Elektrostimulation und Beckenboden- training mit Biofeedback bei
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Elektrostimulation und Beckenboden- training mit Biofeedback bei
Terra MP, et al. Elektrostimulation und Biofeedback Journal Club Elektrostimulation und Beckenbodentraining mit Biofeedback bei Patienten mit fäkaler Inkontinenz Eine Kohortenstudie von 281 Patienten Terra MP, Dobben AC, Berghmans B, et al. Electrical stimulation and pelvic floor muscle training with biofeedback in patients with fecal incontinence: a cohort study of 281 patients. Dis Colon Rectum 2006;49:1149–59. Fragestellung und Hintergrund: Die Rehabilitation des Beckenbodens ist eine attraktive Behandlung für Patienten mit fäkaler Inkontinenz, aber die berichteten Ergebnisse sind unterschiedlich. Diese Studie wurde durchgeführt, um das Ergebnis von Beckenbodenrehabilitationen in einer langen Serie konsekutiver Patienten mit fäkaler und von verschiedenen Ätiologien ausgelöster Inkontinenz zu beurteilen. Patienten und Methodik: Die Studie umfasste insgesamt 281 Patienten (252 weiblich). Es wurden Daten zur Krankengeschichte, zur analen Manometrie, rektalen Kapazitätsmessung sowie endoanalen Sonographie gesammelt. Auf der Basis von Integrität und Art des analen Sphinkterkomplexes sowie möglichen, zugrundeliegenden Ursachen fäkaler Inkontinenz wurden Patientenuntergruppen gebildet. Anschließend wurden die Patienten zur Beckenbodenrehabilitation überwiesen einschließlich neun Sitzungen für Elektrostimulation und Beckenbodenmuskeltraining mit Biofeedback. Das Ergebnis der Beckenbodenrehabilitation wurde mit dem VaizeyScore, analer Manometrie und den Befunden aus rektalen Kapazitätsmessungen dokumentiert. 180 Ergebnisse: Der Vaizey-Score verbesserte sich vom Ausgangswert bei 143 von 239 Patienten (60%), blieb unverändert bei 56 Patienten (23%) und verschlechterte sich bei 40 Patienten (17%). Der mittlere Vaizey-Score reduzierte sich um 3,2 Punkte (p < 0,001). Eine Vaizey-Score-Reduktion von ≥ 50% wurde bei 32 Patienten beobachtet (13%). Der mittlere Kneifdruck (+5,1 mmHg; p = 0,04) sowie das maximal tolerierte Volumen (+11 ml; p = 0,01) verbesserten sich vom Ausgangswert. Ruhedruck (p = 0,22), Sensibilitätsgrenze (p = 0,52) und Dranggefühl (p = 0,06) blieben unverändert. Die Untergruppenanalysen zeigten keine wesentlichen Unterschiede in den Auswirkungen der Beckenbodenrehabilitation zwischen den Untergruppen. Schlussfolgerung: Die Beckenbodenrehabilitation führt insgesamt zu einer moderaten Verbesserung bezüglich der Schwere der fäkalen Inkontinenz, des Kneifdrucks und des maximal tolerierten Volumens. Nur bei wenigen Patienten wurde eine wesentliche Verbesserung des Ausgangswerts des Vaizey-Scores beobachtet. Weitere Studien werden benötigt, um Patienten zu identifizieren, die höchstwahrscheinlich von einer Beckenbodenrehabilitation profitieren könnten. coloproctology 29 · 2007 · Nr. 3 © Urban & Vogel Terra MP, et al. Elektrostimulation und Biofeedback Es wurden über 40 Monate 281 Patienten wegen Analinkontinenz unterschiedlicher Genese in 16 Zentren (= 17 Patienten/Zentrum) von 71 Physiotherapeuten (= 4 Patienten/Therapeut) in neun (mehr wurden nicht bezahlt) wöchentlichen Sitzungen von 35 min (= jeder Therapeut hatte pro Monat einen Patienten) behandelt. Die Behandlung wurde von den 71 Therapeuten angeblich uniformiert durchgeführt. Die Patienten wurden „ermutigt“, auch zu Hause Beckenbodentraining zu machen. Es wird nicht erwähnt, ob die Patienten dies auch taten. Der Physiotherapeut legte das Beckenbodentraining fest, je nach OxfordScore, eine subjektive Beurteilung der Beckenbodenkontraktion, und das bei 71 Therapeuten! Je nach Oxford-Score wurde Biofeedbacktraining (Rektumballon) mit Reizstromtherapie oder Biofeedbacktraining mit Ballon und EMG-Ableitung durchgeführt. Im Durchschnitt 11 Wochen nach der letzten Therapiesitzung wurde das Ergebnis gewertet. Der Vaizey-Score besserte sich bei 47% gering, bei 13% erheblich, bei 40% nicht oder wurde schlechter (!); das gleiche Muster zeigte sich bei Ruhedruck, Kneifdruck und Rektumsensibilität. Ob es Unterschiede zwischen den Zentren/Physiotherapeuten gab, wird nicht erwähnt. Diese Studie würde in einer CochraneStudie [1, 2] nicht berücksichtigt werden. Die Studie bestätigt, was andere Studien schon gezeigt haben: Wenn überhaupt [1–4] (und wenn das Training mindestens 2–3 Monate gemacht wird [5–9]), bringt