt wurde, heißt HamburgGlobal. Die Bewerbung war simpel, die Auswahl relativ schnell und zu meiner Freude positiv mir gegenüber. Insofern kann ich dieses Stipendium Jedem/r empfehlen, der/die sich überlegt, ein außereuropäisches (also nicht Erasmus) Auslandssemester oder –jahr zu absolvieren. Vorbereitung und Anreise Da ich in den Lateinamerika-Studien einen Portugiesisch-Kurs mit brasilianischem Fokus belegt hatte und sowieso schon im Vorhinein über Capoeira und brasilianische Musik (Samba) einen gewissen Bezug zu Brasilien hatte, wollte ich, wenn überhaupt, mein Auslandssemester dort verbringen. Für mich war zudem relativ klar, dass ich nicht in den dicht besiedelten Süden (Rio de Janeiro, Sao Paulo) wollte. Diese Städte erschienen mir in ihren Dimensionen als zu groß, um sie in 6 Monaten zu verstehen, kennenzulernen und dort bleibende Kontakte mit Menschen zu knüpfen. Ich hatte Angst, mich dort zu verlieren und viel Zeit mit Orientierung und im Verkehr zu verbringen (es gibt Menschen, die fahren jeden Tag 3-4h zur Arbeit). Über Capoeira-Lieder und einige Texte hatte ich von Salvador gehört, wo ich eigentlich gerne hinwollte. Allerdings bestand keine Partnerschaft zwischen der UHH und der Uni in Salvador, sodass ich von diesem Plan erstmal absah und dann die Partnerschaft zwischen der Romanistik in Hamburg und der UFPB in Joao Pessoa entdeckte. Die Stadt erschien mir als sehr passend, da sie mit ca. 1 Mio. Einwohner nicht all zu groß, aber auch nicht zu provinziell wirkt, an der Küste und im Nordosten in der „Nähe“ zu Salvador liegt (später stellte sich heraus, dass es 18h Busfahrt bis Salvador sind). Meine Vorbereitung bestand aus der Klärung des Auslandskrankenversicherungsschutzes, des Flugbuchens (Tip: Condor fliegt sehr günstig von Frankfurt nach Recife, das sehr in der Nähe liegt. Von dort fahren Busse stündlich für ne Mango und n Ei), des Erstellens einer Liste der Seminare, die ich auszuwählen gedenke, der Haussuche, des Urlaubssemesterantrags in Hamburg, des Antrags auf Rückzahlung des Semestertickets an der Uni Hamburg, der Beschaffung eines Zwischenmieters für mein Zimmer, etc. Die Liste mit den Seminaren findet man relativ schnell auf der leider etwas unübersichtlichen Seite der UFPB. Alles ist dort auf Portugiesisch. Das ist sowieso ein Thema. Jemandem, der weder über Basiskenntnisse von Portugiesisch, noch von Spanisch verfügt, kann ich ein Auslandssemester in Brasilien, bzw. in Joao Pessoa nur bedingt empfehlen. Sprache ist unüberbrückbares Medium, viele Menschen sprechen kaum Englisch, einige Deutsch, aber nicht unter den Dozierenden. Seite 3 von 6 Eine recht unangenehme Hürde in Brasilien ist die Registrierung bei der Staatspolizei vor Ort. Man muss dort recht früh (ca. 7 Uhr) hin und das Gebäude ist weit weg vom Zentrum. Man benötigt diese Registrierung, um eine „Aufenthaltsnummer“ zu bekommen, die man praktisch überall braucht und auch für das Studierendenbusticket notwendig ist. Zudem muss man danach zu einem Ministerium, um sich diese Nummer bestätigen zu lassen. Anweisungen zu diesen Schritten bekommt man in der AAI an der Uni, wo man sowieso am Anfang mal vorbeischauen sollte. Am besten in der Woche, bevor die Uni anfängt, um sich in Ruhe beraten zu lassen. Finanzierung des Auslandsstudiums/ Kosten vor Ort Meine Eltern unterstützten mich zusätzlich zu der Zahlung von HamburgGlobal finanziell ausreichend, dass ich mich in der glücklichen