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fairways | tipps Nehmen Sie sich auf der Runde Zeit, um gute und schlechte Erlebnisse auf Poker-Chips zu notieren „Give me a chip and a golf club“ Text: Harald Dobmayer; Fotos: Alexandra Philipp Nachdem wir uns in den vergangenen Ausgaben immer wieder gefragt haben, wie wir uns mental auf unsere nächste Golfrunde vorbereiten können, geht es heute darum, wie wir unser Golfspiel mental verarbeiten und nachbereiten können. Von meinen Mentalklienten erwarte ich, dass sie mir nach jeder unserer Sessions unsere Ergebnisse protokollartig zumailen. Warum ist mir das so wichtig? Nun, abgesehen davon, dass ich daran erkennen kann, ob sie meine Tipps und ihre „Hausaufgaben“ richtig verstanden haben, erreiche ich damit, dass sie das Erlebte nochmals nachvollziehen und verarbeiten. Gerade unsere Gefühle sind es, die unser Leben entweder schwer oder unbeschwert machen können. Ha- 60 fairways September/Oktober '10 ben wir etwas Positives erlebt, kann es uns durch den gesamten Tag und länger tragen. Schlechte Erlebnisse hingegen können uns lähmen, depressiv und phlegmatisch machen. Dummerweise neigen wir in unserer westlichen Zivilisation dazu, uns eher am Negativen festzuhalten und Positives nur allzu schnell zu vergessen. Häufig höre ich von meinen Golfklienten etwas in dieser Art: „Die Runde war ganz okay, aber wenn ich an der 13 nicht diese Krücke ins Aus fabriziert und an der 16 nicht diesen superleichten Meter-Putt verpatzt hätte, dann hätte wirklich ein gutes Ergebnis rausspringen können.“ Sie vergessen dabei zahllose wunderbare Schläge und minimale Chancen, die sie championmäßig genutzt haben. Wenn ich sie an diese Situationen erinnere, schaffen sie es doch tatsächlich, auch diese noch schlecht zu reden: „Stimmt! Wenn der danebengegangen wäre, hätte es noch übler ausgesehen …!“ Wie kommt das? Meines Erachtens liegt es zum großen Teil daran, dass wir von Kindesbeinen an dazu erzogen werden, an unseren Defiziten zu arbeiten, statt uns an unseren Stärken zu erfreuen. Ich kann mich an kein einziges Deutschdiktat in meiner gesamten Schulzeit erinnern, in dem mit grünem Stift all die schwierigen Wörter angestrichen worden sind, die ich erfreulich richtig geschrieben habe, wohl aber an all die roten Kringel und Unterstreichungen meiner Rechtschreibfehler. Geben Sie mir Recht? Im Mentaltraining möchte ich meine Klienten „umerziehen“: Sie sollen lernen, Negatives möglichst schnell und effektiv zu verarbeiten, es dann aber auch abzuhaken und sich an positiven Aspekten ihres Golfspiels viel länger als bisher zu erfreuen. Ein Profi-Pokerspieler, den ich ebenfalls trainiere, brachte mich dafür auf eine ganz neue Idee: „Give me a chip and a chair“, sagen die Pokerspieler, wenn sie sich in fast aussichtsloser Lage am Tisch befinden und sich dennoch nicht aufgeben. Und deshalb führe ich jetzt auch im Golfspiel Spiel-Chips ein und sage: „Take a chip and a pen!“ Besorgen Sie sich am besten je zwei Dutzend rote und grüne Poker-Chips. Etwa zehn von jeder Sorte sollten Sie auf jede Golfrunde mitnehmen, dazu einen nicht-abwaschbaren Stift. Nach einem schlechten Schlag, über den Sie sich so richtig aufregen könnten, nehmen Sie sich 30 Sekunden Zeit und notieren Sie ihn sich mit einem Stichwort auf einem roten Chip. Anschließend sagen Sie sich, dass diese Situation jetzt eine richtige Herausforderung ist, bei der sich die Spreu vom Weizen trennt – je nach dem, wie Sie mit ihr umgehen (mehr dazu in einer der nächsten fairwaysAusgaben). Legen Sie den Chip nun bitte in Ihr Bag zurück, möglichst in eine ganz tiefe Seitentasche, und machen Sie den Reißverschluss zu. Behalten Sie den roten Chip auf keinen Fall in Ihrer Hosentasche! Wenn Ihnen hingegen ein richtig guter Schlag gelingt, dann …? Na, raten Sie mal! … Richtig: Dann nehmen Sie einen grünen Chip zur Hand und notieren sich Ihre Glanzleistung darauf ebenfalls mit einem Stichwort. Genießen Sie währenddessen Ihren Schlag: Lassen Sie ihn noch mehrmals vor Ihrem geistigen Auge ablaufen und ankern Sie Ihr damit verbundenes