Der Live-Ticker: Geschriebene Rede?

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Der Live-Ticker: Geschriebene Rede?
Der Live-Ticker:
Geschriebene Rede?
Ein quantitativer Vergleich deutscher und finnischer Live-Ticker
im Hinblick auf die Elemente gesprochener Sprache
Pro-Gradu-Arbeit
Universität Oulu
Germanische Philologie
Sami Ronkainen 2015
Inhaltsverzeichnis
1
EINLEITUNG ..................................................................................................... 3
2
DER LIVE-TICKER........................................................................................... 6
2.1
2.2
2.3
Live-Ticker-Typen ............................................................................................................. 8
Der Live-Ticker als eine journalistische Form ........................................................... 12
Die Eigenschaften eines guten Live-Ticker-Autors .................................................. 13
3
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN LESEN UND HÖREN .................................. 15
4
UNTERSUCHUNGSMATERIAL UND -METHODEN .................................. 17
5
ELEMENTE GESPROCHENER SPRACHE ................................................. 26
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
6
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
7
Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen .......................................... 27
Adressierung ...................................................................................................................... 28
Ellipsen ............................................................................................................................... 33
Ungrammatische Formen oder Fehler .......................................................................... 35
Umgangssprachliche Idiome .......................................................................................... 36
Personalpronomen ............................................................................................................ 38
Typographische Ersatzelemente und Symbole........................................................... 39
ERGEBNISSE .................................................................................................... 41
Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen .......................................... 41
Adressierung ...................................................................................................................... 44
Ellipsen ............................................................................................................................... 45
Ungrammatische Formen oder Fehler .......................................................................... 48
Umgangssprachliche Idiome .......................................................................................... 50
Personalpronomen ............................................................................................................ 51
Typographische Ersatzelemente und Symbole........................................................... 52
SCHLUSSWORT .............................................................................................. 58
QUELLENVERZEICHNIS ..................................................................................... 62
2
1
EINLEITUNG
Das Untersuchungsthema „Gesprochene Sprache“ war mein Hauptziel in meinen
linguistischen Studien (mein Hauptfach ist Germanische Philologie) schon früher
gewesen. Um das Gebiet noch interassanter zu machen, verband ich es mit Sport. Ein
neuer Bereich für mich kam in einer Diskussion mit einem sportbegeisterten Linguisten
hinzu: Ich könnte mich mit den Live-Tickern beschäftigen. Sie kannte ich nicht so gut
vorher. Der Live-Ticker ist eine Textart, die z. B. während einer Sportveranstaltung von
einem Moderator im Internet so aktualisiert wird, dass jedermann in Echtzeit das, was
auf dem Spielplatz passiert, verfolgen kann. Ich fand im Jahr 2010 heraus, dass die
Deutschen mehrere Portale für Live-Ticker hatten. Die Auswahl war sehr gut, vor allem
in ihrer Lieblingssportart, Fußball. Trotz vieler Arbeit ist mir bis heute die genaue
Geschichte des Live-Tickers nicht völlig klar geworden. Auf die Spuren der Entstehung
des Live-Tickers kommt man irgendwo in der Mitte der 1990er Jahre.
Auch im Umfeld digitaler, interaktiver Medien haben sich seit Mitte der 90er Jahre
zahlreiche neue Darstellungsformen des Sports entwickelt, die auf unterschiedlichen
technologischen Plattformen für eine allmähliche „Digitalisierung des Mediensports“ zu
sorgen scheinen. (Bieber, 2002, S. 211)
Bei den Finnen sah es im Jahr 2010 so aus, als ob sie diese Textart ein bisschen
langsamer aufnehmen würden. Mich erinnerte der Live-Ticker am Anfang an den
traditionellen Teletext, womit man Nachrichten lesen, aber auch den aktuellen Stand
mancher Sportveranstaltung finden kann. Aber auch die finnischen Live-Ticker haben
sich durchgesetzt, und heute werden schon ständig neue Live-Ticker zu den wichtigsten
Sportarten, vor allem Eishockey und Fußball, publiziert. Weil ich einige Unterschiede
zwischen den zwei Ländern und ihren Live-Tickern bemerkte, möchte ich sie genauer
betrachten. Ich wollte die exakten linguistischen Eigenschaften und Unterschiede
untersuchen.
Was hat so eine Textart denn mit der gesprochenen Sprache zu tun? Dauerhaftigkeit und
Anschaubarkeit der geschriebenen Texte existieren nicht in der gesprochenen Sprache,
die hörbar und flüchtig erscheint (Duden 4, S. 1176). Die Untersuchung der
gesprochenen Sprache verlangt normalerweise ein technisches Gerät, zum Beispiel ein
Tonbandgerät oder eine Videokamera, womit die Sprechprobe aufgenommen und
danach
analysierend
betrachtet
werden
kann.
Es
ist
auch
praktisch,
das
3
Untersuchungsmaterial in eine Transkription zu übertragen, sodass es leichter zu
bearbeiten ist. (Duden 4, S. 1178) Für meine Erforschung sind die Live-Ticker
ausgezeichnetes Untersuchungsmaterial, weil ein Moderator seine Kommentare mit
hohem Tempo aus seinem Kopf auf dem Computer formulieren muss. Darum mache ich
die Hypothese, dass der Live-Ticker viele Elemente der gesprochenen Sprache, z. B.
Interjektionen, umgangssprachliche Idiome, Gesprächspartikel usw. enthaltet. Der LiveTicker ist hierdurch an sich eine Transkription, die man normalerweise in der
Untersuchung verbaler Proben zuerst bearbeiten sollte (Duden 4, S. 1178, 1182).
Als ich im Jahr 2010 die Neuheit, Live-Ticker, entdeckte und sie zu untersuchen
begann, hörte ich solche Annahmen wie: Der Live-Ticker wird in der Zukunft nicht
mehr gebraucht, wenn man mit Videos und Mobilgeräten live fernsehen kann. Ich
dachte, dass ich ein Untersuchungsfeld der Zukunft gefunden hätte, aber dann sah es so
aus, als ob es sich schon um eine aussterbende, unreife Frucht handelte. Das machte
diese Untersuchung hochinteressant. Ich wollte wissen, was für Aussichten der LiveTicker im Wettbewerb mit den heutigen und zukünftigen Medien hätte.
Um zu klären, ob Charakteristika der gesprochenen Sprache unterschiedlich in
finnischen und in deutschen Live-Tickern vorkommen, wird in dieser Arbeit der
Vergleich finnischer und deutscher Live-Ticker im Hinblick auf die Merkmale der
gesprochenen Sprache durchgeführt. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass der LiveTicker Elemente gesprochener Sprache enthält. Der Live-Ticker wird zuerst definiert
und seine Typen und Eigenschaften vorgestellt. Danach werden die Elemente der
gesprochenen Sprache dargestellt. Die Untersuchungsmethode für die linguistische
Live-Ticker-Analyse wird auch behandelt. Zwei finnische und zwei deutsche LiveTicker werden gegenüberstellt und verglichen. Gesprochene Sprache und Mündlichkeit
werden in der Arbeit als Synonyme benutzt.
Der Themenbereich dieser Arbeit ist: ein quantitativer Vergleich der deutschen und
finnischen Live-Ticker im Hinblick auf die Elemente gesprochener Sprache
auszuführen. Das Untersuchungsmaterial besteht aus zwei finnischen und zwei
deutschen Fußball-Live-Ticker. Das Untersuchungsmaterial wird im Kapitel 4
vorgestellt. Die Elemente gesprochener Sprache werden im Kapitel 5 genauer
behandelt. In den Kapiteln 2, 3 und 4 stelle ich die einleitenden Theorien und Methoden
meiner Untersuchung vor. Mithilfe dieser Werkzeuge führe ich die Analyse durch. Ich
4
werde die vier Live-Ticker komplett analysieren und die Unterschiede aufzeigen. Die
Unterschiede zwischen den deutschen und den finnischen Live-Tickern werden
analysiert, die Elemente gesprochener Sprache im Live-Ticker werden untersucht und
zum Schluss wird die genaue Kategorisierung gemacht. Auch über die Zukunft des
Live-Tickers als eine journalistische Form wird spekuliert.
5
2
DER LIVE-TICKER
In diesem Kapitel wird der Live-Ticker vorgestellt und definiert. Die Abbildung 1 zeigt
ein Beispiel für einen Live-Ticker.
Abbildung 1. Ein Printscreen von einem Live-Ticker1
In der Abbildung 1 sieht man einen Live-Ticker, in welchem zuerst die Spielminute,
dann die möglichen Symbole und danach die Kommentare vorkommen.
Live-Ticker wird auf Englisch auch mit dem Terminus Live Text Commentary
bezeichnet. Andere Synonyme sind minute-by-minute, text-commentary und live match
report (Chovanec, 2009, S. 109). In dieser Arbeit nenne ich die Sport-Live-Ticker
einfacher Live-Ticker oder Ticker.
[...][L]ive text commentary, a modern genre of online journalism. After locating the new
genre at the intersection of spoken live commentary, computer-mediated communication
and everyday conversation, it identifies some of the features conveying spokennes on the
phonological/graphological, lexical, syntactic and pragmatic level. (Chovanec, 2009, S.
109)
Mit dem Live-Ticker kann über jedes live stattfindende Sportereignis im Internet
berichtet werden. Der Benutzer kann nahezu zeitgleich von Redakteuren chronologisch
verfasste Berichte in kurzen Sätzen und Statements über ein Ereignis verfolgen. (Lappe,
1
http://www.sportal.de/fussball/wm-qualifikation/finnland/deutschland/2008-09-10.html
6
2005, S. 26) Der Überbegriff des Sport-Live-Tickers, der Newsticker, wird
folgenderweise definiert:
Newsticker, besonders mit Sportberichterstattungen. Der Newsticker: vollautomatischer
Fernschreiber zum Empfang von Nachrichten [der Presseagenturen]; Nachrichtenticker,
Spalte einer Homepage oder Lauftext auf dem Fernsehbildschirm mit Kurznachrichten, die
ständig aktualisiert werden2
Vollautomatisch kann man die Live-Ticker meiner Meinung nach nicht nennen. Immer
muss eine Person hinter der Aktualisierung stehen. Deshalb verstehe ich diesen
Terminus „vollautomatisch“ so, dass der Leser ständig eine Aktualisierung bekommt
und automatisch der Veranstaltung folgen kann, wenn etwas Neues in der Veranstaltung
passiert ist.
Chovanec (2009, S. 110) listet die potentiellen Anwendungsmöglichkeiten des LiveTickers auf: Die Amtseinführung des Präsidenten, die Fragestunde des Parlaments, die
Wahlen oder andere politische oder soziale Veranstaltungen sind im Voraus gut
organisiert. Der Live-Ticker ist sehr passend für solche Veranstaltungen, die im Voraus
nach einem Zeitplan organisiert sind. Dann kann der Moderator anwesend sein oder
durch ein Medium (z. B. das Fernsehen) den Ereignissen folgen und über sie berichten.
Das
am
meisten
benutzte
Live-Ticker-Gebiet
ist
aber
der
Sport.
Die
Sportveranstaltungen haben eine feste Zeitstruktur und zusätzlich kommt die
Kulmination im Endergebnis. Das gibt dem Leser Motivation weiterzulesen. (Chovanec,
2009, S. 110)
Live-Ticker ist ein Beispiel der Massenmedienkommunikation, wozu auch Sport-LiveTicker gehören (Chovanec, 2009, S. 111). Es wird von Chovanec behauptet, dass
wegen des Fehlens der visuellen Elemente der Live-Ticker mehr an Radio als an
Fernsehen erinnert. Das wird später bei den typographischen Ersatzelementen genauer
behandelt.
Ich grenze die Analyse auf die Sport-Live-Ticker ein. Der Kern der Definition bleibt
derselbe. Die Textorte Live-Ticker lässt sich also zusammenfassend folgernderweise
präzisieren: Ein Live-Ticker zählt zu einer Unterform des Nachrichtentickers und
veröffentlicht in den digitalen Medien in Textform fast in Echtzeit, aktuelle
2
http://www.duden.de/rechtschreibung/Liveticker
7
Spielgeschehen eines Sportevents. Ein anwesender Moderator aktualisiert seine
Sportberichterstattung zum Beispiel jede Minute mit kurzen Beschreibungen, und
ermöglicht es Interessierten, diese Veranstaltung auch aus großer Entfernung zu
verfolgen. Auf Finnisch nennt man entsprechende Berichterstattungen „minuutti
minuutilta“3 oder „hetki hetkeltä“4.
Nach dieser kurzen Einleitung werden jetzt der Live-Ticker und seine Typen genauer
vorgestellt.
2.1 Live-Ticker-Typen
Ich werde in dieser Arbeit verschiedene Live-Ticker analysieren und vergleichen. Es ist
begründet, dass die Urtypen dieser Textart zuerst vorgestellt werden. Chovanec (2009,
S. 110-111) unterteilt Live-Ticker (LTCs) folgenderweise in drei Gruppen:
Tabelle 1. Die Live-Ticker-Typen (S.R., nach Chovanec, 2009, S. 110-111)
1: Live-Ticker, der über extralinguistische Ereignisse berichtet
2: Interaktiver und heteroglossischer Live-Ticker
-
2a: Zeitlich-organisierte Spielbeschreibung
-
2b: Thema-organisierte Debatte zwischen dem Moderator und den Lesern
3: Monologisches Verweisungskonto auf die Spielgeschehen mit einer relevanten
Internetseite, die gleichzeitig Platz für unregulierte Chat-Kommunikation zwischen den
Mitgliedern des Publikums anbietet
1: Live-Ticker, der über extralinguistische Ereignisse berichtet
Das ist die reinste Form der journalistischen Live-Ticker. Professionalität ist hoch, und
der
Text
handelt
extralinguistischen
hauptsächlich
Ereignissen
über
wird
extralinguistische
hier
die
Ereignisse.
Konzentration
auf
Mit
das
Informationsangebot gemeint, und die Interaktivität aus der Richtung des Publikums
3
http://www.duden.de/rechtschreibung/Liveticker
4
http://www.hs.fi/ulkomaat/artikkeli/Uutisia+Japanin+tilanteesta+hetki+hetkelt%C3%A4/1135264489616,
http://www.iltalehti.fi/jalkapallo/2010111712717794_jp.shtml
8
wird vermieden. Der Live-Ticker versucht bei der Sache zu bleiben. Niedrige
Interaktivität meint, dass der Live-Ticker-Text nur mit Gedanken, Kommentaren und
Beobachtungen des Moderators gefüllt wird. Das Publikum kann Information nur
empfangen, nicht kommentieren. Siehe Abbildung 2.
Abbildung 2. Ein Printscreen eines Live-Tickers, Typ 15
2: Interaktiver und heteroglossischer Live-Ticker
2a: Zeitlich-organisierte Spielbeschreibung und
2b: Thema-organisierte Debatte zwischen dem Moderator und den Lesern
Die Interaktivität ist hoch, weil die Leser ihre Kommentare (E-mails/Chat) in den LiveTicker einbringen können. Der Kommentar des Lesers wird vom Moderator in den
Live-Ticker-Text geschrieben (der Moderator liest die E-Mail- oder Chatkommentare
des Lesers und nimmt sie in den Live-Ticker-Text auf) und möglicherweise auch
behandelt oder sogar debattiert. Der Term heteroglossisch meint in diesem Fall also die
vielseitige und komplexe Autorenschaft. Nicht nur der Moderator, sondern auch die
Leser produzieren Inhalt im Live-Ticker. Die Professionalität bleibt niedrig, wenn
Amateur-Kommentare zwischendurch erscheinen. Der Wortschatz wird aufgrund vieler
Stimmen heteroglossisch. Die Spielbeschreibung und die Debatte existieren parallel.