Lage sah, nicht arbeiten zu müssen oder andere finanzielle Quellen aufzutun, um mir den Aufenthalt in Joao Pessoa zu finanzieren. Die Flüge sind (auch aufgrund der relativ geringen Strecke, Joao Pessoa ist der östlichste Punkt Südamerikas und relativ weit im Norden) vergleichsweise günstig (ca. 700€ hin und zurück bei gleichzeitiger Buchung von Hin- und Rückflug). Auch die Lebenshaltungskosten sind sehr gering. Ich bezahlte 500 Reais Miete pro Monat (~160€), dies war relativ viel vor Ort, da in meinem Viertel (Bessa) fast ausschließlich besser situierte MittelschichtlerInnen wohnten. Lebensmittel sind ein wenig günstiger als in Deutschland, Genussmittel nicht unbedingt viel günstiger. Der Transport wird durch ein Studierendenticket auch sehr erschwinglich (ca. 60 Euro-Cent für eine Fahrt, mit einmal Umsteigen inklusive. Öfter muss man sowieso fast nie umsteigen). Reisen wird sehr günstig, wenn man sich traut zu trampen und Schlafmöglichkeiten wie Couchsurfing oder Freunde von Freunden nutzt. Ansonsten gibt es Reisebusse, die auch günstiger sind als in Deutschland. Man muss jedoch darauf achten, sich genügend einzupacken, denn diese Busse sind fahrende Kühlschränke. Doch das ist ein anderes Thema. Studiengebühren gibt es zurzeit in Brasilien nicht. Unterbringung und Verpflegung Günstiges, uninahes und sehr angenehmes Wohnen ist in Castelo Branco möglich, wo es viele Zimmer gibt. Eine gute Möglichkeit ist es meiner Meinung nach, über Couchsurfing die ersten 1-2-3 Wochen in einem Zimmer unterzukommen, um dann vor Ort zu suchen. Viele Menschen wissen bescheid, wo es Zimmer gibt. Auch gibt es bei Facebook, unserem „lieben“ Informationsmedium Nr.1, Gruppen, in denen viele Austauschstudierende Mitglied sind, die gut über die aktuelle Lage bescheid wissen (u.a. „Intercambio UFPB“, „Joao Pessoa, doidera“). Ich habe Caio Martino, den Koordinatoren des Austausches in Brasilien, nach einer Unterkunft gefragt. Mein Wunsch war es, die Zeit in so etwas wie einer Gastfamilie zu verbringen, um verschiedenste Menschen, lokale und nationale Rituale und Feste, das Essen und vor allem die Sprache und den lokalen Akzent effektiv und schön lernen zu können. „Leider“ ergab sich alles anders. Über einen französischen Studierenden, dessen E-Mail-Adresse Caio Martino mir Seite 4 von 6 weiterleitete, kam ich auf die Casa de Irapa. Hier wohnte ich schließlich die volle Zeit meines Aufenthalts. Dies ist ein privates Haus mit 10 oder 11 Zimmern, in dem BrasilianerInnen und ausländische Menschen zusammen wohnen, halb Hostel, halb Wohnprojekt, halb Bar. Zu meiner Zeit wohnten dort 4 Brasilianer, 5 FranzösInnen, 1 Schwede, eine Kasachin, ein Italiener und ich. Es hat jedoch ständig die Besetzung gewechselt, sodass ich im Endeffekt nur zu 4- 5 Personen eine nähere Beziehung aufbauen konnte. Es gibt einen Pool und eine Holzbar, zu der abends Freunde und andere Menschen kommen, zum Essen und Trinken und Musik hören. Manchmal gibt es Konzerte oder Kino. Das Haus liegt in Bessa, 150m vom Strand entfernt, der in diesem etwas abseits gelegenen Viertel schon seeehr sehr schön ist (u.a. legten Wasserschildkröten ihre Eier an unseren Strand). Der Supermarkt ist etwas abseits gelegen (Fußlauf: 5-10 Min.), aber es wurden zu meiner Zeit auch kollektive Einkäufe organisiert. Die Casa de Irapa verfügt über eine Facebook-Seite, die Irapa, der Besitzer, regelmäßig checkt und auch schnell antwortet. Es