gutes Gefühl. Diesen Chip dürfen Sie gerne auch in der Hosentasche bei sich tragen. Ansonsten stecken Sie ihn ebenfalls ins Bag zurück. Wenn Sie Ihre Runde beendet haben, nehmen Sie nun alle Chips aus Ihren Taschen und legen Sie sie vor sich auf einen Tisch. Wie ist das Verhältnis von grünen zu roten Chips? In den meisten Fällen sicherlich grünlastiger beziehungsweise weniger rotlastig, als sie es sich vorgestellt hätten, richtig? Nun verarbeiten Sie die mit den Chips verbundenen Erfahrungen noch mal auf die gleiche Weise wie schon auf der Runde: Nehmen Sie abwechselnd – natürlich nur, soweit dies möglich ist – einen grünen und dann einen roten Chip in die Hand. Visualisieren sie den jeweiligen Schlag nochmals. Bei den „grünen“ Schlägen loben Sie sich so, wie es ein Caddie auch getan hätte. Versuchen Sie, das in Ihnen aufkommende gute Gefühl bewusst wahrzunehmen und zu intensivieren. Ankern Sie es dann nochmals ab, sofern Sie die Ankertechnik beherrschen. Anschließend legen Sie den grünen Chip an einen sicheren Ort, sodass Sie ihn in Zukunft immer wieder hervorholen können. So wird der Chip selbst zu einem positiven Anker! Bei „roten“ Schlägen überlegen Sie ganz nüchtern und ruhig, was Sie wohl falsch gemacht haben könnten. Notieren Sie das Ergebnis Ihrer Überlegungen auf der Rückseite des Chips. Dann schauen Sie, welche Maßnahmen Sie ergreifen können, damit dieser Fehler in Zukunft nicht mehr auftritt („Mit dem Trainer Chippen üben“, „Vor dem Schlag mehr Zeit lassen“, „Im Rückschwung mehr aufdrehen“ etc.). Vielleicht notieren Sie Ihre Schlussfolgerungen zusätzlich noch auf einem Zettel oder in einem Mental-Tagebuch, das ich Ihnen ohnehin nur wärmstens empfehlen kann. Denn von dem roten Chip sollten Sie sich nach diesem Runden-Follow-up nun endgültig verabschieden: Werfen Sie ihn weg und sagen Sie sich ganz bewusst, dass Sie damit auch dieses schlechte Erlebnis auf der Runde zurücklassen. Glauben Sie mir: Ihr Gehirn wird diese Symbolik verstehen und die negative Erfahrung leichter abhaken. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, nach dem Training und nach den Runden ein Mental-Tagebuch zu führen. Eine Vorlage für ein Mental-Tagebuch erhalten Sie auf properformance.de unter Extras – Downloads September/Oktober '10 fairways 61 fairways | tipps Eine Druckvorlage für Ihr Mental-Tagebuch finden Sie übrigens auf meiner Website properformance.de unter Extras und dann Downloads. Bis zu unserer nächsten fairways-Session wünsche ich Ihnen viele schöne Golfrunden mit unzähligen grünen Chips in der Hosentasche! Stichworte reichen. Und Ihrem Gehirn tut es gut, das Erlebte in Worte zu fassen und es damit „fassbar“ zu machen ZUR PERSON Denise Kalek spielt seit ihrem elften Lebensjahr Golf. Bereits 2006 belegte sie den 5. Platz bei der Deutschen Meisterschaft AK16. Im vergangenen Jahr wurde sie nordrhein-westfälische Meisterin AK18 und errang den Titel zusätzlich auch mit der Mädchen-Mannschaft des GC Hummelbachaue. Denise war 2008 und 2009 festes Mitglied im Nationalkader. Derzeit spielt die 19-Jährige für den Düsseldorfer Golfclub in der 1. Bundesliga. Denise Kalek trainiert bei Michael Terwort und hat sich nach dem Abitur in diesem Jahr vorgenommen, „sowohl national als auch international anzugreifen“. Aus diesem Grund arbeitet sie mit Harald Dobmayer seit diesem Jahr an ihrer mentalen Fitness und konnte sich schon jetzt vor allem im kurzen Spiel enorm stabilisieren. 62 fairways September/Oktober '10 Harald Dobmayer betreut unter dem Label pro perfor® mance Spitzensportler und Führungskräfte als Mentalcoach und Performance-Trainer. Im Golfbereich coacht er neben zahlreichen Amateuren aller Handicap-Klassen auch Tour-Professionals. Er ist NLP-Master und verfügt über zahlreiche Zusatzausbildungen, unter anderem in moderner Hypnose. Harald Dobmayer trainiert Einzelpersonen ebenso wie Mannschaften. Für weitere Informationen und die Absprache von Trainings- oder Vortragsterminen ist er über die Website www.properformance.de oder über sein Kronberger Büro unter 06173 950795 zu erreichen.