Das heißt auch, dass viele andere Themen als nur reine Sportgeschehnisse behandelt
werden können. Deshalb spielen extralinguistische Ereignisse eine niedrigere Rolle.
Siehe Abbildung 3.
5
http://www.hs.fi/urheilu/artikkeli/N%C3%A4in+eteni+Saksa%E2%80%93Suomi/1135250034053
9
Abbildung 3. Ein Printscreen eines Live-Tickers und seines interaktiven Inhalts,
Typ 26
3: Monologisches Verweisungskonto auf die Spielgeschehen mit einer relevanten
Internetseite, die gleichzeitig Platz für unregulierte Chat-Kommunikation zwischen den
Mitgliedern des Publikums anbietet
Die Interaktivität ist mittelgroß, wenn die Leser ihre Kommentare (Chat) auf die
relevante Internetseite gleichzeitig mit dem aktuellen Spielgeschehen schreiben können.
Das hat aber nichts mit dem Live-Ticker-Text oder dem Moderator zu tun. Eigentlich
sollte hier über zwei verschiedene Kanäle der Kommunikation gesprochen werden. Die
Leser bekommen Information vom Moderator, aber ihre Kommentare erreichen den
Moderator nicht.
6
http://www.coveritlive.com/index2.php?option=com_altcaster&task=viewaltcast&altcast_code=d8a1e40e
ff&ipod=y
10
Abbildung 4. Ein Printscreen eines Live-Tickers und seiner visuellen Elemente, ein
Diskussionsraum rechts unten, Typ 37
Dasselbe gilt bei der Professionalität und extralinguistischen Ereignissen. Mit dem
monologischen Verweisungskonto wird hier also der Monolog des Live-Ticker-Autors,
der auf das Spielgeschehen verweist, gemeint. Wenn man den
Live-Ticker-Text
betrachtet, wäre der Journalismus hoch und gleichzeitig spielten extralinguistische
Ereignisse eine große Rolle. Auf der anderen Seite, wenn nur die relevante Internetseite
mit Chats unter Betrachtung stehen würde, wären der Journalismus und die
extralinguistischen Ereignisse niedrig. Wenn man den Live-Ticker-Text und die
relevante Chatseite zusammen betrachtet, meine ich, dass es durchschnittlich einen
mittelgroßen Anteil an Interaktivität gibt. Siehe Abbildung 4.
Die vorgenannte Unterteilung erkläre ich schematisch so:
Tabelle 2. Menge der Interaktivität, Journalismus und extralinguistische Ereignisse in
den verschiedenen Live-Ticker-Typen (S.R.)
Menge der
7
groß
mittelgroß
klein
2ab
3
1
-
Interaktivität:
-
Journalismus (Professionalität):
1
3
2ab
-
Extralinguistische Ereignisse:
1
3
2ab
http://www.sportal.de/fussball/wm-qualifikation/finnland/deutschland/2008-09-10.html
11
2.2
Der Live-Ticker als eine journalistische Form
Live-Ticker sind ein neues Genre, das heute dank der modernen Informations- und
Kommunikationstechnologien existiert, meint Chovanec (2009, S. 101). Mit denen kann
fast alles in Echtzeit dem weltweiten Publikum vermittelt werden. Der Live-Ticker ist
aber anders als zum Beispiel Blogs. Die Live-Ticker-Texte sind von professionellen
Journalisten geschrieben und sie werden live auf den Interseiten der Zeitungen
veröffentlicht. Seibt (2012) beschreibt den Live-Ticker so:
Der Live-Ticker widerspricht allem, was man vom Leben und vom Schreiben weiss. Er ist
die radikalste Form von Aktualität. Eingeführt wurde er im Online-Journalismus, um
dessen Schnelligkeit optimal zu vermarkten: auf der Jagd nach Clicks im Minutentakt.
(Seibt, 2012, S. 3)
Meiner Meinung nach meint Seibt hier, dass sich traditionelles Schreiben im Fall der
Live-Ticker geändert hat. Die Aktualität im Live-Ticker ist extrem betont, wenn man sie
mit dem traditionellen Textstil vergleicht. Eigentlich ist der Live-Ticker so live, dass es
sich schon dem Fernsehen nähert. Was ist dann die Beziehung zwischen der modernen
Videoreportage und dem Live-Ticker? Live fernsehen oder nachher gucken? Oder LiveTicker live oder nachher lesen?
Es ist wahr, dass Menschen Videos mit Mobilgeräten ansehen. Es ist möglich, die
Videos heutzutage auszuwählen und die interessantesten anzusehen. Die Zuschauer
entscheiden was, wie und wann sie fernsehen und Videos anschauen, gleichfalls wie sie
ins Restaurant gehen. Wesentlich für meine Studie ist die Bemerkung, dass man
weiterhin bevorzugt, Sport live anzuschauen.
Perinteisen television aika ei kuitenkaan ole ohi. Kuluttajat arvostavat etenkin suoria
lähetyksiä, joissa olennaista on olla ruudun äärellä tietyllä hetkellä. Suoriin lähetyksiin
liittyy vahvasti tunne siitä, että niitä katsotaan muiden kanssa. [--] urheilun katsominen
suorana on tärkeä osa heidän television katseluaan. 8
Als Nächstes folgt die Frage, welche Eigenschaften ein Live-Ticker-Moderator braucht,
um einen guten Live-Ticker-Text zu schreiben.
8
http://www.kauppalehti.fi/etusivu/videoiden+mobiilikatselu+kasvaa+rajahdysmaisesti/201310531979
12
2.3 Die Eigenschaften eines guten Live-Ticker-Autors
Was sind die Eigenschaften eines guten Live-Ticker-Autors? Ich nehme hier ein
Beispiel, das zeigt, was die Ticker-Autoren von sich selbst denken. Beim normalen
Schreiben hat der Journalist einen Vorsprung:
Es ist keine grosse Kunst für mich als Journalist, etwas cleverer, informierter, cooler zu sein
als der Leser, denn ich habe 60-mal mehr Zeit, nachzudenken. Nicht nur zum Schreiben,
sondern auch zum Umschreiben. (Seibt, 2012, S. 4)
Laut Seibt (2012, S. 4) sammelt ein Journalist Fakten für einen Artikel „mit einem
Schreibtempo von 1000 Zeichen die Stunde“. Das wird von einem Leser in unter einer
Minute gelesen. Die Menschen machen also ein gutes Geschäft: „In einer Minute haben
sie eine Stunde [f]remde Denkarbeit oder mehr gewonnen“ (Seibt, 2012, S. 4). Der
Schreiber eines Textes hat normalerweise viel Zeit seinen Text vorzubereiten, zu
schreiben und zu korrigieren. Deshalb bekommt der Leser ein aufgearbeitetes Material,
das leicht zu lesen und zu verstehen sein sollte. Bei Live-Tickern ist es aber anders:
Diese Vorteile wirft der Live-Ticker-Autor radikal über Bord. Sein Vorsprung gegenüber
dem Leser tendiert gegen null. Oder ins Negative. Er ist, etwa bei Sportreportagen, sogar
langsamer als sein Leser, der die Sache ebenfals auf TV sieht. (Seibt, 2012, S. 4)
So bekommen wir die drei wirklich benötigten Eigenschaften eines Live-Ticker-Autors:
„lichtschnell, superinspiriert, fehlerfrei.“ (Seibt, 2012, S. 4). Wie macht denn der Autor
diese Arbeit so gut wie möglich? Seibt (2012, S. 5f) gibt vier mögliche Hilfsmittel
dafür:
13
Tabelle 3. Hilfsmittel für einen Live-Ticker-Moderator (Seibt, 2012, S. 5f)
1. Vorbereitung: Zitate, Witze, Storys, Miniessays, Links zum Ticker-Thema
schon vor der Arbeit sammeln.
2. Nicht nacherzählen: Wenn der Leser Sport gleichzeitig mit dem Autor sieht, ist
es dem Autor nicht wert, das Gesehene wiederzuerzählen. Anstatt dessen sollte
der Autor eine Flucht ins Individuelle machen: Nebendinge, Frechheiten,
Kommentare. Das kann Zusatzwert für den Leser bringen.
3. Das Ticker-Thema wechseln: Es ist faszinierend, über etwas, was der Autor in
seinem Privatleben tut und vorhat (das eigene Leben, das Baby, Liebeskummer,
ein Kinobesuch), zu tickern.
4. Betrug: Eine Möglichkeit wäre natürlich, dass der Autor den Ticker nicht live,
sondern redigiert und arrangiert ins Netz speisen würde. Dann könnte die
Qualität des Tickers besser sein (dank der Zeitverzögerung). Weil der Ticker
schon vor dem Spiel fertig geschrieben wäre, sollte er weniger Schreibfehler
enthalten. Dann wäre der Text aber nicht zuverlässig.
Die aufgelisteten Eigenschaften helfen uns den Live-Ticker besser zu verstehen, wenn
wir später nach der Vorstellung des Untersuchungsmaterials und der –methoden
Elemente gesprochener Sprache im Geschriebenen untersuchen. Als Nächstes werden
die Unterschiede zwischen Lesen und Hören diskutiert.
14
3
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN LESEN UND HÖREN
In meinen früheren Analysen (Ronkainen, 2011) ist klar geworden, dass der Live-Ticker
etwas Gemeinsames mit Sportberichterstattung hat. Es gibt aber einen grundlegenden
unterscheidenden Faktor: Der Radio- oder TV-Sportberichter benutzt eine Audioanlage
bzw.
Kamera,
der
Live-Ticker-Moderator
geschriebenen
Text
als
sein
Kommunikationsmedium. Es geht also um die Paare a) Sprechen und Hören und b)
Schreiben und Lesen.
Von La Roche (2009, S. 18-19) unterscheidet das Lesen und das Hören von einander so:
Tabelle 4. Unterschiede zwischen Lesen und Hören (Von La Roche, 2009, S. 18-19)
Lesen
Hören
Der Text richtet sich ans Der Text richtet sich ans
Auge.
Ohr.
Lesen ist in der Regel Radiohören ist in der Regel
Hauptbeschäftigung
Nebenbeschäftigung
(höhere Konzentration).
(geringere Konzentration).
Der
Leser
hat
ein Der Hörer begegnet im
Schriftbild vor sich.
Radio Menschen mit ihrer
Stimme.
Der Leser kann sich die Der Hörer ist abhängig von
Zeit aussuchen, zu der er der Sendezeit.
lesen möchte.
Der Leser kann im Text Der Hörer muss warten, bis
springen.
wieder etwas kommt, was
ihn interessiert.
Der Text wird vor allem Der Text wird durch
durch
Schrift
und Betonung
und
andere
Aufmachung akzentuiert.
akustische
Mittel
akzentuiert.
Beim
Lesen
helfen Auch diese optischen Hilfen
Satzzeichen,
müssen durch akustische
Anführungszeichen etc.
ersetzt werden.
Der Leser hat ständigen Der Hörer hat keinen
Überblick über den Text ständigen Überblick über
und dessen Gliederung.
Text und Gliederung.
Der Leser kann selbst die Der Hörer muss mit der
Lesegeschwindigkeit
Sprechgeschwindigkeit des
bestimmen.
Sprechers hören.
Der Leser kann Nicht- Der Hörer kann jedes Wort
Verstandenes noch einmal nur einmal hören.
lesen.
15
Von La Roche hat hier als Ausganspunkt den Hörer und den Leser, also den
Rezipienten, genommen. Ich werde mithilfe der Sortierung von Von La Roche die LiveTicker betrachten und behaupte, dass der Live-Ticker als eine Textart nicht nur
Eigenschaften vom Schreiben und Lesen, sonder auch vom Sprechen und Hören enthält.
Schneider (2012) beschreibt die gesprochene Sprache gegenüber der geschriebenen.
Gesprochene Sprache existiert flüchtig, nur zeitlich, ist aus Lauten, die ein
Lautkontinuum bilden, geformt. Geschriebene Sprache existiert dagegen bleibend,
räumlich, und ist aus visuellen Buchstaben, diskreten Elementen geformt.
Tabelle 5: Gesprochene und geschriebene Sprache im Vergleich (Schneider, 2012)
Gesprochene Sprache
Geschriebene Sprache
zeitlich
räumlich/flächig
lautlich
visuell
ephemer (flüchtig)
persistent (starr, bleibend)
Lautkontinuum,
nicht
aus
diskreten Elementen bestehend
„digital“,
aus
diskreten
Elementen bestehend
Ich behaupte, dass der Live-Ticker-Text sich ans Auge richtet und aus digitalen,
diskreten Elementen besteht: Der Live-Ticker ist im Prinzip völlig in einem TextFormat – zusätzlich können visuelle Elemente, z. B. Symbole, benutzt werden. Es ist
möglich, dem Live-Ticker mit höherer Konzentration zu folgen, aber auch ist es
möglich, im Text zu springen und nur die Höhepunkte zu suchen oder auf sie zu warten.
Der Leser kann auf die nächste Aktualisierung konzentriert warten, oder den Text als
eine Nebenbeschäftigung halten. Er kann die Lesegeschwindigkeit bestimmen, aber nur,
wenn der Moderator den Text produziert hat. Das macht den Leser entweder abhängig
oder unabhängig von der Sendezeit. Der Live-Ticker-Leser hat das Schriftbild, den
Ticker, vor sich, aber „live“ gelesen bildet der Text seine eigene Gliederung im Laufe
des Spiels.
Die zugrundeliegende Hypothese dieser Arbeit heißt also, dass der Live-Ticker
irgendwo zwischen Gesprochenem und Geschriebenem liegt. Der Live-Ticker ist als
eine Textart eine bunte und vielseitige Mischung von geschriebener und gesprochener
Sprache. Immerhin ist er ein geschriebener Text, aber er enthält viele Eigenschaften der
Rede.
16
4
UNTERSUCHUNGSMATERIAL UND -METHODEN
Deutschland und Finnland begegneten sich im Fußball viermal im 21. Jahrhundert9
(Nationalmannschaften, Männer). Mir ist gelungen, zwei finnische und zwei deutsche
Live-Ticker von zwei Fußballspielen zwischen den zwei Ländern zu finden. Das gibt
also die Möglichkeit, diese gegenüberzustellen und eine vergleichende Analyse zu
machen. Im Untersuchungsmaterial gibt es also vier Live-Ticker, von denen zwei auf
Deutsch und zwei auf Finnisch sind. Über jedes Spiel gibt es also eine finnische und
eine deutsche Version. Ich begrenze somit das Untersuchungsgebiet so, dass der
Betrachtungspunkt beide Länder und ihre Sprachen überschauen. Wenn die
Spielgeschehen ähnlich bei denselben Spielen sind, können die Variationen zwischen
den Tickerpaaren gut untersucht werden. Nicht nur Text, sondern auch die Visualität der
Live-Ticker wird in der Analyse betrachtet. Mit der Visualität wird hier auf die
folgenden Eigenschaften verwiesen: Die Symbole, die Bilder, die Tabellen usw., die im
Text oder auf der Website vorkommen.