ist häufig etwas laut, dafür lernt man schnell viele sehr unterschiedliche Leute kennen. Als Einstieg gar nicht schlecht, und wenn es einem nicht gefällt, kann man sich immer noch etwas anderes suchen. Generell gibt es in Joao Pessoa, wie überall in Brasilien, in den Städten einerseits riesige Supermarktketten und fette Shoppingmalls, in denen (halböffentlich) Mensch alles bekommt, was er oder sie begeht. Auf der anderen Seite sind überall kleine Kioske, Lebensmittelläden, Cafés und ähnliche Gelegenheiten vorhanden um Einkäufe zu tätigen. Gastuniversität/ Gastinstitution Die UFPB ist nicht unbedingt für ihre große Tradition in den Sozialwissenschaften bekannt. Es gibt das Fach erst seit den 70er Jahren an der Uni. Kurse muss man bei den Büros der Fächer anmelden, da Mensch Austauschstudierender ist, kann man auch Kurse verschiedener Fakultäten belegen. Die Kurse dauern manchmal zweimal die Woche jeweils zwei Stunden oder einmal (theoretisch) vier Stunden. In der Praxis sind es häufig nur drei Stunden, die jedoch trotzdem für deutsche 1,5h-Studierende am Anfang sehr lang sind. Wie überall gilt: Such dir die Kurse nach den Dozierenden aus. Also in den ersten Wochen in viele Kurse hineingucken und dann nach Gefühl entscheiden. Dies trügt meistens nicht. Das Niveau der Lehre ist sehr unterschiedlich und auch die Anforderungen. Diese entsprechen jedoch in etwa von der Menge her denen der Uni Hamburg (Referat+Texte+Hausarbeit, o.Ä.). Der Campus ist superschön, in der Mitte eines Waldes gelegen, aber trotzdem nicht weit von der Stadt. Generell ist Joao Pessoa eine sehr grüne Stadt, da hin und wieder die Stadt einfach von tiefstem „Urwald“ unterbrochen wird. Auf dem Campus gibt es viele Waldflächen, in denen sich kleine, lustige Affen und wohl auch Faultiere aufhalten (leider nie von mir zu Gesicht bekommen). Es gibt zudem viele Kioske und Essensmöglichkeiten, an denen warmes Essen (für ca. 2-3 €, also deutsche Mensapreise) und kalte Speisen und Getränke verkauft werden. Kaffee, Mango- und Maracujasaft, Obstsalat, Maniokmus mit Käse, Kuchen, Reis und Bohnen, Salate und andere Lebensmittel gehören immer zur Grundausstattung. Seite 5 von 6 Studentischer Alltag/ Freizeitmöglichkeiten Joao Pessoa ist nicht besonders groß, aber geographisch recht „zerfranst“. So gibt es einen alten Stadtkern, in dem nicht viele Menschen wohnen, wo jedoch nebenan viele Einkaufsmöglichkeiten liegen (man kann in Joao Pessoa eigentlich alles kaufen, was man braucht, Achtung: Elektroartikel sind viel teurer als in D) und auch einige der wenigen Bars der Stadt versammelt sind. Eine große Straße (Epitacio Pessoa) verbindet dieses Zentrum mit dem Strand, an dem sich noch einige weitere Viertel entlang ziehen. Die Uni und Castelo Branco, das direkt neben der Uni liegt, bilden eine weitere „Stadtinsel“ im grünen Küstenurwald. Der Studentenalltag ist entspannt, da der Campus sehr viele Sitzmöglichkeiten im Schatten bietet und viele Studierende sich gerne dort aufhalten. Es gibt Samba- und Capoeiragruppen in der Uni. Ich machte bei der Capoeiragruppe mit und war von den Leuten, ihrer Art und der Art der Capoeira sehr überzeugt. Leider gibt es wenige sichtbare politische studentische Aktivitäten an der Uni. Das Nachtleben in Joao Pessoa ist auf den ersten Blick einseitig und langweilig und auf den zweiten Blick „ausreichend“ und sehr schön. Es gibt einige nette Bars im Zentrum, zudem die berühmte