das Beckenbodentraining nur einen geringfügigen Effekt bei Beckenbodeninsuffizienz mit Harn- und Stuhlinkontinenz [1, 10, 11]. Das Training (egal welche Form [12, 13]) ist auch abhängig von der Person, die es überwacht [3, 6, 9, 14, 15]. Das Ergebnis wird besser, wenn die Patienten das Training nach den eigent- coloproctology 29 · 2007 · Nr. 3 © Urban & Vogel lichen Therapiesitzungen weitermachen [5, 9, 12]. Beckenbodentraining kann sich positiv auf die Inkontinenz auswirken. Die Person, die das Beckenbodentraining anleitet, die Intensität und Dauer beeinflussen das Ergebnis. Es hat aber auch keine schädlichen Nebenwirkungen. Daher sollte der inkontinente Patient in jedem Fall dazu motiviert werden und ihm krankengymnastische Unterstützung verschrieben werden. Sollte das Beckenbodentraining unter krankengymnastischer Anleitung nicht den erwünschten Effekt haben, hat man den Krankenkassen gegenüber genügend Argumente, um Biofeedbacktraining zu verschreiben. Die Kassen genehmigen solche Geräte häufig erst nach Vorschaltung eines Beckenbodentrainings. Journal Club Kommentar Literatur 1. Norton C, Cody JD, Hosker G. Biofeedback and/or sphincter exercises for the treatment of faecal incontinence in adults. Cochrane Database of Systematic Review 2006, Issue 3. Art.No. CD00211. DOI:10.1002/14651858. CD00211.pub2. 2. Hosker G, Norton C, Brazelli M. Electrical stimulation for faecal incontinence in adults. Cochrane Database of Systematic Review 2000, Issue 1. Art.No. CD001310. DOI:10.1002/14651858.CD001310. 3. Kairaluoma M, Raivio P, Kupila J, et al. The role of biofeedback therapy in functional proctologic disorders. Scand J Surg 2004; 93:184–90. 4. Norton C, Chelvanayagam S, Wilson-Barnett J, et al. Randomized controlled trial of biofeedback for faecal incontinence. Gastroenterology 2003;125:1320–9. 5. Hay-Smith EJC, Dumoulin C. Pelvic floor muscle training versus no treatment, or inactive control treatments, for urinary incontinence in women (Review). Cochrane Database of Systematic Review 2006, Issue 1. Art. No. CD005654. DOI:10.1002/14651858. CD005654. 6. Awad RA. Biofeedback treatment of fecal incontinence incorporating a mental variable without instrumentation: a prospective pilot study in Hispanic population. Acta Gastroenterol Latinoam 2005;35:230–7. 181 Terra MP, et al. Elektrostimulation und Biofeedback Journal Club 7. 8. 9. 10. 11. 12. 182 Willis S, Hölzl F, Fackeldey V, et al. Stellenwert von Biofeedback-Training mit kombinierter analer Elektrostimulation bei idiopathischer Stuhlinkontinenz. Zentralbl Chir 2004;129:211–5. Pucciani F, Iozzi L, Masi A, et al. Multimodal rehabilitation for fecal incontinence: experience of an Italian centre devoted to faecal disorder rehabilitation. Tech Coloproctol 2003;7:139–47. Pager CK, Solomon MJ, Rex J, et al. Longterm outcomes of pelvic floor exercise and biofeedback treatment for patients with fecal incontinence. Dis Colon Rectum 2002; 45:997–1003. Glazener CMA, Herbison GP, MacArthur C, et al. Randomised controlled trial of conservative management of postnatal urinary and faecal incontinence: six year follow up. BMJ 2005;330:337–41. Glazener CMA, Herbison GP, Wilson PD, et al. Conservative management of persistent postnatal urinary and faecal incontinence: randomised controlled trial. BMJ 2001; 323:593–6. Byrne CM, Solomon MJ, Rex J, et al. Telephone vs. face-to-face biofeedback for fecal incontinence: comparison of two techniques in 239 patients. Dis Colon Rectum 2005;48:2281–8. 13. Solomon MJ, Pager CK, Rex J, et al. Randomized, controlled trial of biofeedback with anal manometry, transanal ultrasound, or pelvic floor retraining with digital guidance alone in the treatment of mild to moderate fecal incontinence. Dis Colon Rectum 2003; 46:703–10. 14. Frizelle FA, Gearry RB, Johnston M, et al. Penile and clitoral stimulation for faecal incontinence: external application of a bipolar electrode for patients with faecal incontinence. Colorectal Dis 2004;6:54–57. 15. Allgayer H, Dietrich CF, Rohde W, et al. Prospective comparison of short- and longterm effects of pelvic floor exercise/biofeedback training in patients with fecal incontinence after surgery plus irradiation versus surgery alone for colorectal cancer: clinical, functional and endoscopic/endosonographic findings. Scand J Gastroenterol 2005;40:1168–75. Dr. Johannes Jongen, Kiel coloproctology 29 · 2007 · Nr. 3 © Urban & Vogel