Als Basis wird meine frühere Analyse benutzt. Wenn der Denkansatz in jener Arbeit
war, einen Ticker mithilfe der Elemente gesprochener Sprache zu analysieren, werden
diesmal
auch
andere
Merkmale
für
Live-Ticker
mit
einbezogen.
Die
Untersuchungsmethoden von Pérez-Sabater et al. (2008) helfen bei der systematischen
Analyse.
Die Untersuchung beginnt mit der Vorstellung des zu untersuchenden Materials, vier
Live-Ticker. Dem folgt die Darstellung der schon kurz in meinen früheren
Untersuchungen hervorgebrachten Theorien und danach folgt die Untersuchung des
Forschungsgegenstandes. Die im Analyseteil verwendeten Beispiele aus den LiveTickern können mithilfe der Kategorienliste im originalen Live-Ticker gefunden werden
(Siehe Kapitel 6). Als Ortungsbezeichner funktioniert die Minutenzahl und der Hinweis
auf den entsprechenden Live-Ticker. Die jeweilige Zahl zeigt die genaue Minute im
Live-Ticker.
9
http://www.dfb.de/?id=500003&action=showRivalBalance&liga=Nationalmannschaft&gegner=dfbat8
17
Als Nächstes stelle ich die zu untersuchenden Live-Ticker kurz vor. Finnland und
Deutschland begegneten sich in der Qualifikation zur Fußball-WM 2014 am 10.9.2008
in Helsinki. Auf Deutsch hat die Webseite sportal.de einen Live-Ticker10 veröffentlicht.
Das Spiel ist mit der Überschrift Live-Ticker Fußball WM 2014 – Qualifikation
Finnland – Deutschland Saison 2009/2010 zu finden. Auf der Webseite gibt es viele
verschiedene Sportarten mit Live-Ticker-Aktualisierungen, z. B. Fußball, Wintersport,
Formel 1, US-Sport, Eishockey, Handball, Basketball, Tennis, Golf, Boxen, DTM usw.
Der Name des Moderators ist nicht genannt, sondern der Ticker wird namenlos unter
der Leitung von sportal.de präsentiert. Diesen Live-Ticker nenne ich „den Live-Ticker
A“. Unten findet man ein Printscreen dieses Live-Tickers.
Abbildung 5. Ein Printscreen der Website sportal.de11
10
11
http://www.sportal.de/fussball/wm-qualifikation/finnland/deutschland/2008-09-10.html
http://www.sportal.de/fussball/wm-qualifikation/finnland/deutschland/2008-09-10.html
18
Über dasselbe Spiel berichtet auf Finnisch Iltasanomat, ein Abendblatt, auf seiner
Webseite12 am 10.9.2008. Der Moderator heißt Antti Hämäläinen, und der Titel des
Live-Tickers ist Suomi ja Saksa pelasivat 3-3-tasapelin. Da es um die Webseite der
Zeitung geht, steht der Live-Ticker mit Begleitartikeln in Zusammenhang, z. B.
Heikkinen: Lopussa jalka painoi koko joukkueella oder Kallio: Saksa teki helppoja
maaleja. Die Begleitartikel sind Links auf die anderen Webseiten, wo die Spielthemen
durch Journalisten weiter behandelt werden (siehe Abbildung 6). Dieser Live-Ticker
heißt in der Untersuchung „der Live-Ticker B“. Ein Printscreen dieses Live-Tickers
wird in der Abbildung 7 vorgestellt.
Abbildung 6. Ein Printscreen vom Live-Ticker mit Links zu Begleitartikeln13
12
13
http://www.iltasanomat.fi/huuhkajat/art-1288339256605.html
http://www.iltasanomat.fi/huuhkajat/art-1288339256605.html
19
Abbildung 7. Ein Printscreen der Website iltasanomat.fi14
Bei dem zweiten Spiel geht es wieder um einen anderen WM-Qualifikationskampf, der
in Hamburg, Deutschland, am 14.10.2009 gespielt wurde. Auf Finnisch berichtet über
diesen Kampf Helsingin Sanomat, eine Tageszeitung, auf ihrer Website15. Die Person
Vesa Moilanen, ein potentieller Moderator, ist genannt, aber es bleibt unklar, ob er der
Photograph oder der Moderator ist. Der Live-Ticker ist mit Näin eteni Saksa-Suomi
betitelt. Weil es hier wie bei dem Ticker von Iltasanomat um einen Webartikel des
Printmediums geht, ist die Umgebung des Live-Tickers mit Zusatzartikel ausgerüstet.
14
15
http://www.iltasanomat.fi/huuhkajat/art-1288339256605.html
http://www.hs.fi/urheilu/artikkeli/N%C3%A4in+eteni+Saksa%E2%80%93Suomi/1135250034053
20
Abbildung 8. Ein Printscreen der Website hs.fi16
Auf Deutsch analysiere ich einen Live-Ticker von CoverItLive17, Deutschland Finnland Live-Ticker Mittwoch, den 14. Oktober 2009 (Siehe Abbildung 9).
CoverItLive ist ein Medium für viele Veranstaltungen, z. B. Sport, Nachrichten, soziales
Fernsehen, Live Blogging und Chats.18 Dieser Live-Ticker hat keinen benannten Autor.
16
http://www.hs.fi/urheilu/artikkeli/N%C3%A4in+eteni+Saksa%E2%80%93Suomi/1135250034053
17
http://www.coveritlive.com/index2.php?option=com_altcaster&task=viewaltcast&altcast_code=d8a1e40e
ff&ipod=y
18
www.coveritlive.com
21
Abbildung 9. Ein Printscreen der Website coveritlive.com19
In den Live-Tickern A und B sind die Spielgeschehen so geordnet, dass immer die
neuesten Aktualisierungen zuoberst hinzugefügt sind. In den Live-Tickern C und D
dagegen ist die Abfolge wie in einem normalen Text: das Neueste wird zuunterst
geschrieben.
Die
Moderatoren
der
Live-Ticker
A,
B
und
C
benutzen
Spielminutenzahlen in ihren Texten, im Live-Ticker D sind die Spielgeschehen mit den
aktuellen Uhrzeiten vorgestellt.
Beim deutschen Live-Ticker A spricht man meiner Meinung nach vom monologischen
Verweisungskonto auf das Spielgeschehen mit einer relevanten Internetseite, die
gleichzeitig Platz für unregulierte Chat-Kommunikation zwischen den Mitgliedern des
19
http://www.coveritlive.com/index2.php?option=com_altcaster&task=viewaltcast&altcast_code=d8a1e40e
ff&ipod=y
22
Publikums anbietet. In der Nähe des Live-Tickers gibt es einen Diskussionsraum, wo
die Leser ihre Kommentare hinzufügen können. Die finnischen Live-Ticker B und C
sind Live-Ticker, die über extralinguistische Ereignisse berichtet. Das heißt, dass die
Konzentration auf das Informationsangebot liegt, und die Interaktivität aus der Richtung
des Publikums vermieden ist. Im Live-Ticker D ist eine Nachfrage an die Leser
gerichtet worden, worauf manche Leser auch geantwortet haben. Weil diese Nachfrage
und die Antworten im Ticker-Text geschrieben sind, können sowohl die Leser als auch
der Moderator die lesen. Mit dieser Eigenschaft kategorisiere ich den Live-Ticker D als
interaktiven und heteroglossischen Live-Ticker, wo eine kleine Thema-organisierte
Debatte zwischen dem Moderator und den Lesern im Zusammenhang mit der Nachfrage
gesehen werden könnte.
Im Folgenden stelle ich die Breite meines Untersuchungsmaterials vor. Als Grundlage
benutze ich die Gruppierung von Pérez-Sabater et al. (2008, S.10). In diesem
Zusammenhang stelle ich den deutschen Begriff „Satz“ und seinen entsprechenden
finnischen Begriff „virke“ vor. Auf Deutsch definiert Duden 4 den Satz so: „[D]ie
größte Einheit, die man nach den Regeln der Syntax erzeugen kann; abgeschlossene
Einheit mit einem finiten Verb und allen dazugehörigen Ergänzungen.“ (Duden 4, S.
1269) Auf Finnisch ist virke so definiert: „Virke on tekstin rakenneyksikkö, joka
tarkoittaa ison alkukirjaimen ja pisteen tai kysymys- tai huutomerkin välistä tekstin
osaa.” (VISK, Määritelmät, virke)
In der Gruppierung werden die folgenden Bereiche aufgelistet: Zahl der Minuten, Zahl
der Sätze, durchschnittliche Dauer der Sätze (in Wörtern), Zahl der Kommentare und
durchschnittliche Dauer der Kommentare. Zahl der Minuten heißt, wie viele
Minutenanzahlen der Moderator am Anfang der Kommentare benutzt. Also, eine
Aktualisierung im Live-Ticker A „43. TOOOR! […]“ heißt, dass zu dieser Spielminute
„43“ eine Aktualisierung gemacht ist. Der Moderator kann mehrere oder wenige
Aktualisierungen innerhalb einer Spielminute publizieren. Normalerweise dauert ein
Fußballspiel 90 Minuten. Ich werde in der Analyse betrachten, was innerhalb dieser Zeit
passiert. Wie viele Sätze benutzt werden, wie lang die Sätze sind, wie viele
Kommentare (d. h. wie viele Aktualisierungen) benutzt werden und wie lang diese
Kommentare sind.
23
In der Tabelle 6 sind die Zahlen folgenderweise vorgestellt: Zahl der Minuten zeigen
zuerst die Minuten, die nur einmal vorkommen, und dann die Minuten insgesamt. Das
meint, dass der Moderator sogar mehrere Male mit denselben Minutennummern
aktualisiert. Die Formel bei der Angabe der Sätze erklärt sich folgenderweise: Sätze in
der Einleitung + Sätze im Ticker + Sätze im Nachwort = Sätze insgesamt im Text. Die
durchschnittliche Dauer der Sätze wird in Wörtern im Ticker/und im ganzen Text
angegeben. Durchschnittliche Dauer der Kommentare bezieht sich nur auf den
Tickerteil, also die mögliche Einleitung und das Nachwort sind nicht hinzugefügt.
Tabelle 6. Durchschnittliche Dauer der Sätze und der Kommentare (Pérez-Sabater et.
al, 2008, S.10)
Live- Zahl der Zahl der Sätze Durchschnitt- Zahl der
DurschnittTicker aktualiliche Dauer
Komliche Dauer
sierten
der Sätze in
mentare
der
Minuten
Wörter
Kommentare
A
54/62
22+103+9=134
15,5 (16,5)
62
1 Satz
B
46/46
20+110+3=133
7,5 (8)
46
3 Sätze
C
30/30
2+63+1=65
8 (9,5)
30
2 Sätze
D
55/175
1+209+0=210
8 (9,5)
175
1 Satz
N.B.!
Einmal/
Einleitung+
Tickertext
Tickertext
insTicker+
(der ganze
gesamt
Nachwort
Text)
=insg.
Es ist besonders für den deutschen Live-Ticker A typisch, dass die durchschnittliche
Dauer der Sätze in Wörtern zweimal so groß wie in den anderen betrachteten LiveTickern
ist.
Der
finnische
Moderator
vom
Live-Ticker
B
veröffentlicht
Aktualisierungen ungefähr jede zweite Spielminute. In einem Kommentar benutzt er
jedoch viele Sätze. Der Moderator schreibt sehr gegenwärtig und schreibt
durchschnittlich drei Sätze in einem Kommentar. Durchschnittliche Dauer der
Kommentare ist im Live-Ticker B am längsten. Beim C-Moderator ist das Tempo der
Aktualisierungen jede dritte Spielminute.
Es ist offentsichlich, dass der Moderator vom Live-Ticker D fast jeden Moment
Kommentare in seinem Ticker aktualisiert. Die insgesamte Zahl der Kommentare ist
dreimal größer als die Zahl der Minuten. Er benutzt auch viele Sätze in seinem Ticker,
mehr als die anderen Moderatoren insgesamt, aber die durchschnittliche Dauer der
Kommentare ist nur ein Satz. Doch sind 17 von den Kommentaren semiautomatische
Aktualisierungen, die der Moderator umarbeitet und so immer dieselbe Formel benutzt,
z. B:
24
18:27
WM-Qualifikation Spielminute 27
Deutschland – Finnland 0:1
0:1 Johansson (11.)20
Als eine Zusammenfassung könnte man behaupten, dass die deutschen Moderatoren
(Live-Ticker A und D) mehr Kommentare aktualisieren als ihre finnischen Kollegen.
Die Finnen (Live-Ticker B und C) schreiben aber ihre Kommentare mit durchschnittlich
längerer Dauer.
Nach der Vorstellung des Untersuchungsmaterials behaupte ich, dass ich hier ein
relevantes Material habe, dessen Inhalt geeignet für die Analyse und den Vergleich ist.
Als Nächstes stelle ich die zu untersuchenden Elemente gesprochener Sprache vor.
20
http://www.coveritlive.com/index2.php?option=com_altcaster&task=viewaltcast&altcast_code=d8a1e40e
ff&ipod=y
25
5
ELEMENTE GESPROCHENER SPRACHE
Mit den Elementen gesprochener Sprache weise ich auf die sprachlichen
Besonderheiten des Live-Tickers, welche meiner Hypothese zufolge mehr zur
gesprochenen Sprache als zur geschriebenen Sprache gehören, hin. In meinen früheren
Untersuchungen habe ich einen deutschen Fußball-Live-Ticker21 unter dem Aspekt der
Elemente der gesprochenen Sprache analysiert. Es kamen folgende Elemente oder
Ersatzelemente der gesprochenen Sprache, die typisch für den Live-Ticker sind, vor:

Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen

Adressierung

Ellipsen

Ungrammatische Formen oder Fehler

Umgangssprachliche Idiome

Typographische Ersatzelemente und Symbole
Pérez-Sabater et al. (2008) untersuchen verschiedene Live-Ticker in drei Sprachen:
Englisch, Französisch und Spanisch. Ich werde solche Elemente ihrer Untersuchung, die
ich nützlich für die Untersuchung der Elemente gesprochener Sprache finde, auch in
meiner Analyse benutzen. Diese Elemente sind:

Personalpronomen

Traditionelle Indikatoren der paralinguistischen Besonderheiten in der
Kommunikation auf Computerbasis
In Folgendem stelle ich die Elemente gesprochener Sprache genauer vor. Die
Untersuchungsmethoden von Pérez-Sabater et al. sind mit meinen früheren Methoden
verbunden und sie unterstützen einander.
21
http://de.eurosport.yahoo.com/fussball/uefa-champions-league/2009-2010/fc-barcelona-fc-arsenallondon-342095.html
26
5.1 Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen
Im Folgenden stelle ich Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen vor.
Wie der Name schon ausdrückt, haben die Gesprächspartikeln (z. B. ha, klar, sicher,
genau, aber, ja, äh, ähm, so, also) viel mit der Rede zu tun (Duden 4, S. 601).