Contorno-Bar an der Uni, in der die Studis abhängen. Samstags gibt es Livemusik und Feststimmung auf einem Platz im Zentrum. Am Strand gibt es auch einige Bars. Zudem treffen sich Studierende gern nachts am Strand zum „Lual“, einem Sit-In am Strand mit Bier und Gitarre. Zum Karneval „muss“ man nach Recife fahren, das sowieso so etwas wie das inoffizielle politische und kulturelle Zentrum im Nordosten ist. Dort ist der Karneval ein unglaublich buntes und verrücktes Fest. Dafür gibt es in Joao Pessoa einige lustige und interessante „Vorkarnevalszüge“, die 1-2 Wochen vor dem eigentlichen Event durch die Stadt ziehen. Karneval wird in Joao Pessoa wohl nur sehr klein gefeiert, ich selbst war nicht da. Sport wird meiner Meinung nach meistens nicht in Clubs praktiziert, sondern eher nicht institutionalisiert unter Freunden. Fußball wird zum Beispiel viel am Strand gespielt. Oder auf öffentlichen Sportplätzen. Der Strand ist generell ein zentraler Ort in Joao Pessoa. Andauernd wird man gefragt, ob man die Strände im Norden und Süden Paraibas schon besucht hätte, diese scheinen die größte Attraktion des kleinen und armen Bundesstaates zu sein. Und sie sind auch wirklich schön. Aufgrund meiner Nähe zum Strand, hielt ich mich dort häufig auf und lernte diese Nähe mit der Zeit lieben. Das Wasser ist kühl bis lauwarm und es gibt ein Riff, das einen anscheinend vor Haien schützt. Es gab in Joao Pessoa nie Hai-Attacken (im Gegensatz zu Recife, wo das Baden sehr gefährlich sein kann!), dafür Wasserschildkröten, Delfine, Riffe zum Schnorcheln, KiteSurfer, Wellensurfer, etc. etc. Für wasser- und wärmeliebende Personen ist Joao Pessoa eine ausgezeichnete Wahl. Seite 6 von 6 Zusammenfassung Die Beschreibungen sind nur ein kleiner Ausschnitt der Erfahrungen, die ich in Joao Pessoa machte und spiegeln diese wider. Alle Empfehlungen sind natürlich nur Ausdruck meiner eigenen Meinung, ich erhebe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Generell sollte man sich vor einem Auslandssemester so gut es geht über einige Dinge im Klaren sein, das verhindert Enttäuschungen. Man sollte meiner Meinung nach wissen, wie weit man von zuhause weg will, welche Sprache dort gesprochen werden soll, wie groß die Stadt ungefähr sein soll, ob es einem auf prestige-trächtige Lehre ankommt, ob man Studiengebühren bezahlen kann/will, wie man leben will, etc. Außerdem sollte man natürlich kein zu festes Bild, bzw. keine Erwartungen haben und sich auch nicht auf die Angaben in diesem Bericht verlassen, da sich vieles sehr schnell ändern kann. Wenn Ihr Angst vor der Einsamkeit habt, die eventuell auf euch zuzukommen scheint, wenn Ihr so ganz alleine wegfahrt, kann ich euch sagen, dass es in Brasilien unglaublich einfach ist, schnell Leute kennenzulernen. Die meisten Menschen haben große Lust, Leute zu treffen und mit ihnen eine gute Zeit zu verbringen und sind offen für Gespräche. Zudem trifft man auf politisierte und interessante Menschen, die nicht ausschließlich Party machen wollen. Alles in Allem habe ich die Zeit in Joao Pessoa sehr genossen, da ich viele sehr nette und interessante Menschen kennengelernt habe, mein Portugiesisch verbessert habe, recht interessante Unikurse belegen konnte und auch noch gereist bin (nach Salvador, Bahia und in die Chapada Diamantina, einer sehr schönen Landschaft in Bahia). So kann ich insgesamt Joao Pessoa für einen sechsmonatigen Aufenthalt sehr empfehlen.