Gesprächspartikeln dienen der Organisation und Aufrechterhaltung des Gesprächs, d. h., sie
steuern die Interaktion zwischen Sprecher und Hörer, markieren Beginn und Ende der
Redebeiträge, füllen Pausen oder binden den Hörer ein. Gesprächspartikeln sind nicht in
den Satz eingebettet: sie stehen meist am Anfang oder am Ende eines Satzes bzw. einer
Äußerung oder allein. (Duden 4, S. 601-602)
Die Gesprächspartikeln „kommen vor allem in dialogischer Kommunikation vor und
sind ein typisches Merkmal gesprochener Sprache“ (Duden 4, S. 601). Eine andere
Aufgabe haben die Gesprächspartikeln auch. Sie geben in einer wirklichen
Redesituation hilfreiche Hinweise über die Statements und ihren Wechsel. Duden 4
nennt diese Hinweise „Sprechersignale[n]“ und „Hörersignale[n]“ (Duden 4, S. 601).
Die Gesprächspartikeln funktionieren z. B. als Startsignale (ja, äh, ähm, so, also, dann,
nun, gut, na ja, ha, klar, sicher, genau, aber, übrigens, Entschuldigung), als
Haltesignale (ja äh, ähm, jedenfalls, gell, so: ich meine, wie auch immer), als
Endsignale/abschließende signale (und so, oder so, und so weiter, gut, okay, alles klar,
na ja, nun ja, ja, hm) (Duden 4, S. 601-602).
Auf Finnisch sind zum Beispiel die folgenden Gesprächspartikeln entsprechend:


Vuoronalkuinen dialogipartikkeli: joo, niin
eksplisiittinen merkki vuoron siirtämisestä toiselle puhujalle: vai, eikö (totta), vai mitä
(VISK – Iso suomen kielioppi,§ 1027, 1037)
Auch die Abtönungspartikeln (Modalpartikeln) wie z. B. ja, doch, mal, auch, eben,
denn, schon, eigentlich, wohl erscheinen in der gesprochenen Sprache mit deutlich
höherer Frequenz als im Geschriebenen und erfüllen eine Vielzahl von Funktionen:
„Einstellungen, Annahmen, Bewertungen und Erwartungen des Sprechers bezüglich des
geäußerten Sachverhalts, teilweise auch seine Erwartungen an den Hörer aus.“ (Duden
4, S. 597-598) Ich liste die häufigsten Abtönungspartikeln laut Duden 4: „Ja, denn,
wohl, doch, aber, nur, halt, eben, mal, schon, auch, bloß, eigentlich, etwa, nicht,
vielleicht, ruhig“ (Duden 4. S. 598).
27
Entsprechende finnische Abtönungspartikeln sind die Folgenden:


Itsenäisiä sävypartikkeleita: aina, nyt, sit(ten), vasta, sitä, kyllä, oikein, oikeastaan, ihan,
vaan ~ vain
Kriittisiä sävypartikkeleita: -hAn, -pA, -s, -pAs (VISK – Iso suomen kielioppi, § 821)
Interjektionen sind ähnlich wie Gesprächs- und Abtönungspartikeln:
Interjektionen kommen vor allem in der gesprochenen Sprache vor und dienen dem
Ausdruck spontaner, reaktiver Emotionen oder Bewertungen (daher werden sie auch
Ausdruckspartikeln oder Empfindungswörter genannt.) Prototypische Interjektionen, z. B.
au, ach, igitt, sind expressiv. Sie können sich dabei auf (verbale) Mitteilungen oder auf
(nonverbale) Vorkommnisse beziehen […]. Einige wenige und nicht prototypische
Interjektionen fordern das Gegenüber zu einem bestimmten Verhalten auf (sogenannte
Appellinterjektionen oder Aufforderungssignale […]) wie pst, womit man um Ruhe bittet.
(Duden 4, S. 604)
Laut Duden 4 (S. 604) trifft man Interjektionen „vor allem in der gesprochenen
Sprache“. Daraus kann man umgekehrt schließen, dass in der geschriebenen Sprache
nicht
so
viele
Interjektionen
wie
im
Gesprochenen
vorkommen.
Eine Tatsache ist, dass Interjektionen nicht immer eindeutig verstanden werden können.
So kann z. B. die Interjektion „ach“ in der Rede mit steigender oder mit fallender
Tonhöhe ausgedrückt werden. Im ersten Fall bedeutet es vor allem Zweifel, im zweiten
Fall Überraschung. (Duden 4, S. 604f)
Um die Funktion der Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen in den zu
untersuchenden Live-Tickern zu erklären, werden sie in der Analyse gesammelt und
vergleichend analysiert.
5.2 Adressierung
Als Nächstes folgt eines der wichtigsten Themen, das ich früher in meinen früheren
Untersuchungen behandelt habe: Adressierung. Was mir als ein typisches Merkmal von
mündlicher Rede im Live-Ticker erscheint, ist der Wechsel der Sprecherrollen. Der
Moderator hat einerseits die Sprecherrolle, andererseits die Hörerrolle. Es gibt nur eine
Person als Moderator, aber es scheint so, als ob es da eine Diskussion zwischen
mehreren
Parteien
gäbe.
Diese
Erscheinung
kann
im
Zusammenhang
mit
„Adressierung“ nach Duden 4 (vgl. S. 1193-1194) gesehen werden. Es geht also darum,
28
wer angesprochen wird. Der Moderator spricht, fragt und antwortet wie zwei
verschiedene Personen in einem Gespräch. Er wechselt seine Rollen allein.
Adressierung bedeutet nach Duden 4:
Die Wechselseitigkeit der Wahrnehmung ermöglicht ferner dadurch, dass man sein
Gegenüber mehr oder minder gut kennt, einen spezifischen Adressatenzuschnitt der
Kommunikation. Dabei spielen insbesondere das Wissen über die andere Partei und ggf. die
gemeinsame Interaktionsgeschichte eine Rolle. Der Adressatenzuschnitt reicht von der
Wahl der Adressierung (verschiedene Formen der Anrede, duzen vs. siezen) über die
Anpassung von Beiträgen an das Wissen des Hörers bis hin zur Themenwahl. (Duden 4, S.
1193)
Akteure haben traditionell drei mögliche Rollen in der Öffentlichkeit: die Sprecherrolle,
die Vermittlerrolle oder die Rolle des Publikums. „Die Kommunikationsrichtung ist
dabei einseitig von den Akteuren, über die Medien an das Publikum gerichtet“
(Gerhards 1998, S. 35; zit. n. Lappe, 2005, S. 29). Wenn man das traditionelle
Öffentlichkeitsmodell betrachtet, unterläuft es in Verbindung mit technisch vermittelter
Kommunikation einer Veränderung (Lappe, 2005, S. 29). Duden 4
bemerkt die
Begrenzungen in der Wechselseitigkeit der Wahrnehmung:
Die Wechselseitigkeit der Wahrnehmung ist in vielen kommunikativen Praktiken gegeben.
In einigen Praktiken – vor allem in solchen, die sich technischer Geräte bedienen – ist sie
eingeschränkt: Bei Telefonkommunikation ist sie auf akustische Wahrnehmung begrenzt;
bei Videokonferenzen gibt es sehr wohl die wechselseitige Wahrnehmung des jeweils
anderen, aber kein gemeinsames Wahrnehmungsfeld. Bei vielen weiteren technisch
vermittelten kommunikativen Praktiken ist die Gleichzeitigkeit und/oder Wechselseitigkeit
der Wahrnehmung jedoch nicht gegeben. Bei einer massenmedial übertragenen Ansprache
ist die Wahrnehmung einseitig, selbst wenn Produktion und Rezeption gleichzeitig
erfolgen. Der Sprecher hat keine Wahrnehmung seines Publikums, sondern er kann es sich
lediglich vorstellen. (Duden 4, S. 1193-1194)
Wären die Gesprächspersonen in einem gemeinsamen Umfeld, hätten sie die
Möglichkeit die umliegende Information zusammen zu bereden. (Duden 4, S. 1194)
Siehe Abbildung 10. Das Wahrnehmungsfeld ist gemeinsam und die Kommunikation ist
interaktiv.
29
Abbildung 10. Gemeinsames Wahrnehmungsfeld, Interaktivität (S.R.)
Immer ist das aber nicht so. In unserer kommunikativen Welt ist es auch möglich, dass
die Umfelder verschieden sind, das heißt, entfernte Orte, und die Kommunikation wird
z. B. durch das Telefon oder eine Videokonferenz geführt. Gleichwohl gibt es noch
mehrere
Teilnehmer.
Die
Wahrnehmungsfelder
sind
verschieden,
aber
die
Kommunikation ist interaktiv (Duden 4, S. 1194). Siehe Abbildung 11.
Abbildung 11. Verschiedene Wahrnehmungsfelder, Interaktivität (S.R.)
Nehmen wir hier ein Beispiel, in dem solche Interaktivität der Kommunikation nicht zu
sehen ist. In einer Nachrichtensendung wird Information vom Nachrichtensprecher
einseitig produziert und die Aufgabe der Zuschauer ist die Rezeption. Hier hat der
30
Sprecher keine Wahrnehmung von dem Zuschauer, nur die Vorstellung von ihm.
(Duden 4, S. 1194.) Es gibt verschiedene Wahrnehmungsfelder und die Kommunikation
geht in nur eine Richtung. Siehe Abbildung 12.
Abbildung 12. Verschiedene Wahrnehmungsfelder, Kommunikation in eine
Richtung (S.R.)
Im Fall der verschiedenen Umfelder und der Kommunikation in eine Richtung nähert
man sich schon den Eigenschaften des Live-Tickers. Ein besonderes Charakteristikum
findet sich aber noch, das den Live-Ticker von anderen Massenmedien, wie Fernsehen
oder Radio, trennt: Das Fehlen der nonverbalen Kommunikation und der prosodischen
Gestaltungselemente. Im Fernseher sieht man die Körperhaltung der Personen, ihre
Bewegungen, Gesichtsausdrücke usw. und ihre Motive, Vorhaben und Stimmungen
sind leichter zu verstehen. Im Radio fehlt das sichtbare Element, aber der Ton
repräsentiert die Körperlichkeit des Sprechers durch Prosodie.
Man könnte auch denken, dass der Live-Ticker sich bei seinen Beschaffenheiten in der
Adressierung sozialen Medien nähert. Zum Beispiel ist es in Facebook dem Benutzer
möglich, seine Nachrichten und Kommentare öffentlich zu aktualisieren, wenn er will.
Die anderen können diese Aktualisierungen lesen und kommentieren. Die
Öffentlichkeitseinstellungen können aber verändert und reguliert werden. Das Problem
dieser Definition bringt auch Szurawitzki (2010, S. 42-43) zum Ausdruck: Gibt es in
den sozialen Medien einen Monolog, Dialog oder Polylog? Was für ein
Kommunikations-Kanal erscheint da? Irgendeiner erzählt alles über sein Leben parallel
(Monolog), andere diskutieren privat miteinander zu zweit (Dialog) und andere chatten
31
in einer Gruppe (Polylog). Die Tatsache ist, dass dies alles im Gebiet der sozialen
Medien gemischt ist. Dies nehme ich als Ansatzpunkt des Problems auch beim LiveTicker: Die Funktion des Live-Tickers beinhaltet außer dem Monolog manchmal auch
den Dialog und den Polylog (siehe auch Live-Ticker-Typen, Kapitel 2.1). Nachfolgend
mehr davon.
Duden 4 (S. 1229-1230) definiert das Gespräch als Komplex von Aufgaben. Ich will
diesen Aspekt mit der Adressierung verbinden und zeigen, dass der Live-Ticker viel mit
einem Gespräch und dadurch mit gesprochener Sprache zu tun hat. Wenn wir uns hier
zwei Gesprächsbeteiligte vorstellen, den Moderator und den Leser, hätten wir laut
Duden 4 „eine Gesprächsorganisation“, die Verständnissicherung ausführen soll.
(Duden 4, S. 1230) Diese Pflicht umfasst folgende Aufgaben:
a.
b.
c.
d.
e.
f.
einen interaktiven Kontakt zu etablieren
ein Gespräch zu eröffnen und zu beenden
zu verdeutlichen, an wen Beiträge gerichtet sind
die Beiträge auf die adressierte Partei oder Person zuzuschneiden
im Vollzug zu überprüfen, ob der produzierte Beitrag verständlich ist bzw. ob man den
Beitrag des Sprechers verstanden hat, und
den Wechsel des Rederechts und damit die Abfolge der Beiträge zu organisieren
(Duden 4, S. 1230)
Die folgenden Beispiele sind Hinweise auf die Ergebnisse meiner früheren Analyse. Die
folgenden Live-Ticker-Kommentare sind Zitate aus dem Live-Ticker von Michael
Wollny (6.4.2010)22.
Der Moderator begrüßt und heißt das Publikum willkommen: „Hallo und Herzlich
Willkommen zum Mega-Duell des Champions-League-Viertelfinale zwischen dem FC
Barcelona und dem FC Arsenal.“ Am Ende dankt er und verabschiedet sich namentlich.
Seine adressierte Partei ist natürlich der Leser, „Danke für Ihr Interesse, einen schönen
Abend wünscht Michael Wollny. Ciao und Servus!“, aber manchmal auch die Spieler:
„Junge, was war das denn?“ Obwohl hier Kommunikation in eine Richtung wegen der
Eigenschaften des Live-Tickers geführt wird, versucht der Moderator irgendeinen
Wechsel zu machen und den Leser zu aktivieren: „Was soll man da noch sagen?“
Der Moderator macht seine Adressierung vielleicht nicht absichtlich, aber meiner
Meinung nach bildet dieser Stil eine wichtige Aktivierung für die Leser/Zuhörer. Um zu
22
http://de.eurosport.yahoo.com/fussball/uefa-champions-league/2009-2010/fc-barcelona-fc-arsenallondon-342095.html
32
sichern, ob der Leser verstanden hat, kann man bei einem Live-Ticker nicht viel
machen. Das Feedback in der Kommunikation fehlt. Trotzdem sind einige Versuche
und Spuren von interaktivem Gespräch erkennbar: „Noch Fragen?“ „Na, nun raten Sie
doch mal!?“
Auf diese Weise behaupte ich, dass der Live-Ticker viele gesprächsorganisatorische
Beschaffenheiten besitzt. Ich werde die Adressierungen in den zu untersuchenden LiveTickern betrachten, analysieren und vergleichen.
5.3
Ellipsen
In diesem Kapitel werden Ellipsen vorgestellt. Wie ich über den Live-Ticker früher
festgestellt habe, ist sein Ziel die Geschehnisse in Realzeit den Lesern zu vermitteln. Es
gibt keine Zeit zu verlieren. Deshalb ist die Kompaktheit der Kommunikation
stellenweise notwendig. Hier kommt die Auslassung der Wortfülle ins Spiel.
Keskustelupuheessa voidaan jatkuvaan puheenaiheeseen viitata toistuvasti pelkästään
pronominilla tai käyttää nolla-anaforaa silloinkin, kun välissä on muita viittauksia.
Käyttämällä anaforista pronominia tai jättämällä tarkoitteen mainitsematta (nolla-anafora)
keskustelija osoittaa ymmärtävänsä, että puheenaihe vielä jatkuu. (VISK, § 1444)
Wenn das Gespräch hier wieder als ein Live-Ticker-Text betrachtet werden würde,
braucht der Leser, der dem Ticker beständig folgt, nicht jede Satzstruktur vollständig
aufzunehmen, um das komplette Gesamtbild zu bekommen. Aber passiert das in der
Praxis?
Kun puheenalainen on keskustelijoiden yhteisen huomion kohteena ja puhe on kiinteä osa
meneillään olevaa toimintaa, tarkoitetta ei ole välttämätöntä ensimaininnan jälkeen mainita
ollenkaan. (VISK, § 1425)
Ellipsen sind laut Duden 4 „ein Mittel, die Kommunikation von störender Redundanz zu
entlasten.“ (Duden 4, S. 909) Das bedeutet aber nicht, dass die Mitteilung unvollständig
wäre. Eher wird die Botschaft logischer dank ihrer Einfachheit.
Ein Fußballspiel hat viele dynamische Aktionen in sich, kodiert in Verben. Deshalb
sollten auch viele Verben in einem Live-Ticker vorkommen. Makarova (2008, S. 308)
hat herausgefunden, dass es in Russisch deutlich weniger Adjektive und Verben in den
33
Sportreportagen als normalerweise in der gesprochenen Sprache gibt. Der Grund für das
Weglassen der Adjektive liegt ihrer Meinung darin, dass alle Bestimmungen zusätzliche
Informationen enthalten, die in einer Sportreportage viel wertvolle Zeit brauchen und
deshalb oft ausgelassen werden. Eine Erklärung dafür, dass es weniger Verben und
mehr Substantive in Sportreportagen gibt ist laut Makarova, dass die ganze
Spielsituation mit einem Wort (Substantiv) beschrieben werden kann, z. B. Pass, Tor.
In meinen früheren Untersuchungen habe ich die Erweiterungsprobe, die Duden 4 auch
verwendet (S. 909), um die Ellipsen zu finden, benutzt. Hier einige Beispiele.
Ausgelassene Phrasen stehen in den eckigen Klammern.
a. [Gibt es] Noch Fragen?
b. [In der Saison 1993/94 gab's mal was zu holen.] Den Pokal der Pokalsieger.
c. Eine Viertelstunde [ist] gespielt [worden].
d. [Haben Sie] Viel Spaß!
Wie hier deutlich zu sehen ist, sind alle elliptischen Sätze völlig verständlich. Die
Ausdrücke haben Satzwert. Im Beispiel b braucht man Zusatzinformation, um den
Kontext zu erläutern, aber trotzdem ist er grammatikalisch und semantisch korrekt.
Manchmal ist eine kürzere Phrase einfach klarer zu verstehen, und in dem hektischen
Tempo eines Live-Tickers begnügt man sich besser auf diese Weise.
In der Analyse wird die Erweiterungsprobe benutzt, um herauszufinden, ob elliptische
Äußerungen typisch auch im zu untersuchenden Material sind. Besonders im Fall der
Adressierung muss sorgfältig analysiert werden, ob es um Ellipsen geht oder nicht.
Wenn ich behaupte, dass der Moderator Fragen stellt, und manchmal auf sie antwortet,
werden die Antworten nicht als Ellipsen gesehen. „Puhutun kielen kuvauksessa ei
kuitenkaan ole tapana nimittää vastauksia tai muita jälkijäseniä elliptisiksi. Ne ovat
kontekstissa sellaisinaan riittäviä.” (Visk, § 1178)
34
5.4
Ungrammatische Formen oder Fehler
Im Folgenden behandle ich ungrammatische Formen oder Fehler. Seibt stellt den LiveTickern kein schmeichelhaftes Zeugnis in Bezug auf Sorgfältigkeit aus:
...[E]ine journalistische Form, die so viel Stumpfsinn, Zeitvernichtung und
Grammatikfehler hervorgebracht hat wie keine andere Form in der ganzen an Unfug nicht
armen Pressegeschichte. (Seibt, 2012, S. 3)
Wie festgestellt wurde, sind Ellipsen keine Fehler, aber solche gibt es im Live-Ticker
allerdings auch. Schreibfehler entpuppen sich normalerweise als menschliches
Versagen, die wir alle unvermeidlich machen. Wenn es keine Zeit für eine gründliche
Prüfung gibt, bleiben die Fehler unbemerkt. Im mündlichen Stil sind die direkten
kommunikativen Kontakte durch Spontaneität gekennzeichnet (Sanders, 1973 S. 41).
Die Spontaneität führt aber auch zu Fehler. Was ist aber ein Fehler?
Einen ‚Fehler‘ sollten wir etwas nur dann nennen, wenn es korrekturbedürftig ist, d.h. wenn
es den jeweiligen Anforderungen nicht entspricht. (Schneider, 2012)
Im Fall des Live-Tickers heißt es also, dass einige Effektmittel nicht als Fehler
kategorisiert werden sollten, z. B. typographische Ersatzelemente (TOOOR!) oder
umgangssprachliche Idiome oder bestimmte Worte (nix), weil sie eine wichtige Rolle in
der gesprochenen Kommunikation spielen. Dagegen stufe ich die unwillentlich
gemachten Schreibfehler als Fehler, z. B. („auff“), ein.
[---] [T]ypical feature is the use of professional slang. These cases may often be evaluated
as errors by an inexperienced audience. Slang affects not only lexical units, but also units of
a more complex structure. Some word choices may seem wrong, but are used as terms [---]
(Makarova, 2008, S. 308)
Makarova (2008, S. 310) meint, dass eine Wiederholung von mehreren Adverbien oder
Partikeln unnötig (ungrammatisch) ist, es kann aber in einer Sportberichterstattung als
Anzeiger für Zögern und Pause benutzt werden:
„two very such quite modest tournaments”
 „two very modest tournaments”/ „two quite modest tournaments”
„it is of course indisputably his best achievement”
 „it is of course his best achievement”/ „it is indisputably his best achievement”
(Makarova, 2008, S. 310)
35
Einige Forscher sind der Meinung, dass es zwei Haupttypen von sprachlichen Fehlern
gibt. Erstens, die Fehler, die wegen des ungenügenden Wissens vom Sprachsystem
vorkommen, und zweitens die Fehler, die im spontanen Sprechen entschlüpfen und
eigentlich nichts mit der Sprachkenntnis zu tun haben. (Makarova, 2008, S. 305) In
meiner Untersuchung habe ich die Annahme, dass die Moderatoren Profis in ihrer
Arbeit und in ihrer Sprache sind, und dass die möglichen Fehler hauptsächlich wegen
der Spontanität verursacht sind. Doch hat die Professionalität eine Wirkung darauf, wie
gut die spontanen Fehler vermieden werden können. Je fachkundiger der Moderator,
desto hochwertiger der Output.
Für die Kommunikation überhaupt ist das Wichtigste, dass die Botschaft verständlich
vermittelt wird. Ob sie einige Stilfehler enthält, ist weniger bedeutend. Doch sagt die
Dichte von Fehlern viel über die Professionalität des Kommunizierenden aus. Duden 4
unterscheidet zwischen Gesprochenem und Geschriebenem klar: „Der Prozess der
mündlichen Verständigung hinterlässt keine anderen Produkte als diese Spuren im
Gedächtnis der jeweils Beteiligten.“ (Duden 4, S. 1182)
Wenn der Moderator seine Aktualisierung macht, ist sie gleichzeitig auch schon
publiziert. Im Live-Ticker folgen die Aktualisierungen ganz schnell nacheinander. Der
Moderator hätte also die Möglichkeit seine Fehler nachträglich in einer neuen Botschaft
zu beheben, wenn er wollte. Wie in der Rede kann man seine Fehler auch im Laufe
seines Sprechens merken und gleich, sogar in der Mitte eines Wortes, die Äußerung
korrigieren. Das hieße beim Ticker die Rücktaste zu benutzen. „Das Erste, was der
Live-Ticker-Autor tut, ist seinen besten Trumpf aus der Hand zu geben. Der Trumpf,
den Schreibende zuvor immer hatten: die Zeitverzögerung.“ (Seibt, 2012, S. 4)
In der Analyse sammle und vergleiche ich die ungrammatischen Formen oder Fehler
und analysiere, was für Fehler gemacht werden.
5.5
Umgangssprachliche Idiome
In diesem Kapitel definiere ich umgangsprachliche Idiome. In der geschriebenen
Sprache des Live-Tickers erscheinen viele für die gesprochene Sprache typische
Umschreibungen und beschreibende Äußerungen. Solche sind im Ticker zum Beispiel
36
„Ein geiles Tor“, „Zuckerpass“ (ein sehr guter Pass), oder eine ganz treffende
Bezeichnung für das Hängen an der Spielkleidung eines Gegners, „die Textilprobe beim
Dress“. In diesem Zusammenhang passen solche Ausdrücke perfekt in die
Bezugsrahmenwelt Fußball und funktionieren als lustige und kontrastreiche
Kommentare. Getrennt vom Kontext würden sie mit ihren wörtlichen Bedeutungen
keine sinnvolle Beziehung zwischen den Tatsachen herstellen. Ein „Zuckerpass“ würde
nämlich bei Tisch mit einem Kind etwas ganz anderes meinen als eine Ballabgabe.
Diese Äußerungen nenne ich „umgangssprachliche Idiome“. Sie sind also Ausdrücke
von umgangssprachlicher Rede.
Da viele Sportfanatiker ihre Sportarten wirklich ernst nehmen, dreht es sich nicht um
die Kommunikation, sondern um das Spiel, oder der Wettbewerb selbst steht im
Rampenlicht. Die Motive können individuell abweichen, aber eins glaube ich ist
offensichtlich für meine Arbeit: Sport macht Spaß. Und Spaß heißt Gefühle: Freude,
aber auch Trauer bei einem Verlust, Eifersucht auf einen besseren Wettkämpfer oder
eine Belohnung für jahrelange Arbeit beim Trainieren. Auf dem Schauplatz herrscht
eine leidenschaftliche Atmosphäre bei den Zuschauern, Athleten und Trainern. Manche
haben auch Geld im Spiel, nämlich die Wettenden und die Sponsoren. Daraus folgt,
dass das Ganze eine bedeutungsvolle Erscheinung zumindest lokal, wenn nicht sogar
national oder weltweit ist.
Es soll auch bemerkt werden, dass es einen Unterschied zwischen phraseologischen
Termen und Idiomen gibt. Phraseologische Terme sind typisch neutral und formal.
Dagegen haben Idiome eine rhetorische und unterhaltende Funktion. Die Idiome werden
absichtlich informell und scherzhaft benutzt. (Matulina, 2008, S. 101-102).
Die lexikalischen Besonderheiten werden in dieser Kategorie gesammelt und in
Hinsicht auf die umgangssprachlichen Idiome betrachtet. Was für ein Wortschatz wird
vom Moderator benutzt? Ist es rein technische und neutrale Arbeitssprache ohne
umgangssprachliche Wörter (ein Merkmal von Gesprochenem) oder verwendet er viele
idiomatische Ausdrücke?
37
5.6 Personalpronomen
In diesem Kapitel stelle ich Personalpronomen vor. Ein Untersuchungsgebiet von PérezSabater et al. (2008) in ihrer Live-Ticker-Analyse sind die Personalpronomen. Die
Definition der Personalpronomen laut Duden 4 heißt:
Untergruppe der Pronomen: persönliches Fürwort (ich, du, wir) (Duden 4, S. 1268)
Auf Finnisch sind die Personalpronomen so definiert:
[…] [V]iitataan puhetilanteen osapuoliin (1. ja 2. persoona) ja puheenalaisiin henkilöihin (3.
persoona). Persoona toimii kieliopillisena kategoriana pronominien lisäksi finiittiverbin taivutuksessa
ja possessiivisuffikseissa (VISK – Iso Suomen Kielioppi. Määritelmät: persoonapronomini)
In dieser Arbeit benutze ich bei den Personalpronomen die folgenden Abkürzungen:
1. P.S. = 1. Person, Singular
1. P.P. = 1. Person, Plural
2. P.S. = 2. Person, Singular
2. P.P. = 2. Person, Plural
3. P.S. = 3. Person, Singular
3. P.P. = 3. Person, Plural
In der interaktiven Kommunikation auf Computerbasis ist die Verwendung der 1. und
der 2. Person typisch. Das ist auch ein Hinweis auf die gesprochene Sprache, weil die 1.
und die 2. Person oft in der mündlichen Kommunikation vorkommen. Dagegen wird die
3. Person mehr in der geschriebenen Sprache gefunden. (Pérez-Sabater et al., 2008, S.
14)
In der Analyse wird betrachtet, welche Personalpronomen in den Live-Tickern
vorkommen. Das Ziel ist zu erklären, ob die Ergebnisse mehr auf die mündliche oder
auf die geschriebene Kommunikation hinweisen. Mithilfe der Personalpronomen
betrachte ich auch, ob die Personalpronomen Adressierungen (wir, ich, du usw.) im
Text verwirklichen. Die möglichen 1. P. P. und 2. P. P. werden also in die Kategorie
„Adressierung“ aufgenommen.
38
5.7
Typographische Ersatzelemente und Symbole
In diesem Kapitel stelle ich zuerst typographische Ersatzelemente, dann Symbole vor.
Der Moderator von einem Live-Ticker versucht meiner Meinung nach die Intensität des
Spielgeschehens durch typographische Ersatzelemente besser zu vermitteln und zu
beschreiben.
Für einige der prosodischen Gestaltungsmittel sind im Schriftlichen Entsprechungen
entwickelt worden. So kann z. B. der Akzent durch typographische Elemente wie Fett- oder
Kursivdruck oder Unterstreichung schriftlich nachgebildet werden. (Duden 4, S. 12061207)
Wenn in einem Radiobericht ein Schrei vom Moderator als Reaktion auf ein Tor zu
hören ist, wird die Stimmung in der Arena dem Zuhörer gut vermittelt. Im Fall des
Live-Tickers ersetzt der Moderator seine fehlenden prosodischen Gestaltungsmittel in
Textform mit Fettdruck und großgeschriebenen oder gedehnten Buchstaben. Zum
Beispiel folgende Ersatzelemente sind in meiner Pilotarbeit gefunden worden:
„TOOOR!“ oder „g-e-n-i-a-l-e-r“. So werden die wichtigsten Geschehen aus dem LiveTicker-Text hervorgehoben. Das ästhetische Aussehen des Textes formt also einen
lebendigeren Eindruck von der schwungvollen Rede und koloriert die Show.
Kommunikative Praktiken wie Nachrichtensendungen oder Sportreportagen sind ohne
Kenntnis ihres Inhalts allein aufgrund ihrer prosodischen Gestaltung als solche zu
erkennen. (Duden 4. S. 1207)
Pérez-Sabater et al. (2008, S. 11) untersuchen traditionelle Indikatoren der
paralinguistischen Besonderheiten in der Kommunikation auf Computerbasis. Diese
paralinguistischen Besonderheiten haben viel mit meiner Untersuchung von
typographischen Ersatzelementen zu tun. Was für prosodische Elemente des
Gesprochenen werden mit diesen paralinguistischen Elementen ersetzt, die oft in der
Kommunikation auf Computerbasis benutzt werden? Hier werden also die Zahl von
Reduplikation der Buchstaben und Zeichensetzung als auch mit Großbuchstaben
geschriebene Wörter gesammelt. Mit Großbuchstaben geschriebene Wörter sind zum
Beispiel Äußerung wie „TOOOR“. Diese Elemente sammle ich in der Analyse
zusammen mit den typographischen Ersatzelementen.
39
Ich stelle Symbole im Folgenden vor. Der in meinen früheren Untersuchungen
analysierte Live-Ticker zeigt seine visuelle Seite bei den Symbolen. Vielerorts
erscheinen Bilder, die durch ihren Symbolismus das Wesentliche über das vorliegende
Geschehnis ausdrücken. Duden 4 weist darauf hin, dass hier ein interessanter Aspekt
mündlicher Kommunikation vorliegt:
Unter mündlicher Kommunikation wird hier die Verständigung zwischen mindestens zwei
Parteien im Rahmen von kommunikativen Praktiken verstanden, in denen die
Kommunikation verbal, körperlich und/oder auf der Grundlage visueller Wahrnehmungen
und Inferenzen […] erfolgt. (Duden 4, S. 1182)
Ich behaupte, dass es sich bei den Symbolen um einen Ersatz von visuellen Elementen
handelt. Hier einige Symbole, die ich in den früheren Analysen gefunden habe.
Ein Fußball, kennzeichnet ein Tor. „
37. TOOOR! Messi!“
Ein Stern, bezeichnet üblicherweise eine Gelegenheit zum Torschuss oder einen
Höhepunkt im Spiel, der nicht ein Tor ist. „ 12. Messi! Da ist die erste echte
Top-Chance!“
Eine Pfeife symbolisiert den Anpfiff, die Zwischenzeiten und den Schlusspfiff.
„ 90.+3 Schluss, Aus, vorbei!“
Eine gelbe Karte, bedeutet, dass ein Spieler eine Warnung wegen Foulspiels
bekommt. Die Farbe könnte auch Rot sein. Dann würde für diese Person ein
Ausschluss folgen. „ 31. Jap. [...] Gelb für Denilson.“
Die Zahl Zwei, repräsentiert die zweite Halbzeit. „
weiter geht’s!“
46. Hola! Vorhang auf,
Ein zweiköpfiger Pfeil symbolisiert einen Wechsel. „
Silvestre macht Platz für Eboué.“
63. Wenger reagiert:
Die Verwendung solcher Symbole bedeutet Zeitersparnis: Mit einem Symbol wird der
Kern eines Geschehens gleich klar. Sie bilden augenblicklich eine Bedeutung im
Bewusstsein des Lesers. Doch verlangen sie immer auch vertiefende Fakten durch das
Berichten. Dass man Symbole favorisiert, könnte ein Zeichen für Geschwindigkeit und
Klarheit des Textes sein. Diese Symbole drücken weniger Gestik, Mimik usw. aus,
sondern sie symbolisieren das Spielgeschehen.
Eigentlich sind die Symbole nicht direkte Elemente gesprochener Sprache, sondern sie
symbolisieren das Spielgeschehen. Die Symbole spielen also ihre eigene Rolle in LiveTickern. Sie haben eine ähnliche Funktion wie die in diesem Kapitel vorher erwähnten
typographischen Ersatzelemente.
40
6
ERGEBNISSE
In diesem Teil werden die Ergebnisse der Analyse vorgestellt und diskutiert. Jedes
Kapitel fängt mit einer kurzen Einleitung an. Darauf folgen die Tabellen zu den
untersuchten Elementen gesprochener Sprache. Danach wird eine Zusammenfassung
des betreffenden Themas in Hinblick auf die Charakteristika der deutschen und der
finnischen Live-Ticker und ihrer Unterschiede gemacht.
Die Live-Ticker A (deutsch) und B (finnisch) behandeln das Spiel Deutschland –
Finnland am 10.9.2008 und die Live-Ticker C (finnisch) und D (deutsch) das Spiel
Finnland – Deutschland am 14.10.2009.
6.1
Gesprächs- und Abtönungspartikeln und Interjektionen
In diesem Kapitel werden zuerst die in der Untersuchung gefundenen Gesprächs- und
Abtönungspartikeln und danach die Interjektionen vorgestellt.
Der Live-Ticker A enthält keine Gesprächspartikeln.
Tabelle 7. Abtönungspartikeln, Live-Ticker A
Abtönungspartikel: Zahl:
wohl
1
aber
22
nur
1
auch
1
Beispiel:
Gomez köpft die wohl
letzte TrochowskiFlanke über das Tor.
köpft den Ball aber
einen Meter zu hoch
über die Querlatte,
kann aber schnell
weiterspielen
Bleibt die Frage:
warum nur diese
“krumme” Zeit
was bleibt ihm auch
anderes übrig
Minute/Ort:
90
88, 84, 83 x 2,
70, 69, 64, 51,
49, 46, 45 x 2,
33 x 3, 27 x 2,
9, 7, 3 x 3
Einleitung
66
41
Abtönungspartikeln gibt es in Live-Ticker A sehr viele und auch viele verschiedene, vor
allem „aber“ und „auch“. Insgesamt sind 25 Abtönungspartikeln zu finden.
Im B-Ticker sind gar keine Gesprächspartikeln zu finden. Auch die Abtönungspartikeln
fehlen in diesem Live-Ticker. Das macht den Eindruck, dass der Live-Ticker B aus dem
Blickwinkel von Abtönungs- und Gesprächspartikeln eher schriftsprachlich geschrieben
wäre.
Auch im Live-Ticker C findet man keine einzige Gesprächspartikel und keine
Abtönungspartikeln. Wie bei dem Live-Ticker B ist auch der Live-Ticker C in dieser
Hinsicht sehr schriftsprachlich zu sehen.
Tabelle 8. Gesprächspartikeln, Live-Ticker D
Gesprächspartikel: Zahl:
übrigens
1
ja
2
also
1
aber
13
Beispiel:
Übrigens wurde die
von landert Zeit von
einem Hamburger für
Finnland geschrieben.
Ja das war viel Glück
bisher
Ja Spiel ist zu Ende
Also weiterhin 1:0 für
Finnland
Aber Adler hat die
Kugel,
Aber auch der kommt
nicht an.
Minute/Ort:
17:56
19:52 x 2
19:08
18:22, 18:45,
19:08, 19:13,
19:14, 19:19,
19:20, 19:22,
19:33, 19:37,
19:41, 19:42,
19:47
Im Live-Ticker D kommen wieder einige Gesprächspartikeln vor. Insgesamt enthält
dieser Live-Ticker 17 Beispiele mit Gesprächspartikeln. Aus dieser Gruppe sind
dreizehn „aber“-Wörter. Sie eröffnen die Sätze.
42
Tabelle 9. Abtönungspartikeln, Live-Ticker D
Abtönungspartikel: Zahl:
ja
1
wohl
1
aber
16
mal
4
auch
1
Beispiel:
Ich will ja nicht
meckern.
Klose macht sich warm
und wird wohl gleich
ins Spiel kommen.
Dann aber Abeits
durch Poldi
Dann ist aber Friedrich
zur Stelle.
dann war Gomez aber
eine Sekunde zu spät
am Ball.
Jetzt mal, aber mal
sehen
Aber es hat auch erst
nach über 20
Ballkontakten der
Finnen ein Deutscher
gestört.
Minute/Ort:
19:41
19:31
18:04, 18:05,
18:06, 18:09,
18:01, 18:33,
18:34, 18:35,
19:07, 19:09,
19:11, 19:27,
19:32, 19:37,
19:40, 19:51
18:19, 19:27,
19:40, 19:47
18:22
Im Live-Ticker D kommen insgesamt 23 Abtönungspartikeln vor. Vor allem erscheint
„aber“ (16), dazu kommt „mal“ (4) mehrere Male vor.
Es zeigt sich, dass die finnischen Moderatoren keine zusätzlichen Gesprächs- oder
Abtönungspartikeln benutzen. Im Gegensatz dazu verwenden ihre deutschen Kollegen
Abtönungspartikeln, der Moderator vom Live-Ticker D auch Gesprächspartikeln, um
ihre Texte zu variieren. Die deutschen Moderatoren wirken so, als ob sie diese Partikeln
als a) ein Hilfsmittel der lebendigen Art und b) um Zeit zu gewinnen, um nur eine kurze
Weile ihre nächste Äußerung überdenken zu können, verwenden.
Interjektionen wurden in den Live-Tickern überhaupt nicht gefunden. Wenn ich also in
den Live-Tickern relativ viele Interjektionen gefunden hätte, hätte es ein Hinweis darauf
sein können, dass der Live-Ticker als eine Textsorte in der Nähe des Sprechens liegt.
Das ist aber nicht der Fall.
43
6.2 Adressierung
Im Folgenden werden die Adressierungen der Live-Ticker in einer Tabelle vorgestellt
und danach diskutiert.
Tabelle 10. Adressierungen
Live-
Zahl der
Beispiel:
Ort/Minute:
Ihnen noch einen schönen
Nachwort,
Abend und später dann eine
22,
erholsame Nacht, die haben wir,
Einleitung x
mittlerweile hinter uns…!,
2
Ticker: Adressierungen:
A
4
Herzlich Willkommen
B
1
Huomaa
Einleitung
C
0
-
-
D
11
Wie geht das heutige Spiel aus?
17:29, 17:39,
Willkommen!
17:42, 17:53,
(Stimmt, viel ist das nicht)
18:58, 19:25,
Wenn ihr wollt, kommt mit.
19:45, 19:46,
Vielen Dank. Tschüss bis
19:48, 19:54
gleich.
x2
Im Live-Ticker A werden einige klare Adressierungen gemacht. Zum Beispiel
Begrüßungen und Abschied. Auch mit den Wörtern „wir“ und „uns“ macht der
Moderator eine Verbindung zwischen ihm und seinem Publikum. In diesem Ticker
wurden insgesamt vier Adressierungen gefunden.
Im Live-Ticker B wurde eine Adressierung gefunden. Das Wort „Huomaa“ ist in der
Einleitung als eine Aufforderung vom Moderator benutzt.
Im Live-Ticker C wurden keine Adressierungen gefunden.
Im Fall D ist es so, dass der Moderator die Grenze seines Monologs mit elf
44
Adressierungen
durchbricht.
Am
meisten
hat
er
die
Rolle
des
Senders
(Sprecher/Schreiber), aber oft nimmt er auch die Rolle des Empfängers (Hörer/Leser)
ein. Ein Beispiel ist: „Wechsel Finnland. Nyman für Litmanen. (Stimmt, viel ist das
nicht)“. Wechselseitigkeit der Kommunikation zeigt auch die Frage am Anfang: „Wie
geht das heutige Spiel aus?“ Auf die Frage haben die Leser ihre Antworten gegeben.
Es ist sehr deutlich geworden, dass die deutschen Moderatoren einige Adressierungen in
ihren Live-Tickern benutzen. Die Finnen dagegen machen das nicht: Nur eine
Adressierung wurde im Live-Ticker B gefunden. Die deutschen Live-Ticker scheinen in
dieser Kategorie interaktiver.
6.3 Ellipsen
In der Tabelle 11 werden die Zahl der in der Untersuchung gefundenen Ellipsen
vorgestellt. Danach folgt die Analyse. Bei den Beispielen sind die in Klammern
geschriebenen Wörter Teil der Erweiterungsprobe (siehe Kapitel 5.3), womit man die
elliptische Struktur testen kann.
45
Tabelle 11. Ellipsen
Live-
Zahl der
Ticker:
Ellipsen:
A
68
Beispiel:
Minute/Ort:
(ES IST DIE) Halbzeit in
Einleitung x 6,
Helsinki, so (SAGT)
Einleitung/Spielminute 0
Bunderstrainer Löw, die
x 2, 3 x 2, 6, 9, 22 x 2, 23,
Finnen (SIND) wieder in
27 x 2, 30, 31 x 2, 33, 35 x
Ballbesitz
2, 38 x 4, 39, 41 x 2, 43 x
2, 45 x 8, 48, 49, 52 x 2,
53, 57, 59, 64, 69, 71, 76,
78, 80 x 2, 82 x 2, 83, 84,
88, 89, Nachwort
B
17
torjuu (MITÄ?), osujana
(ON?)
C
4
D
102
,(KUKA?) syötti
Eremenkolle, (KENEN?)
Tilalle juoksee Joonas
Kolkka.
klärt (WAS?), Die
Aufstellung (SIND):,
(IST) aber ohne Idee,
(DAS WAR DER)
Anpfiff der 2. Halbzeit
7, 14, 20, 30, 31, 33, 35,
68 x 3, 82 x 2, 84, 89, 90 x
2, 91
46, 58, 60, 66
17:45, 17:51, 17:57,
17:58, 17:58, 18:01, 18:04
x 2, 18:05 x 2, 18:06,
18:09, 18:10 x 2, 18:11,
18:12 x 2, 18:13, 18:14 x
2, 18:14, 18:15, 18:17 x 2,
18:18 x 4, 18:20, 18:21,
18:21, 18:23, 18:27,
18:28, 18:33, 18:34,
18:34, 18:35, 18:39 x 3,
18:40, 18:45 x 2, 18:47,
18:47, 18:48, 18:49,
19:01, 19:03 x 2, 19:07,
19:08 x 3, 19:08, 19:09,
19:10, 19:13 x 2, 19:14,
19:15, 19:16, 19:18 x 3,
19:19, 19:20 x 2, 19:23,
19:24, 19:25, 19:27,
19:30, 19:30, 19:32,
19:33, 19:33, 19:35, 19:37
x 2, 19:38, 19:39 x 2,
19:40, 19:43, 19:45,
19:46, 19:48, 19:48 x 2,
19:50 x 2, 19:51 x 3,
19:51 x 2, 19:52, 19:53,
19:53, 19:54
46
Nach der Untersuchung ist es klar geworden, dass die deutschen Moderatoren über
achtmal mehr elliptische Äußerungen in ihren Live-Ticker-Texten als ihre finnische
Kollegen benutzen. Der deutsche Live-Ticker A enthält 68 Ellipsen, der finnische LiveTicker B 17. Noch größer ist der Unterschied im zweiten Spielpaar: Im finnischen LiveTicker C gibt es nur 4 Ellipsen, in dem deutschen Live-Ticker D sogar 102. Meiner
Meinung nach ist das ein bedeutungsvolles Zeichen für die Mündlichkeit im LiveTicker, und vor allem in der deutschen Live-Ticker-Sprache. Eine sehr typische
Äußerung für den Live-Ticker D ist z. B. „Gute Flanke von Cacau“. Das ist also sehr
eindeutig eine elliptische Struktur.
47
6.4 Ungrammatische Formen oder Fehler
In der folgenden Tabelle 12 werden die ungrammatischen Formen und Fehler mit
einigen Beispielen aufgelistet.
Tabelle 12. Ungrammatische Formen oder Fehler
Live-
Zahl der
Ticker:
ungrammatischen
Beispiel:
Ort/Minute:
Hyypíä, .bei,
64, 46, 38
Formen oder
Fehler:
A
3
Brsutannahme
B
C
11
2
nlaukoo, pusuku,
Einleitung x 2, 3, 9, 19,
metgristä, nMika
28 x 2, 30, 35, 65, 74
Falscher Spieler:
11, 81
Lahm ist nicht
Torwart, kulmapoku
D
25
Keikkinen,
17:51 x 3, 17:53, 18:14
Pokokara,
x 2, 18:18, 18:20,
Hämälainen, wirv,
18:28, 18:29, 18:36,
galube
18:58, 19:03, 19:16,
19:23, 19:27, 19:28,
19:30 x 2, 19:36, 19:38,
19:39, 19:43, 19:47,
19:53
Die drei Fehler im deutschen Live-Ticker A sind einfach Schreibfehler, ansonsten ist
alles grammatisch in Ordnung.
Bei dem finnischen Ticker B sind die Fehler ähnlich, aber er enthält 11 Fehler. Im LiveTicker B sind die Spielminuten bis zu der 64. Minute fettgedruckt, danach nicht, also
rechne ich das nicht als einen Fehler.
48
Die zweite finnische Live-Ticker C ist grammatisch fast perfekt – mit nur einem
Schreibfehler – aber er macht einen Fehler mit dem Spieler: Lahm ist nämlich nicht ein
Torwart, wie er behauptet, sondern ein Abwehrspieler/Mittfeldspieler.
Bei dem zweiten deutschen Live-Ticker D summieren sich sogar 25 Fehler, von
welchen viele Schreibfehler mit falschen Buchstaben geformt sind. Der Moderator vom
Live-Ticker D macht viele elementare Fehler in seinem Text. Es ist für ihn typisch, dass
er selten Kommas zum Beispiel bei den Wörtern „aber“ und „dass“ benutzt, was
grammatisch richtig wäre. Er macht aber auch Satzzeichenfehler, z. B. „Gute Flanke
von Cacau, die kommt perfekt auf Gomez.“ Für den Moderator sind die finnischen
Spielernamen ein Fallstrick, wo er sehr viele Fehler macht.
Wegen der Verteilung der Ergebnisse kann also kein deutlicher Unterschied zwischen
den Tickern in den zwei Sprachen bei den ungrammatischen Formen oder Fehlern
gesehen werden. Was ich aber betonen will, ist die erfüllte Hypothese: Die Eile macht
Fehler. Insgesamt 41 Schreibfehler wurden in diesen geschriebenen Texten gefunden.
Das ist so viel, dass man Ähnlichkeiten zu der gesprochenen Sprache sehen sollte.
Die hohe Anzahl von Fehlern im Live-Ticker D kann etwas mit der hohen Anzahl von
Kommentaren zu tun haben. Der Moderator schreibt in fast jeder Minute einen
Kommentar. Die Zahl der Kommentare ist 175 und die Zahl der aktualisierten Minuten
ist 55. Er schreibt also schnell und viel. Dann können auch mehr Fehler vorkommen.
49
6.5 Umgangssprachliche Idiome
Hier werden die in der Untersuchung gefundenen umgangssprachlichen Idiome
vorgestellt:
Tabelle 13. Umgangssprachliche Idiome
LiveTicker:
A
Zahl der
umgangssprachlichen
Idiome:
37
Beispiel:
Ort/Minute:
den Turbo starten, Danke
sagen, die Marschroute
Nachwort x 2, 88 x
2, 83, 70 x 2, 69 x
3, 53, 49, 48, 46,
45 x 4, 33 x 2, 28,
23 x 3, 19, 18, 16,
14, 9 x 2, 7, 3 x 3,
Einleitung x 3
Nachwort, 92 x 4,
91, 90, 89, 87 x 3,
82 x 3, 79 x 2, 78,
76 x 2, 74, 73 x 2,
72 x 2, 71 x 2, 67,
65, 63, 60 x 3, 36,
35, 33, 30, 27, 19,
5, Einleitung x 7
7, 33 x 2, 35, 38,
44, 49, 60, 61, 77 x
2, 90
17:59, 18:14,
18:20, 18:35,
18:36, 19:11,
19:14, 19:20, 19:22
x 2, 19:24, 19:27,
19:30, 19:35,
19:52,19:53
B
46
painua maaliin, haistaa
virhe, ei pysty selvittämään
flipperipalloa
C
12
D
16
siivota ykköspallo, laukoa
paluupallo verkkoon,
kantapääkikka
sich die Kugel schnappen,
Gefahr ausstrahlen, ballern,
den Ball spitzeln
Sowohl die Finnen als auch die Deutschen benutzen viele umgangssprachliche Idiome.
In vielen anderen Kategorien haben die finnischen Moderatoren ihre Texte sehr sachlich
gehalten, aber der bunte Wortschatz gibt hier den Texten schon Gewürz.
Insgesamt haben die Deutschen trotzdem mehr umgangssprachliche Idiome benutzt. Der
Stil der Finnen und Deutschen ist bei den Idiomen ähnlich: Es ist humoristisch (danke
sagen, laukoa pallo taivaan tuuliin), dramatisch (gefährlich/vaarallisesti) und
beschreibend (kulma menee pitkäksi/aus halbrechter Position voll draufhalten). Diese
Äußerungen haben mit ihrem Inhalt die Wirkung von gesprochener Sportreportage. Die
50
umgangssprachlichen Idiome gehören zum Sport, und sie gehören zu den beiden
finnischen und deutschen Live-Tickern.
6.6 Personalpronomen
In der Tabelle 14 werden die Personalpronomen aufgelistet. Die vorkommenden
Formen der Personalpronomen sind nach ihrem Ort in folgender Formel ausgelistet:
Vorwort + Tickertext + Nachwort = Insgesamt.
Tabelle 14. Personalpronomen
LiveTicker
A
1. P.S.
1. P.L.
2. P.S.
2. P.L.
3. P.S.
3. P.L.
0+0+1=1
4+1+1=6
-
-
B
-
-
-
-
C
D
0+3+0=3
0+2+0=2
-
0+0+1=1
27+118+
13=158
17+143+
0=160
2+79=81
1+102+3
=106
14+25+1
=40
8+9+0=
17
0+4=4
0+19+0=
19
Im Live-Ticker A wird deutlich und hauptsächlich die dritte Person Singular benutzt
(158). Dazu eine andere wichtige, mittelgroße Gruppe ist die dritte Person Plural (40).
Zusätzlich kleinere und selten vorkommende Formen der Personalpronomen sind 1. P.
P. (6) und 1. P. S. (1).
Der Moderator im Live-Ticker B benutzt auch die dritte Person Singular (160).
Manchmal gebraucht er dazu die dritte Person Plural (17). Außer Aktivformen kommen
auch fünf (1+4+0=5) Passivformen vor.
Auch der Live-Ticker C enthält zum größten Teil 3. P. S. in seinen Personenpronomen
(81). Auch hier bleibt 3. P. P. in der Minderheit (17). Neben den Aktivformen sind auch
zwei (0+2=2) Passivformen zu finden.
Der Live-Ticker D erscheint als der vielseitigste bei den Formen der Personalpronomen.
Im Live-Ticker D ist die hauptsächlich benutzte Personenform 3. P. S. (106). Weniger
als 3. P. S., aber deutlich mehr als die anderen Personalformen ist 3. P. P. (19)
51
gebraucht. Danach kommen auch die 1. Person Singular (3) und die 1. Person Plural (2).
Der Live-Ticker D ist der Einzige, wo in dieser Untersuchung 2. P. P. gefunden werden
konnte (1). Auch Passivformen sind zu sehen (0+8+0=8).
In der Untersuchung ist klar geworden, dass die deutschen Moderatoren auch die 1.
Person benutzen, die Finnen nicht. Das Ergebnis kommt wahrscheinlich aus der
Benutzung des redesprachtypischen Textes in den deutschen Live-Tickern. Das gibt den
deutschen Live-Tickern wieder ein weiteres Element gesprochener Sprache. Die
finnischen Live-Ticker dagegen benutzen nur die 3. Person, die hauptsächlich in allen
Tickern in der Mehrzahl waren. Die einigen Beispiele für die 1. Person sind für die
Untersuchung ein interessantes Ergebnis.
Ich spekuliere über die Funktion der Passivformen in den beiden finnischen LiveTickern so: Die Passivformen der finnischen Moderatoren könnten meiner Meinung
nach ein Ersatz für die Aktivform 1. P. P. me sein. Diese Passivform wird oft im
gesprochenen Finnisch benutzt:
Passiivimuotoa käytetään puhutussa kielessä myös monikon ensimmäisen persoonan
muotona (Me käytiin välillä kotona; […] sekä imperatiivina (Käydään hei välillä kotona
[…] Syntaktisesti nämä käytöt eivät kuulu passiiviin, koska niillä on aktiivitaivutuksen
tehtävä ja koska niihin voi liittyä ilmisubjekti, me. Raja passiivikäyttöön ei kuitenkaan ole
tarkka (VISK – Iso Suomen Kielioppi §1315)
Wenn das der Fall ist, dass die finnischen Passivformen als ein Ersatz für 1. P. P.
funktionieren, hat das eine Wirkung auf die Ergebnisse. Man könnte behaupten, dass
der festgestellte Unterschied in der Mündlichkeit zwischen den finnischen und den
deutschen Live-Tickern nicht so deutlich ist. Zumindest muss das in der
Schlussfolgerung beachtet werden.
6.7
Typographische Ersatzelemente und Symbole
In diesen folgenden Tabellen werden die typographischen Ersatzelemente von den LiveTickern vorgestellt, dann analysiert. Zuerst wird der Live-Ticker A betrachtet:
52
Tabelle 15. Typographische Ersatzelemente, Live-Ticker A
Typographisches
Ersatzelement:
Gedoppelt, mit
großgeschriebenen
Buchstaben und mit
Ausrufezeichen
Spielername mit
großgeschriebenen
Buchstaben
Zeichensetzung
Zahl:
Beispiel:
Minute/Ort:
6
TOOOOR!
82, 52, 43, 41,
35, 31
9
MIROSLAV
KLOSE
31, 35, 39, 41,
52, 59, 71, 80 x 2
6
..
!
84 x 2, 38, 22 x
2, Einleitung
Der Live-Ticker A benutzt typographische Ersatzelemente einerseits wie ein
sprechender Moderator: Die Äußerungen, wenn ein Tor gemacht wird, sind mit
großgeschriebenen Buchstaben und gedoppelt geschrieben. Anderseits sind die
Spielernamen auch mit großgeschriebenen Buchstaben geschrieben, wenn sie das erste
Mal genannt werden (oder zweimal, wenn sie aus dem Spiel genommen werden). Auch
Zeichensetzung wird benutzt: Die Auslassungspunkte und die Ausrufezeichen kommen
vor. Insgesamt 21 typographische Ersatzelemente findet man im Live-Ticker A.
Tabelle 16. Typographische Ersatzelemente, Live-Ticker B
Typographisches
Ersatzelement:
Spielminuten bis
64. Minute mit
Fettdruck
Titel, Ingress,
Untertitel mit
Fettdruck
Zahl:
Beispiel:
Minute/Ort:
26
36., 60., 63., 64.,
bis 64. Minute
3
Titel, Ingress,
Untertitel
Mit
großgeschriebenen
Buchstaben,
gedoppelt und
Zeichensetzung
Namen
1
Suomi ja Saksa
pelasivat 3-3tasapelin,
Näin peli eteni:
MAAAAALIIIIII!
Einleitung x 9
Zeichensetzung
3
Sami Hyypiä,
Aila Ikonen
!
9
33
79 x 2,
Einleitung
Der Live-Ticker B benutzt Fettdruck in jeder Spielminutenanmerkung – bis zu der 64.
Minute. Danach passiert meiner Meinung nach entweder so, dass der Fettdruck
weggenommen wird, weil er versehentlich an ist, oder so, dass er an sein sollte und in
53
der 64. Minute versehentlich weggenommen wurde. Dieser Vorgang könnte auch als ein
Fehler aufgelistet werden (siehe auch Ungrammatische Formen oder Fehler, Kapitel
6.4). Dazu sind der Titel, der Ingress und der Untertitel zum Ticker auch fettgedruckt,
sowie in der Einleitung genannte Spielernamen. Einmal werden großgeschriebene und
gedoppelte Buchstaben mit einem Ausrufezeichen benutzt: Wenn der finnische
Moderator berichtet, dass die Finnen ein Tor geschossen haben, wird das besonders
stark betont. Die Zahl der typographischen Ersatzelemente ist 42 im Live-Ticker B.
Tabelle 17. Typographische Ersatzelemente, Live-Ticker C
Typographisches
Ersatzelement:
Mit
Zahl:
Beispiel:
Minute/Ort:
3
JALKAPALLOILU,
Anfang x 3
großgeschriebenen
HELSINGIN
Buchstaben
SANOMAT, VESA
MOILANEN /
LEHTIKUVA
Der Titel mit
1
Fettdruck
Halbzeitanmerkungen
Näin eteni SaksaSuomi
2
1. puoliaika:
mit Fettdruck
Spielminuten mit
Anfang der 1.
und 2. Halbzeit
30
Fettdruck
Aufstellungen mit
Titel
3
9. minuutti:,
Entsprechende
11. minuutti:
Minuten
Suomi (4-1-3-1-1):
Endanmerkungen
Fettdruck
Im Live-Ticker C sind die Spielminuten, die Halbzeitanmerkungen und die
Aufstellungen mit Fettdruck geschrieben. Dazu sind z. B. die Titel der Zeitung, der
Sportabteilung und des Live-Tickers mit Fettdruck und mit großgeschriebenen
Buchstaben geschrieben. Die Rolle der typographischen Ersatzelemente in diesem
Ticker ist nicht bemerkbar. Sie funktionieren wie Überschriften, ganz getrennt vom
Haupttext. Trotzdem geben sie Tempo fürs Lesen und der Text gliedert sich so in
Absätze. Im Live-Ticker C findet man insgesamt 39 typographische Ersatzelemente.
54
Tabelle 18. Typographische Ersatzelemente, Live-Ticker D
Typographisches
Ersatzelement:
Mit großgeschriebenen
Buchstaben
Titel und einleitende
Frage mit Fettdruck
Teams mit Fettdruck
Zahl:
Beispiel:
Minute/Ort:
2
IST,
DEUTSCHLAND
Wie geht das heutige
Spiel aus?
Finnland,
Deutschland
19:25, 19:48
Wichtige
Spielgeschehen mit
Fettdruck (*zusätzlich
auch mit
großgeschriebenen
Buchstaben)
22
Tor, Eckball/Ecke,
Freistoß, Wechsel,
An/Halbzeit/Abpfiffe,
Aufstellungen: z. B.
Eckball Finnland,
Halbzeit
Spielminutenangaben
mit Fettdruck
14
Spielminute 14
Deutschland –
Finnland 0:1
Nationalität mit
Fettdruck
8
Finnen, Deutschen
Zeichensetzung
3
..
2
56
Titel, 17:29
17:45 x 2, 17:51,
18:02, 18:09, 18:10 x
2, 18:14, 18:17, 18:20
x 2, 18:21 x 2, 18:23,
18:24, 18:25, 18:27,
18:31, 18:34, 18:36 x
2, 18:38, 18:39, 18:40,
18:43, 18:47, 18:49,
19:00, 19:03, 19:05,
19:06 x 2, 19:08,
19:13, 19:14, 19:17,
19:18 x 2, 19:23,
19:24, 19:25, 19:27,
19:28, 19:30 x 2,
19:33, 19:37, 19:38,
19:39 x 2, 19:43,
19:45, 19:51, 19:52,
19:53, 19:54
18:01, 18:10, 18:12*,
18:20, 18:39, 18:48,
19:01, 19:03, 19:08*,
19:14, 19:18, 19:25,
19:30, 19:33, 19:37,
19:39 x 2, 19:42*,
19:45, 19:51 x 2, 19:52
18:10, 18:15, 18:21,
18:27, 18:40, 18:49,
19:03, 19:06, 19:23,
19:30, 19:38, 19:43,
19:53, 19:54
18:03, 18:04, 18:05,
18:06, 18:07, 18:18,
18:29, 18:35
18:13, 19:48 x 2
Der Live-Ticker D hat die Eigenschaft, dass die Benutzung der typographischen
Ersatzelemente nicht logisch wirkt. Verschiedene Hilfsmittel werden unregelmäßig
gebraucht. Es scheint sogar, dass die semiautomatischen Aktualisierungen keine
Regelmäßigkeit
haben:
Fettdruck
wird
doch
häufig
gebraucht,
aber
die
semiautomatischen Aktualisierungen sind manchmal mit einem Komma oder
Doppelpunkt
ausgerüstet
und
manchmal
nicht.
Mit
den
semiautomatischen
55
Aktualisierungen meine ich die fast regelmäßigen Updates, in denen die wichtigste
Information des Spiels repräsentiert wird. Für den Live-Ticker D sind sie typisch. Wie
im Fernsehen entsprechende Aktualisierungen (Wechsel, Spielzustand, Halbzeit,
Abpfiff, Tor usw.) werden diese auch in diesem Live-Ticker D gesehen. Der Moderator
lebt und atmet mit dem Spiel, und er zeigt auch wirklich in seinem Text, dass er den
Sieg Deutschlands wünscht. Auch Großschreiben ohne Fettdruck als auch
Zeichensetzung kommen vor. Einige Wörter spielen eine standardisierte Rolle, und sie
werden oft fettgedruckt: z. B. die Teams (Finnland/Deutschland), die Halbzeitpfiffe
(Anpfiff/Halbzeit/Abpfiff), wichtige Spielstände (Tor/Eckball/Freistoß/Wechsel) als
auch Spielminutenangaben. Insgesamt ist die Zahl der typographischen Ersatzelemente
im Live-Ticker D 107.
Die Zusammenfassung dieser Kapitel ist, dass die deutschen Moderatoren mehr
typographische Ersatzelemente als die finnischen Moderatoren in den Live-TickerTexten benutzen. Die Funktion dieser Elemente ist in den deutschen Live-Tickern
wichtiger und vielseitiger.
In der Tabelle 19 sind die Symbole vorgestellt.
Tabelle 19. Symbole, Live-Ticker A
Symbol:
Name:
Bedeutung:
Zahl des
Ort/Minute:
Symbols:
Der Pfiff
Der Anpfiff und
4
der Schlusspfiff
Der
Ein Tor
90, 45 x 2,
Einleitung
6
Fußball
82, 52, 43, 41,
35, 31
Der
Ein neuer
Wechsel
Spieler ersetzt
3
80, 71, 39
1
59
seinen
Teamkameraden
Die gelbe
Ein Fehler, eine
Karte
Warnung
56
Nur im Live-Ticker A findet man Symbole. Die Bedeutungen der Symbole werden
immer auch mit Texterklärung geöffnet. Mir erscheinen die Symbole trotzdem
eindeutig. Sie machen die Lokalisierung der Spielgeschehen für den Leser einfacher und
schneller. Die Spielgeschehen sind wirklich die Höhepunkte: Die Tore, Pfiffe,
Warnungen und Wechsel.
In den anderen Live-Tickern B, C und D kamen keine Symbole vor. Es kann also gesagt
werden, dass die finnischen Moderatoren gar keine Symbole benutzen. Weil aber auch
nicht beide deutschen Moderatoren die Symbole benutzen, kann nicht behauptet
werden, dass es ein nationaler Unterschied wäre. Trotzdem können wir feststellen, dass
zumindest in diesen Daten in deutschen Live-Tickern Symbole öfter vorkommen.
57
7
SCHLUSSWORT
In dieser Pro-Gradu-Arbeit habe ich einen quantativen Vergleich deutscher und
finnischer Live-Ticker in Hinblick auf die Elemente gesprochener Sprache ausgeführt.
Das Untersuchungsmaterial bestand aus zwei finnischen und zwei deutschen FußballLive-Tickern. Zum Schluss fasse ich in diesem Kapitel die Ergebnisse der
Untersuchung
zusammen
und
mache
einige
Hinweise
auf
die
weiteren
Untersuchungsmöglichkeiten.
Nach der Untersuchung kann ich feststellen, dass die finnischen Moderatoren keine
Gesprächs- oder Abtönungspartikeln in den Live-Tickern benutzen. Dagegen haben die
deutschen Moderatoren in ihren Live-Ticker-Texten eine große Menge und eine bunte
Auswahl von verschiedenen Abtönungspartikeln. Die Gesprächspartikeln werden nur
im Live-Ticker D benutzt. Das gibt mir den Eindruck, dass die Deutschen die
gesprochene Sprache im Live-Ticker-Text benutzen, die Finnen nicht. Bei den
Interjektionen war das Ergebnis überraschend. Interjektionen kommen in den LiveTickern nicht, weder in den finnischen noch in den deutschen, vor.
Die finnischen Moderatoren machen ganz wenig Adressierungen in ihren Texten
verglichen mit ihren deutschen Kollegen. Die deutschen Moderatoren zeigen viele
Adressierungen und machen ihre Live-Ticker interaktiver. Das kann auch im
Zusammenhang mit den Live-Ticker-Typen stehen: Der Live-Ticker D gehört zum Typ
2 (Interaktiver und heteroglossischer Live-Ticker) und der Live-Ticker A zum Typ 3
(monologisches Verweisungskonto auf die Spielgeschehen mit einer relevanten
Chatseite), wogegen die finnischen Live-Ticker zum Typ 1 (extralinguistische
Ereignisse) gehören. Wie schon festgestellt, ist die höhere Interaktivität und niedrigere
Professionalität in dem Live-Ticker-Text für die Live-Ticker-Typen 2 und 3 typisch.
Deshalb scheinen die deutschen Live-Ticker interaktiver als die finnischen. Die
gefundenen Adressierungen erscheinen wie direkt aus einem Gespräch zwischen zwei
Personen genommen.
Die Funktion der Gestik und der Mimik übernehmen die typographischen
Ersatzelemente im Live-Ticker-Text. Im Fall vom Live-Ticker A spielen auch die
Symbole eine Rolle in der Symboliesierung des Spielgeschehens. Vor allem
58
funktionieren die typographischen Ersatzelemente meiner Meinung nach als ein Ersatz
für z. B. Ausrufe. Ich habe herausgefunden, dass die typographischen Ersatzelemente
die Bedeutung des Live-Ticker-Textes erklären können. Wenn man den Live-TickerText vorliest und dann ein typographisches Ersatzelement vorkommt, muss der Leser
das Wort betonen oder verlängern. Zwischen den finnischen und den deutschen LiveTickern gab es einen klaren Unterschied: In den deutschen Live-Tickern kamen mehr
typographische Ersatzelemente als in den finnischen Tickern vor. Zusätzlich zur Menge,
waren die Funktionen der typographischen Ersatzlemente auch vielseitiger in den
deutschen Live-Tickern.
Ungrammatische Formen oder Fehler sind nach meiner Hypothese typisch in den LiveTickern, in beiden Sprachen. Die Fehlerdichte ist aber unterschiedlich zwischen den
Tickern: Einer von den deutschen (A) und einer von den finnischen (C) Live-Tickern
sind fast fehlerfrei. Andererseits enthalten der finnische Live-Ticker B und der deutsche
Live-Ticker D viele Fehler. Besonders im Live-Ticker D muss es eine Beziehung
zwischen der hohen Anzahl von Fehlern und der hohen Anzahl von Kommentaren
geben. Der Live-Ticker ist eine chaotische Umwelt für den Schreiber. Zu viel passiert
zu schnell, und das alles sollte im Text live aktualisiert werden. Viele Sätze enden nicht
mit einem Punkt. Viele von diesen Sätzen sind aber nicht als falsch behandelt worden,
sondern sie scheinen eine Rolle als Überschriften zu haben.
Es ist im Laufe der Analyse klar geworden, dass Fußballsprache elliptische
Satzstrukturen enthält. Vor allem ist das der Fall bei den deutschen Live-Tickern. Es
wäre ein gutes Untersuchungsthema für die Zukunft zu betrachten, ob diese Eigenschaft
nur in der Rede der deutschen Live-Ticker-Moderatoren vorkommt, oder ist das
wirklich ein deutlicher Unterschied zwischen der deutschen und der finnischen
Sprache? Es ist klar, dass der Moderator in der geschriebenen Sprache vorsichtiger als
in der gesprochenen Sprache sein soll, weil der Text und seine Fehler bleibend sind.
Umgangssprachliche Idiome sind in allen Live-Tickern vorgekommen. Ihr Inhalt ist
locker, humoristisch und sie beschreiben das Spielgeschehen auf eine unterhaltende
Weise. Der Stil der umgangssprachlichen Idiome ist ähnlich in beiden, den finnischen
und den deutschen Live-Tickern. Wie gesehen, machen sie mit ihrem Inhalt den
Eindruck von gesprochener Sportreportage. Wenn das Spiel eine Weile ohne besondere
Geschehnisse verläuft, hat der Moderator mehr Zeit, tiefere Spielanalysen zu machen.
59
Er kann auch über etwas, was nichts mit dem Spiel zu tun hat, sprechen. Das erinnert
ebenfalls an gesprochene Sportberichterstattung. Die Moderatoren haben historische
Resultate gesammelt und stellen Statistiken vor. Wenn das Spiel wieder einen
Höhepunkt hat, haben sowohl die Finnen als auch die Deutschen manchmal gute Witze
und Kommentare, die gut die Spielgeschehen beschreiben, auch bei den schnellen
Spielgeschehen zu bieten. Wie oben bei den typographischen Ersatzelementen erwähnt
wurde, machen auch solche umgangssprachliche Idiome den Text vielseitiger und
lebendiger. Was mich hier besonders interessiert, ist die folgende Tatsache: Das Streben
nach Lebendigkeit führt zu der Annahme, dass es hier zwei Dimensionen gibt: eine
leblosere Schriftsprache und eine lebendigere Umgangssprache.
Bei den Personalpronomen gab es einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den
deutschen und den finnischen Live-Tickern. „Normaler“ Gebrauch war die dritte Person
in allen vier Live-Tickern, aber in den deutschen Tickern kam auch die für die
gesprochene Sprache typische 1. Person vor. Das ist ein deutliches Merkmal von
Mündlichkeit in den deutschen Live-Tickern. In der Untersuchung sind auch einige
finnische Passivformen vorgekommen. Wenn die finnischen Passivformen als ein Ersatz
für 1. P. P. funktionieren, hat das eine Wirkung auf die Ergebnisse. Dann ist der
festgestellte Unterschied in der Mündlichkeit zwischen den finnischen und den
deutschen Live-Tickern nicht so deutlich. Das wäre ein weiteres Untersuchungsthema.
Es könnte die Schlussfolgerung gemacht werden, dass im Untersuchungsmaterial sehr
mündliche deutsche Live-Ticker und einigermaßen mündliche finnische Live-Ticker
gefunden wurden. Gleichzeitig gab es also viele Belege dafür, dass der Live-Ticker als
eine Textart wirklich Elemente gesprochener Sprache enthält. Teilweise kann der LiveTicker also als geschriebene Rede gesehen werden.
Dass Deutschland den WM 2014 -Titel gewonnen hat, vermindert sicher nicht die Rolle
des Fußballs in Deutschland und in seinen Medien. In Finnland wächst die Sportart
immer mehr jedes Jahr. Im Laufe der Untersuchung hat mich völlig überrascht, wie viel
die Linguistik Fußball eigentlich untersucht hat. Das muss eine Folge der Beliebtheit
des Fußballs sein. Die Weltmeisterschaftsspiele 2014 in Brasilien waren die erste
wirkliche Fußball-Tournee, wo soziale Medien so intensiv benutzt wurden. Im Laufe
dieser Arbeit habe ich die Fußballwelt besser kennengelernt. Jetzt verstehe ich, warum
einige Fans Fußball fanatisch folgen. Wenn etwas verpasst wird, ein wichtiges Spiel
60
zum Beispiel, kann es genau nachher durch den Live-Ticker analysiert werden. Die
Person kann ein wirklicher Fußballkenner sein, und will wissen, wie bestimmte Spieler
und Spielstrategien erfolgreich waren.
Nach Lappe (2005, S. 26) kann nur das Fernsehen ein stärkeres Live-Gefühl für das
Publikum als Online-Redakteure, wie zum Beispiel in Live-Tickern, bieten. Das Radio
kann nur eine Dimension vermitteln, den Ton. In Live-Tickern gibt es die Möglichkeit
viele Dimensionen zu verbinden. Der Live-Ticker hat viele
Vorteile des
Onlinejournalismus, womit er auch in der Zukunft seine Rolle im Wettbewerb der
Medien behaupten kann. Was ich als eine tiefere Untersuchung in der Zukunft
ausgeführt sehen möchte, wären die folgenden, meiner Meinung nach perfekt zu dem
Live-Ticker passenden Eigenschaften: Lappe (2005, S. 23ff) nennt sechs positive
Möglichkeiten für die zukünftige Sportberichterstattung: Interaktivität, Aktualität,
Hypertextformat, Speicherkapazität, Multimedialität und weltweiter Zugang. Ich halte
vor allem die Interaktivität sehr wichtig für die weitere Benutzung von Live-Tickern.
Ich behaupte, dass die Live-Ticker wegen der Aktualität eine große Rolle auch
weiterhin in Sportmedien spielen werden. Jede Sportveranstaltung kann noch nicht im
Fernsehen gesendet werden. Viele werden nur im Pay-TV gezeigt. Das gibt LiveTickern die Chance mit ihrer Aktualität um Nachfolger zu kämpfen.
Ewig ist, was geschrieben wird.
61
QUELLENVERZEICHNIS
Primärliteratur:
http://www.sportal.de/fussball/wm-qualifikation/finnland/deutschland/2008-09-10.html
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http://www.iltasanomat.fi/huuhkajat/art-1288339256605.html 10.5.2015
http://www.coveritlive.com/index2.php?option=com_altcaster&task=viewaltcast&altcas
t_code=d8a1e40eff&ipod=y 10.5.2015
http://www.hs.fi/urheilu/artikkeli/N%C3%A4in+eteni+Saksa%E2%80%93Suomi/1135
250034053 10.5.2015
Wollny, Michael (Eurosport) http://de.eurosport.yahoo.com/fussball/uefa-championsleague/2009-2010/fc-barcelona-fc-arsenal-london-342095.html 10.5.2015
Sekundärliteratur:
Bieber, Christoph & Hebecker, Eike, 2002: You’ll never surf alone: OnlineInszenierungen des Sports. In: Mediensport. Ein einführendes Handbuch. Hohengehren.
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sprachwissenschaftlicher Sicht." Aachnener Symposion „Einmal Elfenbeinturm und
zurück – Das schwierige Verhältnis von Sprachwissenschaft und Sprachkritik“. Ein
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63